»Frag dich: ›Würdest du zusagen, wenn es nächsten Dienstag wäre?‹ Man geht allzu leicht Verpflichtungen ein, die Wochen oder Monate in der Zukunft liegen, solange der Terminkalender noch leer wirkt.«
ESTHER DYSON
TW: @edyson
wellville.net
ESTHER DYSON ist Gründerin von HICCup und Vorsitzende von EDventure Holdings. Esther ist aktive Angel-Investorin, Bestsellerautorin, Verwaltungsratsmitglied und Beraterin mit Schwerpunkt auf Schwellenländern und Technologien, Weltraum und Gesundheit. Sie sitzt im Verwaltungsrat von 23andMe und Voxiva (txt4baby), und hat unter anderem in Crohnology, Eligible API, Keas, Omada Health, Sleepio, StartUp Health und Valkee investiert. Von Oktober 2008 bis März 2009 lebte sie in der Sternenstadt, dem russischen Raumfahrtzentrum außerhalb Moskaus, und ließ sich zur Reserve-Kosmonautin ausbilden.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
The Biology of Desire: Why Addiction Is Not a Disease von Marc Lewis. Sucht ist kurzfristiges Verlangen, Zielstrebigkeit langfristiges.
Scarcity: Why Having Too Little Means So Much von Sendhil Mullainathan und Eldar Shafir. Eine Erklärung des Mangels für reiche Intellektuelle, die aufzeigt, wie arme Menschen aus Geldmangel dumme Dinge tun, Reiche dagegen aus Zeitmangel.
From Bacteria to Bach and Back: The Evolution of Minds von Daniel C. Dennett. Wie das Bewusstsein entsteht, und wie sehr es vom Sinn für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abhängt (und eine Menge weiterer interessanter Erkenntnisse).
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Da gab es im Laufe der Jahre mehr als einen. Zuletzt war eine der fünf Gemeinden, mit denen mein auf zehn Jahre konzipiertes gemeinnütziges Projekt Way to Wellville zusammenarbeitete, einfach nicht bei der Sache. Das ist, als würde jemand einen Personal Trainer engagieren, aber nie ins Studio gehen. Wir zogen uns höflich zurück und wählten eine andere Gemeinde aus. Das hatte nicht nur den gewünschten Erfolg, sondern machte auch allen Beteiligten klar – also den Gemeinden, den potenziellen Geldgebern und Partnern sowie allen anderen –, dass wir uns und andere in die Pflicht nehmen. Dadurch würdigten wir die Gemeinden, die bereit sind, Risiken einzugehen und Einsatz zu bringen, um etwas zu verändern.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Macht immer neue Fehler!« Für dieses Zitat kassiere ich tatsächlich jedes Jahr rund 50 Dollar Tantiemen von Quotable Quotes.
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Na ja, Reisen in den Weltraum. Aber das finde ich nicht absurd. Ich hoffe, ich kann meinen Ruhestand auf dem Mars verbringen – nur noch nicht so bald! Ich habe mich sechs Monate lang in der Sternenstadt in Russland als Reservistin für Reisen ins All ausbilden lassen.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Ich habe angefangen, Audible zu verwenden – und lese jetzt wieder regelmäßig Bücher. (Vielleicht sollten die 30 Jahre, die ich keine Bücher gelesen habe, in der Rubrik »Misserfolg« Erwähnung finden.) Selbst bei meinen Wellville-Einsätzen lese ich anspruchsvolle Bücher über Armut, Neurowissenschaft, Ernährung, komplexe Systeme, Sucht und dergleichen. Die beiden Betätigungsfelder – das Hochabstrakte und das Konkrete, ganz nah an den Menschen – ergänzen einander.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Such dir immer Jobs, für die du eigentlich nicht qualifiziert bist. Auf diese Weise lernst du ständig dazu. Und brich das College nicht ab, wenn sich keine echte Alternative bietet. Der eine oder andere schafft es auch ohne Abschluss, aber für die meisten ist das ein ernsthaftes Hindernis.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Ich schaffe es inzwischen besser, Konferenzen fernzubleiben, die mich zwar interessieren, aber nicht so viel bringen.
Mein Tipp: Frag dich: »Würdest du zusagen, wenn es nächsten Dienstag wäre?« Man geht allzu leicht Verpflichtungen ein, die Wochen oder Monate in der Zukunft liegen, solange der Terminkalender noch leer wirkt.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Wenn [mir] alles über den Kopf wächst, frage ich mich: »Was ist das Schlimmste, was passieren könnte?« Die Angst vor dem Unbekannten ist meist weit schlimmer als die Angst vor etwas ganz Bestimmtem. Wenn es nicht um dein Leben geht oder um das Leben der Menschen, für die du verantwortlich bist, dann gibt es vermutlich verschiedene Möglichkeiten, die du in Ruhe und vernünftig durchdenken solltest.