Kapitel 10:

Die Goldgrube im eigenen Hinterhof

I m Vorfeld der richtungweisenden OP1-Meetings im Herbst 2017 wuchs in etlichen der langjährigen Amazon-Beschäftigten eine heimliche, leise Befürchtung: dass ihr bewunderter Boss sich allmählich vom Unternehmen distanzierte. Bei neuen Geschäftsfeldern, in denen Bezos seine Ideen und seine Unterstützung für wichtig hielt, brachte er sich weiterhin intensiv ein – etwa bei Alexa, Amazon Studios und der Supermarktkette Amazon Go. Aber er kam seltener ins Büro und hatte die Kontrolle über das zunehmend komplexe Hauptgeschäft des Unternehmens – Einzelhandel und Amazon Web Services – den Co-CEOs übertragen, die ihm direkt unterstellt waren, Jeff Wilke und Andy Jassy.

Darüber hinaus verwendete Bezos mehr Zeit auf die Washington Post und auf sein privates Raumfahrtunternehmen Blue Origin. Zugleich musste er sich immer stärker damit auseinandersetzen, wie sich seine wachsende Berühmtheit und sein sich mehrender Reichtum auf sein Leben auswirkten. Während seines Italienurlaubs im Mai mit seiner Frau MacKenzie, seinen Eltern, seinen Geschwistern Mark und Christina und deren Angetrauten waren ihm Paparazzi auf Schritt und Tritt gefolgt. 192 Als er sich medialem Druck ausgesetzt sah, endlich einen Teil seines Vermögens zu spenden, rief er am 15. Juni mit einem Tweet zu einem »Ideenwettbewerb« 193 auf, wie sich dringende gesellschaftliche Probleme angehen lassen, um zeitlichen Spielraum für die Entwicklung einer Philanthropie-Strategie zu gewinnen. Im Juli fotografierte man ihn auf der jährlichen Sun-Valley-Konferenz der Investmentfirma Allen & Company mit schwarzem Polohemd, Daunenweste und trainiertem Bizeps; das Bild führte im Internet zu zahllosen Memes und gab Anlass zu dem klingenden Ausdruck »swole Bezos« (»kraftstrotzender Bezos«). 194 Das Times -Cover, das ihn mit bunten Styroporchips als »Person des Jahres« gezeigt hatte, lag Lichtjahre zurück.

Der Gründer von Amazon hatte reichlich Grund, sich zurückzulehnen, um seine Gesundheit zu kümmern und dabei ein Stück weit aus dem Tagesgeschäft des von ihm gegründeten Unternehmens zurückzuziehen. Der Wert der Aktie hatte sich in den zurückliegenden zwei Jahren verdreifacht, der Börsenwert des Unternehmens lag seit dem Sommer knapp über einer halben Billion. Das Schwungrad drehte sich munter, und mit einem Privatvermögen von 89 Milliarden Dollar war Bezos der zweitreichste Mensch der Welt.

Gleichzeitig war Bezos von immer mehr Menschen umgeben – ein wachsender Stab an Assistenten, PR- und Sicherheitsberatern kümmerte sich um seinen Kalender und sein öffentliches Image. Seine Agenda planten sie mit der Präzision des Tagesablaufs eines Staatsoberhaupts, und sie sorgten dafür, dass seine Reden und seine Postings in den sozialen Medien nirgends aneckten. Im Oktober des Jahres eröffnete Bezos einen neuen Amazon-Windpark in Texas, indem er oben auf dem Maschinenhaus eine Sektflasche zerschellen ließ und das Video, das davon in luftiger Höhe aufgenommen wurde, per Twitter in die Welt hinausschickte. Auf dem Summit LA, einem Großevent in Los Angeles, interviewte ihn im folgenden Monat ein Gesprächspartner, wie er rücksichtsvoller nicht hätte sein können: der Investor Mark Bezos, sein jüngerer Bruder, der vor Jahren einen TED-Talk über sein Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr gehalten hatte und heute bei Blue Origin als Berater fungierte. Sie plauderten über edle Cocktails, die Erkundung des Weltraums, ihre Großeltern und darüber, wie Jeff und MacKenzie New York City verlassen hatten, um quer durchs Land nach Seattle zu fahren und dort Amazon zu gründen.

Auch wenn Amazons Führungsriege es nie Außenstehenden gegenüber zugegeben hätte – mehr Selbstständigkeit bei der Arbeit, zugleich eine gewisse Befreiung vom hartnäckigen Nachbohren und den hochgesteckten Ambitionen des Unternehmensgründers wären beileibe nicht unwillkommen. Noch immer konnte sich ein Meeting mit Bezos völlig unvorhergesehen entwickeln, mit Projekten, die zurück auf null gesetzt wurden, und dem damit einhergehenden Schock für die Arbeitsmoral. Schon die nebensächlichste Äußerung des scharfsichtigen CEO reichte aus, und die Untergebenen reagierten mit panischer Aktivität und einer Flut von Whitepapern. Viele Executives waren erleichtert, dass die Besprechungen mit Bezos seltener stattfanden, und fragten sich laut, ob sein Interesse an Amazon nachließ. Vielleicht konnten sie ja endlich einmal durchatmen.

Dann begann die unter der Abkürzung OP1 laufende alljährliche herbstliche Planungsrunde, und die betörende Hoffnung, der alles dominierende CEO könne sich herausziehen, verflüchtigte sich – vorläufig jedenfalls.

Der erste, unheilvollste Hinweis ergab sich während des Jahresberichts zum Nordamerikageschäft im Einzelhandelsbereich. Das Meeting fand im fünften Stock des Day-One-Turms statt; dazu waren in einem gewaltigen Tagungsraum mit Blick nach Westen Tische zusammengeschoben worden. Bezos saß mittig auf einer Seite des großen Rechtecks, zu seiner Linken sein Finanzchef Brian Olsavsky, zu seiner Rechten sein damaliger technischer Berater Jeffrey Helbling.

Ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Raums, saß Doug Herrington. Links von diesem, beinahe wie einer der Consigliere in Der Pate , hatte sein langjähriger Finanzchef Dave Stephenson Platz genommen. Jeff Wilke, Mitglieder des S-Teams sowie Führungskräfte aus den Bereichen Einzelhandel, Amazon Marketplace und anderen Abteilungen saßen rings um die Tische und entlang der Wände; andere waren über Amazons unzuverlässige Telko-App Chime zugeschaltet. Das Meeting begann wie gewohnt in völliger Stille, während alle den mit Grafiken gespickten OP1-Bericht des Einzelhandelsbereichs lasen, der einen Überblick über die bisherige Ertragslage gab und die operative Planung für die kommenden Jahre darlegte.

Später fragten sich die Anwesenden, ob Bezos den Überfall geplant hatte oder aber spontan beim Lesen des Dokuments reagiert hatte. Aufgefallen waren jedenfalls ein zunehmendes Stirnrunzeln, während er eine Seite nach der anderen umblätterte, die immer enger zusammengekniffenen Augen und schließlich der leicht schief gelegte Kopf, bis Bezos endlich fragte: »Wie profitabel war dieser Bereich 2017 eigentlich ohne die Annoncen?«

Schon lange zierten Anzeigenbanner die Website von Amazon. Neuer waren die gesponserten Suchergebnisse, bezahlt von ausgewählten Amazon-Anbietern wie Procter & Gamble sowie kleineren Marketplace-Drittanbietern; diese drängten sich in den Suchresultaten zuoberst, dazwischen die unbezahlten Suchergebnisse, die Amazons Suchmaschine ausgeworfen hatte. Analysten schätzten die Einnahmen durch solche Annoncenplatzierung für 2017 auf 2,8 Milliarden Dollar bei einem flotten jährlichen Wachstum von 61 Prozent. Das Management des Einzelhandelsbereichs jedoch betrachtete das Anzeigengeschäft als unverzichtbaren Teil des Ergebnisses ihres Geschäftsbereichs – nicht als etwas Separates, das sich aus ihrer Gewinn-und-Verlust-Rechnung herauslösen ließ.

»Einen Moment, Jeff, das habe ich gleich«, sagte Stephenson, der Finanzchef des Einzelhandelsbereichs. Die Rechnung war nicht ganz trivial. Über dem Raum hing gespannte Stille, während der Amazon-Veteran, der auf siebzehn Jahre Erfahrung im Unternehmen zurückblickte, hinter seinem Aktenberg Zahlen in den Smartphone-Rechner tippte.

Nach rund fünf Minuten verkündete Stephenson sein Ergebnis. Alle atmeten erleichtert auf. Bezos aber fixierte noch immer Herrington und Stephenson mit eiskaltem Blick quer durch den Raum. »Was sagen die Zahlen für 2016?«

Erneut widmete sich Stephenson seinen Ordnern, wieder wagte niemand zu atmen. Nach fünf Minuten hatte Stephenson sein neues Ergebnis, und Bezos fragte nach 2014. »Man kann sich nicht vorstellen, wie furchteinflößend dieser Raum ist, besonders wenn Jeff sich an etwas festgebissen hat und sein Gehirn rattert.« So beschrieb es ein Executive, der dabei gewesen war. »Es ist nicht leicht, dort die Nerven zu behalten. Ich war sehr beeindruckt, wie ruhig Dave blieb.« Ohne die Annoncen kam das finanzielle Ergebnis von Amazons inländischem Einzelhandelsgeschäft plötzlich längst nicht mehr so rosig daher. Tatsächlich war seine betriebswirtschaftliche Lage im Abschwung begriffen.

Bezos hatte an einem Fädchen gezupft, und auf einmal begannen sich ganze Nähte zu lösen. Und Bezos zog weiter. In der anschließenden mehrstündigen Diskussion argumentierte er, die Stagnation beim Online-Geschäft werde durch die steigenden Werbeeinnahmen geschönt. Zwar gehörte es zu Bezos’ Grundhaltung, dass ein vielversprechender neuer Geschäftszweig in den ersten zehn Jahren Verluste machen durfte; der Online-Handel aber war längst über dieses Stadium hinweg. Bezos wollte so weit wie möglich in die Vergangenheit schauen, um festzustellen, wann dieser beunruhigende Trend seinen Anfang genommen hatte. Dann forderte er, dass Wilke die mit seinem Team über Monate erarbeitete sorgfältige Planung, die ihrem OP1-Dokument zugrunde lag, in die Tonne trat, um ihm eine überarbeitete Version vorzulegen. Er bestand auf radikalen Einschnitten bei den geplanten Neueinstellungen und anderen Investitionen sowie auf einer Rückkehr zu der grundlegenden Rentabilität der Vorjahre – ohne die Annoncen als Netz und doppelten Boden anzusehen.

Für die Führungsriege des Einzelhandelsbereichs war dies eine erschütternde Entwicklung – eine »Wurzelbehandlung«, wie die grauen Veteranen der Finanzabteilung sarkastisch kommentierten. Bezos hatte selbst darauf bestanden, Niedrigpreise von Konkurrenten zu übernehmen und auch unrentable Produktkategorien zu bedienen. Immer mehr Vergünstigungen, immer besserer Service für die Kundschaft hatten ihren Preis, doch man konnte sich immer darauf verlassen, dass profitablere Unternehmensbereiche diese Investitionen querfinanzierten. Daher hatte das Finanzmanagement nicht im Entferntesten in Erwägung gezogen, das Rechnungswesen so aufzusetzen, dass Werbeeinnahmen herausgerechnet wurden.

Mehr als zwei Jahrzehnte hatte Bezos den taktischen Vorteil niedriger Gewinnspannen und niedriger Preise propagiert, um sich Marktanteile zu sichern – Prozentpunkt um Prozentpunkt, gerade so, als erobere er Kontinente bei dem Strategiespiel Risiko . Doch nun dachte er anders; es ärgerte ihn, dass das Online-Geschäft nicht profitabler lief und Jeff Wilke und Doug Herrington – zwei der Co-CEOs, in die er das meiste Vertrauen setzte – nicht mehr aus ihrem Bereich herausholten. Die Zahlen legten nahe, dass das Management in seinem Auftrag nachließ, das operative Ergebnis ständig zu verbessern, und dass Amazon Eigenschaften entwickelte, die Bezos einem Unternehmen der unheilvollen Kategorie »Tag zwei« zuschrieb. »Tag zwei bedeutet Stillstand, gefolgt von Irrelevanz, gefolgt von langem, qualvollem Niedergang und schließlich Tod«, hatte er erst im selben Jahr bei einer Mitarbeiterversammlung verkündet. »Und darum haben wir immer Tag eins.«

Das S-Team schien die Schuld bei Stephenson zu sehen; ein Jahr später verließ dieser das Unternehmen, um CFO von Airbnb zu werden. »Es schwang der Vorwurf mit: ›Wie konntest du das nur übersehen?‹«, kommentierte ein anderer Executive, der in die Gespräche eingeweiht war. »Fakt aber ist, dass wir alle es die ganze Zeit übersehen hatten.«

Das OP1 für den Einzelhandel bestimmte die Tonart weiterer gereizter Sitzungen im selben Monat. Bezos erteilte einen entsprechenden Auftrag auch an Russ Grandinetti, Senior Vice President für Internationalen Einzelhandel, dessen Finanzen bei herausgerechneten Werbeeinnahmen noch trostloser aussahen. In Ländern, in denen Amazon schon länger aktiv war, wollte Bezos bessere Einzelergebnisse sehen, beispielsweise in Großbritannien; Investitionen, deren Chancen auf brauchbares Wachstum gegen null tendierten, sollten einem kritischen Blick unterzogen werden. Besonders den rote Zahlen schreibenden chinesischen Marketplace, wo Amazon seit über einem Jahrzehnt erfolglos mit Alibaba und JD.com konkurrierte, nahm er aufs Korn. Auch mit Grandinettis Team setzte er mehrere Folgetreffen an.

In einem weiteren OP1-Meeting, bei dem die Rechtsabteilung, HR und International Corporate Affairs gemeinsam abgehandelt wurden, zerlegte Bezos die Personalbedarfsmeldungen und wollte jede einzeln begründet hören. Voller Skepsis stellte er alles infrage, was nach leichtfertiger Expansion aussah. An irgendeinem Punkt murrte er über Neueinstellungen, die das PR-Team für den Einzelhandel geplant hatte, und machte so einige Mitarbeiter sprachlos mit seiner Frage, warum Amazon für seine Bücherkategorie überhaupt noch werben müsse – schließlich sei das Unternehmen dort sicherer Marktführer.

Einzig AWS blieb die vernichtende Prüfung erspart. Die Meetings mit Andy Jassy, bei denen die Cloud-Sparte mit ihren 40 Prozent Wachstum und 30 Prozent Nettoumsatzrendite begutachtet wurde, waren regelmäßig Wohlfühlveranstaltungen. Dennoch bohrte Bezos bei Jassy und seinem langjährigen CFO Sean Boyle nach, ob die von ihnen prognostizierte Finanzentwicklung auf Modellrechnungen basierte oder von ineffizientem Wunschdenken geleitet war wie beim Einzelhandelsbereich.

Die Botschaft der OP1-Meetings in jenem Herbst sowie einer später im Jahr folgenden Direktive des Amazon-Chefs, die das Organigramm des Konzerns durch den Wolf drehte, war eindeutig: Zwar wurde Jeff Bezos reicher und berühmter, doch Amazon war und blieb sein Ding. Und er hatte größere Pläne für das bereits zehn Jahre alte Geschäftsfeld der Werbung auf Amazon – als Deckmäntelchen für die Sünden anderer Geschäftszweige sollte sie nicht dienen.

Die Art und Weise, wie Bezos Mitte der Nullerjahre in das Geschäftsfeld der Annoncenplatzierung einstieg, verrät einiges über seine ursprünglichen Bedenken: Er überlegte nicht, welche Annoncen das Unternehmen akzeptieren sollte, sondern welche man ablehnen sollte. Angehörige des S-Teams erzählen, wie Bezos eine Auflistung von Produkten austeilte, für die seiner Meinung nach niemals auf der Website geworben werden sollte – darunter Schusswaffen, Alkohol, Online-Partnerbörsen, Nahrungsergänzungsmittel sowie unseriöse Finanzierungsangebote. Stundenlang diskutierte das S-Team diese Liste und das Pro und Kontra eines Einstiegs ins Werbegeschäft.

Allem Zweifel zum Trotz sprach Bezos sich dafür aus, Annoncen auf Amazon zu platzieren, um so seine Politik der Niedrigpreise zu stützen. In einem Gedankenspiel 195 verglich er zwei Internethandelsplattformen miteinander: eine mit Werbung zur Subventionierung niedriger Preise und eine werbefreie mit höheren Preisen. Die Kunden würden immer zu der Website mit den günstigeren Preisen streben, war sein Argument. »Wir sind dumm, wenn wir es nicht machen«, lautete seine erwartbare Schlussfolgerung, wie mehrere Angehörige des S-Teams berichteten.

Amazon hätte sich im Handumdrehen als Schwergewicht der Online-Werbung etablieren können. Während Google wusste, wonach die Leute suchten, und Facebook wusste, was ihnen gefiel, verfügte Amazon über die mehr oder minder gewichtigsten Daten von allen: was die Leute letztlich kauften. Und doch stieg Amazon erst dann ernsthaft ins Werbegeschäft ein, als sich Yahoo, Google und Facebook durch ihre Werbeeinnahmen längst zu historischen Höhenflügen aufgemacht hatten – und selbst da noch mit allergrößter Vorsicht und etlichen Fehlstarts.

Ende der Nullerjahre begann Amazon, in New York City – Werbehauptstadt der Welt – Mitarbeiter anzuheuern. Um zu verhindern, dass Amazon seinen Kunden in diesem Bundesstaat Mehrwertsteuer berechnen musste, wurden die Mitarbeiter zunächst bei einer Tochtergesellschaft namens Adzinia angestellt und mit entsprechenden Visitenkarten und E-Mail-Adressen ausgestattet. Ihr erstes Hauptbüro befand sich an der 6 th Avenue, mit Blick auf die berühmte »Love«-Skulptur auf dem Gehweg der 55 th Street.

Doch Amazon fand nie recht Zugang zu der geschlossenen Gesellschaft der New Yorker Werbewelt. Auch wenn das Jahrzehnt von Mad Men längst vorüber war – noch immer waren in dieser Branche persönliche Beziehungen und Lunch auf Firmenkosten ausschlaggebend. Leitende Werbemanager waren es gewohnt, ihre Kunden zu Top-Sportevents einzuladen und selbst zu glamourösen Branchenkongressen wie dem jährlichen Cannes Lions International Festival of Creativity an der französischen Riviera zu reisen.

Amazon jedoch weigerte sich in seiner dogmatischen Sparsamkeit, dabei mitzumachen. Selbst auf internationalen Flügen wurden die Mitarbeiter in der Touristenklasse gebucht, sofern sie nicht auf eigene Kosten für ein Upgrade sorgten. »Sobald man mehr als eine bestimmte Summe für ein Flugticket bezahlte, gab es eine Ermahnung«, erfuhr ich von Andrew James, der fünf Jahre als Führungskraft in der Kundenbetreuung tätig war. »Google und Facebook luden ihre Anzeigenkunden zu fürstlichen Partys. Wir waren eindeutig im Nachteil.«

Nur zögerlich baute Amazon sein New Yorker Team an Anzeigenakquisiteuren aus. Probleme löst man nicht mit mehr Leuten, sondern mit mehr Grips – so erschallte es bei Amazon allerorten. Während einer OP1-Sitzung blätterte Jeff Wilke direkt zum Anhang des Dokuments, das vom Anzeigenmarketingteam vorgelegt worden war, und betrachtete skeptisch die geplanten Einstellungen. Dann witzelte er: »Wie viele neue Verkäufer werden wohl nächstes Jahr unseren Executives als Kofferträger dienen?«

Auch anderen Usancen der Branche verweigerte sich das Unternehmen. CEOs und Marketingbosse von Firmen wie Procter & Gamble wollten bei den Firmen, an die ihr Werbeetat ging, ihre Pendants auf Vorstandsebene kennenlernen. Bei Facebook beispielsweise konnte ein großer Anzeigenkunde davon ausgehen, dass er mit Sheryl Sandberg, Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft, an einem Tisch sitzen würde. Bezos aber weigerte sich, dieses Spiel mitzuspielen; es gab lediglich ein jährlich stattfindendes Frühstück mit den Anzeigenkunden und Werbeagenturen. Wilke und Jeff Blackburn, im S-Team jahrelang für die Anzeigenabteilung zuständig, zeigten sich ebenso widerstrebend – nur einmal begrüßte Wilke, in seinen blauen Burberry-Blazer gekleidet, den Chief Marketing Officer von Burberry.

2013 schneite ein Senior Executive von Unilevers Marketingabteilung, einem der weltweit größten Produzenten von Konsumgütern, mit einem ganzen Tross Kollegen in Seattle herein, um die wachsende Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen zu besprechen. Bezos und Wilke weigerten sich, sich mit ihnen zusammenzusetzen. »Sie waren enttäuscht«, sagte Shiven Ramji, der damals bei Amazon leitend in der Online-Werbung tätig war. »Sie waren mit x Leuten und PowerPoint-Präsentationen und Fotos angereist. Wir hatten ein einseitiges Dokument für sie, das all die wunderbaren Dinge auflistete, zu denen wir fähig waren.«

Doch auch wenn Bezos sich nicht persönlich mit den Anzeigenkunden traf, wirkte er unübersehbar im Hintergrund. In den ersten Jahren des Anzeigengeschäfts wollte er jede große Werbekampagne einer Analyse unterziehen – besonders die bildschirmfüllenden Farborgien auf dem 2011 herausgebrachten Kindle Fire Tablet. Auch Jeff Blackburn und Paul Kotas, der zu jener Zeit als Software-Ingenieur die technischen Aspekte des Anzeigengeschäfts managte, analysierten persönlich einen Teil der Anzeigenkampagnen. Ihre strikten Standards und ihre Eigenheit in puncto Ästhetik trieben sowohl Amazons Executives für Online-Werbung als auch die Anzeigenkunden selbst regelmäßig die Wände hoch. Doch Blackburn und Kotas hatten gute Gründe: Amazon wollte auf keinen Fall das Vertrauen der Kunden zerstören, und zugleich sollte das Online-Geschäft – zu jener Zeit die Gelddruckmaschine des Konzerns – nicht geschädigt werden. Nicht selten beschränkte sich ihre Reaktion auf ein einziges Wort: nein.

Nein, Anzeigenkunden durften in ihren Annoncen keine vagen Versprechungen machen. 196 Nein, sie durften keine Ausrufezeichen verwenden, das käme einem Anschreien der Kunden gleich. Nein, sie durften keine grellen Farben verwenden, denn das könnte die Shopper irritieren. Nein, Fotos mit zu viel nackter Haut waren ebenfalls tabu. Und so weiter und so fort.

Enttäuscht wurden die Anzeigenkunden auch im Hinblick auf Datenanalysen zur Demografie der Website-Kunden, wie sie sie von Silicon-Valley-Unternehmen gewohnt waren. Nein, sie bekamen keinen Zugang zu Amazons Nutzerdaten wie Alter, Ethnizität und Einkaufsgewohnheiten. Nein, Amazon würde Firmen wie Adobe und Acxiom nicht gestatten, die Effektivität ihrer Annoncen mit Softwaretags von Drittanbietern nachzuverfolgen, wie sonst im Internet Usus. Die Anzeigenkunden müssten sich mit den diesbezüglichen Rückmeldungen von Amazon begnügen.

Einige der in der Abteilung Anzeigenmarketing ausgefochtenen Kämpfe sind legendär. An einem Feiertagswochenende legte Paul Kotas gegen einen bestimmten Blauton in einer Marketingkampagne der Ford Motor Company sein Veto ein, weil ihn die Displaywerbung zu sehr an eine »Werbebeilage« erinnerte. Amazon ließ auch den Mobilfunknetzbetreiber T-Mobile wissen, sein Logo in dem als Markenzeichen eingetragenen Magenta-Ton sei viel zu aufdringlich. Sony Pictures erfuhr, das Banner für den James-Bond-Film Skyfall verletze die Direktive gegen Waffendarstellungen auf der Website. Das Studio zeigte Amazon daraufhin quasi den Finger, erinnert sich eine Führungskraft aus dem Anzeigenmarketing: »Was ist James Bond schon ohne die Knarre? Ganz ehrlich – ein Nobody.«

Amazon fand sich dennoch in etlichen dieser Auseinandersetzungen kompromissbereit und gestattete letztendlich auch 007 sein Markenzeichen, die Pistole – mit der Begründung, sie sei ja auf niemanden konkret gerichtet. Bei den Anzeigenkunden jedoch entstand der Eindruck, Amazon sei arrogant und unzugänglich. »Zu Beginn der Geschäftsbeziehung empfing uns jeder mit warmem Händedruck, am Ende waren sie uns leid«, sagte Steve Susi, der fünf Jahre als Creative Director bei Amazon verbrachte.

In dieser Sturheit machte sich Amazons Ambivalenz gegenüber Displaywerbung bemerkbar, dazu seine zutiefst verankerte Überzeugung, das Kundenvertrauen dürfe nie und nimmer, auf welche Weise auch immer, missbraucht werden – eine völlig andere Unternehmensphilosophie als bei Silicon-Valley-Firmen wie Facebook. Für Bezos hatte während der ersten Phase von Amazons Ausflug in die Werbewelt die Unantastbarkeit des Kundenerlebnisses absoluten Vorrang vor jeglichen Geschäftsbeziehungen oder minimalen Bilanzverbesserungen.

Hinzu kam ein gewisser Argwohn gegenüber allen Annoncen, die den Kunden mit einem Klick von Amazon fort- und einem anderen Kaufportal zuführen könnten. Jahrelang bot das Anzeigenmarketingteam einen Service namens Product Ads an, über den Händler wie Nordstrom und Macy’s ihre Artikel auf dem Amazon-Portal bewerben konnten. Innerhalb des Unternehmens konnten viele nicht nachvollziehen, dass der Zweck darin bestand, den Kunden eine größere Auswahl und gute Preise zu präsentieren. »Das Einzelhandelsteam riss sich ein Bein aus, um Kundentraffic zu uns zu treiben, und wir hatten nichts Besseres zu tun, als den Traffic wieder fortzulenken«, meinte Colleen Aubrey, Amazons Vice President im Performance-Marketing. »Regelmäßig saß ich in Meetings mit Retail-Verantwortlichen, die uns die Frage stellten: ›Was macht ihr da eigentlich?‹ Und wieder mussten wir es erklären.«

2014 schwand Amazons Begeisterung fürs Annoncenmarketing generell, und man stand kurz davor, die Product Ads aus dem Programm zu nehmen. Die eingefahrenen Ergebnisse waren zwar gut, aber nicht überragend. Das strenge interne Regelwerk und die nicht ansprechbaren CEOs befremdeten die Anzeigenkunden. Die Abteilung kämpfte ununterbrochen um Ressourcen, ihre Verantwortlichen legten regelmäßig Sechzig-Stunden-Wochen ein, zugleich fühlten sie sich missachtet und unter Dauerbeschuss. »Über lange Zeit waren wir in den Miesen, und alle machten uns dafür verantwortlich«, kommentierte eine Führungskraft aus der Anzeigenabteilung.

In jenem Sommer wurde alles umgekrempelt, Paul Kotas wurde zum Senior Vice President befördert und dem gesamten Marketing vorangestellt. Lisa Utzschneider, seit Langem als globale VP für Amazons Anzeigenmarketing verantwortlich und bis dato direkt Jeff Blackburn vom S-Team unterstellt, quittierte sechs Monate später frustriert ihren Job und wechselte zu Yahoo. Amazons noch im Werden begriffenes Anzeigenmarketing lag am Boden.

Kotas war 1999 von D. E. Shaw, dem börsennotierten quantitativen Hedgefonds, bei dem Bezos seine ursprüngliche Idee des Online-Buchhandels entwickelt hatte, zu Amazon gestoßen. Immer wieder erzählte er anderen Mitarbeitern die Geschichte, wie Bezos ihn bereits 1997 rekrutiert habe. Er hatte schon auf gepackten Koffern gesessen, als er es sich anders überlegte und doch bei dem Hedgefonds blieb. Dieser Sinneswandel in letzter Minute hatte ihn Millionen gekostet.

Abgesehen von seinem Musikgeschmack – er stand auf Punk und New Wave – war Kotas vielen Kollegen sehr ähnlich: besessen von Metriken wie der Ladezeit von Annoncen und ein fanatischer Anhänger von Amazon-Führungsprinzipien wie dem Prinzip der Sparsamkeit. »Verraten Sie mir doch, was diese Restaurantquittung auf Ihrer Spesenrechnung macht«, war ein wiederkehrender Refrain bei den Mitarbeitergesprächen. Wenn sich die Führungskräfte der Abteilung für Online-Werbung zu Beginn der Hauptsaison in der Kommandozentrale versammelten, um die Effektivität der vorweihnachtlichen Anzeigenkampagnen zu begutachten, war Kotas oft erbarmungslos: »Wenn auch nur irgendwer meint, er oder sie könnte sich zu Oma unterm Tannenbaum davonmachen, das Telefon ausschalten und unerreichbar bleiben, dann ist das ein gewaltiger Irrtum!«, wies er einem Executive zufolge seine Abteilung einmal an.

Als Kotas die alleinige Leitung der unter Beschuss stehenden Marketingabteilung übernahm, begann sich gerade die mögliche Lösung für deren ewiges Problem abzuzeichnen. Zu jener Zeit hatten Amazons Marketplace-Verkäufe gerade einen Gang höher geschaltet. Drittanbieter – darunter die Anbieter aus China, die gerade ins Netz fluteten – waren erpicht darauf, die Sichtbarkeit ihrer Produkte auf den zunehmend volleren Seiten der Suchresultate zu erhöhen. Die Lösung war offensichtlich: eine Servicegebühr, genau wie sie Google von Website-Betreibern dafür verlangte, dass die Suchmaschine bestimmte Treffer nach oben schob.

Amazons Anzeigenauktion nach Google-Vorbild lief unter »gesponserte Produkte«. Sie gestattete beispielsweise einem Drittanbieter von Bettwäsche, auf eine Werbeplatzierung zu bieten, sobald jemand über Amazons Suchfenster nach »Bettzeug« suchte. Zunächst war derartige Werbung unten auf der ersten Trefferseite platziert; klickte ein Besucher ein solches gesponsertes Suchergebnis an, wurde er zu der Produktseite geführt, und Amazon kassierte eine Gebühr.

Nachdem Amazon die bezahlten Annoncen auf mehr Produktkategorie ausweitete und die Werbung auf die rechte Seite der Website wanderte, neben die Suchergebnisse, wurde es für das Marketingteam zunehmend schwierig, bei der Entwicklung der notwendigen Programmcodes mitzuhalten. Es war ein Auktionssystem für die Suche gefordert, das die Gebote der Inserenten verarbeitete, und dazu ein Tool, das den Werbeerfolg nachverfolgte und die Resultate auslas. Amazons Suchmaschinen-Inserenten der ersten Stunde erinnern sich, dass die frühen Versionen dieser Dienste ziemlich dürftig ausfielen. »Was wir an Berichten über Erfolg oder Misserfolg unserer Anzeigenkampagnen erhielten, war ausgesprochen miserabel«, hatte Jeremy Liebowitz zu berichten, der ehemalige Vice President für das globale Online-Geschäft bei Newell Brands, dem Hersteller von – unter anderem – weitverbreiteten Bürobedarfsartikeln. »Es war fast unmöglich herauszulesen, ob etwas wirklich funktionierte.«

Amazon musste überdies die korrekten semantischen Verbindungen zwischen den Annoncen und konkreten Suchbegriffen herstellen. Google blickte zu dem Zeitpunkt bereits auf zwanzig Jahre Erfahrung mit dem komplexen Gebiet der Suchmaschinenrelevanz zurück; Amazon stand noch fast am Anfang. Jedes Mal, wenn Bezos oder Wilke eine unpassende Annonce sahen, feuerten sie eine E-Mail auf Kotas ab, der sie frustriert an seine Entwickler weiterleitete. Einer seiner Programmierer hatte noch sehr lebendige Erinnerungen an den Aufruhr, den ein Sexspielzeug hervorrief, das als gesponsertes Suchergebnis mitten in einer Suche nach Kinderspielzeug auftauchte.

Diese Art der Werbung war innerhalb von Amazon und sogar innerhalb der Marketinggruppe selbst umstritten. Den Marketing-Executives in New York, L. A. und London, die die übliche Bannerwerbung verkauften, wurden alljährlich aggressive Umsatzvorgaben präsentiert. Nun aber erfuhren ihre Klienten Ablenkung durch eine völlig neue Art, ihren Werbeetat bei Amazon zu investieren. Auch die Software-Ingenieure von A9, dem mit der Suchfunktion betrauten Amazon-Ableger im Silicon Valley, hassten diese neue Suchmaschinenwerbung; ihr Job war es, objektiv gute Produkttreffer in den Suchergebnissen nach oben zu bugsieren, nicht die von meistbietenden Händlern gesponserten Produkte.

Und doch erfüllten die gekauften Platzierungen eindeutig ihren Zweck. Die Website-Besucher unterschieden oftmals nicht zwischen bezahlten und nicht bezahlten Suchergebnissen und klickten sie an. Die diversen Anbieter grummelten zwar über die Kosten, hatten sich jedoch längst an Googles Suchmaschinenwerbung gewöhnt und betrachteten sie auch bei Amazon als eine Möglichkeit, sich gut zu platzieren. 2016 schließlich setzte sich das S-Team mit der steigenden Beliebtheit dieser Art der Werbung und einer Grundsatzfrage auseinander: Sollte man gestatten, dass suchmaschinengenerierte Werbung in der oberen Hälfte der Resultateseite auftauchte, und zwar mit den organischen Treffern der Suche vermischt?

Es entspann sich eine heftige Debatte über die beim ersten Seitenaufruf sichtbare Platzierung »above the fold«, die sich über zahllose Meetings hinzog; dabei wurde das heilige Kundenerlebnis gegen die vielversprechende neue Einnahmequelle ins Feld geführt. So mancher Executive für Online-Werbung argumentierte, Erst- wie Drittanbieter würden von der Produktplatzierung direkt bei den obersten Suchresultaten profitieren. Einzelhandels-Executives sorgten sich, die Kunden könnten sich womöglich von Annoncen zum Kauf verleiten lassen, später angesichts minderwertiger Produkte Ärger verspüren und in Zukunft weniger Geld auf dem Portal lassen.

Doug Herrington, Chef des Nordamerika-Einzelhandels, führte in einer Debatte sogar die Parabel vom Skorpion und dem Frosch an, um die Sache zu verbildlichen. In dieser Geschichte bittet der Skorpion den Frosch, ihn auf dem Rücken über den Fluss zu tragen; auf halbem Wege kann er sich nicht mehr zurückhalten und lässt den Frosch seinen Giftstachel spüren, sodass beider Schicksal besiegelt ist. Dabei verglich Herrington seine Pendants im Marketing mit dem Skorpion – sie meinten es nicht böse, doch es lag in ihrer Natur, das gerechter aufgestellte Feld der echten Suchresultate zu kompromittieren.

Am Ende musste Bezos schlichtend eingreifen. Sein vorhersagbarer Lösungsansatz bestand in einem systematischen Test gesponserter Annoncen oberhalb der Suchresultate, und zwar zunächst beschränkt auf einen geringen Prozentsatz der Suchanfragen. Die Informatiker, die diese Tests durchführten, hatten ihre Umsetzung und die gewonnenen Daten nie als sonderlich verlässlich eingeschätzt, doch die Resultate erwiesen sich als ziemlich konsistent. Gesponserte Werbung an prominenter Stelle ging einher mit einem geringfügigen und doch statistisch signifikanten Rückgang bei der Kundenzahl, die letztlich einen Kaufvorgang beendeten. Eine Langzeitwirkung ließ sich nicht vorhersagen. Der Skorpion tötete den Frosch nicht, er piekste ihn nur – ob sein Stich giftig war, blieb fürs Erste ungewiss.

Während sich ein gewisser Kollateralschaden so gut wie nicht ausschließen ließ – es würden weniger Kunden finden, was sie suchten –, brachten die gesponserten Produkte eigenes Geld ein. Und zwar viel. Und so bestand Bezos’ Antwort auf die Frage, ob man den Annoncen bei sämtlichen Suchanfragen eine Platzierung oben auf der Seite gestatten sollte, aus einem einzigen Wort: jawohl. Amazon sollte den Prozentsatz der Suchresultate, die mit gekauften Suchergebnissen kombiniert wurden, weiter erhöhen. Und noch einmal ja: Es sollte auch die Anzahl gekaufter Suchergebnisse auf jeder Seite der Suchresultate erhöhen, selbst wenn dadurch die Klickzahl leicht zurückging.

In der Zeit der Displaywerbung hatte Bezos der Versuchung widerstanden, beim Kundenerlebnis Kompromisse einzugehen. Nun aber votierte er für volle Fahrt voraus – zwar warnte er, man solle es sich mit der Kundschaft nicht verderben, indem man zu viele Annoncen platziere, doch jeglicher negative Langzeiteffekt müsste schon unwahrscheinlich groß ausfallen, um den potenziellen Geldregen mit den dadurch ermöglichten Investitionen zu negieren.

Die Suchmaschinenwerbung wies sämtliche Züge auf, die Bezos am Business liebte. Der Kunde, der sie anklickte, verließ Amazon nicht, sondern wurde zu einer bestimmten Produktseite geleitet, wo er seinen Einkauf tätigte und das Schwungrad weiter antrieb. Nur wenige spesenreitende Mad Men waren notwendig, um es in Gang zu halten, denn das System war größtenteils selbstverwaltend. Und sobald erst die Technik funktionierte, würde die Suchmaschinenwerbung mit gewaltiger Hebelwirkung riesige Geldströme in die Kasse spülen, mit denen Bezos neue Einfälle finanzieren konnte.

»Die Werbung in den Suchresultaten nach oben zu schieben hat uns auf einen ganz neuen Level katapultiert«, sagte ein Informatiker von Amazon, der mit den Annoncen zu tun hatte. »Das Sponsern der Produkte würde bei Weitem nicht das bewirken, was es heute tut, wäre nicht diese Entscheidung gefallen, und Jeff war derjenige, der seine Unterschrift daruntergesetzt hat.«

Als Bezos endlich bereit war, das relativ sachorientierte Ranking den kommerziellen Interessen Amazons zu opfern, kannten die Möglichkeiten keine Grenzen mehr. So hatte Bezos etwa vor einigen Jahren aus Florida eine E-Mail erhalten, in der ein Kunde beschrieb, wie er auf Amazon.com einen Selfiestick kaufen wollte. Es standen Hunderte zur Auswahl, und der Kunde hatte sich nicht entscheiden können; er war daraufhin in einen Laden marschiert, wo ihn ein Verkäufer beraten hatte. Warum, so wollte der Kunde wissen, konnte Amazon keine Empfehlungen geben?

Das S-Team stellte bereits ähnliche Überlegungen an, als Bezos die E-Mail weiterleitete. Sie wurde in der Einzelhandelsdivision herumgereicht und landete schließlich bei einem Team, das an einer Einkaufsfunktion für Alexa werkelte. Ihre Lösung nannten sie Amazon’s Choice: Wenn Alexa die Anweisung bekam, ein unbestimmtes Produkt aus einer umfangreichen Kategorie zu bestellen, griff Amazon’s Choice auf Basis von Variablen wie Kundenbewertungen, Preis und Liefergeschwindigkeit einige wenige Produkte zur Empfehlung heraus.

Der Spracheinkauf via Alexa erfreute sich schon bald wachsender Beliebtheit, und ab 2016 war in den Suchresultaten das eine oder andere gesponserte Produkt gut sichtbar mit dem Prädikat Amazon’s Choice versehen. Zwar blieb dessen Bedeutung eher unklar 197 – Amazon sparte sich Erläuterungen, wie die jeweilige Auszeichnung zustande gekommen war, immerhin schien sie für die Kunden bis zu einem gewissen Grad die Rolle des Verkaufsberaters zu erfüllen. Dennoch migrierten die Käufer zu den Produkten, die mit dieser Empfehlung versehen waren 198 und deren Verkäufe sich einem unparteiischen Bericht zufolge verdreifachten. So überrascht es kaum, dass die Marketplace-Anbieter – wenn sie nicht nachgerade versuchten, das System mit selbst erstellten positiven Beurteilungen auszutricksen – das Prädikat unbedingt käuflich erwerben wollten. Von Amazons Executives verlautete jedoch, es sei nicht zu kaufen. »Wir haben ihnen gesagt, so kompliziert sei das gar nicht«, erklärte Assaf Ronen, ein Vice President im Spracheinkauf. »Nehmt eure besten Produkte, verkauft sie für wenig Geld und macht die Kunden glücklich.«

Doch Amazon’s Choice diente dem Unternehmensinteresse auch noch auf andere Weise. Die Arbeitsgruppen, die Eigenmarkenprodukte entwickelten, verlangten lautstark nach der Auszeichnung, wenn sie sie an konkurrierenden Artikeln entdeckten – etwa an einer Batterie von Duracell anstatt an ihrem eigenen Amazon-Basics-Produkt. Und wieder flammten heiße interne Diskussionen auf, diesmal zwischen den Markenteams und den A9-Suchmaschinenprogrammierern; selbst Paul Kotas und das Anzeigenmarketingteam meldeten sich mit dem Argument zu Wort, prominent platzierte Hausmarken schadeten den Inserenten und dem Image der Auszeichnung obendrein. Dennoch konnten etliche von Amazons Eigenmarkenprodukten das Prädikat gewinnen, was ihnen einen weiteren Vorteil gegenüber der Konkurrenz in den Suchresultaten verschaffte. Einer Reportage über Amazon’s Choice im Wall Street Journal aus dem Jahr 2019 zufolge hatten 540 Artikel der Eigenmarke Amazon Basics die Empfehlung erhalten 199 – keine andere Marke hielt da mit.

Natürlich beschwerten sich die Drittanbieter verärgert, wenn sie die Empfehlung an einer Amazon-Eigenmarke entdeckten. Amazons Juristen – die europäischen Kartellbehörden hatten gerade Google wegen seiner vergleichbaren Praxis, eigene Angebote in den Suchresultaten zu bevorzugen, ins Visier genommen – konnten die Praxis gar nicht rasch genug eindämmen, dass es den Markenverantwortlichen nicht doch peinlich wurde. »Für viele im Team war es einfach nicht die feine Amazonier-Art«, meinte JT Meng, ein früherer Manager aus der Konsumgüterabteilung. »Einfach unsere eigene Empfehlung auf die Produkte zu kleben, obgleich wir sie nicht zwingend verdient hatten, war weder kunden- noch wettbewerbsorientiert.«

Die Suchergebnisse hatten sich von einem schlichten, durch Algorithmen bestimmten Produkt-Ranking zu einem überladenen Schaufenster voller gekaufter Anzeigen, Amazon’s-Choice-Stickern, wortreicher Empfehlungen von Drittanbieter-Websites und Amazon-Eigenmarken entwickelt. In manchen Produktkategorien erschienen nur noch zwei natürliche Suchergebnisse auf einer ganzen Seite voller Treffer. 200 Amazon-Partner und Drittanbieter konnten sich nun nicht mehr darauf verlassen, dass ihre Produkte auf die gewohnte Art als Suchmaschinentreffer den Kunden ins Auge fielen, und öffneten umso bereitwilliger ihre Portemonnaies, um noch mehr Geld bei der Suchmaschinenwerbung zu lassen. Ein fraktionsübergreifender Bericht des Kartell-Unterausschusses des US-Abgeordnetenhauses sollte später rügen, Amazon mache es nachgerade erforderlich, dass »Anbieter die Marketingangebote des Unternehmens in Anspruch nehmen, um Verkäufe zu realisieren«, da die Verbraucher meist nicht über die erste Seite der Suchergebnisse hinausschauten. 201

2017 hatten die Einkünfte aus gesponserten Produkten endgültig solche aus Displayannoncen wie Bannerwerbung überrundet und sollten diese bald weit hinter sich lassen. In diesem Jahr erreichten in Amazons Ertragsrechnung die Umsätze der Kategorie »Diverses« (der früher die AWS-Gewinne zugerechnet waren), wo das Unternehmen die Werbeeinkünfte parkte, 4,65 Milliarden Dollar – ein Sprung von 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Amazon hatte im eigenen Hinterhof eine wahre Goldgrube aufgetan.

Doch zunächst einmal musste Bezos dafür sorgen, dass das Einzelhandelsgeschäft die Gewinne aus dem Geschäft mit gesponserter Werbung nicht sogleich wieder verschlang. Indem er im Rahmen der OP1-Reviews im Herbst 2017 darauf bestand, Amazons ältestes Geschäft habe endlich auf eigenen Füßen zu stehen, ohne sich mit Werbeeinnahmen aufzuhübschen, erzwang Bezos eine 180-Grad-Wende gegenüber der langjährigen Haltung. Die alles dominierende Jagd nach Erträgen und immer größeren Marktanteilen wich der Jagd nach Gewinn. Die Direktive, in allen Ecken und Winkeln des Unternehmens Setzlinge zu pflanzen, wich dem Gedanken, ab sofort zählten nur noch die größten Bäume, und diese hatte nicht selten Bezos selbst gepflanzt. Andere mit hohem Preissticker versehene Initiativen wurden besser beschnitten.

Im Lauf der nächsten paar Monate geschah bei Amazon etwas, was in der Geschichte des Unternehmens nur selten vorkam: Man trat den Rückzug an. In den USA wie in Großbritannien schloss man die Ticketing-Dienste für Konzerte und andere Events. 202 Das Unternehmen bremste die Einführung eines Dienstes mit Namen Amazon Restaurants in neuen Städten, wo dieser mit Start-ups wie Grubhub, DoorDash und – in Großbritannien – Deliveroo hätte konkurrieren sollen; zwei Jahre später machte man ihn ganz dicht. Außerdem strich man die Investitionen in den darbenden chinesischen Marketplace, 203 der hoffnungslos hinter Alibaba und JD.com zurücklag und 2019 ebenso für immer die Pforten schloss.

Schließlich fror Amazon die Neueinstellungen in der Einzelhandelsdivision fast vollkommen ein. Jahrelang hatte es so gut wie keine Beschränkung bei der Einstellung talentierter Mitarbeiter gegeben. Amazons Belegschaft allein in Seattle war 2017 auf über 40.000 angewachsen – von gerade mal 5000 sieben Jahre zuvor. 204 Im Verlauf des nächsten Jahres stagnierte die Zahl effektiv. »Wir kamen einfach zu dem Schluss«, sagte Jeff Wilke, »dass es nach all den Jahren rasanter Investitionen in die Fixkosten mehr Sinn ergab, wenn wir da ein Jahr oder so kürzer traten, den Zuwachs ordneten und mehr auf Effizienz achteten.«

Als probiere man einen neuen Anzug an, versuchte man es zum ersten Mal mit Profitabilität – jahrelang ein Fremdwort für das Unternehmen. Die Executives aus dem Einzelhandelsgeschäft sollten sich die Beziehungen mit großen Marken wie Coca-Cola und Unilever vornehmen, um noch bessere Konditionen für Produkte mit hohen Transportkosten – Trinkwasserkanister etwa – herauszuschlagen. 205 Um die kommerziellen Prioritäten des Unternehmens geradezurücken, wandte man sich einmal mehr der Suchmaschine zu und experimentierte damit, auch die Profitabilität eines Artikels in jenen Algorithmus einzubeziehen, der darüber entschied, ob einem Produkt das Prädikat »Amazon’s Choice« zustand. Auch bei der bereits laufenden »Initiative autonomes Fahren«, 206 die im Einzelhandelsbereich die Manager durch Software ersetzen sollte, schaltete man einen Gang höher und dirigierte Markenanbieter auf der Amazon-Website zu Tools, über die sie selbst ihre Werbung platzieren und die Umsätze managen konnten, ohne dafür Amazon-Mitarbeiter zu beanspruchen. Nach wie vor bot das Unternehmen seinen größten Drittanbietern eine Vorzugsbehandlung – nur berappten diese fortan dafür.

Inmitten dieser Neuausrichtung fand Bezos eine weitere Möglichkeit, seine Fixkosten zu reduzieren, sein Organigramm zu verflachen und seinem ganz persönlichen Schreckgespenst zu entgehen: dass Amazon zum faden »Tag-zwei-Unternehmen« geraten könne. Er gab eine firmenweite Direktive heraus. (»Das macht er natürlich ständig, und die Leute rennen dann immer gleich los wie Ameisen, auf die einer mit dem Gummihammer eindrischt«, wie der ehemalige Amazon-Informatiker Steve Yegge 2011 in einem Blog-Posting schrieb.) 207 Von nun an benötigte jeder Amazon-Manager, dem bisher vorrangig andere Manager unterstellt gewesen waren, ein Minimum von sechs ihm direkt verantwortlichen Mitarbeitern.

So harmlos dies klingen mag – die im Unternehmen unter dem Begriff »Leitungsspanne« bekannte Direktive hatte firmenintern die Wirkung einer Neutronenbombe. Hochrangige Manager mit nur drei, vier oder fünf direkten Untergebenen waren gezwungen, sich in ihrem Bereich umzusehen und Untergebenen Mitarbeiter auszuspannen, um wenigstens sechs direkte Befehlsempfänger unter sich zu haben, was wiederum anderen die notwendige Zahl an Untertanen entzog. So wirkte die Direktive nach unten weiter; Executives, die langsam, aber sicher auf der Suche nach Verantwortung Amazons Managementleiter nach oben geklettert waren, mussten nun feststellen, dass ihnen der weitere Aufstieg verwehrt war.

Bei vielen Mitarbeitern stellte sich durch diese organisatorische Neuordnung das altbekannte Gefühl ein, der Unternehmenskultur wohne eine, wenn auch inoffizielle, Grausamkeit inne; man kannte es noch aus den Tagen des Stack-Rankings. Während einige Divisionen wie etwa AWS sich von der Direktive ausgenommen sahen, traf sie andere umso härter. Executives in der Sparte Einzelhandel berichten, dass 10 bis 20 Prozent ihrer Kollegen, ihrer direkten Untergebenen und damit ihrer Rolle als Manager beraubt, im Zuge dieser drastischen Umschichtung entweder zu Wachstumssparten wie AWS und Alexa überwechselten oder schlicht ihren Hut nahmen.

»Unter dem Gesichtspunkt der Organisationsmoral hätte man das vermutlich nicht schlechter angehen können«, sagte Stan Friedlander, ein ehemaliger Chefkaufmann in Amazons Schuh- und Bekleidungssparte, dem seine zehn Jahre beim Unternehmen ansonsten durchaus gefallen hatten. »Bei den meisten anderen Großunternehmen werden in so einem Fall Freistellungen angekündigt«, sagte er. »Man kann dann dabeibleiben oder das Trennungsgeld nehmen. Bei Amazon haben sie bis zum heutigen Tag nichts dazu gesagt, wie viele Leute sie loswerden wollten, was zu einer Kultur der Angst geführt hat, die ihnen wahrscheinlich lieber ist.«

Diese informelle Reorganisation im Stil einer Reise nach Jerusalem erlaubte es Amazon, intern wie extern dem Stigma zu entgehen, man nehme Entlassungen vor. Und bewerkstelligt wurde sie unter dem Deckmäntelchen, organisatorisches Dickicht lichten und Bezos’ Kampf gegen die »Tag-zwei-Stasis« unterstützen zu wollen. Es war ein für Bezos typischer Schachzug – brillant und irgendwie grausam. Zur selben Zeit, da er die Direktive herausgab, verordnete er seinem S-Team ein neuzehnminütiges YouTube-Video von Bain & Company mit dem Titel »Founder’s Mentality«. 208 Es ging darin um die Ausmerzung von Bürokratie, das Primat der Kundenstimme im täglichen Entscheidungsprozess und darum, sich die Denke und Motivation eines aufmüpfigen Start-ups zu bewahren. »Wachstum ist paradox; so generiert Wachstum Komplexität, und Komplexität wiederum ist der lautlose Killer des Wachstums«, sagt in diesem Video James Allen, der Direktor von Bain.

Etliche Executives vermuteten hinter den disruptiven Schritten noch etwas anderes und versuchten, Bezos’ Gedankengänge zu ergründen. Einige spekulierten, dass er sich gern als den einzigen Risikonehmer des Unternehmens sah und das Gefühl hatte, seine Führungskräfte investierten zu viel aufs Geratewohl. Ein langjähriger Executive, der nach dem Sesselrücken den Hut genommen hatte, sagte mir, seine »beste These« sei die, Bezos wolle »L. A. erobern«, und sein Marsch auf die Profitabilität sei ein Versuch, das expandierende Risikoinvestment in Amazon Studios und eigene TV-Shows und Filme zu finanzieren. Andere äußerten die Ansicht, Bezos habe sich angesichts der zum Großteil aus Aktienpakten bestehenden Vergütungen womöglich Sorgen um die Wirkung eines stagnierenden Papiers gemacht und wisse sehr gut, dass er sich mit schwarzen Zahlen lieb Kind an der Wall Street machen könne.

Falls das tatsächlich sein Gambit war, so funktionierte es ausgezeichnet. Nach den aufwühlenden OP1-Reviews und der Direktive zur »Leitungsspanne« vom Herbst 2017 verlangsamte sich der Personalzuwachs, und Amazons Gewinnspanne im Einzelhandelsbereich nahm zu. Zeitgleich knackte die Prime-Mitgliedschaft die 100-Millionen-Marke, und die rasante Expansion der AWS-Sparte setzte sich fort. Infolgedessen machte Amazons Nettogewinn – der Jahresprofit – einen Satz von drei Milliarden Dollar im Jahr 2017 auf zehn Milliarden im Folgejahr, was die Investoren nachgerade in Raserei versetzte. Amazons Aktienwert erreichte schwindelnde Höhen. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens schoss bis Ende 2017 über 550 Milliarden Dollar hinaus und lag Ende 2018 bei 730 Milliarden Dollar.

Und das hatte natürlich tiefgreifende Auswirkungen. Das Privatvermögen altgedienter Mitarbeiter, die sich seit Jahren zum Teil durch Aktien vergütet sahen, ging durch die Decke. Langjährige Amazon-Investoren sahen sich für ihre Treue fürstlich belohnt. Und im Herbst 2017 schließlich überrundete Jeff Bezos endlich auch Bill Gates im Wettlauf um den Titel der reichsten Person der Welt. 209 Inflationskorrigiert sollte er bald reicher sein als Gates auf dem Höhepunkt seines Microsoft-Windows-Monopols und reicher auch als Sam Walton in der Ära seiner unangefochtenen Vormachtstellung im US-Einzelhandel.

Selbst für Bezos, der bereits zwei Jahrzehnte im Blickpunkt der Öffentlichkeit verbracht hatte, ging mit diesem Titel ein nie gekanntes Maß an Bewunderung von seinesgleichen und investigativer Neugier seitens der Medien einher. »Der Tag, an dem man Jeff zur reichsten Person der Welt erklärte, war der Tag, von dem an diese Phrase in jeden ersten Absatz jeden Artikels über Amazon Einzug hielt«, so Jay Carney. Und Josh Weinstein, der Freund aus Highschool-Tagen, der Bezos zum Zuhause seiner Kindheit in Miami begleitet hatte, meinte dazu: »Diese Geschichte, also dass er die reichste Person der Welt war, veränderte die Art, wie andere ihn sahen. Er sah sich plötzlich in einer anderen Welt.«

Der Architekt dieses Wandels war Bezos selbst. Indem er die Goldgrube der Suchmaschinenwerbung entdeckte und dann darauf bestand, dass sein Unternehmen die Werbung nicht zur Krücke geraten ließ, indem er zugleich gegen den wachsenden Wasserkopf seiner Bürokratie ankämpfte, stieß er die Tür zur vielleicht fruchtbarsten Wachstumsperiode in Amazons Geschichte auf. Zumindest im erdgebundenen Business hatte er die absolute Vorherrschaft über seine Konkurrenz errungen, sowohl im Bereich des Einzelhandels als auch der Technologie.