»Wer nicht für verrückt erklärt wird, wenn er etwas Neues beginnt, der denkt zu kurz.«
LINDA ROTTENBERG
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lindarottenberg.com
LINDA ROTTENBERG ist Mitgründerin und CEO von Endeavor Global, einer bahnbrechenden gemeinnützigen Organisation zur Unterstützung hochkarätiger Unternehmer weltweit. Sie wurde von U.S. News & World Report unter »America’s Best Leaders« und von der Zeitschrift Time unter den »100 Innovators for the 21st Century« gelistet. Als Vortragsrednerin ist Linda häufiger Gast bei Fortune-500-Unternehmen und war Thema von vier Fallstudien der Harvard Business School und der Stanford Graduate School of Business. ABC und NPR haben sie als »Unternehmerflüsterin« bezeichnet, und Tom Friedman verlieh ihr den Spitznamen einer globalen »Mentor-Kapitalistin«. Sie ist Autorin des New York Times -Bestsellers Crazy Is a Compliment: The Power of Zigging When Everyone Else Zags .
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Endeavor stand kurz vor seinem zehnten Geburtstag, und ich dachte, wir hätten das Gröbste geschafft, als mich eine Katastrophe beinahe aus der Bahn warf. Bei meinem Mann, einem für seine Abenteuerreisen bekannten Bestsellerautor, wurde lebensbedrohlicher Knochenkrebs festgestellt, was mir meine Antriebskraft raubte. Ich konnte kein Flugzeug mehr besteigen und schaffte es kaum noch ins Büro. Ich wusste nicht, ob Bruce es schaffen würde – und ehrlich gestanden auch nicht, ob Endeavor überleben würde. Zum Glück sprang unser unglaubliches Team in die Bresche, und wir wuchsen schneller denn je. Vielleicht hatte das ja auch etwas damit zu tun, dass ich nicht da war und mich in jedes Detail einmischte! Doch ich lernte aus dieser Episode noch viel mehr. Als Bruce, wofür ich sehr dankbar bin, geheilt war und ich wieder an die Arbeit ging, hatte ich eine wertvolle Lektion als Führungskraft und als Mensch erhalten. Als weiblicher CEO hatte ich ganz bewusst mit Stärke und Selbstvertrauen geführt. … Schließlich sollte keiner merken, wenn ich ins Schwitzen kam oder – noch schlimmer – Tränen vergoss. Nach meiner Rückkehr funktionierte diese harte Fassade nicht mehr. Meine Mitarbeiter wollten wissen, wie es Bruce, unseren Zwillingstöchtern und mir ging. Ich hatte keine Wahl, ich musste meine Abwehrmechanismen deaktivieren und mich zum ersten Mal verletzlich zeigen. Verblüfft stellte ich fest, dass das meine Mitarbeiter nicht etwa abstieß, sondern enger an mich band. Junge Teammitglieder gestanden mir im Vertrauen, sie hätten mich immer für »übermenschlich« gehalten – gleichbedeutend mit unnahbar. Nachdem ich mich von meiner menschlichen Seite gezeigt hatte, waren sie bereit, mir überall hin folgen. Die Lektion: Ich würde künftig lieber weniger »Übermensch« sein und dafür mehr »Mensch«.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
Auf meiner Plakatwand stünde: »Verrückt ist ein Kompliment!«
Als ich Endeavor gründete, wurde ich so oft als »la chica loca« (die Verrückte) bezeichnet, dass ich am Ende beschloss, mir das als Prädikat auf die Fahne zu schreiben. Hoffentlich tun das auch andere, denn wer etwas Neues ausprobiert – vor allem etwas, das den Status quo grundlegend verändert –, der sollte damit rechnen, für verrückt gehalten zu werden. Wer für Unruhe sorgt, gilt automatisch als nicht ganz sauber. Größter Aktivposten eines Unternehmers ist, dass er anders denkt als andere – dazu neigt, hüh zu schreien, wenn alle anderen hott rufen, und eine neue Richtung einzuschlagen. Viele trauen sich das nicht, weil sie Angst davor haben, andere könnten sie für verrückt halten. Ich sage nicht nur, verrückt ist ein Kompliment, sondern sogar: Wer nicht für verrückt erklärt wird, wenn er etwas Neues beginnt, der denkt zu kurz!
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Meine Zwillingstöchter Tybee und Eden rücken die Dinge für mich zurecht. Sie haben meine persönliche und berufliche Entwicklung stark beeinflusst. Qua Geburt haben sie meinen ganzen Führungsstil verändert. Früher war ich Perfektionistin, Mikromanagerin und reiste dauernd um die Welt. Ich musste lernen, zu delegieren und auch mal Nein zu sagen, um Zeit für sie zu haben. Wie Eden es im reifen Alter von fünf Jahren so treffend auf den Punkt brachte: »Unternehmerin kannst du nur eine Zeitlang sein, Mama bist du für immer.«
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Meine vielleicht seltsamste Eigenheit: Ich stalke (aber im positiven Sinn). Meine »Stalking«-Fähigkeiten (bei Investoren, Verwaltungsratsmitgliedern, Unternehmern et cetera) leisteten mir in der Anfangszeit von Endeavor gute Dienste. Einmal habe ich einen potenziellen Mentor sogar vor der Herrentoilette abgepasst, um ihn ein paar Minuten unter vier Augen zu sprechen. [Mit dem Satz:] »Guten Tag, ich bin Linda und habe eine Organisation zur Unterstützung von Unternehmern in Schwellenländern gegründet. Ich würde gern kurz mit in Ihr Büro kommen, um Ihnen mehr darüber zu erzählen.«
Mach dir keine Gedanken darüber, ob man dich aggressiv finden könnte. Das müssen vor allem Frauen erst lernen. Estée Lauder gehörte zu den größten Stalkerinnen, und viele andere erfolgreiche Unternehmer hatten anfangs noch kein großes Netzwerk, sondern lediglich ein bisschen Chuzpe im richtigen Moment. Trau dich und wende dich an einen Mentor, den du bewunderst. Menschen reagieren positiv auf Engagement und klare Ansagen, warum du gerade sie ansprichst. Mein Stalking-Opfer tat das jedenfalls: Er erklärte sich am Ende bereit, den Kovorsitz des globalen Beirats von Endeavor zu übernehmen. Anders ausgedrückt: Stalking als Start-up-Strategie wird unterbewertet!
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben? Welchen Rat sollte er ignorieren?
Studienabsolventen und angehenden Unternehmern wird oft erzählt, sie sollten sich alle Möglichkeiten offenhalten. »Schlagt keine Türen zu.« Doch das führt zu Lähmung oder gar zu Selbsttäuschung. Wie viele meiner früheren Studienkollegen, die »für ein paar Jahre« zu Goldman Sachs oder McKinsey gegangen sind, bevor sie sich ihrer eigentlichen Leidenschaft zuwenden wollten – dem Kochen oder der Gründung ihres Traumunternehmens –, sind heute Starköche oder Unternehmer? Die meisten sind nach wie vor Banker oder Berater und meinen, ihnen stünde noch alles offen. Mein Rat an alle Collegestudenten: Schlagt Türen zu .
Das Gleiche gilt auch für Unternehmer, die nur mit einem Bein im Geschäft sind. Am Anfang ist das okay (schließlich hat sogar Phil Knight von Nike jahrelang als Buchhalter gearbeitet, und Sara Blakely von Spanx hat Faxgeräte verkauft, bis sie sicher war, dass ihre Idee einschlug). Doch wenn die eigene Idee Fuß fasst, muss man das Sicherheitsnetz kappen. Man kann kein größeres Unternehmen aufbauen, wenn man nur einen Fuß im Geschäft hat. Unternehmer klammern sich oft an die Sicherheit ihrer bisherigen Beschäftigungsverhältnisse – mehr aus Angst als aus Notwendigkeit –, selbst wenn sie es sich schon leisten könnten, sich Vollzeit ihrem eigenen Betrieb zu widmen.
Mein Rat an Unternehmer: Sobald deine Idee greift, solltest du die Nabelschnur durchtrennen. Deine Ideen können keine Flügel bekommen, wenn sie noch im Nest sitzen.