»Es ist nie einfacher als heute, sich ohne Rücksicht auf Verluste seiner Leidenschaft zu widmen. Tu es.«
TOMMY VIETOR
TW: @ Tvietor08 , @ PodSaveAmerica
crooked.com
TOMMY VIETOR ist Gründungspartner von Fenway Strategies, einer kreativen Agentur für strategische Kommunikation und Public Relations. Außerdem ist er Mitgründer von Crooked Media und Ko-Moderator des politischen Podcast Pod Save America . Fast zehn Jahre lang war Tommy Sprecher von Präsident Barack Obama. Von 2011 bis 2013 war er Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA und fungierte als Hauptansprechpartner für die Medien in allen außenpolitischen Angelegenheiten und Fragen der nationalen Sicherheit. 2004 schloss er sich dem Senatswahlkampf von Obama an und war Obamas Sprecher im US-Senat. Er war Visiting Fellow am University of Chicago Institute of Politics und wurde von der Zeitschrift Campaigns and Elections unter den besten zehn Kommunikationsexperten geführt.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
Wirklich beeinflusst hat mich das Buch The Nightingale’s Song von Robert Timberg. Er verfolgt darin den Werdegang von fünf Absolventen der United States Naval Academy (John McCain, Bud McFarlane, Oliver North, John Poindexter und Jim Webb) im Vietnamkrieg und in der Politik. Es ist eine außergewöhnliche Geschichte über Mut und Opferbereitschaft und gleichzeitig eine Warnung, wie leicht man vom Weg abkommen und fehlgehen kann – selbst wenn man glaubt, im Dienste eines hehren Ziels zu handeln.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Nach meinem Collegeabschluss ging ich 2002 nach Washington, um ein Praktikum bei Senator Ted Kennedy zu machen. Die Politik war meine Welt, und ich wusste gleich, dass ich mir damit meine Brötchen verdienen wollte. Nach dem Praktikum bewarb ich mich um jeden Job, der in Washington angeboten wurde. Dann verloren die Demokraten die Kongresswahlen, und die Hälfte der Jobs, um die ich mich beworben hatte, existierte nicht mehr. Also arbeitete ich weiter als unbezahlter Praktikant. Schließlich wurde im Front Office von Senator Kennedy eine Stelle frei: Jemand sollte den Telefondienst übernehmen und Besucher begrüßen. Ich war sicher, ich würde den Posten bekommen. Ich bewarb mich, ging zum Vorstellungsgespräch, verschiedene Leute legten ein gutes Wort für mich ein – doch ein anderer erhielt den Zuschlag. Ich war am Boden zerstört. Hätte ich den Job bekommen und wäre in Washington geblieben, hätte ich mich nie im Senatswahlkampf von Barack Obama engagiert, und mein Leben wäre ganz anders verlaufen. Dieser Fehlschlag war mein wichtigster Karriereschritt.
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
Meine klügsten Investitionen waren, wenn ich auf gut bezahlte Stellen verzichtet habe für Positionen, die mir unschätzbare Erfahrungen vermittelten. Ein Beispiel dafür war ein Job als Wahlkampfhelfer. Dabei verdient man nichts. Man arbeitet ohne Ende. Verliert die eigene Partei, ist man arbeitslos. Doch dieses kurzfristige Opfer zu bringen, war die klügste Entscheidung meines Lebens.
Zwei Jahre lang war ich pleite und schlief auf einer Luftmatratze. Sie begleitete mich durch drei Bundesstaaten (North Carolina, Illinois, Iowa). Jeden Morgen war die Hälfte der Luft entwichen und mein Hintern touchierte schon den Boden. Zahllose Male überzog ich mein Bankkonto (vielen Dank für die ganzen Überziehungszinsen, Bank of America!), doch die Erfahrung war mehr wert als jeder Gehaltsscheck davor oder danach.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Mach dir keine Sorgen ums Geld. Mach dich nicht mit Plänen verrückt. Mach dir keine Gedanken ums Netzwerken oder um die richtige Positionierung für die Zukunft. Versuche mit aller Kraft, etwas zu finden, das dir Spaß macht, denn die deprimierende Wahrheit ist: Die wenigsten Menschen finden einen Beruf, für den sie sich begeistern. Für viele Menschen ist das wirkliche Leben eine Schinderei, und sie leben für die Wochenenden. Es ist nie einfacher als heute, sich ohne Rücksicht auf Verluste seiner Leidenschaft zu widmen. Tu es.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Ich werde dafür bezahlt, Nachrichten zu lesen und zu kommentieren, und trotzdem wache ich jeden Morgen auf und fühle mich überfordert von allem, was auf mich einstürmt. Ich spüre förmlich, wie mein Blutdruck steigt, wenn ich versuche, zu entscheiden, worauf ich mich zuerst konzentrieren soll. Ich schaffe das, weil ich mir bewusstmache, dass sich die Welt auch weiterdreht, wenn ich nicht alles gelesen habe. Auch am nächsten Morgen werden wieder Zeitungen erscheinen. Für mich ist es grundsätzlich besser, eine kleinere Menge hochwertiger Informationen zu konsumieren, als zu versuchen, alles aufzunehmen. Ich glaube, das gilt für viele Dinge im Leben. Ich halte es für sinnvoller, an einem bestimmten Abend intensiv Zeit mit einem Freund zu verbringen, als zu versuchen, alle unter einen Hut zu bekommen.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
Auf meiner Plakatwand stünde: »SCHAU NICHT DAUERND AUF DEIN HANDY« – sowohl als Botschaft an andere als auch als Mahnung an mich.