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Dumm

Marie

Als ich an diesem Morgen aufwachte, fühlte ich mich frisch, gestärkt und wirklich glücklich. Ich hatte das Praktikum bei Vogue nicht bekommen, den Job, den ich mehr als alles andere gewollt hatte, aber irgendwie war mir das egal.

Dann erinnerte ich mich daran, warum.

Ich öffnete meine Augen und sah Axel neben mir. Er war um meinen Körper geschlungen und hielt mich warm und behaglich. Seine Hand lag in meinen Haaren, seine Finger hielten ein paar Strähnen. Seine Gesichtszüge waren entspannt, wunderschön und atemberaubend.

Das hatte ich vermisst.

Als er letzte Nacht in mein Zimmer gekommen war, hatte ich nicht die Kraft gehabt, ihn abzuweisen. Ich wollte, dass diese starken Hände mich umarmten, um mir den Trost zu geben, den ich brauchte. Ich war schwach und ließ meinen Widerstand fallen.

Jetzt war er noch immer da.

Ich wollte still liegen bleiben und seine Nähe einen weiteren Moment genießen. Ihn dort zu haben, war ein Traum, der wahr wurde. Ich sehnte mich nach seiner Berührung. Obwohl er eine Freundin hatte, wollte ich ihn nur für mich.

Nachdem ich ein paar Minuten auf sein Gesicht gestarrt und es mir eingeprägt hatte, verließ ich das Bett und begann, mich für die Uni fertigzumachen.

Axel bewegte sich in dem Moment, als er merkte, dass ich weg war. Er setzte sich im Bett auf, sein Haar war unordentlich, weil ich meine Hände darin vergraben hatte. Er wischte sich den Schlaf aus den Augen, bevor er seinen Blick auf mich richtete.

„Morgen.“ Ihn hier schlafen zu lassen, war keine gute Idee gewesen. Ich versuchte über ihn hinwegzukommen und mit einem netten Kerl weiterzumachen, der mir nicht wehtun würde. Mit ihm zu schlafen, würde mir nicht helfen. Wahrscheinlich würde es nur noch mehr wehtun.

„Morgen.“ Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und blinzelte ein paar Mal, bevor er aufstand. Seine Jeans und sein Hemd waren zerknittert, aber an ihm sahen sie immer noch gut aus.

„Du solltest gehen oder du wirst zu spät zur Arbeit kommen.“ Ich nahm ein Outfit aus meinem Schrank und legte es auf das Bett. Ich beschäftigte mich, damit ich mich ihm nicht an den Hals warf und ihn bat, niemals wieder zu gehen.

„Mist.“ Er sah auf die Uhr. „Du hast recht.“ Er zog seine Schuhe an und ging auf mich zu. „Wie geht es dir?“

„Mir geht es gut.“ Ich wollte nur, dass er ging. Wir hatten nicht rumgemacht, aber ich hatte dennoch das Gefühl, dass wir etwas Falsches gemacht hatten. Würde Alexia die Tatsache schätzen, dass Axel die Nacht in meinem Bett verbracht hatte? Ich mochte diese Schlampe nicht, aber ich wollte trotzdem nicht die andere Frau sein. „Ich werde mich weiter bewerben und auf etwas Gutes hoffen.“

Er sah mich genau so an wie früher, als ob er wünschte, er könnte alle meine Probleme für mich lösen. „Es wird funktionieren. Du bist für große Dinge bestimmt. Da bin ich mir sicher.“

Ich wünschte, er würde bleiben. Wenn er solche süßen Dinge sagte, wollte ich wieder ins Bett fallen und für immer dort bleiben. Ich wollte langsam und sanft mit ihm schlafen, wie früher. Ich wollte ihm sagen, dass ich ihn liebte und ihn dasselbe sagen hören. „Du solltest gehen …“

Er warf einen Blick auf die Uhr auf meinem Nachttisch. „Jetzt werde ich definitiv zu spät kommen.“ Aber anstatt in Eile zu sein, wie er es sollte, stand er einfach nur da. Er starrte mich an, ohne zu blinzeln, als wolle er nie aufhören.

Schwere erfüllte die Luft und ich spürte das Gewicht auf meinen Schultern. Ich wollte wieder ins Bett gehen und ihm die Kleider ausziehen. Es würde mir nichts ausmachen, das Praktikum zu verlieren, wenn ich ihn in meinem Leben hätte. Alles andere wäre irrelevant.

Je länger er mich anstarrte, desto schwächer wurde ich. Meine Entschlossenheit ließ nach, und bald würde ich meine Hände nicht mehr bei mir behalten können. Anstatt darauf zu warten, dass er ging, musste ich gehen – ganz schnell. „Ja, und ich muss duschen. Du findest alleine raus?“ Ich ging an ihm vorbei, um ins Badezimmer zu gelangen. Ich machte die Tür so schnell wie möglich zu und schloss sie ab, damit er mir nicht folgen konnte. Gerade jetzt brauchte ich eine Barriere, um uns auf Distanz zu halten. Meine Hände handelten wie von selbst und wollten diese mächtige Brust spüren, während er auf mir lag. Meine Lippen wollten seine. Meine Beine wollten sich um seine Hüften schlingen und nie wieder loslassen.

Ich machte die Dusche an und stellte sicher, dass das Wasser kalt war. Ich musste in die Realität zurückgebracht werden. Diese Gefühle mussten tief in mir begraben werden – damit sie niemals entkommen konnten.

Sobald ich The Grind betrat, stürzte Francesca auf mich zu.

„Was ist letzte Nacht passiert?“

Ich meldete mich an und band mir meine Schürze um meine Taille. „Äh, hallo.“

Sie stampfte mit dem Fuß. „Was ist letzte Nacht passiert? Seid ihr wieder zusammen? Hat er dir gesagt, dass er dich liebt? Bitte sag mir, dass er endlich wieder bei Sinnen ist.“

„Es ist nichts passiert.“

Sie hob eine Augenbraue, als glaubte sie mir keine Sekunde lang. „Also war Axel die ganze Nacht da – in deinem Schlafzimmer – und nichts ist passiert?“

„Ja.“

Sie kreuzte ihre Arme vor der Brust.

„Er hat mich lange im Arm gehalten und versucht, mich zu trösten … und dann haben wir uns hingelegt und sind eingeschlafen. Das ist alles.“

„Nein, das macht einen großen Unterschied.“

Unterschied?

„Bist du einfach nur eingeschlafen? Oder bist du mit ihm eingeschlafen?“

„Warum zum Teufel ist das wichtig?“

„Es ist wichtig“, argumentierte sie. „Hawke und ich haben immer nebeneinandergelegen und uns gegenseitig im Arm gehalten, völlig wach und bewusst, was wir taten. Wir haben einander berührt und unseren Puls und Atem gefühlt. Wir existierten in diesem Moment zusammen und kommunizierten ganz in Stille. Das taten wir, bis wir schließlich einschliefen. Das ist völlig anders als irgendwann einzuschlafen, ohne zu merken, dass er da ist. Nun, was war es?“

Es war definitiv nicht das Letztere. „Es spielt keine Rolle. Es wird nie wieder passieren.“

„Marie, antworte mir.“

„Das Erste …“

Die Glocke läutete über der Tür, aber keiner von uns ging zur Kasse.

Sie sah mich nicht triumphierend an. „Marie, hör mir zu. Ich weiß, wovon ich rede. Paare tun so etwas nicht einfach so – es sei denn, sie sind verliebt.“

„Aber –“

„Wenn zwei Menschen zusammen schlafen können und dabei keinen Sex haben, bedeutet das, dass da etwas Ernstes ist.“

„Ist es nicht genau das Gegenteil? Wenn zwei Menschen verliebt sind, können sie ihre Hände nicht voneinander lassen?“

„Nein. Bestimmt nicht.“

Tief im Inneren wusste ich, was sie meinte.

„Eine Beziehung ist mehr als nur Anziehung und körperliche Lust. Es geht um die Erleichterung, die du fühlst, wenn er gerade im Raum ist. Eure Körper brauchen einander, um zu existieren. Diese Anziehungskraft, dieses zueinander hingezogen sein, übersteigt das menschliche Verständnis. Diese übernatürlichen Erfahrungen, die keinen Sinn ergeben, sind diejenigen, die am meisten Sinn ergeben. Verstehst du?“

„Nein … und ja.“

„Hawke und ich hatten ähnliche Erfahrungen. Höre auf dein Herz und vertraue dem, was es sagt.“

Ich wusste schon genau, was mein Herz sagte. „Francesca, es spielt keine Rolle. Vielleicht fühle ich so, fühle das zueinander hingezogen sein, aber er tut es nicht. Wenn er es täte, wäre er mit mir zusammen.“

„Aber er will mit dir zusammen sein.“

Ich konnte ihr nichts von Alexia erzählen, nicht ohne Hawke hineinzuziehen. Ich musste es für mich behalten.

„Er hat es nur noch nicht erkannt.“

Wie konnte er die Nacht bei mir verbringen und dann am nächsten Tag zu seiner Freundin zurückgehen? Es ergab für mich keinen Sinn. „Ich sollte an die Arbeit gehen …“

„Denk über das nach, was ich gesagt habe.“

Ich denke ununterbrochen darüber nach.

In der nächsten Nacht versuchte ich zu schlafen, konnte aber keine Ruhe finden. Nachdem ich die vorherige Nacht in seinen Armen geschlafen hatte, war es mir unmöglich, mich zu beruhigen. Ich hätte ihn bitten sollen, zu gehen, anstatt zuzulassen, dass er blieb. Jetzt musste ich mich daran gewöhnen, wieder allein zu schlafen.

Ich wälzte mich hin und her und schaute auf die Uhr.

2:15 Uhr

Ich sollte mir vielleicht Schlaftabletten besorgen – oder mir ein Boyfriend-Kissen besorgen.

Ich verließ das Schlafzimmer und ging in die Küche. Spät in der Nacht zu essen war nicht gut für meine Figur, aber das war mir im Moment egal. Ich öffnete den Kühlschrank und suchte nach etwas Leckerem. Die meisten Gerichte erforderten Vorbereitung und ich war nur auf der Suche nach einer schnellen Lösung. Ich schnappte mir eine Scheibe Käse und knabberte wie eine Maus daran.

Ich setzte mich an den Küchentisch und sah aus dem Fenster, und da bemerkte ich Axels Pick-up am Straßenrand.

Ich ließ den Käse auf den Tisch fallen.

War es wirklich er? Ich rannte zum Fenster und spähte durch die Jalousien. Es war dunkel draußen, aber ich konnte ein paar Dinge erkennen. Der Fahrersitz war zurückgelehnt und ich konnte ihn nicht sehen.

Aber er war dort.

Hawke hatte mir davon erzählt, aber ich hatte ihm nicht geglaubt, nachdem ich Alexia in Axels Wohnung gesehen hatte. Aber sein Pick-up stand draußen – direkt vor meinen Augen. Ich griff mir einen Pullover, bevor ich den Weg zu seinem Pick-up entlangging.

Jetzt, da ich dort war, wusste ich nicht, was ich tun sollte.

Ich spähte durch das Beifahrerfenster und entdeckte ihn auf dem Fahrersitz. Er war eingeschlafen und trug Jeans und einen Pullover. Seine Arme waren über seine Brust gelegt und es sah unbequem aus, wie er so auf dem Ledersitz lag.

Ich starrte ihn einige Zeit an, bevor ich sanft mit meinen Fingerknöcheln gegen das Fenster klopfte. Das Geräusch weckte ihn nicht, also klopfte ich weiter und klopfte mit den Fingerknöcheln leicht gegen die Karosserie. Ich wollte ihn wecken, aber ich wollte ihn nicht erschrecken.

Schließlich öffneten sich seine Augen und er drehte seinen Kopf dem Geräusch zu. Als er mich sah, zuckte er erschrocken zusammen und setzte sich schnell auf. Seine Augen verengten sich und versuchten herauszufinden, ob das wirklich geschah oder nur ein Traum war.

Er betätigt eine Taste an der Mittelkonsole, um das Auto aufzuschließen und die Tür entriegelte sich.

Ich stieg ein und schloss die Tür hinter mir.

Axel sah mich nicht an, Scham war auf seinem Gesicht zu sehen. Er stellte den Sitz ein, und setzte sich auf. Seine Haare waren durcheinander und der Schlaf war noch in seinen Augen zu sehen. Obwohl man seine Müdigkeit erkannte, sah es aus als hätte er keine Ruhe gefunden. „Ich kann das erklären …“

Ich zog meine Knie an die Brust.

„Eigentlich kann ich es nicht.“

„Machst du das oft …?“

„Was?“, flüsterte er.

„Vor meinem Haus schlafen?“

Er nickte. „Öfter, als ich zugeben möchte.“

„Warum?“

„Ich kann nicht schlafen. Wenn ich dir so nahe bin … tröstet es mich.“ Er sah mich immer noch nicht an, die Verlegenheit stand ihm noch immer ins Gesicht geschrieben.

„Ich kann auch nicht schlafen. Es ist schwierig …“

„Es ist sechs Wochen her seit … du weißt schon. Warum ist das so schwierig? Warum fühle ich mich immer noch so?“ Er lehnte seinen Kopf gegen das Glas. „Letzte Nacht habe ich so gut wie schon lange nicht mehr geschlafen. Als ich heute Abend ins Bett ging, wusste ich, dass ich meine Augen nicht einmal für einen Moment schließen würde. Das verstehe ich nicht.“

„Ich weiß, was du meinst.“

Er atmete tief durch und sein Atem beschlug das Fenster. Er schloss für einen Moment die Augen und räusperte sich. Dann drehte er sich langsam zu mir um, sein Gesicht war in dem wenigen Licht kaum zu sehen. „Können wir Freunde sein, die zusammen schlafen? Das wäre doch was, oder?“

„Freunde mit gewissen Vorzügen?“

„Ich denke schon … aber nicht die Art, die rummachen. Weißt du, wir können zusammen schlafen, essen gehen und Filme schauen. Wir können nur Freunde sein, die gerne Zeit miteinander verbringen.“

Oberflächlich gesehen klang das großartig. „Wären wir nicht wieder da, wo wir schon waren …?“

Seine Augen verfielen in Traurigkeit. „Aber es wäre anders. Wir wären nicht in einer Beziehung.“

Wenn wir das wirklich tun würden, würde ich nie über ihn hinwegkommen – niemals. Ihn ab und zu zu sehen, wenn er zu uns kam, war erträglich. Selbst mit ihm zusammen zu sein, wenn er Zeit mit Francesca verbrachte, war in Ordnung. Aber alles andere als das … war zu schwierig. „Axel, für mich hat sich nichts verändert.“ Ich wollte diese Worte nicht laut aussprechen, aber sie waren die Wahrheit. Sechs Wochen waren gekommen und gegangen, aber mein Herz fühlte sich immer noch genauso an. Ich war immer noch in diesen Mann verliebt, und jetzt fürchtete ich, ich würde immer in diesen Mann verliebt sein.

Axel wandte den Blick ab.

Tief in meinem Herzen hoffte ich, dass er dasselbe sagen würde. Ich hoffte, er würde mir sagen, dass er mich liebte und nicht ohne mich leben konnte. Ich hoffte, er würde sagen, dass Alexia ihm nichts bedeutete, dass ich die einzige Frau war, die je eine Rolle spielte.

Aber ich wusste, dass er das nicht tun würde.

„Es tut mir leid.“ Ich wusste, worauf das wirklich hinauslief. Er fühlte nicht genauso und er würde es nie tun.

Die Ablehnung zweimal hintereinander zu hören war lähmend. Zu sagen, dass man jemanden liebte und es nicht erwidert wurde, war eines der schlimmsten Gefühle auf der Welt. Ich hatte sein Verhalten falsch interpretiert. Wenn er mich im Arm hielt, nahm ich immer an, dass es etwas bedeutete. Vielleicht hatte es nie etwas bedeutet.

„Du bist mir wichtiger, wie keine andere Frau zuvor, aber –“

„Du musst es nicht erklären.“ Ich öffnete die Tür. „Wirklich, es ist in Ordnung.“ Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Er hatte mich einmal verletzt und ich hatte mich selbst gehasst, weil ich es geschehen ließ. Aber jetzt hatte ich zugelassen, dass er mich wieder verletzt hatte.

„Marie …“

Ich sprang aus seinem Pick-up und hielt die Tür auf. „Fahr nach Hause, Axel.“ Ich packte den Griff, bevor ich die Tür schloss. „Ich will deinen Pick-up nicht mehr hier draußen sehen.“

Er senkte beschämt seinen Kopf, als hätte ich ihm etwas Wertvolles genommen.

„Gute Nacht.“ Ich schloss die Tür und ging zurück zum Haus, fühlte meine Unterlippe zittern. Nie in meinem Leben hatte ich etwas so sehr gewollt – aber ich konnte es nicht haben. Ich hatte schon einmal seinetwegen geweint und ich weigerte mich, es noch einmal zu tun. Wenn mich ein Mann so oft verletzt hatte, war er meinen Schmerz nicht wert. Irgendwie hatte ich den Schmerz ausgeschaltet.

Und mein Herz.