» Sie wurde geboren im Land der brennenden Bäume«, erzählte Cchrlivan. »Ihr Vater war einst ein berühmter Schmied, berühmt, bis er seinen Schwertarm verlor und die Leute ihn vergaßen. Er hielt sie und ihren Bruder versteckt und lehrte sie alles, was er wusste, bis sie kämpfen konnten, kämpfen wie der Feuergott selbst.«
»Wie hieß ihr Vater, wie hieß er?«, fragte Rena und dachte: Einen Bruder hat sie also!
»Taros«, sagte Cchrlivan. »Er war der große Taros!«
Rena war beeindruckt. Sie hatte den Namen schon gehört, man kannte ihn selbst in anderen Gilden. »Was geschah dann? Hat er sie ausgeschickt?«
»Ich weiß nicht.« Cchrlivan quittierte die Unterbrechung mit vorwurfsvoller Miene. »Das sagt die Legende nicht, die Legende.«
»Was erzählt man sich noch?«
»Sie liebte einen Mann der Luftgilde, doch sie wurde verraten.«
Kein Wunder, dass Alix nicht gerne darüber sprach! »Was ist passiert?«, drängte Rena.
»Sie wollten sich in Liebe treffen, in Liebe, aber er gab den Ort preis, für Gold und Ruhm in seiner Gilde. Nur knapp entkam sie.«
»Sie schwor Rache?«, fragte Rena, die Alix kannte.
»Das tat sie. In der Fehde von Belén tötete sie dafür hundert von ihnen ganz allein, hundert! Doch sie würde nie einen Caristani töten, nie würde sie das.«
»Hat sie den Mann, den sie liebte, auch …?«
»Er ging fort, in eine ferne Provinz, um seine Schuld zu sühnen, seine Schuld, aber er vergaß sie nie, die Frau mit der Haut aus Metall.« Mit großen Augen sah der Welpe Rena an. »Jetzt ist sie unbesiegbar, denn sie hat die Frau bei sich, die jedes Wesen versteht, jedes Wesen.«
Rena antwortete nicht. Sie spürte den Nachhall seiner Worte in ihrer Magengrube, vor ihrem inneren Auge sah sie das Blut, sah die Schwerter und spürte, wie sich eine Gänsehaut auf ihren Armen bildete. So viele Menschen getötet – selbst wenn man die Zahl halbierte, die Cchrlivan genannt hatte – das konnte, das durfte nicht wahr sein!
Sie dankte dem Iltismenschen und kroch zurück in ihre Schlafhöhle, aber sie konnte nicht einschlafen. In Gedanken erlebte sie die letzte Zeit erneut, und die einzelnen Szenen waren in ein anderes Licht getaucht. Also deshalb hatte Alix nicht geantwortet, als sie sie gefragt hatte, ob sie auch schon einmal verliebt gewesen war. Also deshalb verachtete sie die Luftgilde so sehr. Dabei waren deren Mitglieder keineswegs alle verachtenswert …
Am nächsten Tag konnte sie Alix kaum ins Gesicht sehen. Rena hielt sich abseits, um sich ihren Brei aus Blättern zuzubereiten – sie hatte sie behutsam von einer wilden Viskarie gepflückt, um ihren Vorrat zu ergänzen. Nachdem die Schmiedin ihre Übungen absolviert hatte, schlenderte sie zu Rena hinüber. »Ich glaube, wir sind vorerst nicht mehr in Gefahr, und ich fühle mich so stark wie ein Dhatla. Wir könnten morgen weiterreiten nach Tassos. Was hältst du davon?«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte Rena, den Kopf über ihre Schüssel gebeugt. Der Brei schmeckte herb und faserig, da sie die Blätter roh essen musste. »Die Caristani wissen, wo Kollox ist, wir brauchen sie nur noch einzufangen.«
Sie spürte, dass Alix sie forschend ansah.
»Was ist los?«
»Nichts.«
»Ich hasse es, wenn du mich anlügst.«
»Ich lüge nicht!«
»Nun gut. Wir reden später darüber. Halte dich bereit. Wenn der zweite Mond aufgeht, sind wir wieder unterwegs.«
In dieser Nacht, ihrer letzten Nacht bei den Caristani, wachte Rena auf, als sie spürte, dass sie nicht allein war. Sie erkannte Cchrlanho am Eingang ihrer Schlafhöhle. Er schien traurig. »Chrena du wirst uns verlassen, verlassen wirst du uns.«
»Ja, wir müssen weiter nach Tassos, um den Verräter zu finden, der mit der Frau aus Stein zusammenarbeitet.«
»Ihr werdet ihn finden. Doch du wirst Hilfe brauchen, Hilfe, von den Caristani – jetzt oder später.«
»Ich weiß, die Caristani sind meine Freunde.«
»Sie kennen dich nicht alle, nur wir kennen dich«, sagte er. »Du musst die geheimen Worte lernen, damit du willkommen bist, willkommen.«
Renas Herz schlug schnell. Die Bündnisformeln gehörten zu den bestgehüteten Geheimnissen der Gilden. Sie war sicher, dass Alix ihr die Bündnisformel für die Iltismenschen nicht einmal verraten hätte, um ihr Leben zu retten.
»Der Caristan weiß, wer du bist, er weiß es. Es gibt nur eine Möglichkeit, die Sprache der Caristani zu lernen – die Quelle zu berühren, die Quelle. Du bist es, die die Brüder aus der Felsenburg befreit hat. Ist das wahr, ist es das?«
»Ja, das ist wahr«, gab Rena zu, und war zum ersten Mal stolz auf das, was sie getan hatte.
Cchrlanho fiepte leise auf. »Wir wussten es, wir wussten es. Du gehörst zu uns, du bist die Frau der tausend Zungen! Deshalb hat der Caristan mir aufgetragen, dir die geheimen Worte zu bringen. Sprich mir nach: Grau wie das Wasser, rot wie der Mond, gelb wie die Flamme, weiß wie der Stern. «
Rena wiederholte die Formel. Beim ersten Mal brachte sie die Farben durcheinander, und beim zweiten Mal vergaß sie einen Teil, aber beim dritten Mal klappte es ohne Fehler. Cchrlanho nickte zufrieden.
»Auf dass dich die Furcht niemals lähmen möge, niemals«, sagte der Iltismensch.
»Das wird sie nicht«, sagte Rena. »Und irgendwann werden wir uns wiedersehen.«
»Ich weiß«, sagte Cchrlanho, blickte sie noch einmal an und verschwand in einem der unterirdischen Tunnel.
»Wir haben so furchtbar viel Zeit verloren«, sagte Alix. »Und der Gildenrat wartet auf mich!«
»Ist es noch weit bis zur Grenze?«
»Nein. Riechst du den Rauch nicht? Siehst du den Widerschein der Flammen nicht nachts am Himmel? Bald sind wir in Tassos.«
Rena hatte es schon gerochen, würzig und etwas bitter, doch sie hatte nicht gewusst, was es war. Hier im Grenzgebiet gingen die weißen Colivars, Viskarien und Dalama in einen ganz anderen Wald über. So sehr Rena Bäume liebte – dieser Wald jagte ihr Angst ein, unwillkürlich zog sie ihren Umhang fester um sich. Dicht an dicht wuchsen auf dem dunklen Boden schwarze, verkrüppelt wirkende Gewächse, von denen manche graues Laub trugen. Einige dieser Bäume brannten – ihre Äste hoben sich vor dem Hintergrund der Flammen wie geschwärzte Skelette ab.
Alix ließ das Dhatla anhalten; ihre Augen wurden schmal, als sie den Wald musterte. »Hier müssen wir durch, der Phönixwald ist das Tor zu Tassos.«
»Freust du dich, bald wieder daheim zu sein?«
»Daheim? Was bedeutet das schon. Ich hätte mir einmal fast geschworen, nie wieder den Fuß auf diese verbrannte Erde zu setzen.«
Es lag Rena auf der Zunge, zu fragen, ob das nach der Fehde von Belén gewesen war. Aber sie wagte es nicht und starrte nur in den unheimlichen Wald hinein. Noch nie hatte sie davon gehört, dass jemand aus ihrer Gegend bis zur Grenze von Alaak vorgedrungen war. Jetzt verstand sie, woran das liegen mochte.
Alix holte den Lederbeutel mit ihrem Wasservorrat und schüttete den Inhalt über ihren Umhang. »Tu das auch, zieh dir das Ding über den Kopf und hoffe das Beste. Mehr können wir nicht tun.«
Sie quetschte den Blasebalg, der Kollox das Duftsignal Schnell laufen gab. Als das Dhatla nicht sofort reagierte, gab Alix ihm als Strafe eine Dosis eines unangenehmen Geruchs hinterher und wiederholte dann das Signal. Kollox schüttelte angewidert den schweren Kopf, gab auf und stürmte so heftig los, dass Rena beinahe hintenüber gekippt wäre.
Das Dhatla lief schnell – aber nicht schnell genug. Entsetzt sah Rena, dass mit einem Baum links von ihnen etwas geschah, er loderte auf, stand plötzlich in Flammen – ganz von selbst! Von der linken Seite des Weges fegte mit einem lauten Zischen eine Feuerzunge über sie hinweg. Rena konnte sich gerade noch unter ihren Umhang ducken und schrie auf, als die sengende Hitze sie traf. Das Knacken und Prasseln der Flammen toste ihr in den Ohren, sie waren in einem Inferno gefangen. Doch über den Lärm hörte sie es ganz deutlich: Alix lachte. Es war ein wildes, ausgelassenes Lachen, das Rena einen Schauer über den Rücken jagte.
Kollox schlug ihre Grabkrallen in den Boden und holte mit ihren gewaltigen Vorderpranken aus, um im Boden zu verschwinden. Rena spürte es und verkrampfte sich, doch Alix schaffte es irgendwie, das Dhatla weiter zu zwingen.
Dann war die Luft auf einmal wieder kühl, Kollox hatte sie aus der Todeszone hinausgetragen. Vorsichtig lugte Rena unter ihrem Umhang hervor und warf einen Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Direkt neben dem Pfad war einer der schwarzen Bäume in Brand geraten, von seinen dicht belaubten Ästen loderten die Flammen.
»Deshalb nennen wir sie Phönix-Bäume«, keuchte Alix. »Der Boden ist so karg, dass sie sich alle paar Wochen entzünden und ihr Laub verbrennen müssen, um sich selbst zu düngen. Alles in Ordnung mit dir?«
»Ich glaube schon.« Renas linkes Bein schmerzte, die Haut war gerötet, aber es schien nicht weiter schlimm zu sein. Nur ihre Kleidung war angesengt und sah wüst aus. »Aber ich dachte, jeden Moment landen wir unter der Erde.«
Sie waren froh, als der Phönixwald endlich hinter ihnen lag.
Es war leicht zu erkennen, dass sie eine Siedlung der Feuergilde erreicht hatten. Hier gab es nicht wie in Alaak ein oder zwei Pyramiden pro Dorf, sondern sie ragten wie schwarze Zacken überall in den Himmel. Dazwischen spielte eine Gruppe Kinder. Obwohl sie erst um die fünf Winter alt waren, trug jedes einen Dolch. Sie scharten sich um ein schwarzrot gemustertes Reptil, das doppelt so groß war wie sie, und amüsierten sich damit, es zum Angriff zu reizen. Es fauchte, biss um sich und spuckte Flammen, während die Kinder johlend um es herumrannten.
»Hat das Spiel irgendeine Pointe?«, fragte Rena. »Hast du das früher auch gespielt?«
»Klar. Man versucht, so nah wie möglich an ein Tass heranzukommen oder es sogar zu berühren. Wer danach die wenigsten Verbrennungen hat, ist der Gewinner.«
»Aha. Hast du viele Verbrennungen abbekommen?«
»Beim Spiel – nicht viele. Im Laufe meines Lebens – mehr als genug.«
Bei einer der kleineren Pyramiden hielt Alix an, musterte das Gebäude prüfend und nickte dann zufrieden. »Hier machen wir Quartier. Wir haben’s zwar eilig, aber für zwei Dinge muss jetzt Zeit sein. Erstens – mein Kettenhemd. Zweitens …«
»Zweitens …?«
»Wirst du schon früh genug feststellen. Ruh dich inzwischen aus.«
Sie baten um Quartier und wurden freundlich empfangen. Alix flüsterte mit dem Meister, dem die Schmiede gehörte, und ging mit ihm direkt zur Pyramide hinüber, während Rena sich Seife erbat und erst einmal den Dreck und den Schweiß abwusch. Im Verbandszeug war noch etwas Salbe. Sie schmierte sich die verbrannten Hautpartien damit ein und war froh, dass es so glimpflich abgegangen war. Dann warf sie sich aufs Bett – es war seit Wochen das erste Mal, dass sie in einem Bett lag – und schlief auf der Stelle ein.
Als sie erwachte, war es schon wieder Morgen. Sie hatte die ganze Nacht durchgeschlafen. Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens rieb Rena sich die Augen und stolperte ins Hauptzimmer, wo die Bewohner der Schmiede schon beim ersten Mahl des Tages saßen. »Hallo. Wo ist Alix? Schläft sie noch?«
Der Schmied schüttelte den Kopf. »Schlafen? Sie ist schon wieder bei der Arbeit. Sie isst nicht, sie schläft kaum. Deine Meisterin ist eine seltsame Frau.«
»Ich weiß«, sagte Rena.
Als der zweite Mond am Himmel stand, tauchte Alix schließlich rußgeschwärzt und mit tiefen Schatten der Erschöpfung unter den Augen aus der schwarzen Pyramide auf, bedankte sich höflich bei ihrem Gildenbruder und verabschiedete sich. Bevor Rena es sich versah, waren sie wieder auf dem Weg aus dem Dorf hinaus und ritten über eine von großen Felsen übersäte Ebene mit vereinzelten Phönixbäumen.
»Werden wir noch verfolgt?«, fragte Rena. »Spürst du etwas?«
Alix schüttelte den Kopf. »Ich glaube, wir haben sie abgehängt. Jedenfalls folgt uns niemand mehr. Aber wir müssen auf der Hut bleiben. Vielleicht haben sie andere Mitglieder der Verschwörung benachrichtigt, in welche Richtung wir reisen. Dann können die Bastarde an einer anderen Stelle unsere Spur wieder aufnehmen.«
»Wenn sie uns noch einmal überfallen …«
Die Schmiedin ahnte, worauf sie hinauswollte. »Ich weiß nicht, ob ich sie noch einmal besiegen könnte. Ich bin noch nicht wieder so stark wie vor dem Hinterhalt. Wir müssen einfach auf unser Glück vertrauen.«
Als sie eine halbe Tagesreise zwischen sich und die Siedlung gebracht hatten, ließ Alix ihr Dhatla an einer geschützten Stelle zwischen einigen Felsen anhalten. »So, hier rasten wir. Ich möchte dir etwas zeigen.«
Sie setzten sich einander gegenüber auf den schwarzen Sandboden, dann nahm Alix ein in weiches dunkles Tuch gewickeltes Bündel aus ihrem Gepäck und schlug den Stoff auseinander.
»Das ist für dich«, sagte Alix. »Ich hatte schon längst vor, dir ein neues zu machen. Du hast es dir verdient.«
Rena nahm das Messer, das vor ihr lag, und zog es vorsichtig aus der Lederscheide. Es war schwer, hatte eine etwas über handlange, leicht gebogene Klinge und einen Griff aus poliertem dunklem Holz, der sich perfekt in ihre Handfläche schmiegte.
»Es ist aus gutem Stahl«, sagte Alix verlegen. »Der beste, den der Schmied hatte. Sei vorsichtig, wenn du es benutzt, es ist verdammt scharf.«
Sie nahm noch einen zweiten Gegenstand aus dem Stoffbündel. Rena holte tief Luft. Es war ein einfaches, schmuckloses Schwert. Die Klinge war nicht blank, sondern von der Hitze des Schmiedefeuers angelaufen. Aber es hatte die gleiche tödliche Schönheit und Eleganz wie Alix’ Waffe. Rena starrte es an, aber sie berührte es nicht.
»Ein Schwert wie meins bekommt man erst, wenn man Feuergildenmeisterin wird«, sagte die Schmiedin. »Dieses hier wird sich noch nicht mit dir verbinden, jeder kann es berühren. Morgen bekommst du die erste Lektion – wenn du noch immer willst. Die Iltismenschen haben dir gesagt, wer ich bin, nicht wahr? Ich habe es gewusst, als ich dein Gesicht gesehen habe. Und du warst sehr schweigsam gestern.«
Rena nickte.
»Ich habe schon Menschen im Kampf getötet«, sagte Alix und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihr Gesicht war sehr ernst, und Rena fand es unmöglich, den Blick von ihren grünen Augen abzuwenden. »Aber wenn du das Schwert von mir annimmst, bedeutet das nicht, dass du denselben Weg gehen musst. Du kannst – nein, du musst – deinen eigenen Weg finden. Das Schwert bedeutet nur, dass dir niemand anders seinen Weg aufzwingen kann. Nimmst du es an?«
Rena dachte an das zurück, was Cchrlivan ihr erzählt hatte. »Du hast ihn sehr geliebt, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Alix und blickte zu Boden. »Ich habe ihn sehr geliebt.«
»Ich nehme das Schwert an«, sagte Rena und hob es vorsichtig auf. Kalt und schwer und leblos lag es in ihren Händen, und sie fragte sich, ob es jemals für sie singen würde. »Ich weiß noch nicht, was mein Weg sein wird, aber ich werde ihn finden.«
»Da bin ich mir ganz sicher«, sagte Alix, und als sich ihre Augen trafen, hatten sie wieder die Kraft, sich anzulächeln.
Am nächsten Tag, gleich nach Sonnenaufgang, bekam Rena ihre erste Schwertkampf-Lektion. Die Waffe erschien ihr so lang und unhandlich, dass sie erst einmal üben musste, sie schnell und richtig zu ziehen. Als Alix sah, dass die Muskeln von Renas Arm schon zitterten, seufzte sie und verordnete ihr eine Pause. »Von jetzt an trainierst du jeden Morgen genauso wie ich«, befahl sie. »Sonst machst du im Ernstfall nach zweimal zehn Atemzügen Kampf schlapp. Wär schade. Eine Viertelstunde musst du schon durchhalten, sonst blamierst du uns beide.«
»Das interessiert mich doch sowieso nicht mehr, wenn ich tot bin«, stöhnte Rena.
Alix schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Lektion Eins: Wenn du zur Feuergilde gehören willst, muss dir deine Ehre genauso wichtig sein wie dein Leben. Du willst ja nicht nur überleben, sondern mit Stil überleben.«
»Geht das?«
»Natürlich, wenn auch nicht immer. So, wir machen weiter. Jetzt zeige ich dir die Grundstellung.«
Sie stellten sich nebeneinander auf, und Alix zeigte ihr, wie sie das Schwert richtig in Bereitschaftsposition hielt und wie sie die Füße setzen musste, damit sie jederzeit blitzschnell zur Seite ausweichen konnte und gleichzeitig standfest genug war, um nach vorne zum Angriff überzugehen.
»So?«, fragte Rena unsicher.
»Lockerer im Handgelenk. Lass den Schwertarm die Arbeit tun. Gewicht auf das Standbein. Jetzt leicht mit den Knien abfedern … ja, gut so.«
Als nächstes erklärte sie Rena einen schrägen Schlag, mit dem sie gleichzeitig das Schwert des anderen abblocken und selbst angreifen konnte. Rena konzentrierte sich, aber der Schweiß lief ihr schon von der Stirn. Der Griff in ihren Händen war glitschig geworden. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie im Ernstfall zweimal zehn Atemzüge durchhalten konnte, ganz zu schweigen davon, dass sie jemals so kämpfen konnte wie Alix?
Trotzig spannte Rena ihre Muskeln an und probierte den Schlag noch einmal. Alix hatte sich einen toten Ast gegriffen und hielt dagegen. Doch diesmal hatte sich Rena verschätzt, die Waffe glitt ihr weg, ihre Hand rutschte über den Griff in Richtung Klinge. Instinktiv öffnete Rena die Finger.
»Nicht fallenlassen! Nicht fallenlassen!«, schrie Alix.
Das spitze Schwert sauste zu Boden, genau in Richtung Renas linker Fußspitze. Es bohrte sich eine halbe Fingerlänge daneben in die Erde und blieb stecken. Erschrocken blickte Rena nach unten.
Alix Mundwinkel zuckten, aber sie schaffte es gerade noch, sich zu beherrschen.
»Meinst du, aus mir wird noch mal eine Schwertkämpferin?«, fragte Rena mutlos.
»O ja, bestimmt«, sagte Alix, packte ihre Ausrüstung ein und hievte sie sich auf die Schulter. »In etwa zwanzig Wintern. Vielleicht.«