Luisa Lattes
Via Frusa 14
50131 Firenze
Bolgheri, 11. September 1981
Luisa, meine Luisa,
nein, nicht meine, leider, Luisa, Punktum (Luisa Luisa Luisa Luisa Luisa Luisa Luisa Luisa, Dein Name hämmert in meinem Kopf, und ich weiß nicht, wie ich das abstellen soll): Ich bin davongelaufen, sagst Du. Das stimmt, aber nach dem, was geschehen ist, und dem Schuldgefühl, das mich überfallen hat, bin ich lange unglaubliche Tage niemand mehr gewesen, nicht ich und auch kein anderer. Ich war wie in Trance, ich dachte, ich wäre an allem schuld, weil ich bei Dir war, als es geschah, weil ich glücklich war mit Dir. Das denke ich immer noch.
Jetzt sagen alle, es sei Gottes Wille gewesen, oder es sei Schicksal gewesen, und all dieser Scheiß, und ich habe bis aufs Messer mit Giacomo gestritten und ihm die Schuld gegeben und will auch meinen Eltern nicht ins Gesicht sehen. Zu wissen, wo sie sind, dient mir nur dazu, mich woanders aufzuhalten. Ich bin zwar weggelaufen, meine Luisa, nein, nicht meine, leider, Luisa, Punktum (Luisa Luisa Luisa Luisa Luisa, Dein Name hämmert in meinem Kopf, und ich will es nicht abstellen), aber in die falsche Richtung, wie die Fasane bei den Waldbränden, die ich gesehen habe, als ich Feuerwehrmann war, wie sie zu Tode erschrocken aufflogen und wie wahnsinnig auf das Feuer zuflogen, sich ihm näherten, anstatt sich von ihm zu entfernen, ihm zu nahe kamen, bis sie hineinstürzten. Ich war mir nicht bewusst wegzulaufen, es gab so viele schreckliche Dinge zu tun, und da war diese Posse der Montecchi und Capuleti, die es unmöglich machte, durch die Hecke zu gehen (aber ich war geschockt, es war trotzdem möglich, Luisa, ich leugne es nicht, Luisa Luisa Luisa Luisa), und ich bin nicht durch sie gegangen, ich habe Dich nicht einmal gegrüßt.
Jetzt bin ich hier, allein, ich meine wirklich allein, alle sind abgefahren, sie haben gesagt, dass sie nie mehr den Fuß auf einen Strand setzen würden, dass sie nie wieder Ferien machen würden; und auch ihr seid abgefahren, und ich gehe immer und immer wieder durch die Hecke, jetzt, und niemand sieht mich, und ich gehe zum Strand, ich gehe zu den Mulinelli, ich gehe hinter die Dünen, und ich denke an Dich, ich denke an Irene, an das Glück und an die Verzweiflung, die im selben Augenblick und am selben Ort über mich hereingebrochen sind, und möchte beide nicht verlieren, ja, ich will beide, dabei habe ich Angst, auch sie zu verlieren, diesen Schmerz zu verlieren, das Glück zu verlieren, dich zu verlieren, Luisa, wie ich meine Schwester verloren habe, und vielleicht habe ich Dich schon verloren, weil Du sagst, ich sei weggelaufen, und leider stimmt es, ich bin weggelaufen, aber nicht vor Dir, ich bin nur in die falsche Richtung weggelaufen, wie diese Fasane, Luisa Luisa Luisa Luisa Luisa, ich bitte dich, Du bist gerade erst geboren worden, stirb nicht auch Du, und auch wenn ich weggelaufen bin, warte auf mich, verzeih mir, umarme mich, küss mich, der Brief ist nicht zu Ende, nur das Blatt ist zu Ende,
Marco