»Nachdem ich bei Oracle angefangen hatte … bekam ich Larry Ellisons altes Büro, das er nicht komplett ausgeräumt hatte. Er hatte mir rund 40 Exemplare von The Mythical Man-Month hinterlassen.«
MARC BENIOFF
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MARC BENIOFF ist Philanthrop, aber auch Chairman und CEO von Salesforce. Als Cloud-Computing-Pionier gründete Marc das Unternehmen 1999 mit der Vision, eine Unternehmenssoftwareschmiede mit einem cloudbasierten Technologiemodell, ein neues Pay-As-You-Go-Geschäftsmodell und ein neues integriertes Modell für Unternehmensphilanthropie aufzubauen. Unter seiner Leitung entwickelte sich Salesforce von einer Idee in ein Fortune-500-Unternehmen – zu einem der wachstumsstärksten fünf Software-Anbieter weltweit und zum globalen Marktführer für CRM. Er wurde unter den »World’s 50 Greatest Leaders« (Fortune ), den »50 Most Influential People« (Bloomberg Business Week ), den 20 »Best-Performing CEOs« (Harvard Business Review ), den »Best CEOs in the World« (Barron’s ) und als »Innovator of the Decade« (Forbes ) geführt. Außerdem erhielt er den Innovation Award von The Economist . Marc gehört dem Board of Trustees des Weltwirtschaftsforums an und hat drei Bücher geschrieben, darunter der US-Bestseller Behind the Cloud , der schildert, wie er Salesforce von null zu einem Jahresumsatz von 1 Milliarde US-Dollar führte. Derzeit ist er einer von nur vier Unternehmern in der Geschichte, dem es gelang, ein Unternehmenssoftwareunternehmen aufzubauen, das im Jahr über 10 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet (die anderen drei sind Bill Gates von Microsoft, Larry Ellison von Oracle und Hasso Plattner von SAP).
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
Eines der einflussreichsten Wirtschaftsbücher, das ich je gelesen habe, ist Managing von Harold Geneen, Ex-Chef von ITT. Es veränderte nicht nur mein Leben, sondern auch meine gesamte Herangehensweise ans Geschäft. Er ist ein Manager der alten Schule, und sein Buch eine Chronik seiner Führung bei ITT. Sehr viel, was wir bei Salesforce machen, basiert auf seinen Methoden – etwa unsere operativen Quartalsberichte, die uns heilig sind.
The Mythical Man-Month von Frederick P. Brooks, Jr. ist ein weiteres Buch, das mich stark beeinflusst hat. Nachdem ich bei Oracle angefangen hatte, wurde ich 1990 zum jüngsten Vice President befördert. Damals bekam ich Larry Ellisons altes Büro, das er nicht komplett ausgeräumt hatte. Er hatte mir rund 40 Exemplare von The Mythical Man-Month hinterlassen.
Larry hatte dieses Buch jeder Führungskraft in der Softwarebranche in die Hand gedrückt, der er im Unternehmen begegnete. In dem Büchlein steht, dass gute Software in kleinen Teams entwickelt werden sollte. Mit 100, 1000 oder gar 2000 Entwicklern klappt das nicht. Ironischerweise beschäftigte Oracle (damals unser Konkurrent), wie ich mich erinnern kann, als wir Salesforce gründeten und erste Erfolge verbuchten, 2000 CRM-Entwickler und stellte im Grunde die Frage in den Raum: »Wie könnte uns Salesforce je das Wasser reichen?« Ich würde sagen, wegen The Mythical Man-Month . Kleine Teams sind in der Softwarebranche immer stärker als große. Was für ein glücklicher Zufall, dass ich das Buch in Larrys Schublade fand.
Ein drittes bedeutsames Buch ist The Good Heart vom Dalai Lama. Für mich war das ein sehr wichtiges Buch, denn als ich es las, setzte ich mich gerade mit allen Weltreligionen auseinander. Der Untertitel »A Buddhist Perspective on the Teachings of Jesus« stimmte mich zunächst skeptisch. Doch dann war ich total begeistert. Am besten gefiel mir die Ansicht des Dalai Lama bezüglich der Konvertierung zum Buddhismus. Er schrieb, wer einer anderen Religion angehöre, solle bitte nicht zum Buddhismus konvertieren. Der schnellste Weg zu Erleuchtung und Seelenfrieden und dem eigenen guten Herzen sei die eigene Religion. Auf der Grundlage dieses Buches veränderte ich meine spirituelle Philosophie. Es war für mich wie ein Neustart in der Religion, in die ich hineingeboren wurde. Ich verschrieb mich stärker dem jüdischen Glauben und lotete diesen als meinen Hauptweg aus.
Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt?
Ganz besonders mag ich dieses Shirt, das ich mir bei Under Armour gekauft habe. Darauf steht das Motto des Basketballstars Stephen Curry: »I can do all things.« Auf den ersten Blick wirkt das wie ein Ego-Statement. Aber wusstest du, dass Curry, MVP der Golden State Warriors, ein religiöser Mensch ist? Er holte sich dieses Zitat aus der Bibel, aus Philipper, 4 Vers 13. Dort steht: »Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.« Diesen Vers sagt Curry vor jedem Wurf im Court auf.
Er wurde zu einem seiner wichtigsten Leitsätze. Er steht auf seinen Schuhen und auf seinem Trikot. Es ist ein motivierendes, wirkungsvolles Motto, das einen Menschen nicht nur auf sich selbst ausrichtet, sondern auf etwas Größeres.
Die meisten Menschen denken vermutlich, wenn sie das Motto sehen, es ginge dabei nur um ihn. In Wirklichkeit geht es aber um seinen Glauben. Ich habe mir gleich mehrere Shirts gekauft, und sie gefallen mir richtig gut.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Ich betrachte jeden Fehlschlag als Lernprozess und versuche, mich bewusst damit auseinanderzusetzen. Ich kaue eine Weile darauf herum, bis ich etwas Wertvolles finde, was ich daraus mitnehmen kann.
Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren wurde unsere Niederlassung in Japan zu klein. Zufällig hatte ich damals einen Termin mit dem Chef der japanischen Post in Tokio. Er zeigte mir seinen Neubau, der am ursprünglichen Standort der Japan Post gleich neben dem Kaiserpalast und dem Tokioter Hauptbahnhof in einem ganz besonderen Viertel Tokios namens Marunouchi erbaut worden war. Er erklärte mir, er sei von Salesforce begeistert, hätte gern, dass wir in sein Hochhaus einziehen, und bot uns sogar an, es nach uns zu benennen. Geehrt und geschmeichelt fuhr ich mit dem Aufzug in Begleitung des Architekten auf und ab, um alle Etagen zu besichtigen. Der oberste Stock sagte mir nicht zu, denn nach dem jüngsten Erdbeben befürchtete ich, unsere Beschäftigten würden nicht gern dort arbeiten. Die menschlichen Proportionen der mittleren Stockwerke sprachen mich an. Also wählte ich vier Etagen in der Mitte aus. Nach dem Einzug merkte ich erst, dass der oberste Stock in Wirklichkeit der absolut coolste war – mit einer Dachterrasse. Ich hätte mich dafür und für ein paar Etagen weiter unten entscheiden können. Außerdem hatte ich abgelehnt, das Gebäude nach uns zu benennen.
Das machte mir ein paar Jahre zu schaffen. Später wurden wir Ankermieter in Bürogebäuden in aller Welt – in London, New York, San Francisco, München und Paris. Jedes der Gebäude heißt nicht nur Salesforce Tower, sondern wir belegten auch jeweils die oberste Etage – und ein paar weiter unten liegende. Ich lernte aus der Erfahrung in Japan, eine Immobilienstrategie für Salesforce zu entwickeln. Das ist ein Beispiel dafür, wie ich dazugelernt habe: Wenn mich etwas ärgert, sollte ich mich fragen, was ich daraus lernen kann. Vermutlich ergibt sich in Zukunft eine Gelegenheit, bei der ich es dann besser machen kann.
Die obersten Etagen in den Salesforce Towers nutzen wir als offenen Bereich. Wir nennen sie »Ohana«-Etagen. Ohana ist Hawaiianisch und steht für »Familie« – und für uns, also Beschäftigte, Kunden, Partner und die Community. Auf den Ohana-Etagen finden tagsüber Sitzungen, Veranstaltungen und Teamarbeit statt. Alle Beschäftigten können sie nutzen. Benötigt das Unternehmen die Ohana-Etage nicht selbst, wird sie NROs und gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung gestellt. Die oberste Etage des Salesforce Tower San Francisco ist die höchste in der Stadt. Ein toller Ausblick!
Welche Überzeugung, Verhaltensweise oder Gewohnheit, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, hat dein Leben am meisten verbessert?
Ich habe meine Ernährung im Griff. Ich ernähre mich jetzt zuckerarm – nach dem, was Tim Ferris als Slow-Carb-Diät bezeichnet, die ich voll und ganz unterschreibe. Außerdem versuche ich, jede Woche einen Tag frei zu nehmen und zu fasten. Das hat mir viel gebracht.
Mein Freund, der Illusionist David Blaine, hat in einem Plexiglascontainer über der Londoner Innenstadt 44 Tage lang gefastet. Damals habe ich beschlossen, dass ich doch sicher wenigstens einen Tag pro Woche ohne Essen auskommen könnte.
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Ich liebe mein Peloton Bike. Ich setzte mich gern mal 45 Minuten drauf, um mir Bewegung zu verschaffen und soziale Kontakte zu Menschen aus aller Welt zu unterhalten, die zur gleichen Zeit trainieren. Mein Lieblingstrainer ist Cody Rigsby. Bei einem aktiven Work-out versuche ich, mich unter den besten 10 Prozent der Gruppe zu halten.
So bekomme ich ein ausgezeichnetes, hochintensives Intervalltraining, werde dabei musikalisch unterhalten und vom Trainer betreut. Ich erfahre mehr über meinen Körper und baue Stress ab – alles sehr wichtig für mich.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Werdet Paten einer K-12-Schule.« Nichts ist wichtiger als die Ausbildung unserer Kinder. Kinder ohne Primär- und Sekundärbildung haben keine Zukunftschancen – vor allem nicht in Jobs, die Kompetenzen in Kernfächern wie Mathematik und Schreiben erfordern. Ich bin Pate meiner örtlichen Schule, der Presidio Middle School in San Francisco. Dass ich die Schule wählte, die einst meine Mutter besuchte, erfuhr ich erst hinterher. Es war fast, als würde mich irgendetwas dorthin ziehen.
Als Schulpaten können wir mit relativ geringem Einsatz enorme, bleibende Effekte erzielen. Schulen haben heute oft gar keine Beziehungen zu den umliegenden Gemeinden, die örtliche Wirtschaft eingeschlossen. Du kannst das ändern, indem du einfach bei deiner nächstgelegenen Schule anklopfst und die Schulleitung fragst, wie du helfen kannst. Du wirst überrascht sein, wie einfach sich das Leben von Schülern positiv beeinflussen lässt. Natürlich kannst du dich auf konfessionelle Schulen oder Charter-Schulen und andere Schulen konzentrieren, doch die stellen in den USA nicht die große Mehrheit dar. Die 3,5 Millionen Lehrer an öffentlichen Schulen in den USA, die im Schnitt 38.000 Dollar im Jahr verdienen, brauchen unsere Hilfe und unsere Unterstützung, um unsere Kinder fit zu machen für die Zukunft. Das kann nur funktionieren, wenn wir alle mittun und Schulpaten werden.
Seit 2013 ist Salesforce Partner der Schulbezirke der Bay Area und engagiert sich dafür, den Informatikunterricht zu verbessern. Bisher hat Salesforce.org 22,5 Millionen Dollar an Schulbezirke in San Francisco und Oakland gespendet und Technologie und Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Das Wichtigste ist dabei aber nicht das Geld, sondern die Zeit, die unsere Beschäftigten an diesen Schulen zugebracht haben, als Mentoren und Tutoren von Schülern, um in Erfahrung zu bringen, was dort gebraucht wird, und um die Probleme zu verstehen. Bisher haben unsere Beschäftigten ehrenamtlich 20.000 Stunden Schuldienst geleistet.
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
Eine meiner besten Investitionen war die in meine Meditationspraxis. In aller Regel bete und meditiere ich morgens 30 bis 60 Minuten. Ich gebe mittlerweile auch Meditationskurse in meiner Synagoge. Ich meditiere seit über 25 Jahren und halte das für eine entscheidende Voraussetzung für meinen Erfolg.
Auf diese Fertigkeit habe ich zurückgegriffen, wenn in meinem Leben nicht alles nach Plan lief. In schweren Zeiten – ob beim Tod meines Vaters, bei gesundheitlichen Problemen von Angehörigen oder extremer Belastung bei Salesforce oder Sorgen um die Zustände auf der Welt – fand ich stets Zuflucht und Stärke in meiner Meditations- und Gebetspraxis. Diese Investition zahlt sich immer wieder aus.
Besonders beeinflusst hat mich der Zenmeister Thich Nhat Hanh, der in Plum Village lebt, einem Kloster im Südwesten Frankreichs. [Anmerkung von Tim: Thich Nhat Hanhs Buch Peace Is Every Step hatte auch enormen Einfluss auf mein Leben.] Als Thich Nhat Hanh 2014 einen Schlaganfall erlitt, zogen er und seine 30 führenden Ordensleute für sechs Rehabilitationsmonate bei mir ein. Mehr als jedes Buch hat mich die Erfahrung bewegt, mitzuerleben, wie sie leben.
Ein paar Dinge, die hängengeblieben sind: Sie praktizierten engagiert jeden Tag, hielten sich streng an ihre Gebote, reisten nur in der Gruppe und hielten immer zusammen.