»Niemand schuldet dir etwas.«
AMELIA BOONE
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AMELIA BOONE ist viermalige Weltmeisterin im Hindernislauf und gilt allgemein als erfolgreichste Hindernisläuferin der Welt. Sie wurde als »weiblicher Michael Jordan des Hindernislaufs« bezeichnet und als »Königin der Schmerzen«. Sie gewann die Weltmeisterschaft im Spartan Race 2013 und ist die einzige dreimalige Siegerin des World’s Toughest Mudder. Bei der Austragung im Jahr 2012, die über 24 Stunden ging (mit 145 km und ca. 300 Hindernissen) schloss sie bei über 1000 Teilnehmern, davon 80 Prozent Männer, als zweite ab. Der Sieger schlug sie mit einem Vorsprung von gerade einmal acht Minuten. Amelia ist auch dreimalige Finisherin des Death Race, erfolgreiche Ultramarathonläuferin und hat sich an die Spitze ihres Sports hochgearbeitet, während sie gleichzeitig als Vollzeit-Anwältin für ein Unternehmen gearbeitet hat. Sie wurde von Sports Illustrated unter die »50 Fittesten Frauen« gewählt.
Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt?
In einer schwierigen Lebensphase kaufte ich mir ein handgemachtes Armband auf Etsy mit der Gravur: »Der Kampf endet da, wo die Dankbarkeit beginnt« [ein Zitat, das Neale Donald Walsch zugeschrieben wird]. Ich trage es jeden Tag am Handgelenk als ständige Erinnerung daran, für alles in meinem Leben dankbar zu sein.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Niemand schuldet dir etwas.«
Wir leben in einer Welt, in der viele Leute der Überzeugung sind, dass ihnen mehr im Leben zusteht. Meine Eltern erzogen mich dazu, für mich selbst verantwortlich zu sein, und prägten mir ein, dass ich die einzige Person bin, auf die ich mich in meinem Leben verlassen kann. Wenn du etwas haben willst, musst du dafür arbeiten. Du kannst nicht erwarten, es geschenkt zu bekommen. Wenn andere dir helfen, ist das wunderbar, aber es ist ein Luxus, kein Anspruch, den man hat. Ich glaube, dass der Schlüssel zur Selbstständigkeit die Loslösung von der Vorstellung ist, dass irgendjemand irgendwo dir etwas schuldet oder zur Rettung eilen wird.
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
2011 bezahlte ich 450 Dollar, um am ersten World’s Toughest Mudder teilzunehmen, einem damals neuen Hindernislauf, der über 24 Stunden ging. Ich hatte damals noch Schulden von meinem Jurastudium, das mich viel Geld gekostet hatte, und ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass ich den Lauf beenden oder sogar daran teilnehmen konnte. Aber ich belegte den 11. Platz (von 1000 Teilnehmern), und das veränderte mein Leben, weil ich anschließend meine Karriere als Hindernisläuferin begann und mehrere Weltmeisterschaften gewann. Hätte ich damals nicht die Startgebühr für den Lauf bezahlt, wäre das alles nicht passiert.
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Jedes größere Ereignis in meinem Leben – von Wettkämpfen über neue Jobs bis hin zu Trennungen – verbinde ich mit einem Lied. Das ergibt sich normalerweise ganz von selbst: ein Songtext, den ich in einem bestimmten Augenblick in meinem Leben hörte, oder ein Lied, das ich während eines Laufs ständig vor mich her singe (eine Angewohnheit von mir). Ich habe diese Songs in einer Playlist in chronologischer Reihenfolge sortiert. Ich kann diese Playlist aufrufen, anhören und so die damit verbundenen Ereignisse in meinem Leben, die guten wie die schlechten, wieder in Erinnerung rufen. Das hat einen großen Einfluss auf mich und meine Fähigkeit, bestimmte Situationen oder Erlebnisse ins Gedächtnis zu rufen und neu zu erleben.
Beispiele:
* World’s Toughest Mudder 2012: Macklemore, »Thrift Shop« (rappte ich vor mich hin, um sicherzugehen, dass ich mitten in der Nacht wach und ansprechbar war).
* Jurastudium und Abschlussprüfung: Augustana, »Sunday Best«
Oh, und ich esse vor jedem Lauf ein Pop-Tart. Die meisten Leute finden das merkwürdig.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
Atlas Shrugged von Ayn Rand. Von Überzeugungen und Gefühlen über Objektivismus einmal abgesehen: Als ich dieses Buch als Teenagerin las, war ich von der Hauptfigur Dagny Taggart fasziniert – noch nie hatte ich mich so mit einer Romanfigur identifizieren können. In jenen prägenden Jahren, in denen ich herauszufinden versuchte, was ich in meinem Leben erreichen will (teilweise arbeite ich immer noch daran), war dies ein einschneidendes Erlebnis.
A Tale of Two Cities von Charles Dickens. Das liegt nicht unbedingt an dem Buch selbst (obwohl es bis heute zu meinen Lieblingstiteln zählt), sondern an den äußeren Umständen, also wann und wo ich es las. Meine Lehrerin in der fünften Klasse merkte, dass mich die Schullektüre unterforderte, und deshalb gab sie mir das Buch als Zusatzaufgabe. Als Zehnjährige musste ich mich durch das Buch kämpfen, aber ich werde niemals das Gefühl des Triumphs vergessen, als ich die letzte Seite fertig gelesen hatte. Als ich es Jahre später erneut las, fiel mir auf, dass ich beim ersten Mal nicht einmal die Hälfte verstanden hatte, aber darum ging es damals nicht – es ging vielmehr darum, dass ich eine Lehrerin hatte, die mir dieses Buches zutraute, und das gab meinem zehnjährigen Ich ein enormes Selbstbewusstsein. Und seither habe ich jeden Roman von Dickens gelesen.
Brave Enough von Cheryl Strayed. Seit meiner frühen Kindheit sammle ich Zitate. Das Schöne an Zitaten ist, dass sie in verschiedenen Lebenssituationen unabhängig vom ursprünglichen Kontext eine völlig andere, neue Bedeutung haben können. Ich stieß auf das Buch in einer schwierigen Lebensphase und viele Zitate kleben immer noch an meinem Badezimmerspiegel.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
»Wer rastet, der rostet.« So viele Athleten denken, dass sie mit der Einstellung »viel hilft viel« mehr erreichen, aber damit steuern sie geradewegs auf Burnout, Verletzungen, Übertraining und hormonelle Probleme wie Nebennierenschwäche zu. Diese Einstellung ist zwar unter Athleten weit verbreitet, aber auch bei anderen ehrgeizigen Menschen in anderen Lebensbereichen. Wachstum und Fortschritte stellen sich erst durch Ruhephasen ein, und dennoch gilt Ruhe in manchen Kreisen als verpönte Schwäche. Das muss sich ändern.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Das klingt vielleicht seltsam, aber ich fange dann in der Regel an, meine Badewanne zu schrubben oder den Kühlschrank auszuwischen. Wenn ich das Gefühl habe, nicht weiterzukommen und festzustecken, gibt mir profane Hausarbeit die nötige Disziplin, mich neu zu konzentrieren. Also entweder putze ich oder treibe Sport, am besten in Form eines Waldlaufs. Natur und Endorphine helfen immer.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben? Welchen Rat sollte er ignorieren?
Wenn du dir nicht sicher bist, in welche Richtung dein Leben gehen soll oder was dir Freude bereitet, dann achte auf Aktivitäten, Ideen und Bereiche, bei denen dir der Weg an sich Spaß macht und nicht nur das Ziel. Uns zieht es oft zu Aufgaben, deren Ergebnisse uns eine gewisse Bestätigung geben, aber ich habe gelernt, dass wahre Erfüllung daher rührt, dass man den Weg genießt. Suche nach etwas, bei dem dir die Ausführung an sich Spaß macht, und es werden sich Ergebnisse einstellen.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Ich bin von Natur aus nicht sehr risikofreudig, doch in den letzten fünf Jahren habe ich gelernt, mich der Angst zu stellen, statt sie zu meiden. Ich neige dazu, den bewährten Weg zu gehen, der weniger böse Überraschungen bietet. Aber indem ich mich dazu zwinge, mich dem Unbekannten zu stellen (wie Joe De Senas »Death Race«), und unangenehme Erfahrungen einfach hinnehme, habe ich festgestellt, dass ich in solchen Situationen eigentlich meine stärksten Eigenschaften ausspiele. Und dann ist alles möglich.