»Beim Ego geht es darum, wer Recht hat. Bei der Wahrheit darum, was richtig ist.«
MIKE MAPLES JR.
TW: @m2jr
floodgate.com
MIKE MAPLES JR. ist Partner von Floodgate, einem Wagniskapitalgeber, der auf Micro-Cap-Investitionen in Start-ups spezialisiert ist. Mike steht seit 2010 auf der Midas-Liste von Forbes und wurde von der Zeitschrift Fortune unter die »8 Rising Stars« gewählt. Mittlerweile ist er nur noch als Investor tätig. Zuvor war er als Gründer und Topmanager an Back-to-Back-Start-up-IPOs wie Tivoli Systems (IPO TIVS, von IBM übernommen) und Motive (IPO MOTV, von Alcatel-Lucent übernommen) beteiligt. Unter anderem engagierte sich Mike bei Twitter, Twitch.tv, ngmoco, Weebly, Chegg, Bazaarvoice, Spiceworks, Okta und Demandforce.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
The Top Five Regrets of the Dying von Bronnie Ware
Jonathan Livingston Seagull von Richard Bach
Hope for the Flowers von Trina Paulus
Living Forward von Michael Hyatt und Daniel Harkavy
How Will You Measure Your Life? von Clayton M. Christensen
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Im College wurde ich von den Studentenverbindungen, in die ich gern eingetreten wäre, abgelehnt. Am Ende gründete ich dann mit anderen selber eine. Die Verbindungen, die mich nicht haben wollten, sind inzwischen vom Campus verschwunden. Die von uns gegründete dagegen gehört inzwischen zu den Topadressen.
Nach meiner Rückkehr ins Silicon Valley boten mir die Wagniskapitalfirmen, bei denen ich am liebsten einsteigen wollte, keinen General-Partner-Posten an. Also gründete ich Floodgate. Das Unternehmen ist sehr erfolgreich, und ich bin jeden Tag dankbar dafür, dass ich damals nicht bekam, was ich wollte.
Dass Lieblingslied von Bill Campbell [auch »der Coach« genannt, berühmter Mentor von Tech-Ikonen wie Steve Jobs, Jeff Bezos und Larry Page] war »You Can’t Always Get What You Want« von den Rolling Stones. Finde ich toll. Es steckt so viel Weisheit in diesem Song. Manchmal bekommt man nicht, was man will, doch am Ende das, was man braucht.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Integrität ist der einzige Weg, der nie in die Irre führt.«
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
* An meine Kinder zu glauben.
* Nach Kalifornien zu ziehen, um Wagniskapitalgeber zu werden, als alle fanden, das sei eine Schnapsidee.
* Ein Hund namens Stella (wirklich!).
* Zu lernen, wie man sich entschleunigt und mit einer manuellen Linse fotografiert.
* Ein paar Investitionen in Start-ups, die sich richtig lohnten.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Die Erkenntnis, dass sich große Wissenschaftler zwar nie zu sagen trauen: »Das ist die Wahrheit«, aber trotzdem leidenschaftlicher als alle anderen nach der Wahrheit suchen.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Das Leben ist schneller vorbei, als du denkst. Die Versuchung ist groß, zu leben, um andere zu beeindrucken. Das ist aber der falsche Weg. Der richtige Weg: Begreife, dass das Leben kurz ist, dass jeder Tag ein Geschenk ist und dass du bestimmte Gaben hast.
Beim Glück geht es darum, zu erkennen, dass man das Geschenk des Lebens jeden Tag bejahen sollte, indem man der Welt die eigenen Gaben zur Verfügung stellt.
Richte dich bei deinen Prioritäten nicht nach einem von anderen gesetzten Dogma. Vor allem aber lass dich nicht aufhalten durch Selbstzweifel und Selbstkritik. Vermutlich bist du selbst dein schärfster Kritiker. Gehe nachsichtig mit dir um. Begegne dir selbst mit der gleichen Freundlichkeit, um die du dich im Umgang mit anderen bemühst.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
»Mich hat das beruflich weitergebracht, also mach du es genauso.«
Den besten Rat erteilen meiner Erfahrung nach Menschen, die nicht versuchen, mir eine Antwort zu geben … sondern mir stattdessen einen neuen Denkansatz zur gestellten Frage vermitteln, sodass ich sie selbst besser beantworten kann. Die meisten »schlechten« Ratschläge lassen sich meiner Ansicht nach auf »Ich hatte damit Erfolg, also mach es so wie ich« reduzieren. Der beste Rat hört sich eher so an: »Ich weiß auch nicht, aber vielleicht betrachtest du die Angelegenheit mal so.«
Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Menschen, die wirklich gute Ratschläge geben, wissen, dass sie anderen auf ihrem persönlichen Weg weiterhelfen müssen. Schlechte Ratgeber versuchen häufig, ihren eigenen Ruhm wieder aufleben zu lassen.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Zu Menschen, die zwar Einfluss haben, aber weder ehrlich noch gut sind.
Ich habe festgestellt, dass es Zeitverschwendung ist, sich mit solchen Menschen abzugeben. Deine Zeit ist begrenzt, also solltest du sie mit Menschen verbringen, die dir das Gefühl geben, deine Gaben heute optimal genutzt zu haben.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt? Welche Fragen stellst du dir?
Ich lehne mich zurück … entschleunige … und stelle mir die fünf Warum-Fragen. Dann frage ich mich noch, ob ich vor etwas Angst habe, das vor lauter Angst aber nicht zugeben kann.
Wir lassen uns gern zu voreiligen Schlüssen verleiten. Dabei gibt es immer Dinge, die sich unserer Kenntnis entziehen. Ich weiß inzwischen, dass wir Methoden brauchen, um unserer Unwissenheit entgegenzuwirken.
Die fünf Warum-Fragen sind eine gute Methode, zu entschleunigen und die Entscheidungsqualität zu verbessern. Das Wichtigste dabei: Mir geht es dann nur noch darum, »was« richtig oder falsch ist – nicht mehr darum, »wer« Recht hat.
Ein Beispiel: Nehmen wir an, wir haben das Umsatzziel für ein Quartal verfehlt. Dann ist die Versuchung groß, den »Schuldigen« zu suchen: Hat der Vertrieb die Strategie nicht richtig umgesetzt? Haben wir ein Marketingproblem? Ist das Produkt nicht differenziert genug? Wenn du nicht aufpasst, trägst du zu einem Umfeld bei, in dem jeder mit dem Finger auf den anderen zeigt und keiner aus Fehlern wirklich lernt.
Ich finde es stattdessen hilfreich zu entschleunigen. Wenn ich alleine bin, schreibe ich mir die fünf Warum-Fragen auf einen Zettel. In der Gruppe notiere ich eine nach der anderen auf dem Whiteboard:
F: Warum haben wir das Umsatzziel von 1 Million Dollar in diesem Quartal verfehlt?
A: Wir haben weniger Kunden besucht als geplant.
F: Warum haben wir weniger Kunden besucht als geplant?
A: Wir hatten in diesem Monat weniger Leads.
F: Warum hatten wir in diesem Monat weniger Leads?
A: Wir haben weniger E-Mail-Kampagnen durchgeführt als geplant.
F: Warum haben wir weniger E-Mail-Kampagnen durchgeführt als geplant?
A: Wir hatten zu wenig Personal.
F: Warum hatten wir zu wenig Personal?
A: Wir hatten nicht eingeplant, dass zwei Leute Urlaub haben.
In diesem Beispiel wäre die Versuchung groß, oberflächlich zu antworten und nachzuforschen, ob ein »Vertriebsproblem«, ein »Marketingproblem« oder ein »Produktproblem« vorliegt. Ich finde es besser, sich auf die Wahrheitsfindung zu konzentrieren, statt einen Schuldigen zu ermitteln.
Es ist zweckdienlich, bei dieser Übung möglichst langsam vorzugehen. Dann können die Beteiligten ihr »Echsenhirn« und ihre Kampf-oder-Flucht-Instinkte abschalten und sich stattdessen auf rationales Denken und Problemlösung konzentrieren.
Generell stelle ich fest: Wenn es hektisch wird, trügt mich selten der Instinkt, abzubremsen und meine Gedanken zu ordnen. Unter dem Strich geht dann alles schneller, weil bessere Entscheidungen getroffen werden, die harmonischer mit dem Team abgestimmt sind. Muss ein Teammitglied ausgetauscht werden, weil es nicht die richtigen Kompetenzen mitbringt, sollten wir auch dieses Problem angehen – aber erst, wenn wir alles getan haben, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Beim Ego geht es darum, wer Recht hat. Bei der Wahrheit darum, was richtig ist.