»Wenn du Kritik vermeiden willst, sage nichts, tue nichts, sei nichts.« – Elbert Hubbard
DANIEL NEGREANU
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DANIEL NEGREANU ist ein professioneller Poker-Spieler aus Kanada, der sechs Turniere der World Series of Poker (WSOP) und zwei Meistertitel der World Poker Tour (WPT) gewonnen hat. Im Jahr 2014 wurde er von dem unabhängigen Ranking-Dienstleister Global Poker Index (GPI) als bester Spieler des Jahrzehnts bezeichnet. Seit seinem zweiten Platz beim Turnier Big One for One Drop im Jahr 2014, bei dem er mehr als 33 Millionen Dollar Preisgeld einsammelte, gilt Negreanu als der größte Gewinner eines Live-Pokerturniers aller Zeiten. 2004 und noch einmal 2013 wurde er als WSOP Player of the Year ausgezeichnet – der erste (und einzige) Spieler in der Geschichte der WSOP, der diesen Preis mehr als einmal gewann. Ebenso war er WPT Player of the Year 2004-2005. Negreanu ist der erste Spieler, der es bei jedem der WSOP-Turniere mit einer Titel-Chance (in Las Vegas, Europa und Asien-Pazifik) an den Finaltisch schaffte, wo er dann tatsächlich auch gewann. Im Jahr 2014 wurde er in die Poker Hall of Fame aufgenommen.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
The Four Agreements von Don Miguel Ruiz. Es ist schnell zu lesen, nur ungefähr 140 Seiten, und genau seine Einfachheit macht dieses Buch so wirkungsvoll. Immer wenn ein Freund von mir sich auf den Weg der Selbsterkundung macht, schenke ich ihm erst mal dieses Buch.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich auf einer meiner ersten Reisen von meiner Heimatstadt Toronto nach Las Vegas mein gesamtes Geld verlor. Es war ungefähr 4 Uhr morgens, und ich spielte an einem Tisch mit acht Personen. Ich verlor meinen letzten 5-Dollar-Chip und ging zu den Toiletten. Als ich zurückkam, schaute ich zu dem Tisch, an dem ich gespielt hatte, und stellte fest, dass alle Spieler weg waren. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir klar, dass ich hier das leichte Opfer gewesen war. Sie hatten wegen mir gespielt. Ich war ihr Tourist für diesen Abend.
Ich habe mir das Gesicht von jedem dieser Spieler gemerkt und war entschlossen, dass mir das nie mehr passieren würde. Ich arbeitete in Toronto noch härter an meinem Spiel, weil ich das Ziel hatte, zurück nach Las Vegas zu gehen und jeden der Spieler zu schlagen, gegen die ich in dieser Nacht verloren hatte.
Später wurde dann einer von ihnen, ein Mann, den jeder Hawaiian Bill nannte, so etwas wie ein Mentor für mich. In dieser ersten Nacht habe ich ihn gehasst, aber ich wurde dann reifer, und indem ich ihn bei der Arbeit beobachtete, lernte ich, was man braucht, um ein Poker-Profi zu sein.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum? Gibt es Zitate, an die du häufig denkst oder nach denen du lebst?
»Wenn du Kritik vermeiden willst, sage nichts, tue nichts, sei nichts.« – Elbert Hubbard
Dieses Zitat hat eine tiefe Bedeutung für mich, ähnlich wie das »Mann im Kampf«-Zitat von Theodore Roosevelt. Es ist eine Erinnerung daran, dass man garantiert auf Kritik stoßen wird, wenn man Normen infrage stellt oder seine Stimme erhebt, dass es sich letztlich aber trotzdem lohnt. Die Alternative besteht darin, unsichtbar zu sein, und so möchte ich mein Leben nicht leben.
Was ist das beste oder lohnendste Investment, das du je getätigt hast (in Form von Geld, Zeit, Energie etc.)?
Ich habe in Menschen investiert, denen ich vertraue. Mein Manager Brian Balsbaugh ist über die Jahre ein wunderbarer Freund und Vertrauter von mir geworden, und es ist von unschätzbarem Wert, Ideen mit ihm durchgehen zu können. Außerdem bezahle ich einem persönlichen Assistenten ein übertriebenes Gehalt dafür, dass er mir dabei hilft, meine freie Zeit besser zu nutzen.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Die Erkenntnis, dass alle Ereignisse zunächst einmal neutral sind und dass ich wählen kann, wie ich auf sie reagiere. Ich kann mich entscheiden, ein Opfer meiner Umstände zu sein, oder ich kann die Verantwortung dafür übernehmen, wie ich mit meinen Umständen umgehe. Die zweite Variante ist ein viel mächtigerer Ausgangspunkt. Als Opfer dagegen befindet man sich in einer hilflosen Situation, die selten produktiv ist.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
Im Poker wird das »Pokerface« romantisiert. Man bekommt dadurch den Eindruck, man müsse ausdrucks- und emotionslos sein, um bei diesem Spiel Erfolg zu haben. Dass es dabei nur auf die Zahlen und auf die Mathematik ankommt. Dass Emotionen am Poker-Tisch keine Rolle spielen.
Das stimmt einfach nicht. Wenn wir Roboter wären, wäre dieser Ansatz optimal, aber das ist nicht realistisch. Besser ist es, die Emotionen anzuerkennen, die man fühlt, wenn man gewinnt oder verliert, und offen für sie zu sein. Emotionen oder Frustration am Poker-Tisch wegzudrücken, ist nicht die richtige Methode.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Früher habe ich zu Leuten, die etwas von mir wollten, oft gesagt, »klar, hört sich nicht schlecht an, ich schau mal in meinen Kalender, und dann machen wir was aus«. Die Hoffnung dabei war, dass nichts daraus werden würde, aber letztlich wurde ich dann ständig wegen irgendwelcher Treffen bedrängt, die ich gar nicht wollte. Also musste ich mir dauernd neue Ausreden ausdenken, warum ich keine Zeit habe. Warum macht man sowas? Na ja, ich ging naiv davon aus, dass ich auf diese Weise nicht die Gefühle irgendwelcher Leute verletzen würde. Irgendwann aber habe ich gemerkt, dass es genau auf das Gegenteil hinauslief. Ich war nicht integer und verschwendete ihre Zeit.
Also habe ich gelernt, ehrlich und gleichzeitig respektvoll zu sein: »Vielen Dank, dass Sie an mich gedacht haben, ich weiß das sehr zu schätzen. Leider möchte ich mich bei dem Projekt nicht engagieren, aber ich wünsche Ihnen alles Gutes damit.« Das mag erst einmal etwas enttäuschend für die Leute sein, ist aber trotzdem viel besser.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Ich mache eine Übung, die mir dabei hilft, in der Realität der Situation präsent zu werden. Ich erzähle mir selbst meine Geschichte aus der Perspektive eines Opfers, und dann dieselbe Geschichte aus der Perspektive 100-prozentiger Verantwortung,
Das Opfer sagt: »Ich bin zu spät zu einer wichtigen Veranstaltung gekommen, weil meine Freundin zu lange gebraucht hat, um sich fertigzumachen. Es war nicht meine Schuld.«
Die Verantwortung sagt: »Ich erkenne den Fehler an, dass ich zu spät gekommen bin. Für die Zukunft nehme ich mir vor, alles dafür zu tun, was ich kann, um dafür zu sorgen, dass ich pünktlich bin.«
Indem ich mir selbst die Opfer-Geschichte erzähle, kann ich kurz Dampf ablassen. Wenn ich damit fertig bin, führe ich mir vor Augen, dass ich meiner Freundin hätte sagen müssen, dass ich auf keinen Fall zu spät kommen möchte. Ich hätte ihr sagen müssen, dass ich ohne sie losgehen muss, wenn sie nicht rechtzeitig fertig ist.