»Ich hatte immer nur eine Devise: ›Fuck you, pay me.‹ … ›Exponierung‹, ›sich neues Publikum erschließen‹ oder ›eine tolle Erfahrung machen‹, das ist alles gut und schön, aber damit zahlt man keine Miete, und man stellt auch kein Essen auf den Tisch. Man muss wissen, was man wert ist.«
VERONICA BELMONT
ist eine bot-besessene Produktmanagerin. Sie arbeitet für Growbot daran, sicherzustellen, dass Mitarbeiter die Anerkennung bekommen, die sie in ihren Teams verdienen. Sie unterstützt auch die Administration von
Botwiki.org
und
Botmakers.org
, eine große Community von Bot-Entwicklern und -Fans. Als Autorin, Produzentin und Vortragsrednerin ist es ihr Hauptziel, ihre Zuhörer darüber aufzuklären, wie Technologie ihr Leben verbessern kann. Im Lauf der Jahre hat ihre Liebe zur Innovation dazu geführt, dass sie viele Startups hinsichtlich der Aspekte Produkte, Kommunikation und Marketing beraten hat, darunter Goodreads (von Amazon aufgekauft),
about.me
(von AOL aufgekauft), DailyDrip, SoundTracking (von Rhapsody aufgekauft), Milk (von Google aufgekauft), WeGame (von Tagged aufgekauft), Forge, Chic CEO und andere. Außerdem ist sie Podcasterin und Host von
IRL
für Mozilla und
Sword & Laser
.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
10% Happier
von Dan Harris hat mich ganz neu über Achtsamkeit und Meditation nachdenken lassen. Für mich war das immer etwas für »andere«, doch Dans Erfahrungen mit Angstund Panikattacken (vor allem vor der Kamera, womit ich beruflich ja ebenfalls zu tun hatte) machten mich sehr betroffen. Hinzu kam, dass er sich diesen Themen sehr skeptisch näherte, sodass bei mir nicht der Eindruck entstand, ich sollte angeworben oder bekehrt werden. Es ist einfach eine tolle Möglichkeit für eine Bestandsaufnahme der eigenen Gedanken und Stimmungen.
Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt?
Ich besorge mir Shampoo und Spülung neuerdings in der Drogerie. Ich stellte fest, das eine Flasche Pantene für 4 Dollar viel mehr bringt als das Zeug von Sephora für 25 Dollar. Nur weil etwas teuer ist, ist es nicht unbedingt besser.
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Ich fotografiere Hunde und poste die Bilder in der Dogspotting-Facebook-Gruppe. Dabei sind komplizierte Regeln zu beachten: Der Hund muss bis dato unbekannt sein, Menschen müssen möglichst ausgeblendet werden, »tiefhängende Früchte« (also Fotos von Hunden, die an Orten gemacht wurden, an denen mit Hunden zu rechnen ist – wie auf dem Hundeplatz) sind mit Vorsicht zu genießen, und dergleichen mehr. Für mich ist das eine seltsam
kathartische Erfahrung – so sehr, dass ich auf
Anchor.fm
einen Mini-Podcast mit dem Titel
Dogs I’ve Seen Today
gestartet habe. Ist offenbar meine große Leidenschaft.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Ich habe endlich begriffen, dass meine Freizeit genauso wertvoll ist wie meine Arbeitszeit, und dass ich sie entsprechend planen muss. Wenn ich früher freie Tage in meinem Kalender sah, fand ich es viel schwieriger, Projekte, Vortragstermine oder Verabredungen zum Kaffeetrinken abzulehnen. Inzwischen sehe ich solche Zeitblöcke und denke: »Oh, da wollte ich stundenlang Netflix-Filme schauen, tut mir leid.«
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Mein Lieblingsmisserfolg war mein Einsatz als Moderatorin bei der Premiere der sechsten Staffel von Game of Thrones
für HBO. Eigentlich lief alles gut, doch dann machte ich den Fehler, danach online zu gehen und die Kommentare zu lesen. Ganz dumme Idee. Statt einen zauberhaften Abend zu verbringen, saß ich in meinem Hotelzimmer am Telefon und heulte meinem Mann die Ohren voll.
Doch dieses Erlebnis brachte mir Gewissheit: Ich hatte in den letzten sechs Monaten beiläufig an eine berufliche Veränderung gedacht, aber Angst davor gehabt, etwas auszuprobieren, was ich noch nie professionell betrieben hatte. Dort in meinem Hotelzimmer dachte ich: »Warum verschwende ich meine Zeit mit etwas, das mich unglücklich macht? Wieso nicht mal was riskieren?«
Und das tat ich. Ich nahm keine Aufträge mehr an, ließ meine Videoverträge auslaufen und verbrachte meine Zeit damit, mehr über Produktmanagement zu erfahren und herauszufinden, wo ich hingehörte. Es war ein schrecklicher Abend, aber er gab mir den Anstoß zu etwas vollkommen Neuem, Großartigem.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
Ich hatte immer nur eine Devise: »Fuck you, pay me.« … Nachdem ich fast zehn Jahre lang selbstständig gewesen war, kannte ich so ziemlich jeden Trick, mit dem Leute versuchten, unbezahlt an meine Leistung zu kommen. »Exponierung«, »sich neues Publikum erschließen« oder »eine tolle Erfahrung machen«, das ist alles gut und schön, aber damit zahlt man keine Miete, und man stellt auch kein Essen auf den Tisch. Man muss wissen, was man wert ist.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
Meiner Ansicht nach gehen die Leute davon aus, dass jedes Feedback zum eigenen Produkt zählt (ob es ein Podcast ist, eine App oder was auch immer). Doch Feedback entsteht ganz unterschiedlich, und nicht alle Ideen von Nutzern taugen etwas. Wer Feedback zu viel Wert beimisst, kann die Vision für das eigene Produkt so verfälschen, dass es sich plötzlich gar nicht mehr wie das eigene Produkt anfühlt.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Warte nicht ab, bis du einen Job hast, um das zu tun, was du gern tust. In den meisten Berufen bekommt man leichter einen Fuß in die Tür, wenn man Eigeninitiative zeigt und sich bereits für Projekte engagiert, die mit der künftigen Tätigkeit zu tun haben. Willst du Schriftsteller oder Journalist werden, dann schreib einen Blog und aktualisiere ihn regelmäßig. Wenn du Programmierer werden willst, dann starte und betreue ein Projekt auf GitHub. Alles, worauf du in deinem LinkedIn-Profil verweisen kannst und das aussagt, dass du mit ganzem Herzen bei der Sache bist, ist gut.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Ich fühle mich sofort besser, wenn ich eine gute Liste gemacht habe. Ich finde es sehr befriedigend, etwas zu Papier zu bringen und dann Punkt für Punkt abzuhaken, wenn es erledigt ist. Ich kann mich dann besser auf das fokussieren, was ich kurzfristig leisten kann, und das allein fühlt sich schon an wie eine erledigte Aufgabe.
Wenn mir alles zu viel wird, hilft nichts besser als ein Hundespaziergang im Park. Das Laufen an der frischen Luft und die fröhlichen Hunde wirken Wunder. Außerdem ist es ein schönes Gefühl, dass einen der eigene Hund immer liebt – ganz gleich, wie gestresst man ist!