»Ein guter Freund von mir hat einmal gesagt: ›Es ist wirklich einfach, zu sagen, was man nicht ist. Schwierig ist, zu sagen, was man ist.‹ (…) Darüber sprechen, warum etwas schlecht ist, kann jeder. Versuchen Sie lieber, etwas Gutes zu machen.«
JOSEPH GORDON-LEVITT
TW/IG: @hitrecordjoe
hitrecord.org
JOSEPH GORDON-LEVITT ist ein Schauspieler, dessen Karriere seit inzwischen drei Jahrzehnten anhält, mit Filmen für Fernsehen (3rd Rock from the Sun ), Kunst (Mysterious Skin, Brick ) bis zu Kino (Inception, 500 Days of Summer, Snowden ). Sein Debüt als Drehbuchautor und Regisseur für einen Kinofilm hatte er mit Don Jon (nominiert für den Spirit Award für das beste erste Drehbuch). Außerdem ist Gordon-Levitt Gründer und Direktor von HIT-RECORD, einer Online-Community für Künstler, die mehr Wert auf Zusammenarbeit als auf Selbstvermarktung legen. Inzwischen ist HITRECORD zu einer »Community«-Produktionsfirma geworden, die Bücher und Musikalben veröffentlicht und Videos für Marken von LG bis zur Bürgerrechtsorganisation ACLU produziert. Mit seiner Fernsehshow HitRecord on TV hat Gordon-Levitt einen Emmy Award gewonnen.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
Remix: Making Art and Commerce Thrive in the Hybrid Economy von Lawrence Lessig. In dem Buch geht es darum, was es bedeutet, etwas zu nehmen, das jemand anderes erschaffen hat, und es sich zu eigen zu machen. Lessig ist Rechtswissenschaftler und schreibt über Gesetze zum geistigen Eigentum, Urheberrecht, zulässige Nutzungsarten etc., aber er hat auch viel über den kreativen Prozess allgemein zu sagen. Unsere Kultur legt größten Wert auf die Vorstellung von Originalität, aber wenn man sich fast beliebige »originelle« Gedanken oder Arbeiten genauer ansieht, wird man feststellen, dass sie aus früheren Einflüssen zusammengesetzt sind. Alles ist ein Remix. Natürlich kann es vorkommen, dass sich jemand auf übertriebene Weise an früheren Arbeiten bedient, aber allgemein finde ich Ehrlichkeit wichtiger als Originalität. Ich glaube, ich kann mehr leisten, wenn ich mich weniger darauf konzentriere, originell zu sein, und stärker darauf, ehrlich zu sein.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Mit der Arbeit als Schauspieler habe ich begonnen, als ich sechs Jahre alt war. Mit 19 hörte ich damit auf, um aufs College zu gehen, und als ich wieder anfangen wollte, fand ich keinen Job. Ich habe ein Jahr damit verbracht, vorzusprechen und abgelehnt zu werden. Ich hatte Visionen, dass ich nie mehr eine Chance bekommen würde, was mir wirklich Angst gemacht hat.
Ich habe damals viel nachgedacht. Wovor genau hatte ich Angst? Was würde ich vermissen, wenn ich nie mehr einen Auftrag als Schauspieler bekommen würde? Den Glitzer und Glamour von Hollywood hatte ich nie richtig gemocht, also konnte es das nicht sein. Als ich anfangs noch im Geschäft war, hatte ich mich nicht einmal richtig dafür interessiert, was andere Leute von den Filmen und Fernsehsendungen hielten, in denen ich auftrat. Zum größten Teil machte mir die Arbeit einfach großen Spaß. Ich liebte den kreativen Prozess an sich, und mir wurde klar, dass ich meine Fähigkeit, kreativ zu sein, nicht davon abhängig machen konnte, ob jemand anderes entscheidet, mich einzustellen. Ich musste die Sache selbst in die Hand nehmen.
Ich habe mir mein eigenes kleines metaphorisches Mantra dafür ausgedacht, an das ich dachte, wenn ich etwas Aufmunterung brauchte, und das war »Hit Record«. Ich hatte früher immer mit den Videokameras meiner Familie herumgespielt, und der rote REC-Knopf wurde ein Symbol für meine Überzeugung, dass ich es allein schaffen konnte. Ich brachte mir selbst Videoschnitt bei und begann, kleine Kurzfilme, Songs und Geschichten zu produzieren.
Mein Bruder half mir dabei, eine winzige Website einzurichten, auf der ich meine Produktionen veröffentlichte, und wir nannten sie HITRECORD.ORG . Das war vor zwölf Jahren. Seitdem ist HITRECORD zu einer Community mit mehr als einer halben Million Künstlern aus aller Welt geworden. Zusammen haben wir alle möglichen unglaublichen Sachen gemacht, Leuten Millionen von Dollar ausgezahlt und angesehene Preise gewonnen. Für mich ist der Kern von all dem aber immer noch derselbe: die Liebe zur Kreativität um ihrer selbst willen. Das ist die Sache, die ich vor zwölf Jahren finden musste, als ich mitten in einem Misserfolg steckte, der Selbsthass weckte, mir die Energie raubte und mich schreien ließ, bis ich Halsschmerzen bekam.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum? Gibt es Zitate, an die du häufig denkst oder nach denen du lebst?
Ein guter Freund von mir hat einmal gesagt: »Es ist wirklich einfach, zu sagen, was man nicht ist. Schwierig ist, zu sagen, wer man ist.« Mit anderen Worten: Man kann den ganzen Tag damit verbringen, andere Leute zu kritisieren, aber selbst wenn man Recht damit hat – wen interessiert das? Darüber sprechen, warum etwas schlecht ist, kann jeder. Versuchen Sie lieber, etwas Gutes zu machen.
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
Ich glaube, dass ich aus meiner Heimatstadt weggezogen bin, war eine der fruchtbarsten Sachen, die ich je gemacht habe. Wir können nicht anders, als uns selbst danach zu definieren, wie andere uns sehen. Also konnte ich, als ich nur noch von neuen Menschen umgeben war, mich selbst neu definieren. Inzwischen bin ich wieder zurückgezogen, aber durch das Leben in der Fremde bin ich enorm gewachsen.
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Ich spreche gern mit mir selbst. Oft sogar laut.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Meine Frau hat mich für Google Scholar begeistert. Das ist wie Google, nur dass man dort nur nach akademischen und wissenschaftlichen Studien suchen kann. Wenn ich also etwas wirklich wissen und mich nicht mit sensationslüsternen Klick-Ködern aufhalten will, kann ich herausfinden, welche echten Fakten es gibt. Das dauert deutlich länger. Wissenschaftliche Studien sind keine leichte Lektüre. Tatsächlich brauche ich meistens Hilfe dabei, aber es ist die Mühe wert.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Ich habe es oben schon angedeutet. Jedem da draußen, der das hier liest und Schauspieler oder Entertainer werden möchte, würde ich raten, sich zunächst eine Frage zu stellen: Warum? Versuche, dir ganz ehrlich selbst die Frage zu beantworten, was genau dein Ziel ist. Ruhm ist verführerisch. Jeder von uns hat die Filme über den jungen Außenseiter, der zum Star wird, gesehen und geliebt. Ich will nicht behaupten, dass ich absolut immun dagegen bin. Ich glaube, es ist sogar etwas Natürliches daran, berühmt sein zu wollen, wenn man die biologische Evolution betrachtet. Als unsere Vorfahren in der Wildnis lebten, war es wahrscheinlich hilfreich, wenn jeder einen kannte, denn dadurch bekam man Unterstützung dafür, in diesem harten Umfeld zurechtzukommen und seine Gene weiterzugeben. Ich will also nicht sagen, dass man ein schlechter Mensch ist, wenn man berühmt sein will. Ich sage nur, dass man sich damit vielleicht auf einen Weg begibt, der nicht zum Glück führt. Von den berühmten Menschen, die ich kenne, sind die Glücklichen nicht die, die wegen ihres Ruhms glücklich sind. Sie sind aus denselben Gründen glücklich wie jeder andere glückliche Mensch: Weil sie gesund sind, weil sie gute Menschen um sich herum haben und weil sie Befriedigung aus dem ziehen, was sie machen, ganz egal, wie viele Millionen Fremde ihnen dabei zusehen. Ich glaube, das gilt auch außerhalb von Schauspielerei und Unterhaltung. Auf jedem Gebiet gibt es irgendeine besondere Belohnung, die man bekommen soll, wenn einen jeder für erfolgreich hält. Aber meiner Erfahrung nach steckt viel mehr ehrliche Freude darin, einfach seine Arbeit an etwas zu genießen.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Ich schreibe gern. Ich habe unterschiedliche Phasen im Leben durchgemacht und dabei mehr oder weniger regelmäßig Tagebuch geführt. Aber ich mache das immer wieder, vor allem wenn ich versuche, mich durch etwas durchzuarbeiten, das mich quält. Ich setze mich hin und beschreibe meine Situation. Ich tippe. Ich schreibe vollständige Sätze. Wahrscheinlich schreibe ich, als wäre es für ein Publikum gedacht, auch wenn ich es nie jemandem zeige. Indem ich etwas einem »Leser« ohne Vorwissen erklären muss, bin ich gezwungen, alle Elemente und Feinheiten von dem, was sich wirklich abspielt, zu identifizieren und durchzugehen. Manchmal komme ich auf diese Weise zu neuen Antworten oder Schlussfolgerungen. Aber selbst wenn das nicht klappt, denke ich hinterher meistens klarer und kann wieder etwas lockerer atmen.