20

Ein Neuer Tag

Marie

Ich warf meine Handtasche so fest auf den Tisch, dass sie über die Oberfläche rutschte und auf der anderen Seite herunter fiel.

Francesca schloss die Jalousien am Fenster, damit Axel nicht ins Haus sehen konnte. Sie zog eine Grimasse, die der auf meinem Gesicht ähnelte. „Ich will ihn einfach nur schlagen …“

Jason stand da mit den Händen in den Taschen und blieb stumm.

„Er ist so ein Arsch“, schnauzte ich. „Was habe ich nur in ihm gesehen?“

„Ich habe von Anfang an versucht, dir das zu sagen“, sagte Francesca. „Aber hast du auf mich gehört? Nein.“

Jetzt wünschte ich, dass ich es getan hätte.

„Komm Jason. Lass uns Sex haben.“ Ich nahm seine Hand und zerrte ihn den Flur entlang.

„Äh … okay.“ Er folgte mir in mein Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.

Ich schlüpfte aus meinen Heels und zog meine Jacke aus. „Lass uns anfangen.“

Jason saß immer noch angezogen am Fußende des Bettes. Er beobachtete mich mit ausdruckslosen Augen.

„Was machst du da?“ Ich packte den Saum seines Hemdes und versuchte, es ihm auszuziehen.

„Marie, setz dich.“ Er nahm sanft meine Handgelenke und zog sie weg. „Komm schon, lass uns reden.“

„Versaut reden?“ Ich saß neben ihm und spürte, wie das Bett unter mir federte.

„Ich werde nicht mit dir schlafen.“

„Warum zur Hölle nicht?“ Ich hatte Jason gerade deswegen abgeholt. Ich wollte mich an Axel rächen, ihn so verletzen, wie er mich verletzt hatte. Ich war es leid, ihn auf mir herumtrampeln und mir immer wieder das Herz brechen zu lassen.

„Marie, willst du wirklich Sex mit mir haben?“ Er beobachtete meine Reaktion, und seine Augen enthielten bereits meine Antwort. „Das habe ich auch nicht erwartet. So sehr ich Sex mag, ich möchte wirklich nicht mit einer Frau zusammen sein, die an einen anderen Mann denkt.“

Peinlich berührt sah ich weg.

„Und es klingt so, als ob zwischen euch was vorgefallen wäre …“

Ich hatte Jason nicht gesagt, dass wir miteinander geschlafen hatten. „Ich bin zu ihm gegangen, weil er eine schwere Zeit durchgemacht hat. Eins führte zum anderen und wir verbrachten die Nacht zusammen. Ich dachte, wir kommen wieder zusammen, aber für ihn war es nur eine einmalige Sache.“ Jason und ich waren nicht richtig zusammen, aber er hatte das Recht zu wissen, wo ich nachts schlief – und mit wem ich geschlafen hatte.

Er schien nicht verletzt oder enttäuscht zu sein, aber die Neuigkeiten waren ihm wichtig. „Marie, ich mag dich. Ich finde dich hübsch und schlau. Wir haben eine tolle Zeit zusammen. Aber ich möchte wirklich nicht in etwas reingezogen werden …“

Ich konnte ihm nicht verdenken, dass er so fühlte. „Ich verstehe, Jason.“

„Es klingt nicht so, als ob die Beziehung mit Axel wirklich vorbei wäre. Und unter diesen Umständen werde ich nie eine richtige Chance haben. Ich bin kein romantischer Typ, aber ich möchte nicht gegen einen Kerl antreten, den ich nie schlagen kann.“

„Es ist vorbei“, sagte ich. „Aber du hast jedes Recht, so zu fühlen.“ Jason und ich waren nie ernsthaft zusammen gewesen, die Beziehung hatte nie richtig begonnen. Wir hatten nie eine Chance gehabt, weil ich uns nie eine Chance gegeben hatte. Ich dachte immer wieder an Axel und hoffte, dass unsere Liebe wieder aufleben würde, anstatt mich auf den großartigen Kerl vor mir zu konzentrieren.

„Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist. Aber es scheint, als würdest du ihn vergessen müssen.“

„Ich weiß …“

„Gib der Sache etwas Zeit, um das Ganze zu vergessen. Schau nach vorne und finde dich selbst. Wenn du mit dir ins Reine gekommen bist, ruf mich an. Aber ich denke, ich muss jetzt erst mal etwas Abstand gewinnen.“

„Ich mache dir keine Vorwürfe.“ Axel hatte mich jetzt schon dreimal fallen lassen.

„Was ist mit diesem Kerl los, Marie?“

Ich seufzte verlegen, weil ich keine Antwort hatte. „Ich habe keine Ahnung.“

„Habt ihr viel gemeinsam?“

„Nicht wirklich.“

„Fühlst du dich zu ihm hingezogen? Ist das etwas Physisches?“

„Ich fühle mich wirklich von ihm angezogen. Aber nein, es ist überhaupt nicht physisch.“

„Was ist es dann?“

„Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen. Wenn ich es beschreiben könnte, würde ich es tun. Aber das kann ich nicht.“

„Sicher, du musst wissen, warum du ihn liebst.“

Ich dachte, ich wüsste es. Aber gab es irgendeinen konkreten Grund, jemanden zu lieben? War es eine Kombination von Dingen? Oder war es nur eine Option von vielen? Ich war vorher nie verliebt gewesen, also wusste ich es nicht wirklich. „Tue ich … aber vielleicht auch nicht.“

„Nun, es scheint so, als wüsste er es nicht zu schätzen.“

„Nein, tut er nicht.“ Das konnte man nicht bestreiten. Axel hatte mein Herz in dem Moment gewonnen, als sich unsere Lippen zum ersten Mal berührt hatten. Sein Mitgefühl und seine Sensibilität zwangen mich in die Knie. Wenn es nur er und ich waren, schien alles perfekt zu sein. Ich konnte mir vorstellen, zusammen mit ihm alt zu werden, umgeben von unseren Kindern und Enkelkindern. Als ich mir das Gesicht meines Mannes vorstellte, war es Axels.

Aber er behauptete, dass er nicht genauso empfand.

„Marie, du bist zu schön und schlau, um mit einem Kerl wie ihm zusammen zu sein. Du solltest nach vorne schauen und ihn vergessen.“

Ich starrte auf meine Hände in meinem Schoß. „Ich bin völlig deiner Meinung.“

„Hör auf, ihn zu treffen, damit du über ihn hinwegkommst. Und wenn dieser Tag endlich kommt, fang an, wieder auszugehen.“

„Wenn ich diesen Job bekomme, werde ich in einem Monat nach New York ziehen.“

„Na bitte. Es gibt viele Fische im Meer – besonders in New York.“

Ich kicherte. „Ja, wahrscheinlich hast du recht.“

„Also … können wir Freunde sein?“ Er streckte seine Hand aus, um meine zu schütteln.

„Ich wäre gerne dein Freund.“ Ich nahm sie, bevor ich es mir noch anders überlegen würde.

„Großartig. Ich bin froh, dass wir das klären konnten.“

„Ich auch.“

Er sah sich in meinem Zimmer um und sah sich meine Bücherregale und Kommoden an. Er entdeckte meinen Schreibtisch in der Ecke. Er war aus weißem Holz, vintage und handgefertigt. „Also … was möchtest du jetzt machen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Wir können essen gehen. Ich zahle.“

„Ich habe Hunger …“

Axel hatte mir den Appetit verdorben, aber meine Gefühle kehrten langsam zurück. „Wie wäre es mit Pizza und Minigolf?“

Er lächelte. „Das hört sich super an.“

Axel kam in der nächsten Woche nicht vorbei, was schön war, da ich ihn sowieso nicht sehen wollte. Ich brauchte eine Pause von ihm und all dem Drama, das ihn begleitete. Ich war nicht auf der Suche nach einem Ehemann, als wir zusammenkamen, aber ich suchte auch nicht nach einer bedeutungslosen Affäre. Jetzt erkannte ich, dass wir beide verschiedene Dinge wollten und dass ich mit meinem Leben weitermachen musste. Wenn Francesca von Hawke loskam, dann kann ich das auch.

„Alles in Ordnung mit dir?“ Francesca stellte den Teller mit Fajitas vor mir auf den Tisch.

„Ja, mir geht es besser.“ Zumindest ein bisschen.

„Hat er angerufen?“

„Nein. Gott sei Dank.“

Sie setzte sich mir gegenüber hin und nahm einen Bissen von ihrem Burrito. „Wenigstens versteht er, dass du Abstand brauchst.“

„Eigentlich versteht er nur, dass ich ihn nicht mehr mit mir spielen lassen werde.“

Francesca aß und hielt ihre Augen auf mich gerichtet. Sie verteidigte ihn nicht, obwohl er ihr Bruder war. Das zeigte mir, dass er es wirklich verdient hatte. „Wenigstens hast du Jason. Er ist nett.“

„Aber wir gehen getrennte Wege.“

„Warum?“

„Er hat sich mit der ganzen Axelgeschichte nicht wohlgefühlt, und ich kann ihn ehrlich gesagt verstehen. Er wollte sich nicht in etwas so Kompliziertes einmischen.“

„Ist alles in Ordnung mit dir?

„Ja, mir geht es gut. Er hat die richtige Entscheidung getroffen. Er sollte das nicht durchmachen müssen.“

„Nun … zumindest werden wir bald unseren Abschluss haben.“

“Ja. Dann werde ich in der Lage sein, hier rauszukommen und Axel nie wieder sehen zu müssen.“

Francesca warf mir einen traurigen Blick zu, bevor sie weiter aß. „Ich kann nicht glauben, dass das Semester fast vorbei ist … und dass ich tatsächlich bestehen werde.“

Mein Handy klingelte auf dem Tisch und ich sah eine Nummer, die ich nicht kannte. Die Vorwahl war eine aus New York.

Francesca beugte sich vor und sah es an. „Glaubst du, dass es ein Unternehmen ist, bei dem du dich beworben hast?“

„Ich hoffe es.“ Mein Herz schlug schneller, als ich auf das Display starrte. Es könnte ein Rückruf von einer Zeitschrift sein, oder es könnte einfach eine weitere Absage sein.

„Was ist, wenn es Prada ist?“

„Jetzt machst du mich wirklich nervös.“

„Mädchen, du machst das schon.“ Sie ließ ihren Burrito auf den Teller fallen. „Nimm das Gespräch an.“

Ich atmete tief durch, bevor ich antwortete. „Hallo. Hier spricht Marie.“

„Marie, ich bin Hilda von Prada. Wir haben uns letzte Woche zu einem Bewerbungsgespräch getroffen.“

Ich verdeckte den Hörer und flüsterte Francesca zu. „Es ist Prada.“

Sie trommelte aufgeregt mit ihren Händen auf den Tisch. „Oh mein Gott. Oh mein Gott.“

Ich legte das Telefon wieder an mein Ohr. „Es ist schön, von Ihnen zu hören, Hilda. Vielen Dank für das Treffen letzte Woche.“ Meine Manieren gingen auf Autopilot.

„Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite, Ms. Prescott. Ich rufe an, weil wir gehofft hatten, dass Sie zu einem weiteren Gespräch zu uns kommen könnten.“

Ich hielt mir den Mund zu, damit ich nicht schreien würde.

Francesca stand auf und wollte unbedingt wissen, was gesagt wurde.

Ich nahm meine Hand wieder weg. „Das würde ich sehr gerne.“

„Großartig. Ich weiß, das es kurzfristig ist, aber sind Sie morgen verfügbar?“

Ich hatte zwar morgen meine Wirtschaftsvorlesung, aber das war mir verdammt noch mal egal. „Ich habe Zeit.“

„Großartig. Dann sehen wir uns um zwei.“

„Vielen Dank, Hilda. Bis dann.“

„Auf Wiederhören.“ Sie legte auf.

„Oh mein Gott!“ Ich sprang auf und der Stuhl fiel um. Ich brauchte gute Nachrichten, nach allem, was ich mit Axel durchgemacht hatte.

„Was hat sie gesagt? Sprich mit mir!“

„Ich habe ein zweites Gespräch.“ Ich stieß einen Schrei aus.

„Oh mein Gott. Ist das dein Ernst?“

„Ja!“

„Ich wusste, dass das passieren würde. Du wirst diesen Job so was von bekommen.“

„Gott, ich hoffe es.“

„Wann ist es so weit?“

„Morgen.“

„Verdammt, das ist kurzfristig. Hast du keinen Unterricht?“

„Wen interessiert das? Es ist nicht so, als hätte ich eine Prüfung.“

„Das stimmt.“

Ich begann, auf- und abzugehen. „Oh mein Gott. Ich werde heute Nacht nicht schlafen können.“

„Ich auch nicht.“

„Ich werde etwas Nyquil oder so etwas nehmen müssen.“

„Oder Ativan, wenn wir welches hätten.“

Ich ging in mein Schlafzimmer. „Ich muss mein Outfit aussuchen und es millionenfach verändern.“

„Lass mich dir helfen.“ Wir beide ließen unser Abendessen stehen und gingen in mein Zimmer, um das zu tun, was wir am besten konnten. Gemeinsam suchten wir das beste Outfit aus und genau die richtigen Schuhe dazu. Jetzt, wo ich so aufgeregt war, konnte ich für ein paar Momente aufhören, an Axel zu denken. Es hielt nicht lange an, aber diese kurze Zeit verschaffte mir etwas Ruhe.

Obwohl ich bereits ein Gespräch gehabt hatte, war ich total nervös. Meine Beine hörten nicht auf zu zittern und mein Herzschlag verlangsamte sich nicht. Es gab sehr wenig Dinge, die ich so sehr wollte, und im Moment stand dieser Job ganz oben auf der Liste.

Hilda stellte mir noch ein paar Fragen zu meinen Interessen beim Schreiben und wo ich mich in den nächsten fünf Jahren sah. Sie interessierte sich für meine Kleidung und bemerkte die Prada Schuhe, die ich trug. Dann kam das Gespräch zum Ende.

„Danke, dass Sie heute hierhergekommen sind. Ich freue mich, Ihnen das hier geben zu dürfen.“ Sie nahm einen Umschlag aus ihrer Schublade und schob ihn mir über den Tisch zu. „Ich denke, Sie werden feststellen, dass wir ein wettbewerbsfähiges Gehalt mit zusätzlichen Leistungen anbieten. Denken Sie darüber nach und melden Sie sich wieder bei mir.

Ich starrte auf den Umschlag, ohne ihn zu nehmen, unfähig, zu glauben, was sie gerade gesagt hatte. „Wie … was?“

Sie lächelte mich freundlich an und warf dann einen Blick auf den Umschlag.

„Bieten Sie mir den Job an?“ Ich hatte nur sehr wenige Vorstellungsgespräche gehabt, vor allem nicht solche, die berufliche Kenntnisse voraussetzten. War das die Art wie sie Leute eingestellten? Mit einem Umschlag?

„Ja. Deshalb haben wir Sie heute hierher bestellt.“

Ich nahm den Umschlag mit zittrigen Händen und öffnete ihn. Das Schreiben zeigte mein Jahresgehalt zusammen mit den zusätzlichen Leistungen, die Anzahl der Krankheits- und Urlaubstage.

Oh mein Gott.

„Kommen Sie innerhalb einer Woche wieder“, sagte Hilda. „Ich hoffe, Sie werden uns hier bei Prada begleiten.“

Irgendwie blieb ich ruhig und fing nicht an zu schreien. „Ich nehme Ihr Angebot an.“

„Sind Sie sicher, dass Sie keine Bedenkzeit benötigen?“

„Absolut.“ Es gab keinen besseren Job da draußen. Das war genau das, was ich wollte. Ich brauchte keine Zeit, um darüber nachzudenken. „Ich kann direkt nach meinem Abschluss beginnen.“

Sie lächelte. „Ich freue mich, Ihre Begeisterung zu hören.“

“Vielen Dank, dass Sie mir diese Chance geben. Ich werde Sie nicht enttäuschen.“

„Stacy hatte nur Gutes über Sie zu sagen. Persönlich interessiere ich mich mehr für die Tatkraft, die Persönlichkeit und die Entschlossenheit einer Person, als dafür wo sie zur Schule gegangen ist und wie ihr Notendurchschnitt ist. Es ist offensichtlich, dass Sie die gleiche Leidenschaft teilen wie der Rest von uns. Ich denke, dass Sie gut zu uns passen.

Ich wollte schon wieder schreien. „Ich danke Ihnen so sehr.“ Ich stand auf und schüttelte ihre Hand.

„Ich sehen Sie nächsten Monat.“ Sie lächelte mich freundlich an, bevor sie sich wieder hinsetzte.

Ich winkte und ging hinaus, hielt meinen Kopf hoch und meine Schultern zurück. Nachdem ich das Gebäude verlassen hatte und mein Auto im Parkhaus erreichte, stieß ich endlich den Schrei aus, den ich zurückgehalten hatte. Ich rief Francesca an. „Oh mein Gott. Ich habe den Job bekommen. Ich habe ihn tatsächlich bekommen. Ich arbeite offiziell bei Prada.“ Ich sagte die Worte so schnell wie möglich. Es war zusammenhanglos, aber Francesca würde es verstehen.

„Heilige Scheiße! Ich freue mich so für dich.“

„Ich weiß … ich freue mich auch für mich.“

„Schwing deinen Hintern hierher, damit wir ausgehen können.“

„Ich bin auf dem Weg.“

„Ich kann das nicht glauben“, sagte Francesca. „Du hast einen Job und bist noch nicht einmal mit dem College fertig.“

„Ich kann es auch nicht glauben.“ Ich hatte gerade meine dritte Margarita ausgetrunken und brauchte keine weitere mehr.

„Das bedeutet, dass du schnell eine Wohnung finden musst. Das heißt, sofort.“

„Ich weiß.“ Ich sollte in der Lage sein, eine gute Wohnung in dieser Stadt zu bekommen. Ich kann es mir leisten.“ Mein Gehalt würde es mir erlauben, den Lebensstil zu haben, den ich wollte. Ich brauchte keinen Mitbewohner mehr, und ich konnte es mir immer noch leisten, mehrmals in der Woche auszugehen. „Aber es wird komisch sein, nicht mehr mit dir zusammenzuwohnen …“

„Ich weiß.“ Sie schmollte ihre Lippen in Traurigkeit. „Es wird seltsam sein.“

„Keine Muffins mehr mitten in der Nacht.“

„Nun, ich bin mir sicher, dass ich dir trotzdem jede Menge davon machen werde. Aber nicht frisch, um 3 Uhr morgens.“

„Was wirst du machen?“ Ich würde weiterhin Miete zahlen, bis sie jemanden gefunden hatte, der bei ihr einzog.

„Ich glaube nicht, dass ich hier bleiben werde.“

„Wirklich?“ Ich war überrascht.

„Ich wollte schon immer nach New York ziehen. Dort wird mein Café sein. Ich werde auch mit der Suche anfangen. Hier hält mich sowieso nichts mehr.“

„Was ist mit Cameron?“ Ich dachte, sie würden es schaffen.

„Ich mag ihn, aber ich bin nicht bereit, für ihn zu bleiben. Ich bin mir nicht sicher, was er nach seinem Abschluss vorhat. Er scheint nicht wirklich motiviert zu sein, etwas zu tun.“

„Heißt das, du würdest mit ihm Schluss machen?“

„New York ist zu weit weg, um zu pendeln. Also, ja.“

„Oh …“ Ich hatte gehofft, dass mehr aus dieser Beziehung werden würde. Sie hatte noch nicht einmal mit ihm geschlafen. Cameron war zwar ein Lückenbüßer, aber ich dachte, sie würde etwas daraus machen.

„Ich denke, wir können immer noch Freunde sein. Er war ohnehin nicht so sehr an mir interessiert. Ich glaube aber, dass er mir durch eine schwere Zeit geholfen hat.“

„Und was hat er bekommen?“

Ein schuldbewusster Blick kam über ihr Gesicht.

Jetzt war mein Job völlig vergessen. „Hast du …?“

Sie nickte.

„Du hast mit ihm geschlafen?“

Sie nickte wieder. „Schuldig.“

„Warum hast du es mir nicht gesagt?“

„Ich weiß nicht. All diese Axel Scheiße ging weiter und ich dachte, dass es kein guter Zeitpunkt wäre, um über mein Sexualleben zu sprechen.“

„Es ist immer die richtige Zeit, um darüber zu sprechen.“

„Nun, wir haben es getan.“

„Wie oft?“

„Wir haben es sehr oft getan.“

„Das ist toll.“ Es war mehr als nur toll. Die Tatsache, dass sie mit jemandem geschlafen hatte, war ein Hinweis darauf, dass alles in Ordnung war. Sie konnte Hawke immer noch spüren, wenn er in der Nähe war, aber dieses Phänomen schien angeboren zu sein. Nichts würde dieses Phänomen vertreiben. „Wie war es?“

„Das erste Mal war schrecklich. Ich habe nur an Hawke gedacht. Ich habe sie immer wieder verglichen, und dann hat mich ein Gefühl der Sehnsucht überwältigt. Es war nur Sex, die Art, in der du versuchst, dich gegenseitig zum Höhepunkt zu bringen. Mit Hawke … war es ganz anders. Aber nach dem ersten Mal hörte ich auf, darüber nachzudenken. Jetzt denke ich überhaupt nicht mehr darüber nach.“

„Das sind gute Nachrichten.“

„Ich mag Cameron. Er ist ein großartiger Kerl und er hat viel zu bieten. Aber ich denke, wir haben beide verstanden, was unsere Beziehung war. Es war klar, dass es nicht ewig so weiter gehen würde, und wir wussten beide, dass es zu Ende geht. Aber das ist okay. Wir haben es genossen, solange es gedauert hat.“

Warum konnte ich keine so gesunde Einstellung haben? Warum konnte ich meine Beziehung zu Axel nicht nehmen, wie sie war? Ich musste so dumm sein und mich in ihn verlieben – wie ein Idiot. „Wenigstens hattest du Spaß, solange es lief.“

„Ja, diese Beziehung hat mir sehr geholfen. Ich werde ihm immer dankbar sein. Er hat meinetwegen viel durchgemacht.“

„Das war süß.“

„Er hatte seine eigenen Probleme und ich denke, dass ich ihm auch geholfen habe. Es beruhte auf Gegenseitigkeit.“

„Also … das heißt, wir ziehen beide nach New York.“ Ich war so bereit, hier endlich rauszukommen. Ich wollte nicht mehr in der gleichen Stadt wie Axel sein. Ich wollte in die Big City ziehen und all die anderen Fische im Meer sehen. Ich wollte einen tollen Kerl finden, der sich so um mich kümmern würde, wie ich mich um ihn. Ich wollte einen Ehemann finden – jemanden, in den ich mich verlieben konnte. „Wir können wieder zusammenwohnen.“

„Natürlich nicht“, sagte Francesca. „Du solltest deine eigene Wohnung haben. Du verdienst es.“

„Wo wirst du hingehen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich werde mal schauen. Ich bin ein guter Problemlöser.“

Im Hinterkopf dachte ich immer wieder an Hawke. Wir würden in der gleichen Stadt leben. Wenn er hier immer wieder auftauchte, würde er es dort auch tun. „Und was ist mit ihm …?“

Sie hatte sofort eine Antwort, als ob sie es geprobt hatte. „New York ist ein viel größerer Ort als Myrtle Beach. Ich bezweifle, dass wir uns begegnen werden. Acht Millionen Menschen leben dort.“

Ich war mir da nicht so sicher. „Solange du damit klarkommst.“

„Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass ich über ihn hinweg bin.“ Sie war fast eine Minute still, bevor sie weitersprach. „Aber ich bin … okay.“ Sie nickte so, als ob sie mit sich selbst einverstanden war. „Mir geht es wirklich gut. Ich kann mich mir mit anderen Männern vorstellen, und ich weiß, dass ich irgendwann mit jemandem etwas habe. Es tut immer noch weh, wie er mich verlassen hat, aber wenn er glücklich ist, freue ich mich für ihn. Ein Teil von mir wird ihn immer lieben, aber ich habe losgelassen. Ich bin bereit, mit dem nächsten Kapitel meines Lebens zu beginnen.“

Ich hatte lange auf diese Worte gewartet. „Das ist gut für dich.“

Sie nahm ihr Glas und hielt es hoch. „Ein Toast.“

Ich nahm mein Glas, obwohl es leer war.

„Auf zwei der krassesten Tussis aller Zeiten.“

„Darauf trinke ich.“ Ich stieß mein Glas gegen ihres.

„Und auf alle Herzen, die wir in der großen Stadt brechen werden.“ Sie kippte ihre Margarita mit einem Schluck runter.

„Cheers.“

Es war schwer sich auf die Vorlesungen zu konzentrieren, als ich einen Job hatte, der auf mich wartete. Es schien nicht wichtig zu sein, ob ich As oder Cs bekam. Hilda sagte, der Notendurchschnitt sei ihr egal. Mir war er auch egal.

Irgendwie machte ich weiter und versuchte, mich zu konzentrieren. Die Endphase fiel mir schwer und ich konnte mich kaum motivieren. In nur zwei Wochen würde ich mit Auszeichnung abschließen und die Stadt verlassen.

Mein Leben nahm endlich eine gute Wendung.

Ich musste alle meine Sachen so schnell wie möglich zusammenbekommen, und ich brauchte eine Wohnung. Ich würde nicht eine Sekunde länger in Myrtle Beach bleiben, als ich musste. Ich wollte ein Apartment mit einem Schlafzimmer in der Stadt finden, etwas Größeres als eine Besenkammer. Und ich musste anfangen, meine Sachen zu packen und von Francescas zu trennen. Wir hatten so lange zusammengelebt, dass ich nicht wusste, wem zu diesem Zeitpunkt was gehörte.

„Du packst schon?“ Francesca beobachtete, wie ich die Kisten hinter die Couch stellte.

„Ich mache das in Etappen. Es ist besser, als alles auf einmal zu machen, oder?“

„Ich glaube, du bist nur aufgeregt.“ Sie lächelte mich an, die Art, die ihre Freude für mich zeigte.

„Ja … ich bin aufgeregt.“

Francesca zeigte auf Ihren Laptop auf dem Tisch. „Ich habe ein paar Wohnungen gefunden, die dir gefallen könnten. Sie sind nah an deiner Arbeit, sodass du kein Taxi nehmen musst. Du kannst wahrscheinlich laufen.“

„Danke, Frankie.“

„Kein Problem.“

Ich stellte die nächste Kiste oben auf den Stapel. Sie war voller alter Klamotten, die ich nicht mehr trug. Die Kiste darunter war voller Schuhe. Die Sofas gehörten Francesca, also musste ich meine eigenen Möbel kaufen, wenn ich eine Wohnung fand. „Frankie, ich denke wirklich, dass du für eine Weile mit mir zusammenwohnen solltest.“

„Mädchen, mir geht es gut.“

„Komm schon, es macht Sinn. Es ist nur vorübergehend. Bleib ein paar Monate bei mir, und kümmere dich um deine Bäckerei. Ich weiß nicht viel über Geschäfte, aber ich weiß, dass die Eröffnung eines Ladens kein Zuckerschlecken ist.“

„Ich möchte dich nicht belasten. Du musst mich schon seit vier Jahren ertragen.“

„Es war länger.“

„Du weißt, was ich meine. Sie legte eine Hand auf ihre Hüfte. „Du verdienst dein eigenes Reich.“

„Ich würde dich nicht fragen, wenn ich es nicht wollte. Auf diese Weise brauchst du nichts übereilen, und dich mit etwas begnügen, das du nicht magst. Du kannst dir Zeit nehmen und musst dir keine Sorgen machen, dich um Miete oder so etwas zu kümmern.“

„Bist du sicher?“

„Ja.“ Ich sah ihr in die Augen, als ich es sagte. „Auf jeden Fall.“

„Na gut, dann werde ich bei dir wohnen – wieder.“

„Juhu!“ Ich zog sie an mich und umarmte sie. „Außerdem werde ich auf diese Weise nicht so einsam sein. Ich werde jemanden haben, mit dem ich das Abenteuer teilen kann.“

„Du wirst mir immer alles erzählen müssen.“ Sie zog sich zurück und drückte meine Handgelenke. „Lass uns jetzt eine Wohnung aussuchen.“

Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. Es gab keine Möglichkeit es zu vermeiden, und es würde niemals eine Möglichkeit geben. So war das Leben, Axel war Francescas Bruder und er würde immer wieder da sein.

Ich musste einfach damit Frieden schließen.

Er kam rein und entdeckte sofort die Kisten, die hinter der Couch im Wohnzimmer standen. Auf der Theke standen ein paar Kisten mit Geschirr, das wir für ein paar Wochen nicht brauchen würden. Sein Blick veränderte sich, als er sich umsah. „Willst du damit auf den Flohmarkt?“

„Nein.“ Ich nahm einen Permanentmarker und schrieb etwas auf die Seite der Kiste. Ich hatte gerade mein Geschirr und meine Tupperware hineingelegt. Ich hatte das Geschirr sowieso kaum benutzt. Ich liebte Pappteller.

Axel sah sich noch einmal um, bevor er sich wieder zu mir drehte. „Was machst du da?“

„Umziehen.“ Ich schob die Kappe auf den Stift, bis es klickte. Dann ging ich an ihm vorbei, als ob er nicht existierte. „Also bitte geh aus dem Weg. Ich habe zu tun.“

„Moment, warte mal.“ Er stellte sich mir in den Weg und hinderte mich daran, irgendwohin zu gehen. „Du ziehst um? Wohin?“

„New York.“

„Hast du den Job bekommen?“

Für einen Moment hatte ich vergessen, wie ich diesen Job bekommen hatte. Axel hatte das für mich arrangiert. Ohne ihn wäre ich in diesem Moment immer noch auf Jobsuche. Trotz seiner Großzügigkeit war ich immer noch sauer auf ihn. Er hatte mich wirklich verletzt. „Ja.“

„Das ist großartig …“ Anstatt glücklich zu sein, wirkte er eher unglücklich. „Ich wusste, dass du den Job bekommen würdest.“ Er schluckte den Kloß in seinem Hals runter, bevor er wieder auf die Kisten schaute.

„Danke, dass du mir dabei geholfen hast …“ Ich musste es sagen und es hinter mich bringen. Es war schwieriger, ihm Dankbarkeit zu zeigen, als ich mir vorgestellt hatte.

„Kein Problem.“

„Nun … ich sollte mich wieder an die Arbeit machen.“ Ich ging um ihn herum.

„Warte.“ Er stellte sich mir wieder in den Weg. „Wann ist es so weit?“

„In eineinhalb Wochen. Ich gehe gleich nach dem Abschluss.“

„Das ist ganz schön plötzlich.“

„Nun, ich fange am Montag nach meinem Abschluss an. Also muss ich jetzt weitermachen.“

„Das ist ziemlich kurzfristig.“

„Es macht mir nichts aus. Ich will hier sowieso weg.“ Seinetwegen.

Er rieb sich den Nacken und starrte mich weiter an. „Das muss ich erst mal verarbeiten.“

Ich war erleichtert, dass ich wegzog. Jetzt würde ich Axel nicht mehr sehen müssen. Wenn ich Glück hätte, würde ich ihn nie wieder sehen müssen. „Nun, lass dir Zeit damit – aber bitte irgendwo anders.“ Ich nahm mir den nächsten Karton und baute ihn auf.

„Geht Jason mit dir …?“

Ich wollte lügen. „Nein.“

„Wie fühlt er sich dabei?“

Ich wollte ihm nicht sagen, dass wir uns getrennt hatten. Ich wollte, dass er glaubte, ich würde mit jedem Typen in der Stadt schlafen, und er mir egal war. „Wir gehen nicht mehr aus.“

„Oh …“

„Wir wollten das beide. Ich bin sicher, dass ich in der Stadt jemanden kennenlernen werde.“

Axel steckte die Hände in die Taschen.

„Axel, bist du aus einem bestimmten Grund hier? Ich bin nämlich sehr beschäftigt.“

„Ich wollte nach Francesca sehen …“

„Nun, sie ist nicht hier. Und es geht ihr gut. Du musst nicht mehr nach ihr sehen. Übrigens, sie kommt mit mir.“

„Was?“, platzte er heraus.

„Sie zieht mit mir nach New York. Sie wird eine Weile bei mir wohnen, bis sie genau weiß, was sie will.“

Er rieb sich erneut den Nacken.

Jetzt, da der Karton fertig war, hob ich ihn auf. „Bitte, du findest ja alleine raus. Ich muss packen.“ Ich ging in mein Schlafzimmer und räumte die Kleider aus meinen Schubladen. Ich erwartete, dass er mir folgen würde, um etwas über die plötzliche Änderung meiner Pläne zu sagen. Tief in mir drin, irgendwo versteckt, war die Hoffnung, dass er mich bitten könnte, zu bleiben oder darum bitten würde, mit mir kommen zu dürfen. Als ich hörte, wie sich die Haustür öffnete und schloss, wusste ich, dass das nicht passieren würde.

Er ließ mich gehen.