Marco Carrera
c/o Adelino Viespoli
Via Catalani 21
00199 Roma
Italia
Paris, 16. 12. 1999
Es ist passiert, meine Güte, es ist passiert. Es ist passiert, und niemand hat es bemerkt. Das ist ein unverschämter Brief, Marco, und ich weiß nicht, was ich sagen soll, wie immer.
Es stimmt, ich bin nicht glücklich, aber niemand ist schuld daran, die Schuld liegt ganz bei mir. Nein, das ist nicht richtig, ich hätte nicht Schuld schreiben sollen, vielleicht sollte ich »die Sache« sagen, nicht die Schuld.
Ich bin mit dieser Sache geboren worden, ich schleppe sie seit 33 Jahren mit mir herum, und niemand kann etwas dafür, es ist ganz allein meine Sache, wie das Schuldgefühl, dafür ist niemand verantwortlich, es reicht, dass man nicht als Arschloch geboren wurde, und schon hat man es.
Und was sage ich Dir jetzt? Ich sage Dir, ja, Du hättest jetzt die Gelegenheit herauszufinden, ob das, was Du denkst und was Du schreibst, wahr ist, ohne dass Du reich und schön sein musst. Du bist jetzt rein wie ein Spatz, Du hast keine Schuld, Du kannst wieder bei null anfangen, Du kannst auch Fehler machen, wenn Du willst, da Du danach ja noch mal von vorn anfangen kannst.
Ich nicht, Marco, ich befinde mich in einer ganz anderen Situation, und ich sollte sie aus eigenem Antrieb ändern, vielleicht hätte ich dann wirklich keinen Frieden mehr. Aber ich weiß, dass Du mich verstehst, denn Du bist wie ich, Du liebst wie ich, wir leben in der Furcht, denen weh zu tun, die uns nahe sind.
Ich glaube, Du bist der beste Teil meines Lebens, derjenige ohne Lügen, ohne Betrug, ohne Stinkwut (Du hast mich jetzt gerufen, jetzt verliere ich mich), der Teil, den man träumen kann, auch nachts, denn ich träume immer noch von Dir.
Wird es ein Traum bleiben? Wird alles geschehen? Wird etwas geschehen? Ich bin hier, und ich warte auf Dich, ich will nichts tun, ich will, dass die Dinge von allein geschehen. Ich weiß, das ist eine Scheißtheorie, da mir nie etwas passiert, aber ich kann keine Entscheidungen treffen, nicht in dieser Sache, nicht in diesem Augenblick.
Vielleicht habe ich mich in all diesen Jahren darin geübt, nichts zu tun, um in dieser Sache erfolgreich sein zu können. Welche Sache? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich fange an zu phantasieren, ich breche ab.
Luisa