Um zu erklären, warum ich dieses Buch geschrieben habe, muss ich wahrscheinlich mit dem Wann anfangen.
2017 war ein ungewöhnliches Jahr für mich. Die ersten sechs Monate waren ein langsames Köcheln. Dann aber wurde ich innerhalb weniger Wochen 40 Jahre alt, mein erstes Buch (The 4-Hour Workweek) hatte sein zehnjähriges Jubiläum, mehrere Menschen aus meinem Freundeskreis starben, und ich ging auf eine Bühne, um zu erzählen, wie ich auf dem College kurz davor gestanden hatte, Selbstmord zu begehen. *
Um die Wahrheit zu sagen: Ich hätte nie gedacht, dass ich überhaupt 40 Jahre alt werden würde. Mein erstes Buch wurde von 27 Verlagen abgelehnt. Die Sachen, die dann funktionierten, hätten gar nicht funktionieren dürfen. Und so wurde mir an meinem Geburtstag klar: Ich hatte keinen Plan für das Leben nach 40.
Wie es an Weggabelungen – Uni-Abschluss, Krisen nach einem Viertel oder der Hälfte des Lebens, Auszug der Kinder, Ruhestand – häufig vorkommt, begannen Fragen aus meinem Inneren an die Oberfläche zu sprudeln.
Waren meine Ziele meine eigenen oder nur das, von dem ich dachte, ich sollte es wollen?
Wie viel vom Leben habe ich durch zu wenig oder zu viel Planung verpasst?
Wie könnte ich freundlicher zu mir selbst sein?
Wie könnte ich besser Nein zum Rauschen sagen, um Ja zu den Abenteuern sagen zu können, nach denen ich mich sehnte?
Wie könnte ich mein Leben am besten neu bewerten, meine Prioritäten, meine Sicht auf die Welt, meinen Platz in der Welt und meinen Weg durch die Welt?
So viele Fragen!
Eines Morgens schrieb ich diese Fragen so auf, wie sie mir einfielen, in der Hoffnung auf einen Hauch von Klarheit. Stattdessen spürte ich eine Welle der Angst. Die Liste war überwältigend. Ich bemerkte, dass ich den Atem anhielt. Also machte ich eine Pause und hörte auf, auf das Blatt Papier zu schauen. Dann tat ich, was ich häufig tue – ob beim Nachdenken über eine geschäftliche Entscheidung, eine persönliche Beziehung oder anderes: Ich stellte mir selbst die eine Frage, die dabei hilft, viele andere zu beantworten …
Wie würde es aussehen, wenn es einfach wäre?
Dieses »es« kann grundsätzlich alles sein. An diesem Morgen stand es für meine lange Liste großer Fragen.
Wie würde es aussehen, wenn es einfach wäre? Das ist eine hübsche und trügerisch große Frage. Es ist leicht, sich selbst einzureden, dass alles schwierig sein muss und dass man sich nicht genügend anstrengt, wenn man nicht bis zum Anschlag geht. Dies bringt uns dazu, den Weg des größten Widerstands zu wählen, was oft unnötige Härten mit sich bringt.
Was aber passiert, wenn wir versuchen, mit schwierigen Situationen möglichst elegant statt mit möglichst vielen Belastungen umzugehen? Manchmal kommt man mit Lockerheit statt Stress zu unglaublichen Ergebnissen. Manchmal kann man ein Problem »lösen«, indem man es vollkommen anders betrachtet.
Als ich an jenem Morgen über die handgeschriebene Frage – Wie würde es aussehen, wenn es einfach wäre? – nachdachte, kam mir eine Idee. 99 Prozent der Seite, die vor mir lag, waren nutzlos. Aber sie enthielt auch den Keim einer Möglichkeit …
Wie wäre es, wenn ich einen Stamm von Mentoren zusammenstellen würde, der mir hilft?
Oder konkreter: Was wäre, wenn ich mehr als 100 brillanten Personen genau die Fragen stellen würde, die ich für mich selbst beantwortet haben wollte? Oder wenn ich sie irgendwie dazu bringen könnte, mich in die richtige Richtung zu leiten?
Würde das funktionieren? Ich hatte keine Ahnung, aber eines wusste ich: Wenn der einfache Ansatz scheitern würde, wartete ja um die Ecke immer noch die Vorgehensweise mit der endlosen Arbeit im Bergwerk auf mich. Schmerzen sind nie aus der Mode, wenn man auf der Suche danach ist.
Warum also sollte ich nicht eine Woche damit verbringen, den Weg des geringsten Widerstands auszuprobieren?
Und so fing alles an. Als Erstes schrieb ich eine Liste meiner Traum-Interviewpartner, bei der aus einer Seite schnell zehn wurden. Es musste eine Liste ohne Beschränkungen sein: Kein Kandidat sollte für mich zu groß, zu unerreichbar, zu schwierig zu finden sein. Konnte ich den Dalai Lama bekommen? Die unglaubliche Temple Grandin? Meinen persönlichen weißen Wal, den Autor Neil Gaiman? Oder Ayaan Hirsi Ali? Ich schrieb die denkbar ehrgeizigste, gemischteste, ungewöhnlichste Liste. Als Nächstes musste ich mir einen Anreiz ausdenken, um die Leute dazu zu bringen zu antworten, also versuchte ich, einen Buchvertrag auszuhandeln. »Sie kommen in mein Buch«, konnte vielleicht funktionieren. Von Anfang an sagte ich dem Verlag, dass meine Idee vielleicht auch nicht funktionieren würde und dass ich in diesem Fall meinen Vorschuss zurückzahlen würde.
Dann begann ich, mir das Herz aus dem Leib zu werben.
Ich schickte meine Sammlung von elf immer gleichen Fragen an einige der erfolgreichsten, unterschiedlichsten und bekanntesten Personen auf dem Planeten, verbunden mit der Bitte: »Beantworte mir deine drei bis fünf Lieblingsfragen … oder mehr, wenn du dich inspiriert fühlst«.
Nachdem ich Dutzende Male auf »Senden« geklickt hatte, legte ich mit angehaltenem Atem meine Hände auf meine aufgeregte Schreiber-Brust, und das Universum reagierte mit … Schweigen. Verdammt.
In den ersten zwölf bis 24 Stunden passierte nichts. Keine Kreatur rührte sich, nicht einmal eine Maus. Und dann begann ein schwaches Tröpfeln durch den Äther. Ein Hauch von Neugier und eine Handvoll Nachfragen. Es folgten einige höfliche Absagen, und dann kam die Flut.
Fast alle Menschen, die ich kontaktiert hatte, sind unglaublich beschäftigt, und ich hatte damit gerechnet, dass ich von ihnen bestenfalls kurze, eilige Reaktionen bekommen würde. Was stattdessen zurückkam, waren einige der überlegtesten Antworten, die ich je bekommen habe, ob auf Papier, persönlich oder auf sonst eine Weise. Am Ende hatten mehr als 100 Personen geantwortet.
Zugegeben: Dieser »einfache« Weg bedeutete Tausende von E-Mails und Antworten darauf sowie Direktnachrichten auf Twitter, Hunderte Telefongespräche, viele Marathon-Sitzungen am Schreibtisch und mehr als nur ein paar Flaschen Wein beim Schreiben bis tief in die Nacht. Aber es hat funktioniert. Hat es immer funktioniert? Nein. Den Dalai Lama habe ich nicht bekommen (nicht dieses Mal), und mindestens jeder Zweite auf meiner Liste antwortete nicht oder lehnte die Einladung ab. Aber es funktionierte gut genug , um von Bedeutung zu sein, und darauf kommt es an.
In den Fällen, in denen die Kontaktaufnahme funktionierte, hatten die Fragen den größten Teil der Arbeit erledigt.
Acht dieser Fragen waren leicht angepasste »Schnellfeuer«-Fragen aus meinem Podcast, The Tim Ferriss Show , dem ersten Podcast mit Interviews zur Wirtschaft, der mehr als 200 Millionen Downloads erreicht hat. In mehr als 300 Interviews mit Gästen wie dem Schauspieler und Sänger Jamie Foxx, dem General Stanley McChrystal und der Autorin Maria Popova hatte ich diese Fragen immer weiter ausgearbeitet. Ich wusste, dass sie funktionierten, dass sie den Interviewpartnern meistens gefielen und dass sie mir in meinem eigenen Leben helfen konnten.
Die übrigen drei Fragen hatte ich neu aufgenommen, weil ich hoffte, sie würden meine hartnäckigsten Probleme lösen. Bevor ich sie in die freie Wildbahn schickte, bat ich Freunde, die auf ihre Art selbst Weltklasse sind, sie mit mir zu testen, zu hinterfragen und umzuformulieren.
Je älter ich werde, desto mehr Zeit – prozentual pro Tag – verbringe ich damit, mir bessere Fragen auszudenken. Nach meiner Erfahrung liegt es hauptsächlich an besseren Fragen, wenn man auf unterschiedlichen Gebieten von der einfachen zu zehnfachen, von der zehnfachen zur hundertfachen und von der hundertfachen (wenn einem das Glück wirklich hold ist) zur tausendfachen Rendite kommt. Die Behauptung von John Dewey, »Ein gut formuliertes Problem ist schon die halbe Lösung«, trifft zu.
Das Leben bestraft den vagen Wunsch und belohnt die konkrete Frage . Beim bewussten Denken geht es schließlich vor allem darum, im eigenen Kopf Fragen zu stellen und zu beantworten. Wenn du Verwirrung und Herzschmerzen willst, stell dir vage Fragen. Wenn du ungewöhnliche Klarheit und Ergebnisse willst, stell ungewöhnlich klare Fragen.
Zum Glück ist das eine Fähigkeit, die man sich aneignen kann. In keinem Buch wirst du alle Antworten finden, aber dieses hier kann dir dabei helfen, bessere Fragen zu stellen. Milan Kundera, der Autor von The Unbearable Lightness of Being , hat einmal gesagt: »Die Dummheit der Menschen kommt daher, dass sie eine Antwort auf alles haben. Die Weisheit des Romans kommt daher, dass er eine Frage für alles hat.« Wenn du in diesem Zitat »Roman« durch »Meister-Lerner« ersetzt, hast du meine Lebensphilosophie. Oft steht zwischen dir selbst und dem, was du willst, nichts weiter als eine bessere Sammlung von Fragen.
Die elf Fragen, die ich für dieses Buch ausgewählt habe, sind unten abgedruckt. Es ist wichtig, dass du die kompletten Fragen und die Erklärungen dazu liest, denn im Rest dieses Buches habe ich sie zum Teil etwas gekürzt. Meinen besonderen Dank an Brian Koppelman, Amelia Boone, Chase Jarvis, Naval Ravikant und andere für ihre unglaublich hilfreichen Kommentare dazu.
Lass uns die elf Fragen zunächst kurz durchgehen. Manche von ihnen könnten auf den ersten Blick trivial oder sinnlos erscheinen. Aber hab etwas Geduld. Nicht alles ist so, wie es scheint.
1. Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
2. Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt? Meine Leser mögen konkrete Angaben wie Marke und Modell, wo du es gefunden hast etc.
3. Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
4. Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum? Gibt es Zitate, an die du häufig denkst oder nach denen du lebst? Es können ein paar Worte sein oder ein Absatz (wenn das hilft, ist auch ein Zitat von einer anderen Person möglich: Gibt es Zitate, an die du häufig denkst oder nach denen du lebst?).
5. Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
6. Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
7. Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
8. Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben? Welchen Rat sollte er ignorieren?
9. Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
10. Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren? Welche neuen Erkenntnisse und/oder Ansätze haben dir dabei geholfen? Welche neuen Erkenntnisse und/oder Ansätze haben dabei geholfen? Irgendwelche weiteren Tipps?
11. Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt? Welche Fragen stellst du dir?
Schauen wir uns jetzt jede der Fragen einzeln an, und ich erkläre dir, warum sie zu funktionieren scheinen. »Warum sollte mich das interessieren? Ich bin doch kein Interviewer«, könntest du jetzt einwenden. Meine Antwort darauf ist einfach: Wenn du ein Weltklasse-Netzwerk aufbauen (oder pflegen) willst, musst du mit Menschen so interagieren, dass du es dir verdienst. Jeder der folgenden Punkte wird dir dabei helfen.
Zum Beispiel habe ich Wochen damit verbracht, die Reihenfolge der Fragen zu testen, um optimale Antworten zu bekommen. Die richtige Reihenfolge ist für mich das Geheimrezept, egal ob du in acht bis zwölf Wochen eine neue Sprache lernen ** , eine lebenslange Angst vor dem Schwimmen überwinden *** oder sich bei einem Kaffee Anregungen von einem potenziellen Mentor holen willst. Gute Fragen in der falschen Reihenfolge bekommen schlechte Antworten. Andersherum kannst du in einer deutlich höheren Gewichtsklasse mitboxen, wenn du dir Gedanken über die richtige Reihenfolge machst. Denn die meisten anderen Leute verzichten darauf.
Ein Beispiel: Die »Plakat«-Frage ist einer der Favoriten der Zuhörer und Gäste in meinem Podcast, aber sie ist schwer. Viele Menschen lassen sich von ihr verwirren oder einschüchtern. Ich wollte keine viel beschäftigten Menschen verschrecken, sodass sie mit einem kurzen »Sorry, Tim, ich habe gerade einfach keine Zeit dafür« absagen. Wie also sollte ich es richtig machen? Ganz einfach: Indem ich die Leute erst einmal ein wenig mit leichtgewichtigen Fragen (zum Beispiel über die verschenkten Bücher oder die Anschaffung für unter 100 Dollar) aufwärme, die weniger abstrakt und konkreter sind.
Zum Ende hin werden meine Erklärungen kürzer, denn viele der Punkte haben Gültigkeit für alle Fragen.
1. Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
»Was ist dein Lieblingsbuch?« hört sich nach einer guten Frage an – ganz unschuldig und ganz einfach. In der Praxis aber ist sie schrecklich. Die Menschen, die ich interviewe, haben Hunderte oder Tausende Bücher gelesen, also müssen sie über diese Frage intensiv nachdenken, und sie haben zu Recht die Sorge, dass ihre Antwort in Artikeln zitiert wird und in Wikipedia etc. erscheint, wenn sie ein »Lieblingsbuch« nennen. »Am häufigsten verschenkt« ist weniger riskant und einfacher zu beantworten (weil man sich daran leichter erinnert). Und anders als die Frage nach dem persönlicheren »Lieblingsbuch« impliziert diese Variante eine lohnende Lektüre für ein breiteres Spektrum am Menschen.
Für die Neugierigen und Ungeduldigen unter euch hier ein paar (der vielen) Bücher, die häufig genannt wurden:
Man’s Search for Meaning von Victor E. Frankl
The Rational Optimist von Matt Ridley
The Better Angels of Our Nature von Steven Pinker
Sapiens von Yuval Noah Harari
Poor Charlie’s Almanack von Charlie Munger
Wenn du alle erwähnten Bücher auf einen Blick sehen willst, einschließlich einer Liste der 20 am häufigsten empfohlenen aus diesem Buch und aus Tools of Titans , findest du unter tim.blog/booklist alles, was du brauchst.
2. Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt? Meine Leser mögen konkrete Angaben wie Marke und Modell, wo du es gefunden hast etc.
Das klingt wie eine Wegwerf-Frage, ist es aber nicht. Sie ermöglicht einen einfachen Zugang zu viel beschäftigten Interviewpartnern und liefert gleichzeitig eine konkrete Handlungsempfehlung für die Leser. Die tieferen Fragen verlangen nach tiefgründigeren Antworten, aber Tiefgründigkeit ist das Vollkornbrot des Wissens – es erfordert intensive Verdauungsarbeit. Um in der Zwischenzeit weitermarschieren zu können, brauchen Menschen (einschließlich dieses Autors) kurzfristige Belohnungen. Die erreiche ich in diesem Buch mit Fragen, auf die es konkrete, leichte und oft lustige Antworten gibt – kleine Leckereien für deine hart arbeitende Seele. Solche Atempausen sind wichtig, um auch die schwere Kost zu schaffen.
3. Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Diese Frage ist mir besonders wichtig. Wie ich in Tools of Titans geschrieben habe:
Die Superhelden, die du kennst (Idole, Ikonen, Spitzensportler, Milliardäre etc.), sind in Wirklichkeit fast alle nur Fehler auf Beinen, die eine oder zwei Stärken optimiert haben. Menschen sind unperfekte Wesen. Man ist nicht »erfolgreich«, weil man keine Schwächen hat – man hat Erfolg, weil man seine einzigartigen Stärken findet und sich darauf konzentriert, um sie herum Gewohnheiten zu entwickeln. (…) Jeder kämpft einen Kampf [und hat Kämpfe gekämpft], von denen du nichts weißt. Bei den Helden in diesem Buch ist es nicht anders. Jeder von ihnen hat seine Schwierigkeiten.
4. Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum? Gibt es Zitate, an die du häufig denkst oder nach denen du lebst? Es können ein paar Worte sein oder ein Absatz (wenn das hilft, ist auch ein Zitat von einer anderen Person möglich: Gibt es Zitate, an die du häufig denkst oder nach denen du lebst?).
Diese Frage ist selbsterklärend, also lasse ich den Kommentar dazu weg. Wenn du allerdings Interviewer werden möchtest: Der Teil mit dem »wenn das hilft …« ist oft entscheidend dafür, gute Antworten zu bekommen.
5. Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
Auch diese Frage erklärt sich von selbst – zumindest scheint es so. Bei Fragen wie dieser und der nächsten ist es meiner Erfahrung nach hilfreich, den Befragten ein reales Beispiel für eine Antwort zu nennen. Im Gespräch bekommen sie dadurch Zeit zum Nachdenken, schriftlich eine Vorlage. Bei dieser Frage habe ich zum Beispiel immer die folgende Antwort mitgeschickt:
BEISPIELANTWORT von Amelia Boone, eine der besten Ausdauersportlerinnen der Welt, gesponsert von großen Marken und vierfache Weltmeisterin im Hindernisrennen:
»Im Jahr 2011 habe ich 450 Dollar für die Teilnahme am ersten World Toughest Mudder ausgegeben, ein damals brandneues 24-Stunden-Hinder-nisrennen. Ich hatte hohe Schulden aus meinem Jurastudium, sodass das viel Geld für mich war, und ich hatte keinen Grund zu der Annahme, dass ich überhaupt bis zum Ende durchhalten oder gar einen der vorderen Plätze erreichen würde. Letztlich aber gehörte ich zu den 11 (von 1000) Teilnehmern, die bis zum Ziel kamen. Das hat mein Leben verändert und führte zu meiner Karriere bei Hindernisrennen und zu mehreren Weltmeistertiteln. Hätte ich nicht das Geld für die Teilnahmegebühr hingelegt, wäre nichts davon passiert.«
6. Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Diese Frage wurde mir zum ersten Mal gestellt, als ich von meinem Freund Chris Young interviewt wurde, einem Wissenschaftler, Co-Autor von Modernist Cuisine und CEO von ChefSteps (such im Internet nach »Joule sous vide«). Ich saß damals auf der Bühne der Town Hall in Seattle, und bevor ich antwortete, sagte ich: »Ooooh, das ist eine gute Frage. Die werde ich klauen.« Das habe ich getan. Die Frage reicht tiefer, als du vielleicht glaubst. Die Antworten darauf beweisen mehrere Punkte: 1) Jeder ist verrückt – du bist nicht allein. 2) Wenn du noch ein paar Zwangsstörungen brauchst, geben meine Gesprächspartner gern Anregungen. Und 3) ergibt sich aus 1): »Normale« Menschen sind auch nur verrückte Menschen, die du nicht gut genug kennst. Wenn du dich für den einzigen Neurotiker hälst, habe ich zu meinem großen Bedauern eine schlechte Nachricht für dich: Jeder Mensch ist in einem bestimmten Lebensbereich ein Woody Allen. Hier ist die Beispielantwort, die ich zu dieser Frage mitgeschickt habe, übernommen aus einem Live-Interview und für den Abdruck etwas überarbeitet:
BEISPIELANTWORT von Cheryl Strayed, Bestsellerautorin von Wild (verfilmt mit Reese Witherspoon in der Hauptrolle): »Das hier ist meine umfassende Theorie über Sandwiches. Jeder Bissen sollte möglichst genauso sein wie der vorige. Kannst du mir folgen? Wenn es an der einen Stelle einen Klumpen Tomaten gibt und an der anderen Hummus, ist das nichts für mich – alles muss so einheitlich wie möglich sein. Jedes Sandwich, das ich bekomme, klappe ich deshalb sofort auf und arrangiere es komplett um.«
7. Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Das ist eine kurze, effektive und nicht besonders differenzierte Frage. Sie hat besondere Bedeutung für meine eigene Neueinschätzung zur Mitte meines Lebens. Ich bin überrascht, dass ich derlei Fragen nicht häufiger höre.
8. Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben? Welchen Rat sollte er ignorieren?
Der zweite Teil mit dem »Ignorieren« ist hier wesentlich. Wir neigen dazu, weniger oft zu fragen, »Was sollte ich nicht tun?« als »Was sollte ich tun?«. Aber weil das, was wir nicht tun, bestimmt, was wir sonst tun können , bin ich ein großer Freund von Not-to-do-Listen.
9. Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
Ein enger Verwandter der vorigen Frage. Viele Probleme der »Konzentration« lassen sich am besten dadurch lösen, dass man definiert, was man ignorieren sollte.
10. Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren? Welche neuen Erkenntnisse und/oder Ansätze haben dir dabei geholfen? Irgendwelche weiteren Tipps?
Ja sagen ist einfach. Nein sagen ist schwierig. Ich wollte Hilfe beim zweiten Punkt, so wie viele andere Menschen in diesem Buch, und manche ihrer Antworten haben es wirklich in sich.
11. Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt? Welche Fragen stellst du dir?
Wenn dein Denken einen »Beachball« zeigt (eine kleine Anspielung unter Apple-Nerds auf das, was man sieht, wenn der Computer einfriert), spielt nichts anderes eine Rolle, bis dieses Problem gelöst ist. Auch hier ist die »Falls das hilft«-Ergänzung oft von großer Bedeutung.
Weil alles Großartige in diesem Buch von anderen Menschen stammt, kann ich getrost sagen, dass du irgendetwas darin lieben wirst, unabhängig davon, wo in deinem Leben du stehst. Ähnlich wirst du, wie sehr ich auch tobe und wüte, einen Teil des Inhalts langweilig, nutzlos oder scheinbar blödsinnig finden. Von den etwa 140 Porträts wirst du meiner Erwartung nach 70 mögen und 35 lieben, und vielleicht 17 werden dein Leben verändern. Interessanterweise werden aber die 70, die dir nicht gefallen, genau die 70 sein, die jemand anderes braucht.
Das Leben wäre langweilig, wenn wir alle genau denselben Regeln folgen würden. Also willst bestimmt auch du wählerisch sein und aussuchen können.
Das Überraschendere an all dem ist: Tribe of Mentors verändert sich mit dir. Wenn die Zeit vergeht und das Leben seinen Lauf nimmt, können Sachen, die du anfangs wie eine Ablenkung abgetan hast, ihre Tiefe zeigen und unglaublich wichtig für dich werden.
Das Klischee, das du ignoriert hast wie einen Wegwerf-Glückskeks? Plötzlich erkennst du seinen Sinn, und es kann Berge versetzen. Andersherum können sich Dinge, die du zunächst erleuchtend fandst, abnutzen wie ein wunderbarer Trainer auf dem Gymnasium, der dich an einen Trainer auf der Universität weiterreichen muss, damit Sie die nächste Stufe erreichen.
Für die Ratschläge in diesem Buch gibt es kein Verfallsdatum, denn sie stammen aus allen Altersgruppen. Auf den folgenden Seiten findest du Tipps von Wunderkindern Anfang 30 ebenso wie von erfahrenen Veteranen, die über 60 oder 70 Jahre alt sind. Meine Hoffnung ist ein Effekt ähnlich wie beim I Ching oder Tao Te Ching : Jedes Mal, wenn du dieses Buch in die Hand nimmst, soll etwas anderes darin dich ergreifen, deine Wahrnehmung der Realität erschüttern, deine Dummheiten zutage treten lassen, deine Intuition bestätigen oder deinen Kurs um das alles entscheidende eine Grad korrigieren.
Das gesamte Spektrum der menschlichen Emotion und Erfahrung ist in diesem Buch zu finden, vom Urkomischen bis zum Herzzerreißenden, vom Versagen bis zum Erfolg und von Leben bis Tod. Heiß das alles willkommen.
Zu Hause auf meinem Couchtisch liegt ein Stück Treibholz. Sein einziger Zweck ist, ein Zitat von Anaïs Nin zu präsentieren, das ich jeden Tag sehe:
»Das Leben schrumpft oder dehnt sich aus, proportional zum eigenen Mut.«
Es ist eine kurze Erinnerung daran, dass sich Erfolg meist an der Zahl der unangenehmen Gespräche messen lässt, die wir zu führen bereit sind, und an der Zahl der unangenehmen Tätigkeiten, die wir auf uns zu nehmen bereit sind.
Die erfülltesten und effektivsten Menschen, die ich kenne, sind weltberühmte Kreative, Milliardäre, Vordenker und andere. Du siehst ihren Lebensweg zu vielleicht 25 Prozent darin, sich selbst zu finden , und zu 75 Prozent darin, sich selbst zu erschaffen .
Dieses Buch ist nicht dazu gedacht, eine passive Erfahrung zu sein. Es soll ein Aufruf zum Handeln sein.
Du bist der Autor deines eigenen Lebens, und es ist nie zu spät dafür, zu verändern, welche Geschichten du dir selbst und der Welt erzählst. Es ist nie zu spät, um ein neues Kapitel zu beginnen, eine überraschende Wendung vorzunehmen oder in ein völlig anderes Genre zu wechseln.
Wie würde es aussehen, wenn es einfach wäre?
Ein Hoch darauf, mit einem Lächeln zum Stift zu greifen! Große Dinge werden geschehen …
Es lebe das Leben,
Tim Ferriss
Austin, Texas
August 2017