19

Vermasselt

Axel

Ich hasste mich selbst.

Nein. Ich verabscheute mich.

Wie konnte ich sie falsch verstehen? Warum hatte ich mit ihr geschlafen, obwohl ich wusste, dass sie mich immer noch liebte? Warum hatte ich an meine Bedürfnisse gedacht, anstatt zuerst an ihre zu denken? Warum musste ich es immer wieder vermasseln?

Ich dachte, es wäre klar, dass die letzte Nacht eine einmalige Sache war. Und als ich das mit den Kindern gesagt hatte … wollte ich nicht, dass sie es hörte. Ich wünschte, ich könnte es zurücknehmen, anstatt ihr falsche Hoffnungen zu machen.

Jetzt fühlte ich mich noch schlechter als gestern.

Marie war für mich eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Ich bewunderte sie – absolut und pathetisch. Aber ich konnte ihr nicht geben, was sie wollte. Ich hätte das berücksichtigen sollen, bevor ich ihr Herz wieder brach.

Jetzt hasste sie mich.

Ich machte ihr keine Vorwürfe.

Als wir das letzte Mal geredet hatten, war sie so wütend gewesen, dass sie nicht klar denken konnte. Sie schrie mich an und warf mich aus dem Haus. Ihr Vorstellungsgespräch war heute und ich hoffte, dass ich es nicht versaut hatte. Das Letzte, was sie brauchte, war, sich wegen eines Arschlochs wie mir zu stressen.

Ich fuhr zum Haus, um zu sehen, ob sie schon heimgekommen war. Jetzt, nachdem sie genügend Zeit gehabt hatte, sich zu beruhigen, konnten wir uns besser unterhalten als das letzte Mal. Ich würde sie davon überzeugen können, dass ich sie nicht benutzen wollte. Mit ihr zusammen zu sein bedeutete mir etwas. Es hatte mir immer etwas bedeutet. Sie war nicht nur ein warmer Körper in einem Bett. Sie das denken zu lassen, tat mir mehr weh, als ich je mit Worten ausdrücken könnte. Die Nächte, die wir zusammen verbrachten, waren wunderschön und heilig. Ich konnte nicht zulassen, dass sie sie mit Fehlinterpretationen beschmutzte.

Ich klingelte an der Tür, anstatt einfach so hineinzugehen, wie ich es normalerweise tat. Maries Auto stand nicht in der Einfahrt, aber sie würde wahrscheinlich jeden Moment nach Hause kommen.

Francesca öffnete die Tür und sah stinksauer aus. „Du solltest dich besser für eine Weile nicht hier sehen lassen.“

„Ich möchte mit ihr reden, wenn sie nach Hause kommt.“

„Nun, keine von uns will mit dir reden.“

Ich würde sie beiseiteschieben, wenn ich müsste. „Frankie, lass mich das erklären. Sie hat das alles falsch verstanden.“

„Wie konnte sie es falsch verstehen?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah wie damals in ihrer Kindheit aus, wenn sie etwas aus meinem Zimmer gestohlen hatte und sich weigerte, es zurückzugeben. „Wenn du nicht wieder mit ihr zusammenkommen willst, dann hat sie alles richtig gemacht. Es sei denn, du bist hier, um etwas anderes zu sagen?“

„Ich dachte, sie hätte verstanden, was diese Nacht bedeutete.“

„Und warum sollten Sie so was denken?“ Francesca verteidigte Marie heftig. Wenn ich wirklich etwas tun würde, das sie verletzte, würde sie mich umbringen.

„Weil wir am Grab meines Vaters waren … ich war zutiefst deprimiert. Komm schon, was machen die Leute, wenn sie deprimiert sind? Normalerweise werden legen sie jemanden flach und essen eine Tüte Chips.“

„Und du hast Marie ausgenutzt, weil du wusstest, dass sie dir das geben würde – weil sie dich liebt. Und das macht dich zu einem erbärmlichen Menschen.“ Spucke flog aus ihrem Mund, weil sie so schnell sprach.

„So war das nicht –“

„Genau das hast du gesagt.“

„Nein, habe ich nicht. Du drehst mir die Worte im Mund herum.“

„Nein, tu ich nicht. Und das ist das Traurige daran. Du wusstest genau, was du tust und du hast es trotzdem getan.“

Wir stritten an der Haustür, und die Nachbarn hatten es bestimmt schon bemerkt. „Schau, ich habe seit unserem ersten Mal mit niemandem außer Marie geschlafen. Ob wir zusammen oder getrennt waren, ich war ihr treu. Es ist nicht so, als würde ich mit allem schlafen, was sich bewegt. Ich dachte, diese Nacht wäre nur eine kurze Unterbrechung von der Distanz, die wir ständig zwischen uns haben, aber es ist nicht so, als würde ich sie nur zum Vögeln benutzen. Wenn das alles gewesen wäre, was ich wollte, hätte ich das von jeder anderen bekommen können. Marie ist anders. Mit Marie –“

„Du. Liebst. Sie.“ Bei jeder Silbe stampfte mit dem Fuß. „Wann zur Hölle wirst du das endlich in dein kleines Hirn bekommen? Es steht dir ins Gesicht geschrieben. Es ist offensichtlich – in allem, was du tust. Hör auf, meine Freundin durch den Dreck zu ziehen und gib zu, was du für sie empfindest. Sei einfach bei ihr, Axel. Scheiße, das ist doch nicht so schwer.“

„Aber ich liebe sie nicht.“ Ich wurde es leid, das ständig zu wiederholen.

Sie packte sich an den Kopf und versuchte, nicht zu schreien. „Axel … ich schwöre bei Gott, ich bring dich um.“

„Wenn ich es täte, würde ich es sagen. Warum sollte ich lügen?“

„Vielleicht verstehst du nicht, was Liebe ist, obwohl es dir in diesem Moment direkt ins Gesicht geschrieben steht.“

„Ich kann Marie nicht geben, was sie verdient. Ich werde ihre Zeit nicht damit verschwenden, es zu versuchen.“

„Also wirst du sie an einer Leine hinter dir her schleifen, bis du dich entschließt, sie gehen zu lassen? Axel, was du ihr jetzt antust, ist viel schlimmer als alles, was du ihr als ihr Freund antun könntest.“

Ich steckte die Hände in die Tasche und schaute auf die Straße, in der Hoffnung, dass sie bald nach Hause kommen würde.

„Axel, sie ist stinksauer. Eigentlich ist sie noch viel mehr als das. Ich habe sie noch nie so wütend gesehen. Du bist kurz davor, sie für immer zu verlieren. Du hast ihr Herz zu oft gebrochen. Ehrlich, ich glaube, du bist zu spät, auch wenn du deine Meinung gerade geändert haben solltest. Sie wird sich mit anderen Kerlen treffen – sie ernsthaft kennenlernen – und sie wird über dich hinwegkommen. Und wenn du endlich aus deinem dummen Traum aufwachst, wird es zu spät sein. Und dann wirst du wirklich wissen, wie es ist, jemanden zu verlieren.“

Ich ließ meine Augen auf die Straße gerichtet, ich wollte ihr nicht mehr zuhören. Ihr Auto bog in die Straße ein, und mit den Sekunden, die vergingen, kam es näher und näher. Anstatt in die Einfahrt zu fahren, hielt sie das Auto direkt am Bordstein an. Sie warf einen Blick auf uns. Sie trug eine Pilotenbrille und mit einem finsteren Blick gab sie Gas und verschwand wieder.

„Fahr nach Hause, Axel.“ Francesca ging hinein und knallte mir die Tür vor der Nase zu.

Ich stand auf der Veranda und sah zu, wie ihr Auto verschwand. Als ich es nicht mehr sehen konnte, wusste ich, dass sie nicht so bald zurückkommen würde. Nicht, solange ich hier war.

Ich setzte mich auf die Treppe und legte meine Arme auf meine Knie. Und wenn ich den ganzen Tag warten müsste, würde ich es tun. Sie würde irgendwann zurückkommen.

Und ich würde hier warten.

Später an diesem Abend fuhr sie in die Auffahrt. Aber sie war nicht alleine.

Ein Mann saß auf dem Beifahrersitz, derselbe Mann, mit dem ich sie im Restaurant gesehen hatte.

Sie stiegen aus dem Auto und gingen zur Haustür. Marie nahm ihre Sonnenbrille ab und ihre Augen sahen bedrohlich aus. In ihnen spiegelten sich Mordgedanken wider. Sie wollte mich tot sehen. „Es ist so nervig, wenn Leute ihre Hunde auf dein Grundstück lassen …“

Ich ignorierte den Hieb und auch den Typen, mit dem sie zusammen war. „Marie, lass mich erklären.“

„Du hast gestern bereits alles gesagt, was zu sagen war.“

„Du warst verärgert und du hast mir nicht zugehört.“

„Oh, ich habe dir zugehört.“ Ihre Stimme hob sich um ein paar Oktaven. „Und ich möchte dir nicht noch einmal zuhören. Jason und ich sind auf einem Date. Und jetzt gehen wir in mein Schlafzimmer und werden Sex haben. Das ist dasselbe in Grün, stimmt’s?“ Sie ging um mich herum zur Eingangstür.

„Marie, bitte gib mir fünf Minuten.“

„Warum?“ Sie drehte sich um und starrte mich an.

Jason stand da, kam uns aber nicht in die Quere. Es schien nicht, als wollte er etwas mit dieser Unterhaltung zu tun haben, und er schien auch nicht eifersüchtig auf mich zu sein. Ich fragte mich, welche Art von Beziehung sie wirklich hatten.

„Warum sollte ich dir zuhören?“, schnauzte sie zurück. „Das kann warten. Im Moment bin ich beschäftigt.“

„Ich will nicht, dass du mit irgendeinem Kerl fickst, nur, weil du sauer auf mich bist.“

„Und ich will nicht, dass du mich fickst, nur, weil du deprimiert bist. Wir bekommen nicht immer, was wir wollen.“ Sie öffnete die Tür und ging hinein. Sie war so wütend, dass sie nicht zuhören wollte. Jetzt wünschte ich, ich wäre nicht hierhergekommen. Hätte sie mich nicht auf der Veranda gesehen, hätte sie Jason nicht abgeholt.

Ich blockierte seinen Weg, damit er nicht hineingehen konnte. „Bitte geh. Ich werde dich fahren.“

„Was?“ Er sah mich an, als wäre ich verrückt.

„Du kannst nicht mit ihr schlafen. Nicht, wenn sie so ist. Komm schon, es wäre nicht richtig. Tu ihr das nicht an.“

„Jason, hör nicht auf ihn“, sagte Marie. „Komm rein.“

„Bitte.“ Ich flehte ihn förmlich an. „Sie ist nicht bei klarem Verstand. Sie tut das nur, um sich an mir zu rächen.“

„Alter.“ Er schob mich zurück. „Wenn es dir wirklich so wichtig wäre, mit wem Marie schläft, dann wärst du mit ihr zusammen. Von mir bekommst du kein Mitleid.“ Er ging um mich herum und schloss sich Marie an.

Marie warf mir einen letzten Blick zu, bevor sie die Tür vor meiner Nase zumachte. „Gute Nacht, Axel.“