»Meide Zucker. Vor allem in Limonade und Saft. Alle anderen Ernährungstipps sind nur heiße Luft.«
BRAM COHEN
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BRAM COHEN ist der Erfinder des Peer-to-Peer (P2P)-File-Sharing-Protokolls und der Gründer von BitTorrent, Inc. 2005 wurde er von MIT Technology Review unter den 35 führenden Innovatoren der Welt unter 35 gelistet.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Bevor ich mich BitTorrent widmete, arbeitete ich an einem glücklosen Projekt namens Mojo Nation. Es gab eine lange Liste total cooler Features, die es haben sollte, doch aus Mangel an Fokus konnten wir nichts davon perfekt realisieren. Nach dieser Erfahrung (und weil ich zuvor schon an verschiedenen ähnlichen gescheiterten Software-Projekten beteiligt gewesen war) beschloss ich, ein Projekt zu starten, das nur eine Sache machte, aber richtig – und zum Ziel setzte ich mir anstelle des Erfolgs, nicht zu scheitern. Alles ist besser, als gar nicht zu liefern. Das Ergebnis war BitTorrent. Dieser Tage heißt das Schlagwort »Minimum Viable Product« (Produkt mit minimalen Anforderungen und Eigenschaften) – eine sehr klinische Bezeichnung für das Ethos, nicht an den großen Wurf zu denken, sondern stattdessen alle Kräfte darauf zu richten, nicht zu scheitern. Die meisten Softwareentwicklungsprojekte scheitern auf ganzer Länge.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Meide Zucker. Vor allem in Limonade und Saft. Alle anderen Ernährungstipps sind nur heiße Luft.«
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Ich erfinde mechanische Geduldsspiele, die sogar produziert werden. Das neueste ist in vielen Spielzeuggeschäften erhältlich und heißt Fidgitz. Solche Spiele beschäftigen den Geist und machen die Spieler klüger, wie ich hoffe. Wenn nicht, sind sie zumindest unterhaltsam.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Eine Lebenslehre, die ich inzwischen widerstrebend akzeptiert habe: Man sollte auf keinen Fall mit Verrückten zusammenarbeiten. Es ist gut, Freunden aufgeschlossen und tolerant zu begegnen, doch im beruflichen Umfeld kann es zu einem echten Problem werden, wenn jemand, auf den man angewiesen ist, psychische Probleme hat.
Ein paar eklatant offensichtliche Dinge sind daher absolut tabu. Wenn jemand glaubt, jede Steuer sei Diebstahl, oder dass eine streng vegane Ernährung gesünder sei, dann zeigt er einen solchen Mangel an Urteilsvermögen, dass man sich gut überlegen sollte, ob man ihm schwerwiegende Entscheidungen überlassen möchte. Es ist löblich, privat und beruflich Beziehungen zu Menschen mit vielen verschiedenen politischen Meinungen und Lebensanschauungen zu unterhalten, und ich versuche das auch, aber an dem Punkt, an dem eine Meinung die Grenze zwischen »extrem« und »verrückt« überschreitet, ist es sehr wichtig, diesen Unterschied zu erkennen.
Im Vorstellungsgespräch sollte man auf offenkundigen Narzissmus achten. Erzählt ein Bewerber, die ausgeschriebene Position sei nicht die Richtige für ihn, er sollte besser gleich eine Stufe höher einsteigen, oder er sagt, ohne ihn ginge gar nichts, oder er hält Vorträge über das Geschäft wie ein Investor bei der Due-Diligence-Prüfung, dann spielt er schon schädliche politische Spielchen, noch bevor er überhaupt einen Fuß in der Tür hat. Solche Kandidaten lehnt man besser sofort ab. Denn entsprechendes Verhalten potenziert sich nur, wenn man den Betreffenden einstellt – und ihm von vornherein zu sagen, dass das nicht akzeptabel ist, ändert nichts.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Ich nehme meine Laktoseintoleranz in letzter Zeit viel ernster, was meine Lebensqualität deutlich verbessert hat. Ich bin ein besonders schwerer Fall, aber in den USA sind viele Menschen von Laktoseintoleranz betroffen, und häufig wird sie nie diagnostiziert. Deshalb reagieren die Betroffenen auch nicht entsprechend. Wenn ich nicht sehr gut aufpasse, habe ich chronische Schmerzen durch Blähungen, und ein paar einfache Maßnahmen schaffen spürbar Abhilfe – nämlich Folgende: 1) Ich versuche nach Kräften, Laktose zu vermeiden, auch Käse und Butter (und leider fast alle Schokolade. Steht auf der Verpackung »kann Spuren von Milch enthalten«, dann heißt das im Regelfall, dass Milch drin ist). 2) Ich nehme zweimal täglich Laktosepillen, selbst wenn mir nicht bewusst ist, dass ich laktosehaltige Nahrungsmittel zu mir genommen habe. Wenn man auswärts isst, weiß man nie so genau, was drin ist. 3) Ich nehme zweimal täglich Simeticon, weil das direkt Gase abbaut. Und scheut euch nicht, aufzustoßen, denn wenn Gase im Körper sind, müssen sie wieder raus – und es gibt nur zwei Ausgänge. Besser man lässt sie vorne raus, als dass sie sich bis nach hinten durchquälen müssen.
Es ist frustrierend, wie viele Menschen meist fälschlicherweise meinen, sie vertrügen kein Gluten, während eine Laktoseintoleranz nicht einmal abgeklärt wird. Umso mehr, als Milchsäurefermentation nicht viel kostet und durchgeführt werden könnte, bevor die Milch zu Butter oder Käse verarbeitet wird. Lebensmittel sollten grundsätzlich laktosefrei sein. Die meisten schwarzen und asiatisch stämmigen US-Amerikaner sind laktoseintolerant, und trotzdem sind Nahrungsmittel, die sie nicht verdauen können, zentraler Bestandteil des Essens in jeder Schulkantine.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Sucht euch die ersten Jobs danach aus, wo ihr wertvolle Erfahrungen sammeln könnt. Wer Unternehmer werden will, sollte sich nicht direkt selbständig machen, sondern zunächst bei einem jungen Start-up anheuern, um sich einzuarbeiten und für seine Anfängerfehler bezahlt zu werden. Erst wenn man die nötigen Erfahrungen und Kenntnisse gesammelt hat, sollte man dann auf eigene Faust loslegen. So habe ich es gemacht, und auch wenn die Startups, für die ich tätig war, überwiegend gescheitert sind, hätte ich ohne diese Erfahrung kaum im Alleingang erfolgreich sein können.