Helle war völlig fasziniert davon, wie einfach und schnell sie Zugriff auf die Ermittlungsergebnisse anderer Dienststellen hatte, seit Amira sie an das zentrale System angeschlossen hatte. Sie wähnte sich im digitalen Paradies.
Vor nicht einmal einer Stunde hatte sie mit einem Bearbeiter vom Gewerbeaufsichtsamt gesprochen, der sie an ihre Kollegen in Aalborg zurückverwies, wo sich eine Ermittlungsgruppe gebildet hatte, die – in Zusammenarbeit mit der Gewerbeaufsicht – gegen Schwarzarbeit vorging. Der Kollege, den sie schließlich an der Strippe hatte, erzählte ihr ausgiebig von den Ergebnissen der letzten Jahre und gewährte ihr Zugriff auf relevante Dokumente. Tatsächlich hoben sie regelmäßig Banden aus, die im Bereich organisierte Kriminalität unterwegs waren, als Nebengeschäft fiel auch organisierte Schwarzarbeit an. Die meisten illegal Beschäftigten gab es im Baugewerbe, gleich darauf folgten Gastronomie und selbstverständlich Prostitution. Illegale Beschäftigung unter Reinigungskräften kam ebenfalls vor, allerdings, so räumte der Kollege ein, ermittelten sie in dem Bereich weniger intensiv. Meistens beschränkte sich das auf Einzelfälle. Einzig eine Gruppe Albaner war in der Hinsicht aufgefallen, die im großen Stil Billigkräfte aus dem Ostblock – Bulgaren, Rumänen, Sinti und Roma – in verschiedene Arbeitsverhältnisse vermittelt hatten. Diese armen Menschen, über die oft so verächtlich als »Wirtschaftsflüchtlinge« gesprochen wurde, wurden wie Sklaven gehalten. Die Albaner brachten die Leute in Abbruchhäusern unter, in denen die Wände schimmelten, Wasser und Strom nicht oder nur selten funktionierten, Matratzenlager am Boden und eine Toilette für zwanzig Leute die Regel waren. Hob die Polizei eines dieser Häuser aus und schickte die Leute zurück in ihre Heimat, entstand noch in derselben Minute irgendwo eine andere »Sammelunterkunft« zu ebensolchen Bedingungen. Nicht genug, dass die Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen mussten, die »Vermittler« verlangten von ihnen dafür auch noch Miete, doppelt oder dreifach so hoch wie ortsüblich.
Jemand klopfte an ihre Zimmertür, und Helle fuhr zusammen. Ole stand im Türrahmen.
»Komm rein«, sagte Helle und winkte ihn zu sich. »Schau dir das bitte mal an.« Sie drehte den Monitor so, dass Ole die Fotos sehen konnte, die die Ermittlungsgruppe von einem der Häuser gemacht hatte, in dem sie die Arbeitssklaven hochgenommen hatten.
Ole verzog das Gesicht. »Wäh, widerlich. Was ist das?«
Helle klärte ihn auf. Möglichst nüchtern, sie wollte bei ihm keinen Abwehrreflex provozieren.
Stumm betrachtete Ole die Bilder. Er zog die Augenbrauen hoch. »Arme Schweine.«
Helle ließ das unkommentiert stehen. Sie wollte ihm einen Anstoß zum Nachdenken geben, mehr nicht.
»Wie erfolgreich wart ihr?«
»Ziemlich und gar nicht.«
Jetzt war es an Helle, die Augenbrauen hochzuziehen.
»Die Fahrer, die mit den fraglichen Nationalpartiet-Autos unterwegs waren, sind zum Teil gar nicht mehr dort beschäftigt, die meisten waren ehemalige Praktikanten, die irgendetwas irgendwo abholen sollten, Transportfahrten, total belanglos. Keiner von denen weiß noch, was er vor mehr als einem halben Jahr gemacht hat. Wirklich erinnern an den 19. März konnte sich nur die PR-Tante der Nationalpartiet, sie hatte an dem Tag nämlich eine Panne, ein Defekt an der Bremsleitung. Bei der Werkstatt habe ich nachgefragt, die haben das bestätigt. Die ist also aus dem Schneider.«
»Okay. Und dieser Kieran?«
»Tja«, Ole verzog spöttisch den Mund. »Das ist mehr oder weniger unser Erfolg. Der ist ja mit dem Fahrer unterwegs gewesen, Johann Vind. Und seltsamerweise konnten die beiden sich ziemlich genau an diesen Tag im März erinnern.«
Ole blätterte in seinem Block und las vor, was die beiden ausgesagt hatten. Eine detaillierte Schilderung ihrer Tour – die selbstverständlich nicht in Richtung Skagen über den Skagensvej verlaufen war, sondern in die entgegengesetzte Richtung, südlich nach Randers.
»Was für Knalltüten!«, Helle musste lachen. »Wie auffällig ist das denn? Natürlich haben sie auch als Einzige ein Alibi?«
Ole nickte. »Prächtige Alibis. Nämlich gegenseitige. Johann deckt Kieran, und Kieran deckt Johann.« Er tippte sich an die Stirn. »Momentan können wir es nur so stehenlassen, aber meiner Meinung nach sollten wir uns die beiden Idioten verschärft vornehmen.«
»Gut gemacht, Ole.« Helle hielt den Daumen hoch.
Der junge Polizist stand auf, um aus dem Zimmer zu gehen, aber dann stoppte er noch einmal und deutete auf den Bildschirm. »Ich bin nicht blöd, Helle. Ich weiß auch, was im echten Leben so los ist.« Helle öffnete den Mund, aber Ole setzte gleich nach. »Und wenn du mir etwas sagen willst, dann sag es direkt.«
Helle nickte – und kam sich selten dämlich vor.
»Diese Typen von der Nationalpartiet übrigens«, fuhr Ole fort, »das sind alles ziemliche Unsympathen. Nur mal so.«
Dann verschwand er und ließ seine Chefin ertappt zurück. Wie zur Strafe wurde Helle von einer neuerlichen Hitzewelle überrollt, die ihr den Schweiß auf Stirn und Oberlippe trieb. Sie rupfte ein Kleenex aus der Packung, die Marianne ihr auf den Schreibtisch gestellt hatte, ein dezenter Wink mit dem Zaunpfahl. Das dünne Papiertuch klebte sie sich unter den Pony, wo sie es einfach ließ, während sie aufstand, um das Fenster zu öffnen und sich eine zweite Kanne Kaffee zu kochen.
Sie war gerade damit beschäftigt, das frisch gemahlene Pulver in den Papierfilter zu füllen, als ihr Telefon klingelte.
»Helle.«
»Hej Helle, hier ist Frieda von der Wache Aalborg.«
»Was gibt’s, Frieda?«
»Ich muss dir leider sagen, dass uns die Bettlerin entwischt ist. Ich weiß, du wolltest, dass wir sie mitnehmen.«
»Ach verdammt!«, entfuhr es Helle, und das Kleenex rutschte von der Stirn. »Ja, ich hatte gehofft, dass es die Frau ist, die wir suchen.«
»Ihre Decke war noch da. Aber wir haben den Ladenbesitzer, der sich gemeldet hat, gebeten, uns sofort anzurufen, wenn die Frau wiederkommt. Und wir fahren die Gegend vermehrt mit der Streife ab.«
»Das ist super! Konnte der Typ denn die Kleidung der Frau beschreiben?«
»Ja, konnte er. Sie trägt auffällige rote Kinderwinterstiefel.«
»Gut. Gebt das bitte an alle Streifen weiter.«
»Wird gemacht. Und, Helle?«
»Ja …«
»Viel Erfolg. Wir drücken alle die Daumen, dass ihr den Jungen findet.«
»Danke.«
Helle legte auf, schloss das Fenster und starrte hinaus. Die Dunkelheit hatte sich bereits wie ein schwerer Teppich über das flache Land gelegt. So würde es noch lange bleiben, dachte Helle, und sie bekam einen Kloß im Hals. Weniger wegen der Düsternis dort draußen, vielmehr wegen der unerklärlichen Traurigkeit, die sie seit ein paar Wochen fest im Griff hatte. Sie schob es auf die Wechseljahre, aber wenn sie ehrlich war, hatte sie plötzlich Angst vor dem Alter bekommen. Angst davor, dass Emil starb. Und Leif bald endgültig auszog. Angst davor, allein mit Bengt in dem viel zu großen Haus zu sitzen. Der Fall um die Tote in der Düne trug nicht gerade dazu bei, ihre Laune zu bessern, vor allem nicht, seit sie wusste, dass dort draußen in der Dunkelheit und Kälte zwei Menschen waren, die sie finden musste.
Helle ging zu ihrem Schreibtisch, griff zum Handy und hörte sich die fast dreiminütige Sprachnachricht zum gefühlt hundertsten Mal an, die Leif ihr gestern in der Nacht gesandt hatte. Er klang aufgekratzt und glücklich, war in einer Hostel-Bar auf Ko Lanta. Im Hintergrund hörte man Stimmengewirr und laute Musik. Es gehe ihm gut, sagte er, Sina hätte ihm gesagt, dass Helle ihn vermisse, deshalb melde er sich. Asien sei herrlich, außerdem so schön billig, ihr Geld würde bestimmt noch bis April reichen, vorher käme er nicht zurück. »Ich hab dich lieb, Mami!«, rief er zum Ende der Nachricht, und am liebsten hätte sich Helle diese Worte in Endlosschleife angehört.
Stattdessen hörte sie durch ihre offene Bürotür, dass Jan-Cristofer nach ihr rief.
»Was hast du?«, Helle betrat Jan-C.s Büro und stellte sich neben ihn.
»Ich überprüfe die Fischer«, murmelte ihr Kollege konzentriert und klickte eine Seite an, die unter anderen Fenstern verborgen war.
»Schau mal hier. Wulf Jacoby.«
Er drehte den Bildschirm so, dass Helle besser sehen konnte. Es war eine Akte der Polizei. Das Bild des Mannes sagte ihr nichts.
»Der Typ war vor knapp acht Jahren in eine Schlägerei am Rand eines Fußballspiels verwickelt. Hooligan, ziemlich eindeutige Tätowierungen.« Jan-C. zeigte auf den Bildschirm, auf dem ein Bild vom Nacken des Mannes aufploppte. White Power in Frakturschrift.
»So einer ist das«, kommentierte Helle. »Muss aber nicht unbedingt heißen, dass er in die Schmuggelgeschichte verwickelt ist.«
»Nee, wahrlich nicht. Aber das ist es auch nicht, weshalb ich dich gerufen habe.« Er klickte weiter, und nun erschien ein wohlbekanntes Gesicht auf dem Schirm. Kieran Jensen.
»Unser Freund hier war in dieselbe Schlägerei verwickelt und wurde auch verhaftet. Beide Male wegen Körperverletzung – die beiden Herren haben damals gemeinsam einen Fan der gegnerischen Mannschaft vermöbelt. Und zwar so, dass der heute auf einem Auge blind ist.«
»Verdammte Hacke!«, rief Helle. »Die kennen sich also!«
»Nicht nur das.« Jan-C. strahlte, er hatte noch ein Ass im Ärmel. »Ich habe daraufhin weitergegraben und herausgefunden, dass die mittlerweile verwandt sind. Wulf Jacoby ist der Bruder von Pia Jensen. Kierans Frau.«
Helle brauchte eine Sekunde, bis diese Information eingesickert war. Dann klopfte sie Jan-C. auf die Schulter.
»Die nehmen wir uns vor.«
Jan-C. schnappte sich seine Jacke, Helle holte ihre, dann trafen sie bei Mariannes Tresen wieder zusammen. Helle hatte beim Hinausgehen noch Linn und Christian aufgescheucht und informierte die beiden Kollegen über die Sachlage.
»Linn, du begleitest Jan-Cristofer, ihr nehmt euch Wulf Jacoby vor. Ich fahre mit Christian zu Kieran Jensen. Marianne, bitte ruf im Wahlbüro der Nationalpartiet an und krieg raus, wo der steckt. Er soll sich für ein weiteres Gespräch zur Verfügung halten.«
»Wird gemacht.«
»Danke«. Helle wandte sich an ihre Mitarbeiter, Ole und Amira waren mittlerweile ebenfalls aus ihrem Büro dazugekommen und hatten zugehört.
»Das wird heute dauern, ihr Lieben. Wir bleiben alle miteinander in Verbindung, eventuell machen wir später noch ein Meeting. Und, Marianne, bitte Ingvar auf Stand halten.«
Unterwegs erreichte sie Mariannes Anruf, dass Kieran Jensen das Büro vor einer guten halben Stunde verlassen hatte und auf dem Weg nach Hause war.
»Also in den Koldingsvej«, gab Helle das Kommando und programmierte das Navi um. Christian fuhr.
Der Koldingsvej war eine lange Straße in einem Neubaugebiet. Mittelklassevillen in der üblichen Carport-Trampolin-Gasgrill-Anmutung. Weiße Kuben, die wie aus der Retorte wirkten, aber von den Besitzern in dem Bemühen um Individualität mit Säulen, gläsernen Vordächern oder französischen Balkonen verschandelt worden waren.
Christian pfiff durch die Zähne. »Billig ist das hier nicht. Schön allerdings auch nicht.«
»Kieran Jensen ist vielleicht ein Sparfuchs«, gab Helle zurück.
»Oder die haben geerbt. Die Frau arbeitet nicht, sie ist Hausfrau, vier Kinder«, informierte Christian sie. »Kieran hat seinen Job als Vorarbeiter gekündigt, jetzt arbeitet er nur noch für Katrine Kjær. Da wird er wohl nicht gerade Millionen scheffeln.«
»Auf alle Fälle müssen seine Finanzen gecheckt werden. So ein Haus stellt man sich nicht einfach aus der Portokasse hin.«
Das Haus, in dem die Jensens wohnten, glänzte durch die Abwesenheit jeglicher Heimeligkeit. Durch die verschlossenen Vorhänge drang Licht, aber das war auch das einzige Zeichen, dass das Haus bewohnt war. Eine akkurat geschnittene Thujenhecke schützte den Garten vor Blicken, auf der Terrasse wartete ein eingepackter Grill auf seine Saison, ansonsten war alles leer. Keine Stühle, kein Spielzeug, kein Futterhäuschen für Vögel.
Die beiden Polizisten stiegen aus, Christian deutete mit dem Kopf zum Carport – kein Auto.
Helle klingelte.
Es dauerte ein paar Minuten, dann öffnete eine zierliche Frau die Haustür und musterte die beiden Polizisten skeptisch. Sie machte keine Anstalten, ihnen das Gartentor zu öffnen.
»Ja?«
»Pia Jensen?«
»Wer will das wissen?«
Du meine Güte, dachte Helle, mach uns doch bitte nicht die Arbeit noch schwerer. Sie zeigte ihren Dienstausweis.
»Helle Jespers, Kriminalkommissarin Skagen, und mein Kollege Christian aus Fredrikshavn.«
»Skagen und Fredrikshavn?« Die Frau rührte sich keinen Millimeter. »Das ist dann wohl nicht euer Zuständigkeitsbereich hier.«
Helle musste also größere Geschütze auffahren.
»Wir ermitteln im Fall der Toten aus Råbjerg Mile sowie in einem schweren Fall von Menschenschmuggel. Insofern, ja, ich bin sehr wohl zuständig. Und ich möchte deinen Mann Kieran Jensen sprechen.«
»Der ist nicht zu Hause.«
»Hast du eine Ahnung, wo er ist?«
»Na, im Büro. Vor der Wahl machen sie nur noch Überstunden.«
»Das Büro hat er vor einer Dreiviertelstunde verlassen.«
Helle empfand eine niedere kleine Genugtuung dabei, der Ehefrau einen Hieb zu versetzen. Tatsächlich zog Pia Jensen unwillkürlich die Schultern ein wenig hoch, wie Helle im Gegenlicht gut erkennen konnte. Eins beide, zählte sie insgeheim.
»Dann hat ihn Katrine sicher wieder mal mit einem Extraauftrag losgeschickt«, gab Pia zurück, und der angesäuerte Unterton war unüberhörbar.
»Könnten wir uns bitte kurz mit dir unterhalten? Es dauert nicht lange.«
Pia Jensen zögerte eine Sekunde, doch dann betätigte sie den Türöffner. Helle drückte das Gartentor auf, und kurz darauf wurden sie von der Frau ins Haus gelassen. In den Flur, keinen Zentimeter weiter. Pia Jensen stellte sich mit verschränkten Armen vor die Tür, die in den Wohnbereich führte. Kein Mucks von drinnen – was waren das für Kinder?, fragte sich Helle und dachte gleichzeitig an die gemütlich-chaotische Küche von Erika Blum.
Ihr Gegenüber presste die Lippen zusammen, zwischen den Brauen erschien eine steile Falte. Pias Augen waren hell und klar – und unfreundlich. Sie war zierlich, aber keineswegs zerbrechlich, wirkte sehr streng, nichts an ihr war weich, sogar ihre Haut sah aus, als wäre sie aus Stein.
»Also bitte?«
»Hast du deinen Mann über deinen Bruder kennengelernt, oder kennt dein Bruder Kieran über dich?«
In Pias Gesicht konnte Helle lesen, dass sie sie aus dem Konzept gebracht hatte, und genau das war ihre Absicht gewesen.
»Was geht euch das an?«
»Vielleicht eine ganze Menge. Das versuchen wir herauszufinden. Ich möchte einfach gerne wissen, wie eng die beiden zusammenhängen. Verstehen sie sich gut?«
Die kalten Augen fixierten sie. »Das ist privat.«
»Immerhin verbindet sie ja eine ganze Menge. Wegen der gleichen Tat verurteilt zu werden schweißt wohl zusammen«, ließ Christian nicht locker.
Pia reagierte nicht darauf.
»Dein Bruder hat einen Kutter, der im Hafen von Skagen liegt. Hat dein Mann damit auch etwas zu tun? Fährt er öfter mal nach Skagen?«, wollte Helle wissen.
»Das müsst ihr ihn selbst fragen.«
»Das werden wir, aber im Moment ist er leider nicht zu finden. Muss er oft Überstunden machen?«
Plötzlich kam Bewegung in die Frau. Minimal. Ihr verschlossenes Gesicht bekam einen spöttischen Ausdruck.
»Oft? Ständig! Die feine Frau Kjær braucht ja jemanden, der die Arbeit für sie macht, während sie im Rampenlicht steht.«
Helle nickte. Über das Thema Katrine schien sie sich lieber auszulassen als über ihren Bruder.
»Wie lange arbeitet Kieran schon für Katrine?«, erkundigte sie sich.
»Acht Jahre. Und es ist harte Arbeit. Alles hat er für sie gemacht. Ohne ihn wäre Katrine nichts.«
Jetzt sprühten die kalten Augen Feuer, die kleine Frau bebte vor Empörung.
»Aber Kieran arbeitet doch bestimmt gerne für sie, oder nicht?«
Pia zuckte mit den Achseln. »Das war mal so. Früher, da waren sie ein richtiges Team. Die Nationalpartiet, das waren Kieran und Katrine.«
»Das hat sich ziemlich geändert.«
»O ja!« Pia schien beinahe zu vergessen, wen sie vor sich hatte. So wenig sie über ihren Mann und ihren Bruder sprechen wollte, so gerne ließ sie sich über Katrine Kjær aus. »Jetzt lässt sie ihn nur noch die Drecksarbeit machen. Und Dreck hinterlässt sie genug, das könnt ihr mir glauben.«
»Was denn zum Beispiel?«
Die Auster schloss sich wieder. Pias Gesicht zog sich zusammen, sie presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf.
»Das müsst ihr schon selbst herausfinden.«
»Das werden wir bestimmt.«
Helle lächelte ihr strahlendstes Lächeln, aber bei Pia Jensen verfing das nicht. Stattdessen drängelte sie sich in dem engen Flur an den beiden Polizisten vorbei und öffnete unmissverständlich die Haustür.
Als Helle und Christian sich verabschiedeten und auf den Gartenweg traten, rief sie ihnen hinterher: »Statt Kieran und Wulf zu schikanieren, kümmert euch lieber um Katrine und ihre verrückte Schwester.«
Helle sah Christian an. »Verrückte Schwester? Wissen wir was über die?«
Christian schüttelte den Kopf. »Nein, keine Ahnung, aber das kann man ja ändern.«