»Ihr wisst ja: Babe Ruth war nicht nur Home-Run-König, sondern auch Strikeout-König.«
STEVE CASE
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revolution.com
STEVE CASE ist einer der bekanntesten Unternehmer Amerikas und Chairman, CEO und Mitgründer der Investmentgesellschaft Revolution LLC. Er gehört zu den Pionieren, die das Internet in unserem Alltag integriert haben. Steves Unternehmerkarriere begann 1985 als Mitgründer von America Online (AOL). Unter seiner Leitung entwickelte sich AOL zum größten und wertvollsten Internetunternehmen der Welt. AOL ging als erste Internetgesellschaft an die Börse, die Aktie zählte in den 1990er Jahren zu den absoluten Topwerten und warf für die Aktionäre 11.616 Prozent Rendite ab. Steve ist Autor des New York Times -Bestsellers The Third Wave: An Entrepreneur’s Vision of the Future . Außerdem ist er Vorsitzender der Case Foundation, die er 1997 mit seiner Frau Jean ins Leben gerufen hat. 2010 schlossen sich Steve und Jean The Giving Pledge an und bekräftigten öffentlich ihre Zusage, den Großteil ihres Vermögens für philanthropische Zwecke zu spenden.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
The Third Wave von Zukunftsforscher Alvin Toffler hat mein Leben enorm beeinflusst. Es war unter anderem seine Vision von einem globalen elektronischen Dorf, die mich dazu brachte, AOL mitzugründen. Ich las Tofflers Third Wave in meinem Abschlussjahr am College und fand die Vorstellung faszinierend, Menschen mit Hilfe eines digitalen Mediums zu vernetzen. Das Buch hatte so eine Wirkung auf mich, dass ich mir sogar den Titel auslieh, als ich selbst eins schrieb: The Third Wave: An Entrepreneur’s Vision of the Future . Tofflers drei Wellen waren die landwirtschaftliche Revolution, die industrielle Revolution und die technologische Revolution. Ich fokussierte mich auf die drei Wellen des Internets: den Aufbau von Plattformen zur Vernetzung der Welt, die Entwicklung webbasierter Apps und schließlich die immer stärker um sich greifende, manchmal unsichtbare Integration des Internets in alle Lebensbereiche.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Erstens, dass er sich auf die Zukunft konzentrieren und sich richtig aufstellen sollte für das, was als Nächstes kommt – nicht für das, was gerade passiert. Wayne Gretzky war ein großartiger Eishockeyspieler, weil er sich nicht darauf fokussierte, wo der Puck gerade war, sondern darauf, wo er gleich sein würde – und darauf, als Erster dort zu sein. So geht’s!
Zweitens: Wenn ein Student – wie viele andere – einen geisteswissenschaftlichen Abschluss hat, sollte er stolz darauf sein und dazu stehen. Die gängige Meinung ist zwar, dass Programmieren der Schlüssel zum Erfolg ist, doch für die dritte Welle, wenn ganze Industriezweige in Umbruch geraten, dürfte das nicht mehr unbedingt so gelten wie für die zweite, als die Entwicklung von Apps im Mittelpunkt stand. Sicherlich wird das Programmieren auch weiterhin eine Rolle spielen, doch ebenso Kreativität und Zusammenarbeit. Lasst euch nicht verbiegen. Vertraut auf eure Fähigkeiten, denn sie sind entscheidend für eure weitere Entwicklung.
Drittens: Habt keine Angst. Ich weiß, dass das leichter gesagt ist, als getan – vor allem für eine Generation, die von hyperaktiven Helikoptereltern zu konventionellem Verhalten erzogen wurde – und in einer Welt, die von Arbeitsplatzverlusten und Terrorismus erschüttert wird. Doch trotz allem muss man die eigene Komfortzone verlassen und aufs Ganze gehen – in dem Bewusstsein, dass das auch schiefgehen kann. Ihr wisst ja: Babe Ruth war nicht nur Home-Run-König, sondern auch Strikeout-König. Wer Risiken eingeht, der gewinnt nicht immer, doch deshalb ist er noch lange kein Versager. Es bedeutet nur, dass er sich wieder aufrappeln und noch mehr anstrengen muss, wenn er Erfolg haben will.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
Besonders besorgniserregend finde ich drei Binsenweisheiten, die man vor allem an Orten wie dem Silicon Valley hört. Die erste ist die Vorstellung, dass Naivität ein Wettbewerbsvorteil sei. Die Gründer von PayPal taten den berühmten Ausspruch, dass sie so gar nichts über die Kreditkartenbranche wussten, habe ihnen einen Ansatzpunkt geliefert, sie auf den Kopf zu stellen. In ihrem speziellen Fall war das so, doch inzwischen wird das verallgemeinert. Die Vorstellung, Ignoranz sei eine Stärke, dürfte in einem neuen Innovationszeitalter des Umbruchs für maßgebende Branchen zu Fehltritten führen. Wer zum Beispiel das Gesundheitswesen revolutionieren möchte, der muss sich nicht nur mit Software auskennen, sondern auch mit der Zusammenarbeit mit Ärzten, mit der Integration von Kliniken, mit der Erstattungspraxis von Versicherungen und mit den Vorschriften. Kenntnisse über das Gesundheitswesen dürften daher von Vorteil sein – oder gar unabdingbar –, wenn man herausfinden will, wohin die Reise gehen soll, und wenn man die nötige Glaubwürdigkeit mitbringen will, um Dinge zu bewegen. Auch auf dem Gebiet der AgTech [landwirtschaftliche Technologie] dürften Fachkenntnisse vonnöten sein. In Zukunft wird es darauf ankommen, die Kultur der Landwirtschaft zu verstehen. Gleiches gilt für EdTech [Technologie im Bildungswesen], wenn man sicher sein möchte, dass die eigenen Entwicklungen Schülern und Lehrern helfen. Im Endeffekt wird es auf Ausgewogenheit ankommen – zwischen fachlichen Kompetenzen und frischem, unkonventionellem Denken. Wer beides beherrscht, wird in der dritten Welle zu den Gewinnern zählen.
Zweitens finde ich die Vorstellung bedenklich, dass es besser ist, wenn einer alles alleine macht – also die Komplettlösung »aus einer Hand«. Das wird sicherlich manchmal funktionieren, doch wenn es um mehr geht als um eine App, wird ein Alleingang schwierig. Vermutlich werden Partner gebraucht oder sogar unverzichtbar sein. Es gibt da eine Redensart, die an Bedeutung gewinnen dürfte: »Willst du schnell vorankommen, geh allein. Willst du aber weit kommen, musst du dich mit anderen zusammentun.« Das könnte sich sehr gut als Mantra der dritten Welle erweisen.
Der dritte schlechte Rat ist, dass man Vorschriften am besten ignorieren und einfach weitermachen sollte. Sicher, Uber hatte Erfolg, indem es lokale Rechtsvorschriften missachtete. Statt auf Genehmigungen zu warten, die möglicherweise nie gekommen wären, preschte man voran und baute einen äußerst erfolgreichen werthaltigen doppelseitigen Markt für Passagiere/Fahrer auf. Chapeau! Aber bei Uber hat das geklappt, weil es sich um lokale Vorschriften handelte, nicht um nationale. Für die meisten Innovationen in Sektoren wie Gesundheit gilt das nicht. Wer ohne Zulassung ein Medikament oder ein medizinisches Gerät auf den Markt bringen möchte, dem wird schnell das Handwerk gelegt. Und so wird es auch bei fahrerlosen Autos auf öffentlichen Straßen und Drohnen am Himmel sein, und mit SmartCities-Innovationen ebenfalls. Die Liste ist endlos. Unter dem Strich heißt das: Die Innovatoren der dritten Welle müssen sich wohl oder übel mit der Politik arrangieren, um echte Innovation herbeizuführen. Insgesamt gelten die Regeln, die für die zweite Welle funktionierten, als es hauptsächlich um die Entwicklung von Software und Diensten und um das Vorantreiben der viralen Verbreitung ging, für die dritte Welle eher nicht, wenn sich das Internet allmählich auf grundlegendere Aspekte unseres Lebens auswirkt.