»Jeder Tag ist eine Gelegenheit, ein lebendiges Meisterwerk zu erschaffen.«
DR. MICHAEL GERVAIS
ist ein Sportpsychologe, der mit Olympiasiegern, Weltrekordhaltern und den Seattle Seahawks zusammengearbeitet hat, die mit seiner Hilfe Meditations- und Achtsamkeitstechniken in ihr Training integrierten und den Super Bowl gewannen. Er gründete (mit Coach Pete Carroll) die Organisation Compete to Create, die sich dem Ziel verschrieben hat, Menschen zu helfen, die beste Version ihrer selbst zu sein. Als Autor von Fachartikeln und anerkannter Referent ist Michael in den Medien ein gern gesehener Gast, der zu seiner Meinung über optimale Leistungsfähigkeit befragt wird. In seinem Pod-cast Finding Mastery
führt er Interviews mit Spitzenathleten und analysiert mit ihnen, wie sich Spitzenleistung erreichen lässt.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
Man’s Search for Meaning
von Viktor E. Frankl. Er beschreibt darin seine Erlebnisse als KZ-Häftling im Zweiten Weltkrieg und die Erkenntnisse, die er in jener Zeit gewonnen hat. Er beschreibt Methoden, um die tiefe Bedeutung und den Sinn des Lebens zu entdecken.
Das Tao Te Ching
von Laotse. Seine 81 Lehren bilden die Grundlage für den Taoismus und zielen darauf ab, den »Weg der Tugenden« zu verstehen. Laotses Lehren sind wegen ihrer kryptischen Sprache schwer verständlich und regen zum Nachdenken an.
Mind Gym
von Gary Mack ist ein Buch, das der oft »schwammig« wirkenden angewandten Sportpsychologie mit einer nüchternen, sachlichen Perspektive begegnet. Gary beschreibt eine Reihe von Regeln, mit denen man seine innere Einstellung verbessern kann, und macht mentales Training damit leicht verständlich und umsetzbar.
Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt?
Ein Buch für meinen Sohn: Inch and Miles
von Coach John Wooden. Wir lesen regelmäßig gemeinsam darin. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich jedes Mal darüber freue, wenn ich höre, dass er sich gedanklich mit Coach Woodens Lehren auseinandersetzt und sie begreift.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Meine erste Anstellung als Sportpsychologe im Profisport. Ein gemeinsamer Freund stellte mich dem Manager des Vereins vor. Wir führten ein konstruktives, anregendes Gespräch über die Zukunft des Teams und er bot mir einen Job an. Weil ich hochmotiviert war und es nicht besser wusste, sagte ich zu. Mir war damals aber nicht klar, dass es noch viele andere Personen gibt, die das Arbeitsklima und die Leistung eines Teams beeinflussen, beispielsweise der Cheftrainer (tja). Weil ich den Cheftrainer nicht kannte, hatte ich keine Ahnung, wie sich die Zusammenarbeit gestalten würde. Ich wusste nicht, dass er sich für Sportpsychologie nicht interessierte. Er sah sie sogar als potenzielle Bedrohung seines Führungsstils.
Es ist wohl klar, dass das erste Treffen mit dem Trainer eine Herausforderung war – für mich, versteht sich. Damals war ich ein Neuling, das wusste er auch, und er bereitete mein erstes Treffen mit den Spielern genau vor.
Am nächsten Tag war das Training außergewöhnlich lang, körperlich intensiv und fordernd. Gleich nach dem Training wies er die Spieler an, in die Umkleide zu gehen, sich aber noch nicht umzuziehen. Er rief mich zu einer kurzen Unterredung in sein Büro, die gerade lange genug dauerte, damit die Athleten zu frieren und sich über die verschwitzte Kleidung zu ärgern begannen. Er nickte kurz, als würde er einen Schalter umlegen, und sagte: »Okay. Was halten Sie davon, sich dem Team vorzustellen?«
Er begleitete mich in die Umkleide und sagte: »Hört mal her, Jungs. Das ist Mike Gervais, ein Sportpsychologe. Wenn ihr Psychoprobleme habt, könnt ihr mit ihm reden.« Dann rauschte er davon.
Dieses Erlebnis ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben, weil ich dadurch ein besseres Verständnis für die Leute bekommen habe, die Teil einer Organisation sind, bevor ich die Entscheidung treffe, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es ist also wichtig, rechtzeitig seine Hausaufgaben zu machen.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Jeder Tag ist eine Gelegenheit, ein lebendiges Meisterwerk zu erschaffen.«
Wir haben weit mehr Kontrolle über unser Leben, als vielen von uns bewusst ist. Wir erschaffen unsere Erfahrungen im Leben oder tragen zumindest dazu bei und haben jeden Tag eine neue Gelegenheit, im Hier und Jetzt präsent zu sein. Es ist dieser gegenwärtige Augenblick, in dem sich unser Potenzial offenbart und ausdrückt. Ein lebendiges Meisterwerk wird nicht auf Leinwand gemalt, in Stein gemeißelt oder auf Papier geschrieben. Es ist die Suche und der Ausdruck nach angewandter Erkenntnis und Weisheit.
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
Die Investition in das Wachstum anderer.
Wenn wir Augenkontakt herstellen (manchmal im wahrsten Sinne des Wortes, manchmal aber auch im übertragenen Sinne – durch den Blick aufs Wesentliche), stellen wir eine Verbindung her. Diese Verbindung kann so intensiv sein, dass wir unsere Zeit mit Ablenkungen und Geschäftigkeit vertrödeln: die moderne Sucht, das Unbehagen zu betäuben, das sich einstellt, wenn man eine emotionale intensive Situation aushalten muss. Durch die Beziehungen, die wir mit anderen haben, sind wir in der Lage, das Gute, Wahre und Schöne zu erfahren. Wenn wir uns in unserem Umfeld gut aufgehoben fühlen, spornt uns das zu Höchstleistungen an und wir setzen alles daran, unser Potenzial und unseren Lebenssinn zu realisieren.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
»Du kannst alles schaffen, was du dir in den Kopf gesetzt hast.« Das stimmt nicht, und diese Aussage offenbart die Naivität der Person, die diesen Ratschlag erteilt.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
»Ich würde Ihnen gerne einige Fragen stellen, können wir telefonieren oder uns auf eine Tasse Kaffee treffen?« Nein. »Ich hätte Lust, dich zu treffen, hast du Zeit?« Nein. »Ich denke, ich erfülle Ihre Kriterien, um als Gast in Ihrem Podcast Finding Mastery
aufzutreten – können wir einen Termin vereinbaren?« Nein.
Ich sage Nein zu Leitungswasser, das mir im Lokal angeboten wird.
Ich sage Nein zu öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern.
Ich sage Nein zu Telefonaten, die ich nicht in meinem Auto führen kann (am besten ruft man mich also an, wenn ich gerade unterwegs bin).
Ich sage Nein zu neuen Projekten und Geschäftsideen.
Ich sage Nein zu unwichtigen oder belanglosen Interviews.
Ich sage Nein zu einer beruflichen Zusammenarbeit (und potenziellen Kunden), wenn die betreffende Person nicht gewillt oder interessiert ist, hart zu arbeiten, engagiert zu arbeiten und sich unbekannten Situationen anzupassen.
Ich sage Nein zu industriell hergestelltem Essen.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Tief atmen, wenn sich mein Körper in einem hohen Erregungszustand (interne Aktivierung) befindet.
Musik hören und mich bewegen (spazieren gehen), wenn meine geistige Aufmerksamkeit nachlässt.
Mein E-Mail-Postfach geschlossen halten, wenn ich das Gefühl habe, »auf dem Laufenden« bleiben zu müssen, und meine Produktivität darunter leidet.