15

Die Lösung

Axel

Für zwölf Stunden einer Nacht war ich glücklich gewesen.

Glücklich.

Aber dann am nächsten Tag war es vorbei. Die Realität holte mich ein und mir wurde klar, was wirklich vor sich ging. Ich war allein und unglücklich.

Marie hatte mich vor ihrem Haus auf frischer Tat ertappt. Anstatt eine Ausrede zu erfinden, die keinen Sinn ergab, sagte ich ihr die Wahrheit. Ich konnte nur schlafen, wenn ich in ihrer Nähe war. Um ihr nahe zu sein, war die Bordsteinkante vor ihrem Haus das Nächstmögliche, und es reichte.

Ich wusste, wie verrückt das klang.

Es schien, als hätte sie verstanden, was ich meinte, weil sie genauso empfand. Aber dann hatte sie mein Angebot abgelehnt, Freunde zu sein – besondere Freunde. Und dann erinnerte sie mich an den Grund, warum wir nie zusammen sein konnten.

Sie liebte mich noch immer.

Anstatt, dass mir dies Freude bereitete, brachten mir diese Worte nur Schmerz. Ich konnte diese Gefühle nicht erwidern, und das war der Grund, warum wir nicht zusammen waren. Wenn sie mich nur als einen Mann sehen würde, mit dem sie sich traf, jemanden, von dem sie angetan war, wäre alles in Ordnung. Aber so war es nicht.

Ich konnte das nicht weiter in die Länge ziehen, und sehen, wie sie am Ende verletzt wurde. Ich musste es beenden, bevor es noch schlimmer wurde. Aber irgendwie schien es uns noch mehr wehzutun, endgültig Schluss zu machen.

Warum konnten diese Dinge nicht einfacher sein?

Ich ging mit ein paar Freunden Basketball spielen. Sport war mein Lieblingshobby. Es lenkte mich von allem anderen ab, was in meinem Leben passierte. Gerade jetzt hielt es mich davon ab, an eine schöne Blondine zu denken.

„Gutes Spiel.“ Tom gab mir ein High-Five. Sein T-Shirt war ebenso verschwitzt wie seine Stirn.

„Gutes Spiel.“ Ich nahm mein T-Shirt und wischte mir damit das Gesicht ab.

„Alles in Ordnung mit dir, Mann? Du bist so still.“ Er klemmte sich den Ball unter seinen Arm.

„Mir geht es gut.“ Nicht wirklich. Ich fing wieder an, an Marie zu denken. „Wie geht es Stacy?“ Stacy war seine Verlobte. Sie lebte in New York City, aber er würde nach der Hochzeit zu ihr ziehen.

„Es geht ihr gut. Aber sie arbeitet zu viel.“

„Was macht sie noch mal?“ Ich konnte mich kaum an Namen erinnern, geschweige denn an Berufe.

„Sie arbeitet für Prada. Sie ist Marketingmanagerin.“

Moment … was? „Sie arbeitet für Prada?“

„Ja. Warum?“

„Das ist eine Modefirma, richtig?“ Ich wusste das nur, weil ich mich schon mit Mädchen verabredet hatte, die Handtaschen, Schuhen und Brillen von Prada gehabt hatten.

„Ja.“ Er zog beide Augenbrauen hoch. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so was magst.“

„Tu ich nicht, Arschloch. Meine Freundin –“ Magensäure stieg mir in den Mund. „Meine Freundin hat sich für ein Praktikum bei Vogue beworben, wurde aber nicht genommen. Denkst du, Stacy könnte mir einen Gefallen tun?“

„Ich weiß nicht“, sagte er. „Aber ich kann sie fragen.“

„Alter, ich würde dir was schulden.“

„Du schuldest mir schon Einiges“, sagte er lachend. „Du schuldest mir noch zweihundert Dollar nach diesem Spiel.“

„Die bekommst du, wenn du mir ein Treffen mit ihr organisierst.“

Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. „Ich schätze, diese Freundin von dir ist süß.“

„Ist sie. Aber das ist nicht der Punkt.“

„Wie auch immer.“

„Kannst du das organisieren oder nicht?“

„Sie kommt am Freitag her, um das Wochenende mit mir zu verbringen. Wie wäre es dann?“

„Ich bin bereit, wann immer sie es ist.“ Wenn ich Marie einen Job bei Prada organisieren könnte, wäre sie das glücklichste Mädchen auf dem Planeten.

„Ich werde mit ihr reden.“

„Danke, dass du dich mit mir getroffen hast.“ Als sie das Restaurant betrat, stand ich auf und umarmte sie.

„Natürlich. Es ist immer schön dich zu sehen, Axel.“

Ich kannte Stacy nicht gut, aber ich hatte sie schon immer gemocht. Sie war nett, nicht hochnäsig, wie die meisten hübschen Mädchen die ich kannte, und sie war gut zu Tom. „Das finde ich auch.“ Ich zog den Stuhl für sie hervor, bevor ich mich ihr gegenüber hinsetzte.

„Wow. Wann bist du ein Gentleman geworden?“

„Wer sagt denn so was?“

„Du scheinst dich verändert zu haben … hat ein Mädchen etwas damit zu tun?“

Es gab keinen Zweifel daran, dass Marie mich auf eine gute Art und Weise verändert hatte. „Ich habe eine Freundin, die mir wirklich sehr wichtig ist …“

„Aha.“ Ihr Lächeln vergab ihr.

„Sie ist auch die Person, über die ich mit dir reden möchte.“

„Gerne. Erzähl mir von ihr.“ Sie wechselte in ihren professionellen Modus und hörte aufmerksam zu.

„Sie macht dieses Jahr ihren Abschluss mit Auszeichnung und hat dann ihren Bachelor in Journalismus. Sie ist eine phänomenale Schriftstellerin und sie liebt Mode. Sie wäre eine echte Bereicherung für Prada.“

„Und Vogue hat sie abgelehnt?“

„Für ein Praktikum. Sie war am Boden zerstört.“

„Warum?“ Sie nippte an ihrem Wein.

„Ich weiß, dass sie in der Modebranche arbeiten will, und Vogue ist ein großartiger Ort dafür.“

„Hat sie sich auch bei Prada beworben?“

Mir gefiel die Antwort selbst nicht. „Nein.“

“Hmm …” Sie nippte wieder an ihrem Wein, sagte mir jedoch nicht, was sie dachte.

„Stacy, sie ist fleißig, sie ist leidenschaftlich und sie ist loyal. Wenn du ihr eine Chance geben würdest, egal was für eine, sie würde sogar Kaffee holen und wäre dankbar. Wenn du denkst, dass sie nicht zu euch passt, verstehe ich das. Aber bitte berücksichtige sie.“ Ich konnte dieses Treffen nicht mit leeren Händen verlassen. Ich musste für Marie etwas erreichen. Wenn ich diesen niedergeschmetterten Ausdruck noch mal auf ihrem Gesicht sehen müsste, würde ich sterben.

„Also …“ Sie drückte ihre Finger gegen ihre Unterlippe, als sie über meine Worte nachdachte.

Meine Augen wanderten durch das Restaurant, und da entdeckte ich etwas, das ich nie erwartet hatte. Marie war hier, aber sie war nicht allein. Ein Typ war bei ihr. Er hatte blonde Haare und blaue Augen und sah aus wie ein Modell von Abercrombie & Fitch. Er zog ihr den Stuhl hervor, bevor er sich ihr gegenüber hinsetzte. Nach der Art zu urteilen, wie sie miteinander sprachen, war dies nicht ihre erste Verabredung.

Fuck.

Stacy sprach. „Unsere Praktika sind hart umkämpft. Die einzigen Bewerber, die wir annehmen, kommen von den Ivy League Unis …“

Sie war auf einem Date? Mit einem hübschen Jungen? Wie lange traf sie ihn schon? War es etwas Ernstes? Eifersucht und Schmerz stiegen tief in mir auf und ich fühlte mich schlecht. Ich war schon lange nicht mehr so verletzt gewesen. Es war ein Albtraum, der enden musste.

Aber dann wurde mir klar, dass ich kein Recht hatte, verärgert zu sein.

Sie hatte mir gesagt, dass sie mich liebte und ich hatte sie dennoch verlassen. Ich hatte ihr gesagt, dass wir nur Freunde und nichts mehr sein könnten. Jedes Mal, wenn sie sich mir näherte, lehnte ich sie ab. Ich hatte ihr immer wieder wehgetan. Wenn ich jetzt wirklich sauer auf sie wäre, wäre ich ein echtes Arschloch.

Als hätte sie meinen Blick gespürt, wandte sie sich mir zu. Ihre Augen bohrten sich in meine, und Panik stieg in ihr auf. Sie starrte mich entsetzt an und bemerkte, dass ich sie mit einem anderen Mann sah. Aber dann wanderten ihre Augen zu Stacy, bevor die Traurigkeit einsetzte.

Sie schaute schnell weg und sah nicht wieder her.

Scheiße. Sie dachte, ich hätte ein Date.

Es war klar, dass sie sich mit diesem Typen traf, aber ich wollte nicht, dass sie dachte, dass zwischen Stacy und mir etwas lief. Das Letzte, was ich wollte, war, dass sie davon ausging, dass ich mit anderen Frauen schlief, wenn ich doch jede Nacht alleine geschlafen hatte, meist in meinem Pick-up. „Entschuldige mich für eine Sekunde.“

Stacy war am Reden, hörte aber mitten im Satz auf. „Okay …“

Ich ging zu Maries Tisch und spürte, wie mein Herz raste. Mein Magen verkrampfte sich schmerzhaft und ich fühlte mich krank. Sich ihr und ihrer Verabredung zu nähern, war ekelhaft. Ich blieb an ihrem Tisch stehen und vergaß plötzlich, was ich sagen wollte.

Marie sah zu mir auf, hatte Angst vor dem, was ich sagen könnte.

Ihr Date starrte mich verwirrt an, unsicher, ob ich ein Manager oder ein anderer Angestellter war.

Meine Augen waren auf Marie gerichtet. „Hallo …“

Sie hielt die Speisekarte in ihren Fingern und sah klein aus. „Hallo …“

„Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich mich gerade in einem Geschäftstreffen befinde. Ich habe gerade ein Interview für einen anderen Job.“ Es war eine Lüge, aber es war besser, als sie denken zu lassen, dass ich ein Date hätte.

„Okay …“ Sie warf einen Blick auf ihr Date, bevor sie mich wieder ansah.

„Zwischen uns läuft nichts. Das ist kein Date.“

„Okay …“

„Ich wollte nur, dass du das weißt …“ Die letzte Frau, die in meinem Bett gewesen war, war Marie gewesen – und niemand sonst. Wenn wir nicht wieder zusammen sein konnten, spielte das keine Rolle. Aber es war mir wichtig.

„Alles klar …“ Sie starrte mich verlegen an, als wüsste sie nicht, was sie sonst noch sagen sollte.

„Nun, euch einen schönen Abend.“

„Dir auch …“

Ich streckte meine Hand zu ihrem Date aus. „Entschuldigung. Ich habe vergessen, mich vorzustellen. Ich bin Axel.“

Er betrachtet vorsichtig meine Hand, bevor er sie nahm. Seine Augen weiteten sich in Erkenntnis, als wüsste er, wer ich war. „Jason.“

„Schön dich kennenzulernen.“

„Dich auch …“

„Du bist ein Glückspilz.“ Ich meinte jedes Wort. Ich wünschte, ich würde in diesem Moment ihr gegenübersitzen. Ich wünschte, wir könnten ein paar Drinks genießen und dann in meinem Bett schlafen gehen. Aber ich würde heute Nacht allein nach Hause gehen.

„Ich weiß.“ Er zog seine Hand weg und griff nach seiner Speisekarte. „Schönen Abend noch.“

Ich warf Marie einen letzten Blick zu, bevor ich zu meinem Tisch zurückging, innerlich immer noch krank und tot. Ich ließ mich auf den Stuhl gegenüber von Stacy fallen und leerte sofort mein ganzes Glas Wein.

Stacy starrte mich besorgt an. „Geht es dir gut?“

„Ja … hab nur Kopfschmerzen.“

„Du bist so blass wie ein Geist.“

Ich löste meine Krawatte ein wenig. „Es ist nur heiß hier drin … was hast du gesagt?“

Stacy starrte mich noch immer an. „Ist das das Mädchen, von dem du redest?“ Sie blickte über ihre Schulter zu Maries Tisch.

Ich nickte.

„Sie ist auf einem Date?“

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter. „Ja.“

Stacy konnte die Gefühle auf meinem Gesicht sehen. „Sie bedeutet dir etwas.“

„Sie ist mir wichtig …“ Es war keine Schande, das zuzugeben.

„Warum machst du das für eine Frau, die mit jemand anderem verabredet ist?“

Es gab eine Million Gründe, und nicht genug Zeit, um sie alle zu erklären. „Ich will nur, dass sie glücklich ist.“

Jetzt ging es mir noch elender als zuvor.

Marie traf sich mit einem Typen – und dieser Typ war nicht ich. Egal, wie sauer und eifersüchtig ich war, ich konnte nichts dagegen tun. Ich konnte ihr nicht sagen, wie sehr es mich störte – dass es mich innerlich umbrachte.

Was für ein Mann wäre ich, wenn ich es täte?

Meine Tage waren noch bedeutungsloser als vorher. Ich ging zur Arbeit und wieder nach Hause. Ich wachte am nächsten Tag auf und wiederholte es immer wieder. Minuten und Stunden verschwammen, als bedeuteten sie nichts.

Marie und ich hatten nicht gesprochen, seit ich ihr im Restaurant begegnet war. Ich hatte wichtige Neuigkeiten für sie, aber ich war nicht bereit, sie zu sehen. Ich dachte immer an den Typen, der ihr gegenübergesessen hatte. Er schien ein netter Kerl zu sein – was mich dazu brachte, ihn noch mehr zu hassen.

Als eine Woche vergangen war, wusste ich, dass ich nicht länger zögern konnte. Ich musste mich der Situation stellen und die Sache klären. Nachdem ich im Büro fertig war und geduscht hatte, ging ich zu ihrem Haus und ging hinein. Francesca und Marie saßen beide am Küchentisch und lackierten sich ihre Nägel, während der Haushalt liegen blieb. „Ich bin es.“ Ich schloss die Tür hinter mir.

Marie reagierte überhaupt nicht, also hatte sie mich durch das Fenster kommen sehen. Sie fuhr konzentriert fort, ihren Zeigefinger zu lackieren.

„Was führt dich her?“ Francesca wedelte mit der Hand in der Luft herum, um das Trocknen zu beschleunigen.

„Ich wollte sehen, wie es dir geht.“ Ich setzte mich an den Tisch und ließ einen leeren Stuhl zwischen Marie und mir.

Francesca sah zwischen uns hin und her und bemerkte die Spannung, die gerade aus dem Nichts aufgetaucht war. „Nun, mir geht es großartig. Cameron holt mich gleich ab.“

„Wo wollt ihr hin?“

„Ins Kino.“

Ich beäugte ihre Nägel. „Wird er deine Nägel im Dunkeln überhaupt sehen können?“

„Halt die Klappe.“ Sie blies auf ihre Nägel.

Ich wandte mich an Marie, die mich immer noch ignorierte. „Hallo …“

„Hallo …“ Sie beschloss, ihr Verhalten ein wenig zu ändern.

Francesca sah uns an, als wären wir in einer Seifenoper.

Es war peinlich, den Typen nicht zu erwähnen, mit dem sie zusammen war. Aber es war auch peinlich, ihn zu erwähnen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also saß ich schweigend da.

Francesca fuhr fort, auf ihre Nägel zu blasen, obwohl sie trocken waren.

„Jason scheint nett zu sein.“ Endlich sagte ich es. Es war ausgesprochen und das Eis war gebrochen.

„Das ist er“, sagte Marie zustimmend. „Er ist in meiner Ethik Vorlesung.“

„Du triffst ihn schon länger?“ Hatte sie mit ihm geschlafen?

„Es war unser zweites Date.“

Also gab es eine gute Chance, dass sie noch nicht im Bett gelandet waren. Gott sei Dank. Ich war mir nicht sicher, ob ich damit umgehen könnte. „Cool …“

„Wie ist dein Geschäftstreffen verlaufen?“, fragte sie.

„Eigentlich war es kein Geschäftstreffen“, erklärte ich. „Sie ist die Verlobte eines Freundes.“

„Okay …“ Sie wusste eindeutig nicht, was los war.

„Sie arbeitet für Prada in New York. Ich habe mit ihr darüber gesprochen, dir ein Praktikum zu beschaffen –“

„Was?“ Francesca vergaß ihre Nägel.

Ich ignorierte sie und sah Marie ohne Unterbrechung an. „Aber sie haben gerade keinen Bedarf.“

Marie hörte auf, ihre Nägel zu lackieren, obwohl sie erst halb fertig waren. Bei meinen Worten trat ihr die Traurigkeit ins Gesicht.

„Nun … es war aufmerksam von dir, es zu versuchen. Ich weiß das zu schätzen.“

„Die Praktika sind sehr schnell vergeben“, sagte ich. „Sie nehmen nur ungefähr fünf Bewerber an.“

Marie nickte zustimmend.

„Aber ich habe ein Vorstellungsgespräch für eine redaktionelle Position vereinbart.“ Ich wartete auf ihre Reaktion.

Sie ließ den Nagellack fallen und verschüttete ihn auf dem Tisch. „Was?“ Sie kümmerte sich nicht um das Durcheinander und auch nicht darum, es aufzuräumen. „Wow … was hast du gerade gesagt?“

Das Glück in ihrem Gesicht zu sehen, war den schrecklichen Abend wert gewesen. Ich musste zusehen, wie sie sich mit einem anderen Mann getroffen hatte und in Stille leiden. Aber diese Freude zu sehen machte es ein wenig erträglicher. „Dein Vorstellungsgespräch ist nächsten Montag.“

„Oh mein Gott.“ Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und verschmierte so den Nagellack auf ihren Wangen. „Ist das dein Ernst?“

„Ja.“ Ich vergaß für einen Moment all meinen Schmerz und sonnte mich im Glanze ihrer Freude.

„Ach du heilige Scheiße!“

Sie sprang auf die Füße und warf den Stuhl um. „Ich kann das einfach nicht glauben.“

„Ich kann es auch nicht glauben.“ Francesca griff nach einem Handtuch und warf es über den Nagellack, um die Farbe aufzusaugen.

Ihre Finger vergruben sich in ihrem Haar. „Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast …“

Ich würde alles für sie tun. Wusste sie das bis jetzt noch nicht? „Ich wollte nur helfen …“

Sie ließ sich auf meinen Schoß fallen und schlang ihre Arme um meinen Hals. „Vielen, vielen Dank.“ Sie vergrub ihr Gesicht in meinem Nacken und schmierte den Lack auf meine Wangen. Wahrscheinlich hatte ich auch Flecken auf meiner Kleidung, aber das war mir egal.

Meine Arme schlangen sich wie von selbst um sie und lagen auf dem Bereich direkt über ihren Hüften. Ich schloss meine Augen und genoss ihren Duft. Er überkam mich wie eine warme Brise. Ihr Haar kitzelte mich leicht und berührte mich so wie früher. Sie auf meinem Schoß zu fühlen, war himmlisch.

Das hatte ich vermisst.

Marie löste sich, als sie bemerkte, dass sie zu lange auf mir saß. „Das hättest du nicht tun müssen.“

„Aber ich wollte es tun.“ Und ich würde es wieder tun.

„Prada ist der Wahnsinn“, sagte sie. „Ich habe mich dort nicht beworben, weil ich dachte, es sei sinnlos.“

Ich wünschte, ich hätte Stacy diese Antwort gegeben. „Siehst du? Ich habe dir gesagt, dass etwas Gutes kommen würde.“

„Deinetwegen.“

Ich zuckte die Schultern in Bescheidenheit. „Du verdienst das Beste. Ich bin froh, dass ich jemanden kenne, der helfen konnte.“

Francesca räumte das Chaos auf und reichte Marie ein frisches Handtuch. „Ich freue mich für dich und so – aber du hast überall Nagellack – sogar im Gesicht.“

„Oh Danke.“ Marie nahm das Handtuch und ging ins Badezimmer.

Francesca warf das mit Nagellack getränkte Handtuch weg. „Ernsthaft, Axel?“

„Was?“ Meine Augen waren immer noch auf den Flur fixiert und warteten darauf, dass sie zurückkam.

„Du sitzt da und willst mir ernsthaft sagen, dass du sie nicht liebst?“ Sie verstellte mir den Blick, ihre Hände in den Hüften und ein Schmollen auf ihren Lippen.

„Frankie, nicht jetzt.“

„Nicht jetzt?“, flüsterte sie zurück. „Axel, was zum Teufel machst du? Marie ist nicht irgendein Mädchen. Ich habe noch nie in meinem Leben gesehen, dass du etwas Selbstloses tust, also bedeutet das etwas.“

„Sie ist mir wichtig.“

Sie verdrehte die Augen und stampfte mit dem Fuß auf. „Du. Liebst. Sie.“

Ich wandte mich ab und schaute aus dem Fenster, ich wollte das nicht mehr hören.

„Axel, ich kapier das nicht. Bitte hilf mir, es zu verstehen.“

„Marie ist nur eine Freundin, okay? Menschen können sich trennen und Freunde sein.“

„Ihr seid nicht getrennt.“

Warum trifft sie sich dann mit diesem Typen?

„Ihr tanzt nur umeinander rum. Wenn sie einen Schritt macht, machst du auch einen. Vielleicht seid ihr theoretisch getrennt, aber eure Gedanken sind immer noch verbunden. Ehrlich gesagt, eure Beziehung ist kaum anders als die, die ich mit Hawke hatte.“

Das sah ich anders. „Das ist ein großer Unterschied. Er ist abgehauen und ich weiß immer noch nicht warum.“

„Und du hast mit Marie Schluss gemacht und ich weiß auch nicht warum.“

„Ich habe es dir gesagt. Marie und ich wollen verschiedene Dinge. Sie verdient Dinge, die ich ihr nicht geben kann.“

„Bullshit.“

Ich war es leid, mit meiner Schwester zu streiten, also beendete ich das Gespräch. „Ich sollte jetzt sowieso gehen.“ Ich stand auf und ging zur Tür.

„Weißt du was?“

Ich drehte mich nicht um.

„Du bist ein Feigling, Axel. Der größte Feigling, den ich je getroffen habe.“

Ich blieb auf der Stelle stehen. Es gab nichts Schlimmeres, was sie mir sagen könnte. Unser Vater hatte es sich leicht gemacht und uns verlassen. Er war der wahre Feigling. Mich mit ihm zu vergleichen war schmerzhaft und beleidigend. „Wie bitte?“ Ich drehte mich langsam um und spürte, wie meine Arme zitterten.

„Du hast Angst, Marie zu lieben, weil du Angst hast, dass du sie eines Tages verlieren wirst. Es ist einfacher, sie jetzt gehen zu lassen, bevor es zu schwer wird. Das macht dich zum Feigling. Lebe einfach dein Leben und genieße es. Denk nicht über das Ende nach, bevor dein Leben überhaupt begonnen hat.“

„Halt den Mund, Francesca.“

„Ich werde nicht den Mund halten“, schnauzte sie. „Wir verlieren uns alle auf die eine oder andere Weise. Leute sterben, Axel. So ist das Leben. Du kannst nicht aufhören zu leben, nur weil das passiert. Ich weiß, dass wir beide eine Menge Leute verloren haben, aber das bedeutet nicht, dass wir aufhören müssen, Menschen aus Angst nicht zu lieben.“

„Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Ich wandte mich der Tür zu.

„Hawke hat mich verlassen.“ Ich hörte an ihrer Stimme, dass ihr Tränen in die Augen traten. „Er hat versprochen, für immer bei mir zu sein. Er versprach, sein Leben mit mir zu verbringen. Er war derjenige, der einzige Mensch, mit dem ich jemals enden wollte. Aber er ist gegangen. Er ging weg von mir und hat mich verlassen. Es tut weh – sehr. Aber ich habe nicht aufgehört zu leben.“

Jetzt war ich sauer. Ich drehte mich um und griff nach dem Stuhl, der mir am nächsten war. Ich knallte ihn auf den Boden und zerbrach ihn in zwei Hälften. „Du hast versucht dich umzubringen, Francesca. Oder erinnerst du dich nicht daran? War das alles nur ein verschwommener Moment wegen all der Schmerzmittel, die du genommen hattest? Nur weil du dich dafür entschuldigt hast, soll alles vergessen sein? Was zur Hölle hätte ich getan, wenn ich dich verloren hätte? Was zum Teufel hätte ich getan, wenn du gestorben wärst? Du bist alles, was ich noch habe, aber du hast trotzdem versucht Schluss zu machen. Wer ist jetzt ein verdammter Feigling?“

Francesca behielt einen ernsten Gesichtsausdruck bei, aber ihre Augen waren mit Tränen erfüllt und zeigten die wahre Emotion darunter.

„Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe, Francesca. Du hast keine Ahnung, wie es war, an deinem Bett zu sitzen und zu hoffen, dass du aufwachst. Du hast keine Ahnung, wie es ist, diesen Anruf zu bekommen. Setz dich nicht hin und verurteile mich wegen irgendwelcher Unsicherheiten, die ich habe. Es ist deine Schuld, dass sie überhaupt existieren.“ Ich wandte mich ab und versuchte, so schnell wie möglich von dort wegzukommen.

Francesca folgte mir. „Weißt du, wie das alles zu beheben ist? Wie du all den Schmerz beseitigen kannst, den du jeden Tag fühlst? Du möchtest wissen, wie du das alles loswerden kannst? Ich kann es dir sagen.“

Ich öffnete die Tür und ging hinaus.

Sie verfolgte mich auf Schritt und Tritt. „Liebe Marie und lass sie dich lieben. Ich verspreche dir, dass das alles reparieren wird. Sie wird diese Leere in deinem Herzen füllen. Sie wird dich vergessen lassen, dass du etwas verpasst. Sie ist die Antwort auf all deine Probleme. Wirf sie nicht weg.“

Ich erreichte meinen Pick-up, stieg aber nicht ein. Ich stand da, atmete schwer und bekämpfte all den Schmerz, den ich tief in mir spürte.

Als Francesca bemerkte, dass ich nirgendwohin gehen würde, senkte sie ihre Stimme. „Axel, komm schon. Hab keine Angst.“

„Ich habe keine Angst.“

„Dann erkennst du nicht die Wahrheit.“

Ich drehte mich um und sah sie an. „Als Hawke gegangen ist, bist du komplett zusammengebrochen. Und nichts für ungut, du bist nicht mehr die gleiche Person. Es hat dich so sehr gebrochen, dass du selbstmordgefährdet wurdest. Denkst du, ich möchte so was durchmachen?“

„Das wirst du nicht“, sagte sie. „Marie wird nicht gehen.“

„Das weißt du doch gar nicht.“

„Ich weiß es. Ich sehe euch beide zusammen. Ich höre zu, wie Marie über dich spricht. Ich höre dir zu, wie du über sie sprichst. Es ist dem so ähnlich, was ich mit Hawke hatte. Ich habe nicht an Seelenverwandtschaft geglaubt, bevor er in mein Leben kam. Erst als ich es erlebte, begann ich daran zu glauben.“

„Marie ist nicht meine Seelenverwandte“, schnauzte ich. Ich glaubte nicht an diesen Schicksalsunsinn.

„Hast du schon mal für jemanden so empfunden?“

„Das ist irrelevant.“

„Nein, ist es nicht. Axel, mit ihr bist du ein ganz anderer. Sie ist nicht nur irgendein Mädchen.“

„Und wenn sie meine Seelenverwandte wäre, wären wir schon lange zusammen.“

„Das ist nicht ganz richtig.“

Sie brachte mich zur Weißglut. „Schau, ich glaube nicht an deinen blöden magischen Hokuspokusblödsinn und ich werde es auch nie tun. Versuch nicht, mich wieder mit Marie zusammenzubringen, indem du meinen Kopf mit Unsinn füllst. Vielleicht hat dieser Scheiß bei Hawke funktioniert, aber bei mir funktioniert das nicht.“

„Vielleicht bist du nur stur und du brauchst etwas Ruhe.“

„Und vielleicht musst du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern.“ Ich ging um den Wagen herum, damit ich von ihr wegkommen konnte.

„Vergeude nicht deine Zeit, Axel. Sie wird mit jemand anderem enden, wenn du so weitermachst.“

„Sie sollte mit jemand anderem enden.“ Ich sprang in den Wagen und startete den Motor. Mein Fuß traf das Gaspedal hart durch und ich drehte mich um, bevor ich auf die Straße fuhr. Ich wusste nicht, wie schnell ich gefahren war, bis ich ein Stoppschild übersah. Dann wurde ich langsamer und wusste, dass ich mich umbringen würde, wenn ich mich nicht beruhigte.