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Nicole hatte sich gerade hingelegt. Niggi hat ihr noch einen Kräutertee ans Bett gebracht und das Baby ist offenbar auch endlich eingeschlafen. Vom Bett aus blickt sie sich in dem noch nicht eingerichteten Schlafzimmer um. Die schönen alten Dielen sind abgeschliffen. Der Geruch des Parkettöls mischt sich mit dem der frischen Wandfarbe. Nur die Fußleisten sind immer noch nicht montiert. Und dann hat der Schimmelreiter in einer Ecke noch ein Heft mit reichlich gewagten Tapetenmustern herumliegen lassen.

Aus einem Lautsprecher von unten kommt ›You do‹ von Aimee Mann, die Nicole mit in die Familie gebracht hat. Während sie so daliegt und Niggi und Finn in der Küche mit Geschirr klappern hört, malt sie sich das künftige Familienleben aus und döst dabei allmählich weg. Dann wird sie ganz plötzlich von dem Klingelton ihres Handys aufgeschreckt. Er ist nicht laut. Das Smartphone steckt noch in ihrem Parka, und der hängt an der gerade angebrachten Garderobe. Aber Nicole ist sofort wieder hellwach. Einen Moment wird der Signalton lauter, und dann nimmt Finn ab.

»Hallo, Frau Ahlbeck … nein, hier ist Finn … Mama hat sich gerade hingelegt, aber kann ich ihr was ausrichten?« Den Telefondienst hat Nicoles Sohn schon voll drauf. Niggemeier will ihm das Handy gerade aus der Hand nehmen, da wankt Nicole schon schlaftrunken in die Küche.

»Nicole, du musst sofort kommen!«, schreit Oma Ahlbeck in ihr Telefon. »Da wird grad ’n Toter aus der Baubude rausgeschleppt.«

»Die Bude an der Baustelle am Deich?« Die Kommissarin ist in den letzten beiden Tagen schließlich mehrmals an der Stelle vorbeigefahren.

»Er hat eine Eisenstange im Kopf! Schrecklich!«, ruft Kurschatten Kurt aus dem Hintergrund.

»Wir haben auch versucht, Thies anzurufen, um dich ’n büschen zu schonen, aber war besetzt«, entschuldigt sich Frau Ahlbeck. »Wahrscheinlich Akku leer oder zu laut in der ›Hidden Kist‹.«

»Ich bin schon unterwegs«, beteuert Nicole noch etwas müde und dann deutlich munterer. »Frau Ahlbeck, schalten Sie sich bitte nicht ein! Das könnte gefährlich sein! Versprochen?«

»Ja, Kurt meinte auch, wir sollten gleich ’n Stück weiterfahren und so tun, als hätten wir nichts gesehen. Is eigentlich nich unsere Art.«

»Und versuchen Sie bitte weiter, Thies zu erreichen, er soll ebenfalls zu der Baubude kommen.« Jetzt ist auch das Baby in ihrem Bauch wieder aufgewacht.