Enttäuschung
Marie
Ich starrte zehn Minuten lang auf die Tür, bevor ich schließlich klopfte.
Ich konnte nicht glauben, dass ich Hawkes Rat befolgte. Axel hatte mich bereits verlassen, und jetzt versuchte ich, ihn zu überzeugen, bei mir zu bleiben. Es war einfach erbärmlich. Es war eine Schande für alle Frauen. Ich verkaufte mich billig und wusste, dass ich das nicht tun sollte.
Aber ich wollte ihn noch immer.
Die Tür öffnete sich, aber es war nicht Axel, der auf der anderen Seite stand. Es war Alexia.
Alexia.
Das konnte doch nur ein Scherz sein.
Sie brauchte einen Moment, um mich zu erkennen. Ihre Augen verengten sich, starten mir ins Gesicht und dann erschien ein kaltes Grinsen auf ihren Lippen. „Und die Ex taucht auf …“
Axel hatte ihr gesagt, dass wir uns getrennt hatten. Und sie war in seiner Wohnung. Ich konnte eins und eins zusammenzählen.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“ Sie verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen, sodass ich nicht hineingehen konnte.
Ich versuchte, mich nicht zu übergeben. Sie war in seiner Wohnung und wahrscheinlich gerade fertig, sich in seinem Bett herumzuwälzen. Hawke hatte offensichtlich etwas falsch verstanden, was Axel ihm gesagt hatte. Oder Axel erholte sich schnell, nachdem er Hawke etwas anderes erzählt hatte.
„Hallo?“, sagte sie laut fragend. „Mein Freund und ich sind gerade beschäftigt.“
„Freund?“, platzte es aus mir raus.
„Ja. Freund. Hast du was an den Ohren?“
Ich war kurz davor, diese Schlampe zu schlagen. „Genießt du meine Hinterlassenschaft?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Was der einen nichts ist, ist der anderen alles, richtig?“
Ich konnte es nicht glauben. Als Hawke all diese Dinge sagte, hatte ich wirklich die Hoffnung, dass Axel mich liebte. Aber zu sehen, wie diese Schlampe mich so schnell ersetzt hatte, widerte mich an. Wenn sie nur eine Affäre wäre, wäre das eine Sache, aber eine Beziehung mit ihr zu haben, war eine andere Geschichte.
Das war ein Rückschlag für mich.
Sie löste sich von der Tür und rief in den Flur. „Babe, jemand ist hier, um dich zu sehen.“
Babe? Was für eine verdammte Hure. „Sag ihm einfach, dass ich vorbeigekommen bin, um ein paar Sachen abzugeben. Aber wenn er sie wirklich will, kann er sie sich abholen.“ Es war die einzige Ausrede, die mir so schnell einfiel.
Alexia drehte sich um. „Kein Problem, Baby.“
Ich hatte seine Antwort nicht gehört, aber vielleicht hatte ich sie auch nur überhört.
„Tschüss.“
Ich verabschiedete mich nicht freundlich, weil ich zu sauer war. Ich wollte ihr die Haare ausreißen und sie dann anzünden. Ich dachte, ich wäre sauer auf Axel, weil er so schnell über mich hinweg war, aber jetzt war ich eher auf Alexia sauer. Ihr stand Schlampe auf die Stirn geschrieben. Er war wirklich von mir zu ihr gegangen? Vielleicht war ich ihm nie wichtig gewesen, selbst als wir zusammen gewesen waren.
Vielleicht war ich ihm immer schon egal gewesen.
Am Ende der Vorlesung ging ich zu der Reihe, in der Jason saß. „Hey.“
Er sah auf, als er mich bemerkte. „Oh, hallo. Wie war die Arbeit?“
„Schrecklich, wie immer. Möchtest du heute Abend ausgehen?“
„Äh …“ Er konnte seine Überraschung über meine Direktheit nicht verbergen. „Auf jeden Fall.“
„Großartig. Hol mich um sieben ab.“
„Darauf kannst du dich verlassen.“ Ich warf meine Haare zurück und ging. Ich war stolz auf mich, weil ich diesen Abend ein Date hatte. Ich wollte nicht, dass Axel mir das Leben ruiniert. Er hatte mir mehr wehgetan als sonst irgendjemand in meinem Leben, aber ich hatte genug von ihm. Ich würde nicht untergehen. Ich wollte mit erhobenem Kopf nach vorne schauen.
Ich fuhr nach Hause und ging hinein. Die Spachtelmasse an der Wand war trocken und es war kaum zu sehen, dass jemals ein Loch dort gewesen war. Hawke hatte gute Arbeit geleistet. Ich warf meinen Rucksack auf den Tisch und sah Francesca in der Küche. „Ich habe heute Abend ein Date.“
„Ein Date?“ Sie hatte sich gerade Schokoladensirup direkt in ihren Mund gespritzt. Sie schluckte den Sirup und wischte sich die Schokolade mit dem Unterarm von den Lippen. „Was? Mit wem?“
„Jason – Camerons Freund.“
„Oh … toll.“ Sie hielt die Hershey-Flasche in ihren Händen. „Ähm … ich dachte nur, du wärst für Dates nicht bereit … noch nicht.“
„Nun, jetzt bin ich es.“ Ich erzählte ihr nicht von Alexia. Wenn ich das tat, müsste ich erklären, warum ich überhaupt bei Axel gewesen war, was bedeutet hätte, dass ich ihr von Hawke hätte erzählen müssen. Und ich konnte Axel auch nicht deswegen konfrontieren, weil er dann Francesca erzählen könnte, dass Hawke involviert war … das Ganze war ein verdammter Albtraum.
„Bist du sicher?“
Vor ein paar Wochen hatte ich mir noch die Augen nach Axel ausgeweint. Aber jetzt war es Vergangenheit. Er tat mir nicht mehr weh und ich weigerte mich, mir wehtun zu lassen. Ich hatte ihm gesagt, dass ich ihn liebte, und er hatte seine Sachen genommen und war gegangen – mitten beim Sex.
Arschloch.
„Ich bin mir absolut sicher.“
„Okay …“ Francesca drehte den Deckel, bis er geschlossen war, und stellte den Sirup dann in den Kühlschrank zurück. „Dann denke ich, dass es eine gute Idee ist.“
„Es ist eine großartige Idee. Jason wird um sieben hier sein.“
„Cool.“ Francesca war nicht wirklich damit einverstanden, aber sie hatte auch nichts dagegen. „Irgendwelche Anrufe oder Antworten auf Bewerbungen?“
Rein gar nichts. „Nein …“
„Nun, es ist nicht lange her. Gib dem Ganzen noch etwas Zeit.“
Das war alles, was ich machen konnte. „Ich werde duschen und mich fertigmachen.“
„Okay.“ Sie öffnete den Kühlschrank und griff erneut nach dem Schokoladensirup.
„Was ist denn in dich gefahren?“
„Was?“ Sie löste den Deckel. „Ich habe gerade jetzt ein Verlangen nach Schokolade.“
„Jemand fängt an …“ Ich ging den Flur entlang und ging ins Badezimmer.
„Halt verdammt noch mal deine Klappe.“
Ich ging ins Badezimmer und duschte. Ich war besonders gut drauf, aber ich wusste, dass es nicht richtig war. Ich war immer noch taub von dem Schmerz, und aufgedreht vor Wut. Ich war so sauer auf Axel, dass alles andere blockiert wurde. Jetzt wollte ich eiskalte Rache. Ich wollte, dass er sah, wie gut ich ohne ihn klarkam – dass ich mich in meinem ganzen Leben nie besser gefühlt hatte.
„Du hast dich bei Vogue beworben?“, fragte Jason. „Das ist eine ziemlich große Sache.“
„Aber ich werde den Job nicht bekommen. Selbst, wenn es ein unbezahltes Praktikum wäre, würde ich es nicht bekommen.“
„Du solltest dich nicht unterschätzen.“ Sein Teller war wie geleckt, weil er alles verschlungen hatte. Sein zweites Bier war auch schon fast getrunken. Wir hatten eine schöne Zeit. Er war nett und lustig.
„Ich bin nur realistisch. Was sind deine Pläne nach dem Abschluss?“
Er zuckte mit den Schultern. „Für die Baufirma meines Vaters arbeiten.“
„Warum hast du dann einen Abschluss in Journalismus gemacht?“
„Ich wollte schon immer aufs College gehen, selbst, wenn ich in einem anderen Bereich arbeiten würde. Außerdem ist es besser, zu studieren als zu arbeiten. Ich habe es so lange wie möglich vermieden.“
„Wenn du deinen Job nicht magst, warum machst du dann nicht etwas anderes?“
„Ich bin der einzige Sohn, also wird die Firma mir übergeben. Ich habe keine große Wahl.“
„Klar hast du die …“
Er zuckte wieder mit den Schultern. „Es ist wirklich wichtig für meinen Vater und ich möchte ihn nicht enttäuschen.“
Da er sich bereits entschieden hatte, ging ich nicht weiter darauf ein. Für ein erstes Date, war das eine viel zu ernste Unterhaltung. „Ich versteh schon.“
„Willst du in New York leben?“
„Ja und nein.“ Ich hatte mein Hühnchen-Satay gegessen und machte jetzt mit dem Reis weiter. „Ich möchte nach New York, weil mein bester Freund dorthin zieht. Aber ich bin mir nicht sicher, wie ich mich an die Verrücktheit der Stadt gewöhnen soll.“
„Das schaffst du schon.“
„Ja, ich habe ja keine andere Wahl. Alle interessanten Angebote sind in der Stadt. Es sei denn, ich möchte für eine lokale Zeitung schreiben oder so.“
„Das stimmt“, sagte er. „Aber ich bin sicher, du wirst es lieben. Du bekommst um drei Uhr morgens chinesisches Essen und die U-Bahn fährt nonstop. Du wirst nie schlafen.“
„Nun, ich liebe es zu schlafen, also bin ich mir nicht sicher, wie gut das funktionieren wird.“
Er lachte. „Du wirst dein Gleichgewicht finden.“
Ich aß auf und fühlte, wie mein Kleid unbehaglich enger wurde. „Das war lecker.“
Er starrte mich einige Sekunden lang an, bevor er seinen Blick abwandte. „Also … hat es mit diesem Typen nicht geklappt?“
Ich hatte angenommen, dass das zur Sprache kommen würde. „Nein. Wir haben uns vor ungefähr einem Monat getrennt.“
Tut mir leid, das zu hören.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Es ist, wie es ist.“
„Darf ich fragen, was passiert ist?“
„Äh …“ Es war eine peinliche Geschichte. „Ich habe ihm während wir Sex hatten gesagt, dass ich ihn liebe und da ist er abgehauen.“
Jason starrte mich ausdruckslos an, als erwartete er, dass der Rest des Witzes folgen würde.
„Und …“
„Meinst du das ernst?“
„Leider.“
„Also … ist er einfach gegangen? Er zog sich an und ging?“
„Genauso war es.“
„Was für ein verdammter Idiot.“
„Es war nicht sein bester Auftritt …“
„Ich verstehe, dass es peinlich sein kann, wenn er nicht genauso denkt, aber einfach zu gehen ist … ziemlich mies.“
„Ich war auch nicht sehr angetan davon.“
„Hört sich für mich an wie ein Idiot.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hätte das wahrscheinlich nicht sagen sollen, aber ich habe damals nicht nachgedacht.“
„Du solltest dich nicht dafür entschuldigen. Wenn das deine Gefühle sind, dann solltest du dich nicht schlecht dabei fühlen, wenn du es sagst.“
Axel war nicht dieser Meinung. „Was ist mit dir? Hast du schlechte Trennungserfahrungen, die mir helfen könnten, mich besser zu fühlen?“
„Nicht wirklich“, sagte er. „Ich hatte nie eine ernsthafte Freundin. Frauen sind gekommen und gegangen, aber sie sind normalerweise nicht länger als ein paar Monate geblieben.“
„Gibt es dafür einen Grund?“
„Ich hatte noch nie wirklich den Drang danach, eine Beziehung zu haben. Dieses Gefühl, über das alle sprechen, wenn sie jemanden finden, mit dem sie ihre ganze Zeit verbringen wollen. Diese Art von Gefühl hatte ich noch nie, leider.“
„Das wird schon noch kommen. Gib der Sache etwas Zeit.“ Jason war ein gut aussehender Kerl, also hatte er wahrscheinlich viele Angebote bekommen. Und ich hatte das Glück, ihm gegenüberzusitzen.
„Danke.“
„Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich glaube nicht, dass ich noch einen Bissen runter bekomme.“
„Ich auch nicht“, sagte er. „Wahrscheinlich werde ich in einer Stunde schon wieder hungrig sein. Aber egal.“
Ich kicherte. „Weil du so viele Muskeln hast.“
Er spannte für mich seinen Bizeps an. „Gefällt dir das?“
„Das tut es.“ Ich drückte den Muskel sanft.
Als die Rechnung kam, schnappte er sie sich, bevor ich es konnte. „Ich warne dich, ich hasse es, wenn Mädchen sich mit mir um die Rechnung streiten.“
„Nun, dann wirst du mich nicht sehr mögen.“ Ich versuchte, sie ihm abzunehmen. „Lass mich wenigstens meine Hälfte bezahlen.“
Er legte das Geld hinein und ließ es am anderen Ende des Tisches liegen, wo ich es nicht erreichen konnte. „Das ist ein Date. Meine Ladies bezahlen nicht für ihr Essen.“
„Deine Ladies?“
„Du weißt, was ich meine.“
Ich versuchte, nicht zu streiten. Er hatte sich offensichtlich schon entschieden. „Nun, vielen Dank.“
„Das ist doch selbstverständlich. Können wir gehen?“
„Ja.“
Er brachte mich bis an meine Tür. „Ich hatte eine tolle Zeit, heute Abend.“
„Ich auch.“
„Kann ich dich wiedersehen?“
„Wenn du mich bezahlen lässt.“ Ich blieb vor der Tür stehen und sah ihn an, versuchte nicht an Axel zu denken und was er mit dieser Schlampe Alexia machte.
„Keine Chance.“
„Was soll der altmodische Mist?“, fragte ich. „Dies ist das einundzwanzigste Jahrhundert.“
„Einige Dinge ändern sich nie.“ Er steckte seine Hände in die Taschen seiner Jeans. „Wie wäre es mit Freitag? Bist du da frei?“
„Wie ein Vogel.“
„Großartig. Dann lass uns da etwas unternehmen.“ Er beugte sich vor und drückte einen Kuss auf meine Lippen. Es war ein Kuss mit geschlossenen Lippen, hatte aber dennoch viel Potenzial. Er ließ den Kuss einige Sekunden lang andauern, bevor er sich zurückzog.
Ich spürte die Anziehung in dem Kuss und wusste, dass wir Potenzial hatten. Aber ich verglich es auch mit den Küssen, die ich mit Axel geteilt habe. Sie hatten mich immer so heiß werden lassen, dass mir jetzt kalt war.
Aber ich musste aufhören, darüber nachzudenken.
„Wir sehen uns dann“, sagte er.
Ich ging ins Haus und warf meine Handtasche auf den Tisch.
„Wie lief es?“ Francesca sprang von der Couch, als sie merkte, dass ich zu Hause war.
„Gut. Er ist nett.“
„Also magst du ihn?“
„Ja. Er ist niedlich und süß … was will ich mehr?“
„Hast du ihn geküsst?“
„Ja.”
„Wow …“ Francesca starrte mich ungläubig an. „Bist du wirklich über Axel hinweg?“
Es war schwer vorstellbar, dass das möglich war, aber ich wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war. „Ich bekomme das hin.“