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Es war bereits Nacht, als das Elektroboot erneut langsam an unserem Versteck vorbeischnurrte. Der Lichtstrahl des Suchscheinwerfers fuhr über das Schilf.
In diesem Moment begann Ailif zu schreien. Ich warf mich auf ihn und drückte ihm den feuchten Lappen auf den Mund.
Es ging also los.
Das Boot fuhr weiter. Sie hatten den Schrei nicht gehört, ich hatte ihn rechtzeitig erstickt.
Ailifs Augen waren vor Schreck geweitet und unnatürlich weiß in dem schweißüberströmten schwarzen Gesicht. Er starrte mich an, schien mich aber nicht zu sehen. Dann hob er den Blick zum Himmel, an dem zwei helle Vollmonde zu sehen waren.
»Es sind tiefe Seen auf den Monden«, flüsterte er. Und dann schrie er wieder. Ein langer qualvoller Schrei, der in einem Röcheln endete. Er hatte das Bewusstsein verloren.
Ich sah nach seinem Bein. Im Mondlicht konnte ich erkennen, wie das erste Fletschjunge die Haut durchbrach. Mit seiner schwarzen Rückenflosse, scharf wie eine winzige gezähnte Klinge, schnitt es sich einen Ausgang. Eine Minute später erschien das zweite, dann das dritte, dann das vierte … Bald sah Ailifs Oberschenkel aus, als sei er dicht von schwarzen Federn bedeckt.
Ich konnte mir vorstellen, welche Schmerzen das bedeutete. An sieben Stellen war die Haut aufgeschlitzt, und sieben fingerlange Rankentiere wanden sich ins Freie. Das erste ließ sich auf den Boden fallen und strebte zielsicher aufs Wasser zu. Ich zertrat es. Gleich darauf verendete das zweite knirschend unter der Sohle meiner Sandale. Ich erwischte und erledigte sie alle.
Ich hasste diese Viecher. Wie konnte Gott solche Kreaturen in die Welt setzen, die nur Qual verursachten und sonst absolut unnütz waren?
Trotz des hellen Mondlichts – zwei der großen Apostel standen dicht beieinander – musste ich eine Zeit lang geschlafen haben. Ich erwachte durch ein patschendes und raschelndes Geräusch am Fluss. Ein Fletsch suchte mit seinen Ranken das Ufer ab. Vermutlich das Elterntier, das seine geschlüpfte Brut vermisste.
Die beiden Apostel sanken dem Horizont entgegen. Sie sahen wie die riesigen Augen eines nachtaktiven Tiers aus, das über den Himmel kroch.
Vor der Morgendämmerung kam Nebel auf. Ich hörte eine Schiffsglocke und sah schemenhaft, wie ein Floß vorüberzog. Wie gern wäre ich hinausgerudert und mit ihm flussabwärts ins Delta gereist, aber ich konnte Ailif unmöglich so liegen lassen. Also harrte ich bei ihm aus.