Kapitel Neun­und­zwanzig
I ch sah in die gleichen Augen wie die meinen. Kalt und bedrohlich. In dieser Hinsicht glichen wir uns wie ein Ei dem anderen. Konnten wir doch so viele Emotionen in nur einen Blick legen.
Meine Schwester schmollte darüber, dass ich das Messer abgefangen hatte. Hätte sie es doch tatsächlich gewagt, beinah die Prinzessin zu verletzen.
Ich rang sichtlich um Beherrschung. Das merkte auch Sophia.
Liam war ebenso am Tisch geblieben, obwohl ich einen ausdrücklichen Befehl gegeben hatte. Doch meine beiden Geschwister dachten, dass meine Regeln für sie nicht galten. Ich glaubte, ich müsste wieder etwas strenger mit ihnen werden. So lief das hier nämlich nicht!
»Ich lasse euch jetzt die Wahl, aber nur, weil ihr meine Geschwister seid. Entweder lernt ihr endlich, meine Befehle zu befolgen – ob sie euch passen oder nicht, interessiert hier keinen – oder ihr könnt gehen!«
Meine beiden Geschwister sahen mich fassungslos an. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet.
»Das kannst du nicht ernst meinen?«, fragte mich meine Schwester perplex.
»Doch, Sophia, er meint es todernst!
Dasselbe hat er gestern auch schon zu mir gesagt, nachdem ich der Kleinen etwas zu nahe gekommen bin und Enzo deshalb ausgeflippt ist.«
Sophia öffnete schockiert den Mund. Ich schüttelte nur genervt den Kopf.
»Nein, deshalb habe ich es nicht gemacht, Liam! Ich habe dir gesagt, du sollst dich fürs Erste von ihr fernhalten. Sie ist gerissen und war dabei, dich auszunutzen. Ich weiß noch immer nicht, ob sie dich nicht doch verarscht hat. Du bist auf mich losgegangen, wenn ich dich daran erinnern darf. Und du hast mir eine reingehauen, ohne dass Konsequenzen gefolgt sind. Aber so geht es nicht mehr weiter. Ihr habt euch meiner Sache angeschlossen, wolltet mir folgen und unter mir dienen. Als meine Geschwister. Also handhabt es auch weiterhin so, oder geht. Mehr habe ich nicht zu sagen!« Eindringlich sah ich sie an.
»Du veränderst dich. Das liegt an ihr. Und du verlangst von uns, dass wir dabei zusehen und nichts unternehmen?«, fragte meine Schwester mich streng.
»Ich verändere mich nicht, Sophia! Wir hatten nur noch nie solch einen Gegner. Hier heißt es Taktik ändern und schlauer sein. Und wenn ich dafür die Prinzessin da oben einlullen muss, um zu bekommen, was ich will, dann tue ich das! Aber auch hier gilt: Ihr habt meine Befehle und Entscheidungen nicht zu hinterfragen. Wann geht das endlich in eure Schädel rein?!« Mein Ton wurde streng und ließ keine Widerworte mehr zu.
Meine beiden Geschwister tauschten intensive Blicke miteinander aus, dann nickten sie schließlich.
»In Ordnung, Enzo. Wir haben verstanden.«
Auch Sophia meldete sich zu Wort.
»Ja, aber gefallen wird es mir trotzdem nicht. Und wenn sie dich verarscht, bin ich die Erste, die ihr die Kehle durchschneidet, dass das gleich klar ist!«
Ich musste über ihr Gesagtes schmunzeln. Ja, wir waren schon ein verrückter Haufen an Familie.
Dann nickte ich schließlich.
»Gut. Sonst noch was?«, fragte ich eher der Höflichkeit wegen als aus Interesse.
»Ja, hat jemand mein Handy gesehen? Ich kann es nach gestern nicht mehr finden. Unten im Badezimmer habe ich schon alles durchsucht.«
Ich sah meinen Bruder ungläubig an.
Das hat dieses Miststück jetzt nicht getan, oder?!
Dieses kleine, gerissene Luder inszenierte hier eine mega Show und für was? Um an sein Handy zu kommen. Wen sie schon alles angerufen haben könnte? Sie war zu lange allein gewesen.
Wie konnte ich nur so dumm auf ihre Unschuldsnummer reinfallen?
Okay, Baby, der Schonwaschgang ist hiermit beendet!
Ich rannte regelrecht die Treppen nach oben, nahm immer gleich zwei Stufen auf einmal und stürmte den Gang entlang. Aleks lehnte gelangweilt mit dem Rücken an der Tür an. Als er mich kommen sah, richtete er sich augenblicklich auf.
»Was ist passiert, Boss?«, fragte er mich alarmiert.
»Wie lange ist sie schon allein?«, stellte ich ihm eine Gegenfrage.
Aleks stutzte kurz.
»Zwanzig Minuten, vielleicht auch mehr, warum?«
»Weil unser gerissenes Kätzchen gestern Liams Handy nach oder während der Aktion geklaut hat. Was meinst du, ob ich es aus ihr rausbekommen werde?« Ich grinste meinen besten Freund diabolisch an. Normalerweise würde er mit einsteigen und fragen, was er tun könnte. Doch mir war klar, dass ich bei allem, was die Prinzessin und Folter betraf, nicht auf ihn zählen können würde.
»Es kommt drauf an, was du mit ihr vorhast? Du weißt, wie stur sie ist. Mit Druck und Gewalt wirst du hier nicht viel erreichen.«
Ich hob eine Braue.
»Zu vorhersehbar, mein Freund. Hat sie dir gerade wieder den Kopf verdreht, hm?«
Aleks schüttelte eben genau diesen.
»Nein! Wir haben uns kaum unterhalten. Deshalb stehe ich ja hier schon so lange draußen. Ich wollte nur meine Bedenken preisgeben, Boss!«
»Wenn ich sie hören will, dann frage ich dich danach!«, knurrte ich ihm ungehalten entgegen und bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, mir Platz zu machen. Er folgte sofort und ging zur Seite. Ich trat mehr die Tür ein, als dass ich sie normal öffnete. Die Prinzessin erschrak halb zu Tode, sah mich fragend auf dem Boden liegend an.
So wie sie aussah, hatte sie gerade Sport gemacht, trotz ihrer Verletzungen. Langsam richtete sie sich auf und kam in den Stand.
Bedrohlich ging ich auf sie zu, dicht gefolgt von Aleks.
»Was ist passiert?«, hakte sie alarmiert nach. Ich schnalzte tadelnd mit der Zunge. Sofort verdrehte sie wieder die Augen.
»Kann es sein, dass du ein ungezogenes kleines Kätzchen warst?«, fragte ich sie mit einer solchen Schärfe in der Stimme, dass sie unweigerlich zusammenzuckte und einen kleinen Schritt zurückwich. Dann ging ihr Blick hilfesuchend zu meinem besten Mann in meinem Rücken.
»SIEH NICHT IHN AN, SONDERN MICH!«, brüllte ich.
Sie wich zwei weitere Schritte zurück.
»Da ich wohl nun endlich deine volle Aufmerksamkeit habe, wirst du mir sicher eine einfache Frage beantworten können. Wir versuchen das jetzt einfach mal, ja, Prinzessin?!«
Beunruhigt runzelte sie die Stirn, blieb jedoch stumm.
»Gut. Dann verrate mir doch: Wo ist Liams Handy?« Ich beobachtete sie genau, doch sie zeigte keinerlei Reaktion. Entweder hatte sie aufgrund meines Auftritts schon damit gerechnet oder sie spielte besser, als ich dachte.
Sie schüttelte nur den Kopf.
Erneut schnalzte ich mit der Zunge.
»Ich weiß nichts über irgendein Handy. Falls du dich erinnerst, war ich ständig irgendwo eingesperrt.«
Langsam ging ich auf sie zu. Dieses Mal wich sie nicht vor mir zurück.
Da ist sich aber jemand etwas zu siegessicher, das sollten wir ändern.
»Na, na! Du wirst mich doch jetzt nicht anlügen? Du hattest sehr wohl die Gelegenheit. Während eures Ficks zum Beispiel?!«
Ein kleines Lächeln huschte ihr über die Lippen.
Aleks trat sofort dichter an mich heran.
Miststück!
»Du brauchst es nur zu sagen, wenn du eifersüchtig bist.«
Ich machte einen schnellen Satz nach vorne und packte sie am Kragen. Nur wegen unseres Deals fiel meine Reaktion so glimpflich für sie aus. Fest drückte ich sie an meinem Shirt, das sie trug, hoch. Die Prinzessin keuchte erschrocken auf und sah mich erstaunt an. Sie hatte wohl nicht mit so etwas gerechnet. In meinem unerbittlichen Griff rutschte das Oberteil soweit hoch, dass es ihren unteren Brustansatz freilegte.
»So, versuchen wir es erneut. Wo ist das Handy und wen hast du damit angerufen? Und Prinzessin, das ist deine letzte Chance! Danach werde ich richtig ungemütlich!« Mein eiskalter Blick durchbohrte sie, doch natürlich hielt sie ihm stand.
Dummes Mädchen!
»Ich sagte doch schon, dass ich nichts weiß!« Sie hielt sich mit ihren Händen an meinen Armen fest, versuchte somit, nicht den Halt und das Shirt zu verlieren.
Aleks musterte das Geschehen stumm. Vielleicht sollte er sich mal ein bisschen um sie kümmern?
Ich ließ sie so schnell los, wie ich sie gepackt hatte. Als sie auf ihrem verletzten Fuß aufkam, schrie sie einmal laut auf.
»Aleks!« Ich trat einen Schritt zurück und nickte zu ihr. Ganz der Soldat, zögerte er nicht eine Sekunde.
Gut so! Wenigstens auf ihn ist Verlass!
Nun wandelte sich ihr Blick doch, als sie Aleks mit donnernden Schritten auf sich zukommen sah. Sie wich jedoch nicht vor ihm zurück.
Interessiert beobachtete ich ihre Reaktionen.
Aleks blieb dicht vor ihr stehen, packte sie grob an ihren Haaren am Hinterkopf und drückte sie zu sich nach oben. Ihr Hals wurde dabei in eine sehr unbequeme und schmerzhafte Haltung gezwungen. Zischend ließ sie die Luft aus und funkelte ihn wütend, nein beinah verletzt an.
Also hatten sie doch etwas mehr geredet, als mein Freund mir eben hatte weismachen wollen. Sonst würde sie jetzt eher mit Trotz und nicht mit Emotionen reagieren.
»Spuck’s aus!«, knurrte er.
Sie hob tatsächlich abfällig eine Braue.
Ist diese Frau noch zu glauben?!
»Kein netter Kosename mehr, hm? Jetzt, wo der große Häuptling hinter dir steht. Das ist erbärmlich!«, spuckte sie ihm entgegen.
»Ganz vorsichtig, Kätzchen! Ich kann auch anders!«, drohte Aleks mit dunkler Stimme. Er erhöhte den Zug auf ihren Haaren, doch sie zeigte außer einem schmerzverzerrten Gesicht keine Reaktion.
»Du weißt, wie das zwischen uns läuft. Ich stellte dir eine Frage und du antwortest artig darauf. Also, wo ist das Handy?«
»Wie Mr. Oberarsch schon schlau festgestellt hat, war ich anderweitig zu beschäftigt, um auch nur an irgendein dummes Handy zu denken«, konterte sie frech. Aleks knurrte sie drohend an. Selten hatte ich ihn so unbeherrscht bei einer Frau gesehen. Gut zu wissen, dass ich nicht der Einzige war, den sie so auf die Palme bringen konnte.
Dennoch kamen wir so nicht weiter. Die Prinzessin war sich zu sicher, dass Aleks ihr nichts tun würde, leider war ich das auch.
»Lass sie los!«, gab ich genervt den Befehl. Aleks gehorchte augenblicklich. Sie rieb sich den Hinterkopf und nahm doch wieder zwei weitere Schritte Abstand.
Dann reckte sie wie so oft stolz ihr Kinn.
Ich hatte noch nie eine solch sture und zugleich starke Frau gesehen.
Konzentrier dich, Enzo! , mahnte ich mich im Stummen selbst.
Ich ging zu meiner Kommode mit meinen geliebten Spielzeugen und zog etwas hervor. Ich hatte es, wie den Bolzen in der Decke, von Mike für sie beschaffen lassen.
Schwere Eisenhandschellen mit einer langen Kette. Diese konnte ich je nach Belieben lang lassen, damit sie ihre Hände entspannt hinter sich hatte, oder kurz, damit ihre Arme nach oben gezogen wurden. Über Stunden hinweg konnte das sehr schmerzhaft werden.
Mit ihrem neuen Schmuckstück kam ich zynisch grinsend auf sie zu. Als sie erkannte, was es war, riss sie erschrocken die Augen auf und schüttelte ungläubig den Kopf. Sie wollte vor mir zurückweichen, doch ich war schneller. Ich packte sie an ihrer verletzten Hand und drückte zu. Sie schrie laut auf. Ich ging nicht darauf ein, nutzte die Gelegenheit und legte ihr die Eisenhandschellen an beide Hände. Als sie in das kleine Schloss einrasteten, sah sie entgeistert auf ihre Hände.
»So«, begann ich gedehnt.
»Da du uns ja nichts sagen wolltest, folgt deine Strafe. Na, dann los, geh in deine Ecke«, verspottete ich sie. Bei dem Gesichtsausdruck, den sie machte, konnte ich einfach nicht ernst bleiben. Die Prinzessin hatte wohl wirklich nicht damit gerechnet, dass ich meine Drohung wahrmachen und sie bei Ungehorsam an die Wand ketten würde. Sie schüttelte immer wieder fassungslos den Kopf.
»Das hast du nicht getan!«, flüsterte sie dann.
Ich grinste noch etwas breiter.
»Siehst du doch. Ich hatte dir die Wahl gelassen. Du hättest nur spuren müssen. Aber vielleicht verrätst du es mir ja die kommenden Tage noch. Wir haben schließlich viel Zeit, da dein Bruder sich ja nicht bei mir meldet.«
Erneut weiteten sich ihre Augen.
Na warte, du kleines Luder, ich werde dich noch brechen!
»Und wenn ich dir die Wahrheit sage? Du mir aber nicht glaubst? Was dann?«, fragte sie mich bissig.
Ich zuckte unbeteiligt die Achseln.
»Dann hättest du vorher nicht so viel tricksen, lügen und betrügen dürfen, Prinzessin.«
»Ich habe dich nicht betrogen! Das kann ich gar nicht. Jemanden betrügen heißt, dass derjenige einem mal etwas bedeutet hat, aber du bist nichts für mich! Ich hasse dich!« Das Letzte spuckte sie mir nur so entgegen.
»Prinzessin, nicht Hass ist das Schlimmste, was du für einen Menschen empfinden kannst, sondern Gleichgültigkeit. Merk dir das!«
Mit diesen Worten überließ ich sie ihrem Schicksal.
Ich gab Aleks den Befehl, sie stramm und schmerzhaft an die Wand zu ketten, dann verließ ich breit grinsend mein Zimmer. Sie sollte jetzt erst einmal allein schmoren.
»Chef?« David kam mir im Gang entgegen. Ich nickte ihm zu.
»Liam sucht dich. Er denkt, er könnte Walkers Versteck gefunden haben.«
»Aha?«, fragte ich interessiert.
Wir liefen im Gang nebeneinander her.
»Was passiert jetzt mit der Prinzessin? Sie soll Liams Handy geklaut haben? Sie wird doch sicher ihren Bruder kontaktiert haben. Er wird sie bald holen kommen, Boss.« Für seine jungen Jahre war er schon sehr fit in seinem Job. Er machte seine Arbeit sehr gut und gewissenhaft, dabei nahm er es wirklich ernst und sah das nicht nur als Scheißspiel an.
Deshalb konnte ich David gut leiden.
Wir ähnelten uns sehr. Keiner wusste, was in seiner Vergangenheit passiert war, weshalb er hier am Rande der Hölle gelandet war, doch das spielte auch keine Rolle. Nun war er einer von uns. Und in ein paar Jahren, oder Jahrzehnten, könnte er mich sogar als Hunter ablösen. Wer wusste schon, was die Zukunft brachte. Ich könnte auch morgen sterben.
Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Meine Leute waren schlimmer als Waschweiber. Hier in diesem Haus blieb nichts lange unentdeckt.
»Ja, sie hat sein Handy geklaut. Ich weiß nur noch nicht, wo sie es versteckt oder wen sie kontaktiert hat. Aber Jason war sicher der Erste.«
Gefolgt von ihrem Märchenprinzen, dachte ich bitter.
»Und was machst du jetzt mit ihr, Chef? Es wird geredet …« Ich drehte mich blitzschnell zu ihm um, packte ihn am Kragen, hob ihn leicht hoch und zog ihn dicht vor mein Gesicht.
»Was wird geredet?«, knurrte ich ihn an.
»Dass … dass du vielleicht zu weich zu ihr bist, Chef. Aber ich weiß natürlich, dass das nicht stimmt. Du hast bestimmt einen Plan.« Ich schubste ihn kräftig von mir.
»So ist es.«
Eigentlich nicht!
Doch vielleicht käme mir ja noch ein brillanter Plan.
David richtete wieder sein Hemd, dann gingen wir weiter.
In Liams Hightech-Zimmer angekommen ließ ich mich genervt auf die Couch fallen. Joe, David und Liam waren ebenfalls hier. Aleks betrat wenig später das Zimmer. Sein Blick sprach Bände. Ihm passte es nicht, dass ich ihm befohlen hatte, sein Kätzchen so hart anzupacken.
Diva!
»Was ist jetzt?«, fragte ich ungehalten. Meine Laune war am Tiefpunkt angelangt.
Liam drehte sich in seinem Schreibtischstuhl zu mir herum und musterte mich fragend.
»Mein Handy?«
Aleks sprach statt meiner. Er merkte, dass mir gerade die Nerven dafür fehlten, dumme und lästige Fragen zu beantworten.
»Sie redet nicht!«
»Aber das wird sie noch!«, verbesserte ich meinen Freund zähneknirschend.
»Weiter jetzt!«, befahl ich Liam. Dieser nickte nur und drehte sich wieder zu seinen Bildschirmen.
»Ich beobachte schon seit einigen Tagen etwas Auffälliges.«
Ich wurde hellhörig und stellte mich dicht hinter Liam, um ebenfalls auf seinen Desktop blicken zu können.
»Was hast du beobachtet?«, fragte ich drängend, da ich nichts entdecken konnte.
»Hier.« Liam deutete mit dem Finger auf das Meer, auf einen kleinen Punkt vor dem Hafen von New York. Ich zog die Stirn kraus.
»Geht es noch etwas genauer, bitte?!«, forderte ich mürrisch. Mein Bruder seufzte einmal, dann zoomte er ran. Es dauerte einen Moment, bis das Bild sich wieder scharf stellte.
»Eine Yacht?«, fragte ich skeptisch, als ich es erkannte.
»Was soll Walker denn auf einer Yacht?«, fragte Aleks ebenso skeptisch wie ich. Auch er war nun nähergetreten.
»Ich bin mir ziemlich sicher, das ist sein Versteck. Und so kommt er auch immer wieder ungesehen in unser Revier. Er fährt mit seiner Yacht in den Hafen von New York. Dort sind unsere Leute nicht primär aufgestellt.«
»Na, jetzt schon!«, brummte Joe ungemütlich. Ich nickte ihm zu, schon war der Hüne mit dem Handy am Ohr gepresst aus dem Zimmer verschwunden und bellte seine Befehle in den Hörer.
»Das ergibt keinen Sinn. Wieso sollte sich Walker auf dem offenen Meer vor mir verstecken? Und Jason soll auch dort sein, oder was?« Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Das war mir dann doch etwas zu weit hergeholt.
»Was macht dich denn in deiner Annahme so sicher, dass es sich hierbei wirklich um Walker und Jason handelt?«, fragte mein bester Mann.
»Sicher bin ich mir nicht. Es ist nur seltsam. Seitdem Katherine hier bei uns ist, hat sich die Yacht nicht mehr bewegt. Eigentlich darf sie sich dort aber nicht aufhalten, zumindest nicht so lange. Das ist mir dann doch ein zu großer Zufall.« Ungläubig hob ich eine Braue.
»Ich denke, das ist nichts. Such weiter!«, entgegnete ich meinem Bruder genervt. Liam sah mich über die Schulter fragend an.
»Willst du nicht wenigstens einen unserer Spitzel hinschicken?«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Aber such trotzdem weiter und versteif dich nicht nur auf diese eine, für mich völlig kalte Spur.« Mein Bruder nickte und begann wieder wie wild auf der Tastatur zu tippen.
Ich wollte gerade das Zimmer verlassen, da kam Joe zurück.
»Ich habe jetzt meinen Männern den Befehl gegeben, jeden Hafen nach Black und Walker zu filzen. Sie werden auf diesem Weg nicht mehr unentdeckt an Land kommen, Boss.«
»Gut. Ach, und setz auch deine Nutten auf die beiden an. Wenn Liams Verdacht mit der Yacht stimmt, dann müssen sie sich auf solch engem Raum gute Ablenkung besorgen, um die Männer bei Laune zu halten. Vielleicht ist ja eine gesprächige Nutte unter ihnen gewesen.«
Der Hüne nickte mir untergeben zu, dann wandte er sich schon wieder zum Gehen ab.
»Was sollen wir solange tun, Boss?«, fragte David fachmännisch.
»Mir nicht auf den Sack gehen und ebenfalls nach diesen Bastarden suchen.« Meine Laune kippte und kippte immer mehr. Denn meine Gedanken wanderten immer wieder zu der kleinen Prinzessin zurück. Wie sie sich mir und meinem Willen abermals widersetzte. Es machte mich noch rasend.
David musterte mich einen Augenblick lang stumm, dann nickte er schließlich und entfernte sich.
Ich verließ genervt den Raum, dicht gefolgt von meinem besten Mann.
»Was willst du noch?«, brummte ich über meine Schulter.
»Auf dich aufpassen, Boss. Du siehst so aus, als stündest du kurz davor, wieder zum Koks zu greifen. Wenn du willst, kümmere ich mich eine Weile um sie, bis du dich wieder besser im Griff hast?«
Ich blieb abrupt stehen, drehte mich langsam zu ihm um und fixierte ihn mit strengem Blick. Aleks blickte mir ebenso streng entgegen.
»Klar, weil du sie auch brechen kannst? Das habe ich gerade gesehen. Selbst sie wusste, dass du ihr nichts tun wirst. Also sag mir, wie du sie zum Reden bringen willst, ohne sie jedoch zu ficken, MEIN FREUND?!« Ich stand wieder kurz davor, bei ihm die Beherrschung zu verlieren, denn mir waren seine Blicke und ihre vertrauten Reaktionen auf ihn nicht entgangen.
Aleks schüttelte leicht den Kopf.
»Ich sagte, ich rühr sie nicht wieder an!«
»Und doch hast du mich erneut angelogen, was sie betrifft. Ihr habt euch wohl doch recht angeregt unterhalten.«
Sofort wich Aleks meinem Blick aus.
»Und genau deswegen kann ich dich nicht in ihrer Nähe gebrauchen! Am Ende lullt sie dich wieder soweit ein, dass du sie noch frei lässt. Nein!« Mein Blick sowie meine Haltung duldeten keine Widerworte und doch setzte er tatsächlich noch einmal zum Sprechen an.
Beherrsch dich!
»Ich habe ihr nur erklärt, dass ich sie nicht mehr anrühren werde und es keine Lovestory zwischen uns geben wird. Mehr nicht! Und ich habe sie nicht so grob angepackt, weil es gegen euren Deal verstoßen hätte. Aber gut, wenn das dein ausdrücklicher Befehl ist, Boss.« Durch und durch Soldat. Ich schüttelte leicht den Kopf.
»Verschwinde jetzt!«
Aleks nickte, dann stapfte er wütend davon. Für solch einen perfekten Profikiller war er manchmal eine ganz schön große Diva.
Noch einmal atmete ich tief durch, dann ging auch ich wieder nach oben. Ich brauchte schließlich ein paar Antworten von meiner Prinzessin. Und ich würde sie auch bekommen!