»Die gerechtesten Regeln sind die, denen alle zustimmen würden, solange sie nicht wissen, wie viel Einfluss sie haben.« – John Rawls
JASON FRIED
TW: @jasonfried
basecamp.com
JASON FRIED ist Mitgründer und CEO von Basecamp (vormals 37signals), einer Softwareschmiede mit Sitz in Chicago. Das Flaggschiffprodukt des Unternehmens, Basecamp, ist eine Projektmanagement- und Teamkommunikationsanwendung, der Millionen Nutzer vertrauen. Jason Fried ist Koautor von Getting Real: The Smarter, Faster, Easier Way to Build a Successful Web Application , das kostenlos auf gettingreal.37signals.com heruntergeladen werden kann. Außerdem ist er Koautor der New York Times -Bestseller Rework and Remote: Office Not Required . Jason schreibt regelmäßig eine Kolumne für die Zeitschrift Inc . und verfasst häufig Beiträge zum beliebten Basecamp-Blog Signal v. Noise , der »klare Meinungen und Gedanken zu Design, Wirtschaft und Technologie äußert.«
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
Ich glaube zwar, dass es vergriffen ist, empfehle aber trotzdem allen, es irgendwo aufzutreiben und zu lesen: Seeking Wisdom: From Darwin to Munger von Peter Bevelin. Ich halte jedes Buch für lesenswert, in dem es um die Ideen von Charlie Munger geht, und dieses ganz besonders, weil darin die Weisheit der klügsten Köpfe der Geschichte eingeflossen ist. Es schweift mitunter ein bisschen ab und ist nicht sehr dicht, aber das macht mir nichts aus.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast   du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Als ich in den 1990er-Jahren als Webdesigner anfing, reichte ich meine Arbeiten auf einer Webseite ein, die Auszeichnungen vergab: HighFive.com . Das war damals das Nonplusultra. Wer einen High-Five-Award bekam, der hatte es geschafft.
Tja … ich reichte meine Sachen also ein, und David Siegel, der die Website betrieb, meldete sich per E-Mail. Die Mail liegt mir im Wortlaut nicht mehr vor, doch der Tenor war, meine Arbeite tauge nichts, ich hätte in der Webdesign-Branche nichts verloren und sollte ihn nicht wieder belästigen.
Was diese Klatsche für ein Feuer in mir entfachte! Ich war nicht sauer, rachsüchtig oder enttäuscht. Ich brannte einfach. Ich wollte zeigen, was ich draufhatte, und ihm beweisen, dass er sich irrte.
Eine tolle Abfuhr. Ihr verdanke ich alles.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum? Gibt es Zitate, an die du häufig denkst oder nach denen Du lebst?
Zu den Zitaten gehören:
»Wenn du glaubst, du bist zu klein, um effektiv zu sein, dann warst du noch nie mit einer Stechmücke im Dunkeln.« – Betty Reese
»Jede gute Sache beginnt als eine Bewegung, wird zum Wirtschaftsunternehmen und degeneriert dann zum Spektakel.« – Eric Hoffer
»Die gerechtesten Regeln sind die, denen alle zustimmen würden, solange sie nicht wissen, wie viel Einfluss sie haben.« – John Rawls
»Theoretisch gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, praktisch aber doch.« – Jan L. A. van de Snepscheut
»Der Preis ist, was du zahlst. Der Wert ist, was du kriegst.« – Warren Buffett
»Jeder ist jemand, doch niemand will er selber sein.« – Gnarls Barkley
»Das Leben fragt nicht, was wir uns wünschen. Es gibt uns Optionen.« – Thomas Sowell
»Schaut euch an, worauf ein Mensch zynisch reagiert, und ihr wisst, woran es ihm mangelt.« – George S. Patton
»Tu, was du kannst, mit dem, was du hast, wo immer du bist.« – Theodore Roosevelt
»Es ist nicht wichtig, was du betrachtest, sondern was du siehst.« – Henry David Thoreau
»Hüte dich vor Anlageentscheidungen, denen Beifall gezollt wird. Der ganz große Wurf erregt gewöhnlich nur ein Gähnen.« – Warren Buffett
»Loch und Flicken sollten zusammenpassen.« – Thomas Jefferson
»In allen Angelegenheiten ist es hin und wieder gesund, Dinge zu hinterfragen, die man lange für selbstverständlich gehalten hat.« – Bertrand Russell
»Bürokratie ist die Kunst, das Mögliche unmöglich zu machen.« – Javier Pascual Salcedo
»Es ist sehr wichtig, zu wissen, was man lassen sollte.« – Iggy Pop
»Achte nicht darauf, was über dich geschrieben wird – miss es nur in Zentimetern.« – Andy Warhol
»Wissen ist der Anfang der Praxis. Handeln ist die Perfektion des Wissens.« – Wang Yangming
»Nichts ist so unnütz, wie etwas effizient zu tun, das man lassen sollte.« – Peter Drucker
»In der Hoffnung, den Mond zu erreichen, vergisst der Mensch die Blumen, die zu seinen Füßen blühen.« – Albert Schweitzer
»Unsere Ängste sind immer zahlreicher als unsere Gefahren.« – Seneca der Jüngere »Es ist erstaunlich, was man alles erreichen kann, wenn man sich nicht darum kümmert, wem es zugeschrieben wird.« – Harry Truman
»Mach dir keine Gedanken, dass jemand eine Idee stehlen könnte. Ist sie originell, musst du sie ihm in den Hals stopfen.«– Howard H. Aiken
»Schaff nicht erst einen Hund an und belle dann selbst.« – David Ogilvy
»Gute Arbeit geschieht stets trotz des Managements.« – Bob Woodward
»Stelle einen dummen Fuß vor den anderen und korrigiere deinen Kurs beim Gehen.« – Barry Diller
»Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem den Preis und von nichts den Wert kennt.« – Oscar Wilde
»Ein komplexes System, das funktioniert, hat sich unweigerlich aus einem einfachen System entwickelt, das funktioniert hat. Ein von Grund auf neu entwickeltes komplexes System funktioniert nie, und es kann auch nicht so nachgebessert werden, dass es funktioniert. Man muss von vorne anfangen, ausgehend von einem funktionierenden einfachen System.« – John Gall
»Mit einer schweren Aufgabe beauftrage ich stets einen faulen Menschen. Er findet bestimmt einen leichten Weg, sie zu erledigen.« – Walter Chrysler
»Nicht alles, was zählbar ist, zählt, und nicht alles, was zählt, ist zählbar.« – William Bruce Cameron
»Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.« – Mahatma Gandhi
»Die schönsten Orte der Welt wurden meist nicht von Architekten geschaffen, sondern von Menschen.« – Christopher Alexander
»Ich stelle bei Marketingmanagern einen zunehmenden Widerwillen fest, ihr Urteilsvermögen einzusetzen. Sie verlassen sich zu sehr auf die Forschung und verwenden sie wie ein Betrunkener einen Laternenpfahl: zum Festhalten und nicht zur Erleuchtung.« – David Ogilvy
»Verlierst du morgens eine Stunde, jagst du ihr den ganzen Tag hinterher.« – Jüdisches Sprichwort, Autor unbekannt
»Kommunikation misslingt im Allgemeinen – außer durch Zufall.« – Osmo Wiio
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
Alles, was ich ohne Erwartung einer Gegenleistung gegeben habe. Geld, Zeit, Energie, ganz egal. Jede Investition, für die ich etwas erwartet habe, ging irgendwie daneben. Wenn ich aber etwas gegeben habe, nur um des Gebens, des Helfens, der Unterstützung, des Rückhalts oder der Ermutigung willen – ohne jede Erwartung irgendeiner Gegenleistung oder Verzinsung –, dann war das für mich total erfüllend.
Unlängst hat mein Freund Krys sein eigenes Personal-Training-Studio aufgemacht. Er war aus dem väterlichen Unternehmen ausgestiegen, das Geld war knapp und er war ein großes Risiko eingegangen. Ich hatte vollstes Vertrauen in ihn. Ich wusste, er würde Erfolg haben, und wollte ihm gern die eine oder andere Sorge abnehmen. Also habe ich die erste Jahresmiete für ihn gezahlt. Ohne Beteiligung, Rückzahlung oder finanzielles Interesse. Einfach als Geschenk. Sein Unternehmen floriert, und es macht mir so viel Freude, ihn und seine junge Familie (Frau und zwei Kinder) glücklich zu sehen. Ich könnte mich gar nicht mehr für sie freuen.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Ich mache nur noch zweimal die Woche Sport, statt dreimal. Das ist keine große Veränderung, doch es passiert enorm viel, wenn man weniger Sport treibt: Man merkt, dass man besser essen, besser schlafen und seine sportfreien Tage bewusster leben muss. Wer mehr Sport treibt, kann schlechte Angewohnheiten besser kaschieren. Bewegt man sich weniger, kommt es mehr auf die anderen Dinge an. Deshalb kann ich heute bessere Entscheidungen für meine Gesundheit treffen.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Konzentriere dich auf deine Schreibkompetenz. Darauf kommt es meiner Erfahrung nach besonders an. Heute wird immer mehr schriftlich kommuniziert. Lerne, dich schriftlich besser zu präsentieren – und zwar ausschließlich schriftlich. Damit stichst du die meisten anderen aus.
Außerdem spielt vieles, worüber du dir Gedanken machst, gar keine Rolle. Du zerbrichst dir den Kopf über so viele Kleinigkeiten, die anderen ganz egal sind. Nicht, dass Details nicht wichtig wären – das sind sie, aber eben nur bestimmte. Überlege dir gut, wofür du deine Zeit investierst.
Zeit und Aufmerksamkeit sind zwei Paar Schuhe. Sie sind deine wertvollsten Ressourcen für die Zukunft. Wie man durch die Luft läuft und durchs Wasser schwimmt, so bewegt man sich auch durch die eigene Aufmerksamkeit. Sie ist das Arbeitsmedium. Die Menschen sagen oft, dass die Zeit nicht reicht. Dabei hat man grundsätzlich weniger Aufmerksamkeit als Zeit. Mit voller Aufmerksamkeit bringt man Bestleistungen. Und jeder versucht, Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Schütze und erhalte sie.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
Da gibt es viele. »Werde größer.« Tu das nicht. Fang klein an, und bleib so lange wie möglich klein. Wachse kontrolliert, nicht unkontrolliert.
»Wirb Kapital ein, um ein Software-/Dienstleistungsunternehmen zu gründen.« Hilf dir lieber selbst. Wie im wirklichen Leben formen sich auch im Geschäftsleben bestimmte Angewohnheiten frühzeitig aus. Wenn du dir Geld beschaffst, gewöhnst du dir an, es auszugeben. Hilfst du dir selbst, bist du gezwungen, dir anzugewöhnen, Geld zu verdienen. Und wenn es eine Verhaltensweise oder Kompetenz gibt, die ein Unternehmen beherrschen sollte, dann die. Also zwing dich dazu.
»Lang zeitig daneben, und oft.« Stimmt nicht. Was soll diese Fixierung auf Misserfolge in unserer Branche? Verstehe ich nicht. Natürlich bleiben die meisten Unternehmen auf der Strecke, doch die Vorstellung, dass Misserfolg die Voraussetzung für Erfolg ist, habe ich noch nie nachvollziehen können. Ich glaube nicht, dass man dadurch weiterkommt. Ein Misserfolg ist nur ein Misserfolg. Viele werden auch noch erzählen, dass man aus Fehlschlägen viel lernen kann. Vielleicht … Aber aus Erfolgen kann man noch viel mehr lernen. Durch einen Misserfolg erfährt man vielleicht, was man nicht noch einmal machen sollte, aber er hilft einem nicht, herauszufinden, was man das nächste Mal anders machen sollte. Ich würde mich lieber auf das fokussieren, was klappt, und das noch einmal versuchen, als Lehren aus fehlgeschlagenen Versuchen zu ziehen.
Wirklich, es gibt so viele schlechte Ratschläge. Ich weiß gar nicht, wo ich aufhören soll …
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Ich konnte schon immer ziemlich gut Nein sagen, aber seit ein paar Jahren halte ich mich an eine neue Regel: Werde ich um etwas gebeten, das eine Woche oder weiter in der Zukunft liegt, lehne ich grundsätzlich ab, egal, worum es sich handelt. Ausnahmen sind Familienangelegenheiten, um die ich mich kümmern muss, oder die eine oder andere Konferenz, bei der ich unbedingt sprechen möchte. Ansonsten gilt: Verpflichte ich mich mit einem »Ja« für eine Woche oder mehr in der Zukunft, sage ich fast immer Nein.
Mein Nein kommt dabei klar und direkt. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, erkläre ich immer, warum. Ich sage dann zum Beispiel: »Danke für die Einladung, aber ich kann erst ein oder zwei Tage vorher zusagen. Ich muss meinen Terminkalender für mich und die Menschen freihalten, mit denen ich dauernd zusammenarbeite. Am besten melden Sie sich ein oder zwei Tage vorher, wenn Sie mich sehen möchten. Wenn ich nichts vorhabe, können wir dann einen Termin vereinbaren.«
Damit orientiere ich mich vage an der Warren Buffett zugeschriebenen »Kann ich einen Termin mit Warren machen«-Strategie, über die ich in Signal v. Noise geschrieben habe.
Mir ist einfach aufgefallen: Je früher ich zusage, desto mehr bedaure ich das, wenn es soweit ist. Es ist leicht, etwas zuzusagen, was noch weit in der Zukunft liegt, weil man noch nicht weiß, worauf man dafür verzichten muss. Außerdem bedeutet das letztlich, dass man seinen Terminplan von der Vergangenheit kontrollieren lässt. Wenn es soweit ist, ist der Kalender dann voller bereits vereinbarter Termine. Das schränkt ein, was im betreffenden Moment möglich ist. Wenig macht mir so zu schaffen, wie wenn ich gern etwas ausmachen würde, aber nicht kann, weil ich vor Wochen oder Monaten schon etwas anderes zugesagt habe.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Ich gehe spazieren. Bevorzugt irgendwo, wo ich noch nie langgelaufen bin. Auf einem vertrauten Weg ignoriere ich meine Umgebung gern und denke wieder an das Thema, auf das ich mich nicht mehr richtig konzentrieren kann. Doch auf neuen Wegen fokussiere ich mich nach außen, und mein Kopf wird schnell frei. Offenbar brauche ich etwa 30 Minuten oder länger, damit das klappt, aber nichts wirkt auf mich so erfrischend wie ein Spaziergang in eine neue Richtung – irgendwohin, wo ich zuvor noch nie war.