»Für mich ist Meditation ein hervorragender sicherer Ort, von dem aus ich tief in mein eigenes Trauma und Drama eintauchen kann, frei von Angst – ich kann dagegen anarbeiten, nur zu reagieren, und Platz dafür schaffen, proaktiv zu sein.«
MIKE D
IG: @miked
beastieboys.com
MICHAEL »MIKE D« DIAMOND ist Rapper, Musiker, Songwriter, Schlagzeuger und Modedesigner, am bekanntesten als Gründungsmitglied der revolutionären Hip-Hop-Band The Beastie Boys. Die Band wurde in die Liste der »Top 100 Greatest Artists of All Time« des Rolling Stone aufgenommen und hielt im April 2012 Einzug in die Rock and Roll Hall of Fame. »Es ist für jeden offensichtlich, welch großen Einfluss die Beastie Boys auf mich und sehr viele andere hatten«, hat Eminem einmal über sie gesagt. Nach dem Tod ihres Gründungsmitglieds Adam »MCA« Yauch lösten sich die Beastie Boys im Jahr 2012 auf. Mike D ist zurzeit Moderator einer Radiosendung auf Beats 1, The Echo Chamber .
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Wow, es gibt so viele Beispiele dafür, wie Sachen für uns als Band absolut nicht so liefen, wie wir wollten. Wir haben Ideen gehabt und nicht umgesetzt, wir hatten Auftritte, die ewig zu dauern schienen, weil nichts funktionierte. Aber der »befreiendste« Misserfolg, der mir einfällt, ist ein Album von uns: Paul’s Boutique . Mit der Zeit zeigte sich, dass es gar kein solcher Misserfolg war, weil viele Leute sagen, dass sie es von unseren Alben am besten finden. Aber dann fragt man sich natürlich, was all diese Leute gemacht haben, als es herauskam. Auf jeden Fall haben sie es nicht in den Plattenladen geschafft (damals gab es ja noch echte CD-Läden), um dort 9,99 Dollar auszugeben.
Also, stellen wir das klar und schauen wir uns etwas Kontext an: Paul’s Boutique war kommerziell gesehen eine riesige Enttäuschung. Wir sprechen hier über einen echten Flop. Licensed to Ill war millionen- über millionenfach verkauft worden, und die Songs und Videos waren monatelang ständig in den Medien. Eine Menge Menschen warteten darauf, dass wir verschwinden würden, um sich selbst und der Welt zu beweisen, dass wir nur einen Glückstreffer hatten. Andererseits gab es viele Leute bei einem großen Platten-Label, die sich von Paul’s Boutique einen ordentlichen Gewinn erwarteten. Der Blitz sollte ein zweites Mal einschlagen. Hm, hat leider nicht geklappt. Leider gab es auf Paul’s Boutique keine neuen Hymnen, Videos oder irgendwelche Songs, die auch nur entfernt so waren wie Licensed To Ill . Das Album war zu anders, außer für eine Kerngruppe von Freaks und Spinnern: unsere echten Fans. Zuerst konnten wir es irgendwie gar nicht glauben. Wir hatten hart gearbeitet und an das geglaubt, was wir machten, und ein paar Wochen nach der Veröffentlichung war so ziemlich alles vorbei. Keine großen Hit-Songs oder -Videos oder Stadion-Touren. Es war herzzerreißend, sich von etwas zu lösen, in das wir so viel Mühe und Zeit gesteckt hatten. So viele Worte geschrieben, so viele Stunden im Studio verbracht, um so viele Stimm-Spuren aufzunehmen, unzählige verschiedene Versionen von Songs, Stunden um Stunden an Aufregung über digitale Samples, von den vielen Tischtennis- und Airhockey-Matches ganz zu schweigen. Wir waren fertig.
Auf der positiven Seite kam das Album bei den Kritikern gut an. Seiner Popularität schien das aber nicht zu helfen. Nachdem ein paar von den obersten Managern bei Capitol Records gehen mussten, hauptsächlich wegen genau dieses Misserfolgs, gingen wir dorthin, um uns für unser Werk einzusetzen. Wir baten die Plattenfirma darum, sich weiter auf die Vermarktung unserer Platte zu konzentrieren. Nichts zu machen. Sie mussten sich um andere Dinge kümmern.
Warum also war das befreiend? Weil wir dadurch die Chance bekamen, uns vollkommen aus der Welt zurückzuziehen. Uns zu erholen und einfach Zeit zu verbringen. Herumhängen und sehr wenig zu tun haben. Aufwachen, frühstücken, Gras rauchen, ein paar Platten kaufen, diese Platten anhören und vielleicht ein bisschen Musik machen. Wir hatten jetzt totale künstlerische Freiheit. Niemand, auch nicht wir selbst, hatte noch irgendwelche kommerziellen Erwartungen. Das hat uns die kreative Freiheit gegeben, zu machen, was auch immer wir wollten, vollkommen frei von Angst und Erwartungen. Im Rückblick war das ein riesiges Geschenk.
Natürlich ist diese Story nicht ganz fair. Wie gesagt, Paul’s Boutique kam nicht nur bei den Kritikern gut an. Mit der Zeit kamen die anderen Leute auf ihre eigene Weise und in ihrer eigenen Zeit dazu, und das Album wurde doch noch millionenfach verkauft, was immer noch enorm viel ist für drei weiße Jungs aus New York City, die eine Hardcore-Punkband waren und dann beschlossen, zu rappen.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Für mich ist Transzendentale Meditation das größte Geschenk, das immer weiter Freude macht. Je älter ich werde, desto mehr wird mir klar, dass man nie weiß, wann und von wo unterschiedliche Lektionen und Praktiken kommen werden. Ich war auf einer Surf-Reise auf einem Boot mitten im Indischen Ozean. Die Wellen waren spitze, und die Umstände hätten in vielerlei Hinsicht nicht besser sein können. Ich war superglücklich und dankbar dafür, sein zu können, wo ich war, aber ich machte zu der Zeit eine Menge emotionale Turbulenzen und Dramen durch. Zum Glück praktizierten die Teilnehmer dieser Reise Transzendentale Meditation. Ich spürte die Vorteile sofort, noch bevor ich eine richtige Initiation bekommen hatte. Sobald ich wieder zu Hause war, ging ich ins Studio, um an einer Platte zu arbeiten. Nicht nur ich habe gelernt und wurde eingeführt, sondern jeder, der an der Platte beteiligt war. Das machte es zu einer kraftvolleren gemeinsamen Erfahrung. Und praktisch gesehen war es dadurch einfacher, rechtzeitig zu üben, wenn ich lange im Studio arbeitete. Es ist bemerkenswert, was für ein guter »Neustart« TM sein kann. Die strukturellen Anforderungen von TM lassen sich leicht in den Alltag integrieren. Zwanzig Minuten nach dem Aufstehen und zwanzig Minuten gegen Ende des Tages, wenn wir sie sowieso wirklich brauchen. Für mich ist es ein toller sicherer Ort, von dem aus ich tief in mein eigenes Trauma und Drama eintauchen kann, frei von Angst – ich kann dagegen anarbeiten, nur zu reagieren, und Platz dafür schaffen, proaktiv zu sein. Davon profitieren meine Beziehungen zu allen. Manchmal fragen meine Kinder: »Papa, warum verbringst du Zeit mit Meditieren?«. Aber ich bin dadurch viel besser in meiner Beziehung zu ihnen als Vater. Ich bin in allen Beziehungen viel besser damit.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Interessante Frage. Mein erster Impuls ist weiterzumachen, vor allem, wenn ich an einem Song oder an Musik arbeite. Ich haue weiter meinen Kopf gegen die Wand und hoffe auf einen Durchbruch, selbst wenn mein armer Kopf wirklich sch…weh tut! Aber ich glaube, mit zunehmender Reife (obwohl ich mich kaum traue, zuzugeben, dass ich überhaupt so etwas habe) habe ich gelernt, dass ab und zu ein Neustart erforderlich ist. Der kann verschiedene Formen haben. Hier sind ein paar, die mir geholfen haben:
TM: siehe oben. Vor allem, wenn ich überfordert oder übermüdet bin oder irgendetwas einfach nicht gelöst bekomme und immer frustrierter werde, können mir 20 Minuten TM helfen, mich komplett neu zu konzentrieren und zu erholen. Oft schaffe ich es dadurch, die Dinge anders zu sehen und stundenlang produktiv zu sein, was eine gute Rendite auf meine Investition ist.
Surfen: Ich bin ein Glückspilz. Ich lebe in Malibu in Kalifornien und kann zu Fuß zu den Wellen gehen. Ich verbringe einen guten Teil meiner Zeit damit, zusammen mit meinen Kindern überall in der Welt zu surfen, und das ist jede verdammte Minute wert. Ich bin mir sehr im Klaren darüber, dass die meisten Leute nicht an der Küste leben und ihnen dieser Luxus nicht vergönnt ist, aber Surfen ermöglicht mir einen tollen Neustart. Ich werde dabei sofort so viel dankbarer und wertschätzender, und auf dem Spielplatz der Natur zu sein, gibt mir eine andere Perspektive. Das Meer und die Wellen haben die Kontrolle, nicht ich. Ich bin nur ein kleiner Fleck, der versucht, zu atmen und sich so gut zu halten, wie er kann.
Zeit mit den Kindern: Sie werden nicht ewig Kinder bleiben, das ist verdammt sicher! Manchmal brauche ich auch eine Pause von ihnen. Aber ich bin immer so dankbar, wenn wir tolle Erlebnisse oder Unterhaltungen zusammen haben. Das gibt einem wirklich einen anderen Blick. Bei einer Sache bin ich sehr dankbar, dass ich sie nachmachen kann: Ich wurde früher in die Gespräche meiner Eltern und ihrer erwachsenen Freunde einbezogen, bei meinen Kindern versuche ich dasselbe. Ich will ihre Ideen und Gedanken wertschätzen.
Mit den Hunden spazieren gehen: Meistens kann ich ein paar Sachen einfach dadurch in den Griff bekommen, dass ich eine Pause mache und mit meinen Hunden spazieren gehe.