»Auf lange Sicht Geduld, auf kurze Sicht Tempo.«
GARY VAYNERCHUK
ist Serienunternehmer und CEO und Mitgründer von Vayner-Media, einer digitalen Full-Service-Agentur, die Fortune-500-Kunden betreut. Gary wurde Ende der 1990er-Jahre bekannt, nachdem er eine der ersten E-Commerce-Seiten für Wein eingerichtet hatte, die Wine Library. Dadurch konnte sein Vater den Umsatz des Familienbetriebs von jährlich 4 auf 60 Millionen Dollar steigern. Er ist Wagniskapitalgeber, hat vier New York Times
-Bestseller geschrieben und frühzeitig in Unternehmen wie Twitter, Tumblr, Venmo und Uber investiert. Gary wurde für die »40 Under 40«-Listen von Crain
und Fortune
nominiert. Derzeit ist Gary Thema der Online-Dokumentarreihe DailyVee
, die zeigt, wie es ist, in der heutigen digitalen Welt CEO und öffentliche Person zu sein.
Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt?
Meine wilde Sammlung von Wrestling-T-Shirts aus den 1980er-Jahren.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Ich bin nicht sehr groß, Immigrant, und habe mit zwölf noch ins Bett gemacht. Ich glaube, deshalb hatte ich die besten Voraussetzungen für den ganz großen Erfolg. In der Schule war ich schlecht und habe nichts zustande gebracht.
Ich glaube, die negativen Extreme, die ich in meiner Schulzeit erlebte, waren die Ausgangsbasis für die positiven Extreme im wirklichen Leben, denn der Markt – also meine Freunde, meine Eltern und die Lehrer, die mich ständig schikaniert, runtergeputzt und von mir erwartet haben, dass ich versage – hat mich gezwungen, besser zu werden.
[Im Internet schreiben die Leute] alles Mögliche über mich und vergleichen mich mit furchtbaren Menschen. Sie bezeichnen mich als Hochstapler und unsympathisch. Damit kommt ein anständiger Mensch ganz schwer zurecht. Aber mich trifft das überhaupt nicht, denn ich bin daran gewöhnt.
Dass ich in der Lage bin, meine Persönlichkeit in die Waagschale zu werfen, um mir die Tür zu geschäftlichem Erfolg zu öffnen, verdanke ich meiner Ansicht nach vor allem der Tatsache, dass ich so oft Schiffbruch erlitten habe. Es gibt da nicht die eine Schlüsselgeschichte. Ich glaube, ich war damals nach gängigen Maßstäben der Loser schlechthin, weil Kinder nur nach ihrer schulischen Leistung beurteilt wurden. Entweder musste man intellektuell brillieren oder beim Sport – und ich konnte beides nicht. Ich war in keiner Mannschaft, bekam keine Auszeichnungen und nur schlechte Noten. Ich entsprach dem Klischee des Verlierers im Schulsystem von 1982 bis 1994 schlechthin.
Und trotzdem ist was aus mir geworden.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Auf lange Sicht Geduld, auf kurze Sicht Tempo. Die nächsten acht Jahre sind egal, aber auf die nächsten acht Tage kommt es an.
Langfristig sind die Menschen immer total ungeduldig, wie ich finde. Ich dagegen bin meiner Ansicht nach unglaublich geduldig, wenn es um Jahre und Jahrzehnte geht. Im Alltag bin ich aber ungeheuer sprunghaft und hyperaktiv. Bei den meisten anderen Menschen ist das, glaube ich, umgekehrt. Da werden Entscheidungen getroffen wie: »Was mache ich mit 25? Ich sollte lieber …« Mit Blick auf die nächsten Jahre kann es den Leuten nicht schnell genug gehen, und sie treffen unkluge Entscheidungen. Doch wenn es um den laufenden Tag geht, dann schauen sie sich verdammte Netflix-Serien an. Wenn sie 22 sind, zerbrechen sie sich den Kopf darüber, was sie mit 25 machen sollen, sitzen aber trotzdem jeden Donnerstag um 19 Uhr in der Kneipe. Spielen Madden. Schauen sich House of Cards
an. Verbringen jeden Tag viereinhalb Stunden mit ihrem Instagram-Feed.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Auf lange Sicht ist jeder ungeduldig, auf kurze Sicht hat er alle Zeit der Welt und verschwendet seine Tage mit Sorgen um Jahre. Ich mache mir keine Gedanken, was in ein paar Jahren sein wird, weil ich aus jeder Sekunde herausquetsche, was geht – und erst recht aus jedem Tag. Das zahlt sich aus.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Mein Gesundheitsprogramm. Damit setze ich mich seit drei Jahren ernsthaft auseinander. Dabei sollte ich vielleicht vorausschicken: Ich habe dadurch null Energie gewonnen. Null. Es ist aber trotzdem richtig. Mit 41 habe ich heute weniger Energie als früher. Ich kann mein Gepäck und meine Kinder leichter heben. Ich bin kräftiger, aber ich habe kein Jota zusätzliche Energie – oder sonst irgendetwas von dem, was man den vollmundigen Behauptungen zufolge bekommt, wenn man Sport treibt. Es gibt aber keine Diskussion darüber, dass mir theoretisch mit 60, 70, 80 oder 90 sehr zugute kommen wird, was ich heute in meinen Körper investiere.
Eigentlich wollte ich nur besser aussehen, doch bald stellte sich mir die Frage: »Wie kann ich mich gut fühlen und mir auf lange Sicht etwas Gutes tun?« Inzwischen arbeite ich an sieben Tagen in der Woche mit einem Trainer. An drei oder vier Tagen trainiere ich im Wechsel meinen Ober- und Unterkörper. Die übrigen Work-outs sind auf Beweglichkeit und weiches Gewebe abgestellt. Ich mache viele Bewegungsübungen für meine Hüften, meinen Rücken und meinen Nacken. Ich fühle mich dadurch deutlich wohler. Im Moment konzentriere ich mich auf Muskelaufbau und darauf, eine gute Grundlage zu schaffen. Durch Kreuzheben, Bankdrücken, Kniebeugen und alles, was dazugehört. Ich will kein Muskelprotz werden. Ich will mich nur gut, stark, mobil und gesund fühlen.
So oft wie möglich schiebe ich 30 bis 60 Minuten Sport ein. Mein Personal Trainer Jordan begleitet mich oft auf Reisen. Meist trainiere ich morgens, bevor ich ins Büro gehe. Ich bin gewöhnlich um 6.15 Uhr im Studio und nach einer Stunde wieder draußen.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Zu allem. Zunehmender Erfolg bringt das große Problem mit sich, dass man von den vielen Möglichkeiten gelähmt wird, die sich bieten. Öfter Nein zu sagen statt Ja, wird dann unabdingbar.
Andererseits kann ihnen Tyler oder eine meiner anderen Assistenzkräfte verraten, dass ich nach wie vor ein gesundes Gleichgewicht brauche, was sich in 20 Prozent Zustimmung zu
Projekten äußert, die nicht besonders klug erscheinen, weil ich an glückliche Zufälle glaube. Und damit haben viele Menschen Probleme.
Meines Erachtens tendieren die meisten Menschen, die das lesen, zu sehr zum einen oder anderen Extrem. Entweder werden sie superdiszipliniert, lehnen alles ab und glauben, ihre Zeit so sinnvoll zu verwenden, oder sie sagen zu allem Ja, ohne darüber nachzudenken oder eine bestimmte Strategie zu verfolgen.
Ich möchte es schaffen, öfter Nein zu sagen als Ja und meine Zeit produktiv zu nutzen. Ich halte es aber für gesund und ausgewogen, auch mal etwas auf Verdacht zu tun, was sich rein intuitiv auf den ersten Blick nicht rentieren dürfte, denn gewöhnlich ist unter diesen 20 Prozent mindestens ein lohnendes Projekt, sodass es sich unter dem Strich auszahlt.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Ich stelle mir vor, meine Familie wäre bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen. Ehrlich, das mache ich. Verglichen mit den anderen Antworten in diesem Buch hört sich das vielleicht verrückt an, aber mir hilft es. Ich denke ans Allerschlimmste, versetze mich richtig hinein und spüre den Schmerz in meinem Herzen. Dann wird mir schnell klar: Was auch immer gerade mein Problem ist, ist im Vergleich dazu eine Bagatelle. Und plötzlich bin ich dankbar, dass ich nur einen Kunden verloren, eine Chance verpasst oder mich der Lächerlichkeit preisgegeben habe.