»Bist du wach?«, fragt Miraijin.
»Ja.«
»Carradori ist gekommen.«
»Endlich. Wo ist er?«
»Ich hab ihm gesagt, dass du dich ausruhst. Er macht einen Strandspaziergang mit Großmutter.«
»Oh.«
Miraijin hockt sich neben das Bett.
»Ich muss dir etwas gestehen«, sagt sie.
»Was?«
»Ich schaffe es nicht, es vor dir zu verbergen.«
»Was hast du gemacht?«
»Versprichst du, nicht wütend zu werden?«
»Versprochen.«
»Ich habe angefangen, zum Psychoanalytiker zu gehen.«
Er ist versucht, ihr mit der Erwiderung Francesco Ferruccis zu antworten: »Feigling, du tötest einen Toten«, aber er hält sich zurück. Miraijin hat diesen Zynismus nicht verdient. Wenn sie ihm das gestanden hat, darf man darüber keine Scherze machen. Das ist eine Anwandlung von Aufrichtigkeit. Wie viel Stärke verlangt es, hier in diesem Augenblick neben ihm zu hocken, mit einem Lächeln auf den Lippen? Sie hat das Recht auf eine richtige Antwort.
»Der Glückliche«, erwidert Marco Carrera. »Ich beneide ihn.«
»Und warum?«
»Er hat Zugang zu deinem Unbewussten. Wer weiß, wie schön auch das ist.«
Miraijin schlägt die Augen nieder, wie immer, wenn sie ein Kompliment bekommt. Marco streckt daraufhin den Arm nach ihrem Kopf aus, und ein heftiger Schmerz durchzuckt seine rechte Seite. Aber das war es wert, denn jetzt kann er mit der Hand (zum letzten Mal? zum vorletzten?) ihr unglaubliches Haar streicheln. Er berührt es, und es geschieht etwas, das sich nicht beschreiben lässt: Es ist üppig, aber es scheint flüssig zu sein; nein, nicht flüssig, fließend; nein, auch nicht; er hat das Gefühl, die Hand in eine Schüssel mit Schlagobers zu stecken. Tiefschwarzes Schlagobers allerdings.
»Und wie geht es dir damit?«
»Gut.«
»Ist es ein Mann oder eine Frau?«
»Ein Mann.«
»Und wie sieht er aus?«
»Mager, gut. Er ähnelt dir. Ich mag ihn bereits.«
»Haben wir ihn auch eingeladen?« Das ist ihm so herausgerutscht, aber es ist nicht zynisch gemeint.
»Dummkopf.«
Miraijin erhebt sich.
»Er heißt Rodrigo, wenn du kommen willst«, sagt sie. »Er ist draußen vor der Tür, als wäre er eine Wache. Ich habe ihm einen Stuhl gegeben, aber er steht lieber.«
Sie verlässt das Zimmer. Es ist das, in dem Probo immer geschlafen hat, das schönste des Hauses, mit der Terrassentür, die direkt in den Garten führt. Nach dem Tod des Vaters nahm Marco es nicht für sich, wie es natürlich gewesen wäre, er zog das seiner Mutter vor. Warum? Er erinnert sich nicht. »Gästezimmer« wurde es sofort von Lucia, der Tochter von Signora Ivana, umbenannt; aber Gäste hat es in dem letzten Vierteljahrhundert nicht mehr gegeben. Marco Carrera erinnert sich an niemanden, der seit Probos Tod in diesem Zimmer gewohnt hat. Ist das so? Die Freundinnen, die Miraijin vor ein paar Jahren eingeladen hatte, schliefen immer bei ihr. Vielleicht Luisa? Als sie das letzte Mal kam, als ihr Haus gleich nebenan bereits verkauft war, hat sie tatsächlich bei ihm geschlafen. In diesem Zimmer? Marco Carrera erinnert sich nicht. Das ist so viele Jahre her. Alles dort ist vor so vielen Jahren geschehen.
Er könnte allerdings die Terrassentür öffnen und sie fragen: »Luisa, als du das letzte Mal hier gewesen bist, hast du da in diesem Zimmer geschlafen?« Denn Luisa ist draußen im Garten, Marco kann sie durch den Vorhang sehen. Sie spricht mit Giacomo, denn auch Giacomo ist da. Eigentlich spricht er, und sie hört zu. Was sagt er? Jetzt geht Miraijin zu ihnen, jetzt streift sie die Hand des Großonkels, den sie bis gestern noch nie gesehen hatte, und verschwindet aus Marcos Blickfeld. Geht sie zum Strand zu ihrer Großmutter und Carradori?
Miraijins Idee, sie einzuladen, war ungeheuerlich gewesen. »Wie in dem Film, den ich mit dir im Cineforum gesehen habe«, hatte sie gesagt. »Wie hieß er noch?« Marco Carrera hatte sich nicht erinnern können. Ehrlich gesagt, konnte er sich nicht einmal mehr an den Film erinnern. Die Metastasen haben sein Gehirn angegriffen, das Gedächtnis kommt und geht.
Die Idee, sie einzuladen, war ungeheuerlich und verblüffend. Marco hätte im Traum nicht daran gedacht. Das Leben ging seinen normalen Gang, und es wäre ihm niemals in den Sinn gekommen, es ausgerechnet am Ende zu verbessern. Von Luisa hatte er seit wie vielen Jahren nichts mehr gehört? Viele, wie viele genau erinnert er sich nicht. Von Giacomo? Noch länger. Mit Luisa hatte er Schluss gemacht, daran erinnert er sich gut, in den letzten Jahren hat sie ihm Briefe geschrieben, die er nie beantwortet hat. Mit Giacomo war es das Gegenteil; jahrelang hat Marco ihm geschrieben, hat aber nie eine Antwort erhalten, bis er es schließlich aufgab. Auch daran erinnert er sich gut. Wie konnte sie sie einladen? »Wäre es dir denn recht, Opa?«, hat Miraijin ihn gefragt. »Würde es dir Freude machen?« Er hatte sich ausgetrickst gefühlt. »Ich weiß nicht«, hatte er geantwortet, aber er war sich nicht einmal sicher gewesen, ob er es nicht wusste; ihm war nur ein Satz eingefallen, der gut zu der Situation passte: »Ubi nihil vales, ibi nihil velis« — ohne sich zu erinnern, wer es gesagt hatte. Er erinnerte sich aber gut an seine Bedeutung: Wo du nichts giltst, hast du nichts zu suchen — denn genau so fühlte er sich. Wahrscheinlich hatte das Mädchen seine Verwirrung bemerkt, weil sie eine ihrer unwiderstehlichen Argumentationsweisen hinzugefügt hatte, die aus ihr machten, was sie war. »In Wirklichkeit frage ich das nicht für dich«, hatte sie gesagt, »sondern für mich, für uns, die wir bleiben.« Für uns, die wir bleiben: Sie hatte also an alle gedacht, sie, die diese alle nicht einmal kannte. Sie kannte ihren Großvater, sie kannte Greta und ganz vage Carradori; von den beiden anderen wusste sie, dass es sie gibt, nur weil er ihr von ihnen erzählt hatte, sie hatte sie nie gesehen, und doch hatte sie sich Sorgen um sie gemacht. Das war Miraijin Carrera. Auf diese Weise wurde sie ein Geschenk, das Marco denen, die bleiben, machen würde, und das Gefühl der Ohnmacht verschwand. Außerdem hatte diese Idee, die ihn verlockte, etwas Obszönes, etwas Unverschämtes; daher hatte er ja gesagt, natürlich würde es ihm Freude machen, aber er glaube nicht, dass sie kommen würden. »Mach dir deswegen keine Sorgen, darum kümmere ich mich«, hatte Miraijin gesagt. Das hatte sich vor zwölf Tagen im Wohnzimmer an der Piazza Savonarola ereignet, das in ein Krankenzimmer verwandelt worden war. Wie sie es angestellt hatte, weiß man nicht, aber alle fünf waren trotz der kurzfristigen Benachrichtigung gekommen.
Giacomo ist aus Amerika gekommen, Luisa aus Paris, Marina und Greta aus Deutschland und Carradori aus Lampedusa. Und dann sind da noch Oscar, Miraijins Freund, der aus Barcelona gekommen ist, und Rodrigo, der Krankenpfleger, der die tatsächliche Arbeit macht, und die drei Jungs des Geleitschutzes, die ebenfalls Spanier sind. Das Haus in Bolgehri ist nie so international gewesen. Guido, der Krankenpfleger, der ihn in Florenz pflegte, hatte die Stadt wegen seiner behinderten Mutter nicht verlassen können — zum Glück, denn sonst hätte er eine Ausrede erfinden müssen, um ihn nicht mitzunehmen; er ist gläubig, sehr devot und nicht der Typ, gewisse Dinge gutzuheißen. Ihr Abschied war bewegend, weil Guido verstanden hatte, dass Marco nicht mehr zurückkommen würde. Bestimmt hatte er nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde, aber die Entscheidung, die Behandlung nicht fortzusetzen und bis Ende Mai ans Meer zu fahren, sprach Bände. Es tue ihm so leid, nicht mitkommen zu können, er weinte sogar, aber er habe eine behinderte Mutter und könne nicht weg aus Florenz.
Andererseits würde alles an dieser Angelegenheit bewegend sein, so dass es für Marco eine Ehrensache war, seine Rührung nicht zu zeigen, um zu vermeiden, dass das Ganz in allgemeine Heulerei ausartete. Nein, hatte er sich gesagt, wenn das Ganze einen Sinn haben soll, dann muss es eine Art Fest sein, eine lebendige, fröhliche Erfahrung. Wirklich fröhlich würde es vielleicht nicht sein können, aber Miraijin hatte bei ihrer Organisation die Gäste als lebendige Leute betrachtet, die lebendig in die Ecken der Welt zurückkehren werden, aus denen sie kommen, und daher hatte sie dafür gesorgt, dass Beherbergung und Bewirtung ein hohes Niveau haben. Sorgfältig hergerichtete Zimmer, frischer Fisch, hausgemachte Pasta, Gemüse aus dem Garten — auch wenn Marco das Essen in der Verfassung, in der er ist, nicht mehr probieren kann. Er kann nicht mehr essen und ernährt sich schon seit Monaten nur noch durch die perkutane endoskopische Gastrostomie, das heißt durch die Magensonde, die ihm durch die Bauchdecke gelegt worden war. Aber auch wenn er es nicht mehr genießen kann, hat er seiner Enkelin dennoch geholfen, das Abendessen und das Mittagessen am nächsten Tag vorzubereiten, als handelte es sich tatsächlich um einen Empfang. Außerdem kennt er die Vorlieben der Gäste: Giacomo Meeresfrüchte, Luisa Scampi, Marina Mozzarella di bufala … lauter Informationen, die vor mehr als dreißig Jahren aktuell gewesen waren, gewiss; aber die Geschmäcker ändern sich nicht, falls sie nicht aus gesundheitlichen Gründen verboten sein sollten — und in diesem Fall würde er sie am Kopfende des Tischs mit seiner Magensonde trösten. Aber das war nicht nötig. Niemandem war seine Lieblingsspeise verboten worden — was als Zeichen für ein gewisses Glück betrachtet werden kann.
Und da gibt es noch weitere Gefahren in dem, was Marco zu tun beschlossen hat. Die erste ist der Zynismus, sagten wir — Zynismus und Sarkasmus: Marco Carrera, ein Mensch der alten Welt, hat sich stets regelmäßig beider bedient, aber in Miraijins neuer Welt sind Zynismus und Sarkasmus nicht mehr angebracht. Es gibt die Ironie, sonst nichts. Die zweite Gefahr ist die Rührung, darüber haben wir schon gesprochen. Die dritte ist das Selbstmitleid — wenn nicht sogar geradezu der Neid, etwa: Schau sie dir an, ich sterbe, und sie essen Scampi. Daher hat Marco sich während der beiden Mahlzeiten streng kontrolliert, und schon vorher, als er die Gäste bei ihrer Ankunft empfing. Keine Rührung, keine zynischen Bemerkungen, kein Selbstmitleid. Ist es ein Geschenk, das er ihnen macht, oder nicht? Und daher muss er dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlen. Ihre Anwesenheit soll eine schöne Erinnerung bleiben. Er muss perfekt sein.
Er zieht sich hoch und setzt sich aufs Bett. Er hat wieder heftige Schmerzen. Es wäre wirklich an der Zeit, das Morphin zu nehmen — was angesichts der Situation keinen Sinn hätte. Ohne Schmerzen wäre Marco jedoch selbständig, denn bis zum Ende ist noch ein langer Weg. Auch was das Aussehen betrifft, er ist noch kein Zombie geworden wie sein Vater und seine Mutter — und er wird es auch nie werden. Das ist wesentlich, um dem, was er vorhat, einen Sinn zu geben: Er will fortgehen, Marco Carrera, nicht die Beschwerden beseitigen.
Am ersten Tag wollte er, kaum angekommen, mit Miraijin einen Fahrradausflug zum Kiefernwäldchen machen. Es ist ihm auch gelungen, ganz allein, obwohl er sehr schwach war und ganz langsam und im Zickzack fuhr, und die jungen Männer des Geleitschutzes folgten ihm zu Fuß, bereit, ihn aufzufangen, sollte er das Gleichgewicht verlieren. Darüber konnte man lachen, und er und Miraijin lachten hinterher zu Hause auch darüber; das war kein Zynismus, das war Sarkasmus.
Sicher, dachte er, wenn er das Morphin nähme (oral, nicht intravenös), könnte er sogar auf eigenen Beinen in den Garten gehen. Aber im Garten müsste er sich dann trotzdem in den Rollstuhl setzen, und außerdem würden die Substanzen ihn verwirren. Gefahr Nummer vier, pathetisch sein: He, seht her, ich schaffe es ganz allein!
Doch vom Bett in den Rollstuhl schafft er es allein, das schon. Er muss das ganze Zimmer durchqueren, weil Rodrigo den Rollstuhl weit weg vom Bett hingestellt hat, um ihn genau dazu zu ermutigen. Marco Carrera steht auf und legt mit wackligen Schritten, wobei er den Infusionsständer auf Rollen hinter sich herzieht, die Distanz zurück, die ihn vom Rollstuhl trennt. Jetzt nur nicht hinfallen, denkt er. Sich jetzt nur nicht den Oberschenkel brechen. Er erreicht den Rollstuhl, überprüft, ob die Bremse angezogen ist, ist sie nicht, er zieht sie an. Er konzentriert sich und setzt sich vorsichtig, um Rückstöße zu vermeiden. Geschafft. Es war schmerzhaft, aber auch einfach. Erst als er sitzt, ruft er den Krankenpfleger. »Rodrigo«, sagt er leise. Zu leise? Nein, Rodrigo kommt sofort herein und sagt nichts dazu, dass er bereits aufgestanden ist und sich in den Rollstuhl gesetzt hat. »Gehen wir in den Garten, bitte. Tun wir es dort.«
Es ist ein milder und strahlender Nachmittag. Die Klebsamen blühen, ebenso die Bougainvilleen und der Jasmin; das Gras der Wiese ist an diesem Morgen gemäht worden, und der Duft, den diese Mischung verströmt, ist überwältigend. Luisa löst sich von Giacomo und geht auf ihn zu. Marco betrachtet sie, vergoldet von der untergehenden Sonne. Wie alt mag sie sein? 64? 63? 65? Sie hat nicht einen Millimeter ihres Körpers und ihres Gesichts korrigieren lassen, die er so leidenschaftlich begehrt hat. Sie ist immer noch wunderschön. Hinter ihr kommt auch Giacomo auf ihn zu. Auch Giacomo hat diesen Körper und dieses Gesicht geliebt. Auch Giacomo sieht immer noch gut aus. Fünfte Gefahr: die Sehnsucht. Zum Glück taucht in genau diesem Augenblick Miraijin auf dem schmalen Weg auf, gefolgt von Oscar, Marina, Greta und Carradori. Es sind also alle da, denkt Marco, wir können anfangen.
Er ist aufgeregt, das Herz schlägt heftig in seiner Brust.
Carradori kommt und begrüßt ihn herzlich. Er entschuldigt sich für die Verspätung, und Marco sagt ihm, er habe von dem Riesenstau auf der Aurelia gehört, und es tue ihm leid, dass er da hineingeraten sei. Wie immer wäre dieser Mann nichts ohne die starke magnetische Kraft seiner Augen. Er ist im gleichen Alter, wirkt aber älter. Oder nein, er, Marco, wirkt jünger. Trotz des Gewichtsverlustes, der Krankheit und der Behandlung sieht man ihm seine 71 nicht an. Durch die Chemotherapie hat er nicht seine Haare verloren, die noch alle da sind, dicht, fein und kaum grau, aufgewirbelt von der Nachmittagsbrise. Auch wenn er noch ganz passabel aussieht, ist er sich tief in seinem Innern ganz sicher, was er will. Hier und jetzt fortgehen, bevor es unerträglich wird.
Keiner redet. Niemand weiß, was er sagen soll. Marco gibt Rodrigo ein Zeichen des Einverständnisses, und dieser geht ins Haus zurück. Er hat hin und her überlegt, wie er sich in diesen letzten Augenblicken verhalten soll, was er tun und was er sagen soll. Er hat alle pathetischen Ideen, die ihm gekommen sind, verworfen, und daher: keine Musik (im ersten Augenblick hatte er an Don’t Cry No Tears von Neil Young gedacht hat, aber gleich darauf kam es ihm unpassend vor); um Himmels willen keine Abschiedsrede; keine Feierlichkeit, keine Rührung, keine Schwäche, kein Selbstmitleid. Nur eine Umarmung, das schon, mit denen, die ihn umarmen wollen, so, wie man es beim Abschied macht, und einige wenige technische Worte, um allen eindeutig zu erklären, dass sie keine Komplizen sind, geschweige denn irgendeine Verantwortung tragen.
Niemand sagt ein Wort, bis Rodrigo mit den Mitteln zurückkommt, und während er die Beutel an den Kanülen und am Infusionsständer befestigt, beginnt Marco zu sprechen.
»Also«, sagt er, »ich danke euch, dass ihr hier seid, ich bin sehr glücklich, euch bei mir zu haben. Wie ihr wisst, ist es Miraijins Idee gewesen, euch einzuladen, und da ihr alle gekommen seid, muss ich daraus schließen, dass ihr die Idee gut gefunden habt. Allerdings …«
Plötzlich schluchzt Giacomo zweimal, genau zwei Schluchzer, laut, einer nach dem anderen, innerhalb von zwei Sekunden. Marco sitzt ihm direkt gegenüber, und in diesen beiden Sekunden bleibt ihm nicht verborgen, dass sein schönes, kühles Gesicht zu einer Grimasse der Verzweiflung verrutscht, aber sofort wieder zu dem gefassten Ausdruck zurückkehrt, der ihm aufs Gesicht gedruckt ist, seit er am Tag zuvor aus dem Taxi gestiegen ist. Giacomo hat überraschend gut die Haltung bewahrt seit dem überaus heiklen Moment, an dem sie sich nach all diesen Jahren wiedergesehen haben, bis zu dem, an dem sie sich nach dem Abendessen ein wenig allein unterhalten haben, er über seine Töchter und Marco über Miraijin. Er hat Haltung bewahrt bis zu diesen zwei Sekunden, in denen alles zusammenzubrechen schien. Zum Glück ist es ihm aber gelungen, die Kontrolle wiederzuerlangen.
»Entschuldigung«, murmelt er.
Und er hört wieder zu, zerknirscht, die Hände zwischen den Beinen, als wäre nichts geschehen. Letztlich ist es eine komische Szene gewesen.
»Ich sagte, ihr müsst nicht gezwungenermaßen dabei sein. Ich bin sehr glücklich, dass ich euch wiedergesehen und mit jedem von euch gesprochen habe. Außer mit Ihnen, Doktor Carradori, wegen des Staus, durch den Sie so spät eingetroffen sind. Kurz und gut, wenn jetzt jemand von euch ins Haus oder an den Strand gehen will oder wohin auch immer, dann möchte ich, dass er das tut, ohne sich gezwungen zu fühlen, hierzubleiben.«
Er schweigt und sieht seine Zuhörer an. Giacomo bleibt sitzen. Miraijin schmiegt sich an Oscar, der seinen schönen braungebrannten Arm um ihre glänzenden Schultern gelegt hat. Luisa hat einen traurigen, aber gefassten Gesichtsausdruck. Marina erwidert seinen Blick eine Sekunde, senkt dann den Blick und schüttelt den Kopf.
»Nein, ich …«, sagt sie, »vielleicht ist es besser, wenn ich … ins Haus gehe.«
Sie blickt wieder auf, lächelt und geht. Bei ihr hat die Zeit deutliche Spuren hinterlassen — die Zeit und die Medikamente. Die verwundete Gazelle. Aber mit den Jahren ist es besser geworden, dank der Aufmerksamkeiten von Miraijin, so dass sie wieder in der Lage ist, sich zu bewegen und selbständig zu leben. Marco folgt ihr mit dem Blick, bis sie durch die Küchentür verschwunden ist, dann richtet er die Augen auf Greta, Adeles Schwester.
»Und du?«
Greta ist ein schönes deutsches Mädchen, um die dreißig inzwischen, mit ganz kurzen Haaren und Tätowierungen auf den Armen. Adele war, bevor sie starb, kaum Zeit geblieben, sie besser kennenzulernen, aber zwischen ihr und Miraijin hat sich sofort eine intensive und tiefe Beziehung entwickelt, als wären sie beide Schwestern — und das dank Marcos jahrelangen Bemühungen, indem er seine Enkelin nach Deutschland zu ihrer Großmutter und zu ihr mitnahm und sie Zeit miteinander verbringen ließ. Angesichts Marinas jetzigem Zustand kann man sagen, dass Miraijin dank dieser Reisen nach Deutschland und der Vertrautheit, die sich zwischen ihr und der Schwester ihrer Mutter entwickelt hat, nicht allein auf der Welt bleiben wird.
»Nein, Marco«, sagt Greta, »ich bleibe.«
Ihre Gesichtszüge sind hart wie ihre Aussprache, aber auch leuchtend, irgendwie leicht triumphierend. Sie scheinen in Metall geritzt zu sein. Marco atmet tief ein, verscheucht den Gedanken an Marina, die allein im Haus weint — wie schwierig ist das doch, verflucht noch mal —, und fährt fort.
»Ich möchte euch noch ein paar Worte als Arzt sagen, der ich vierzig Jahre lang gewesen bin, damit ihr erkennt, dass ich das, was ich tun werde, ich ganz allein, aus eigenem Willen und bei völliger geistiger Klarheit tue. Rodrigo hier tut mir lediglich einen Gefallen, indem er mir zwanzig, dreißig Sekunden Ruhe schenkt. Aber ich könnte es auch ganz allein tun.«
Er deutet auf die beiden Beutel, die Rodrigo an der Stange des Infusionsträgers befestigt und mit dem Kreislauf intravenöser Leitungen verbindet, der in die Vene seines rechten Arms mündet.
»In dem ersten Beutel befindet sich eine Kombination von Midazolam, das ein Benzodiazepin ist, und Propofol, das ein starkes Narkotikum ist. Beide werden gewöhnlich für die Vollnarkose verwendet. Ich habe eine großzügige Dosis vorgesehen, die eine tiefe Sedierung garantiert. Im zweiten Beutel befindet sich eine Infusion aus unverdünntem Kalium, das die schmutzige Arbeit macht. Wie ich in den Besitz dieser Substanzen gekommen bin, werde ich euch nicht sagen, aber ich versichere euch, dass niemand über den Gebrauch, den ich von ihnen machen werde, informiert worden ist. Sagen wir einfach, dass die vierzig Jahre als Arzt es mir ermöglicht haben, sie mir zu besorgen, ohne jemanden um seine Mithilfe bitten zu müssen.«
Das ist eine im Drehbuch vorgesehene Lüge, und Marco gelingt es, sie glaubhaft vorzutragen. In Wirklichkeit hätte er sich kein konzentriertes Kalium besorgen können, und deswegen hat er Miraijin um Hilfe gebeten. Sie hat es ihm besorgt. Genauer, Miraijin hat mit Rodrigo gesprochen, und Rodrigo hat es besorgt. Aber Marco will nicht, dass die anderen das wissen.
»In Kürze, wenn ich mich von euch verabschiedet habe, werde ich den roten Hahn öffnen, den der Anästhetika, die dann in meine Vene fließen werden. Wenn die Anästhetika ihre Wirkung getan haben werden, wird Rodrigo so freundlich sein, den anderen Hahn, den blauen, aufzudrehen, der das konzentrierte Kalium in meine Vene leiten wird, und innerhalb weniger Minuten wird alles vorbei sein. Ihr werdet mich im Grunde nur einschlafen sehen. Ich sagte, dass Rodrigo mir zwanzig oder dreißig Sekunden Ruhe schenkt, denn wenn ich es allein machen wollte, müsste ich auch während der Sedierung angespannt bleiben, um den blauen Hahn aufzudrehen, bevor ich einschlafe, und das wäre schade. Ich würde das Schöne an der ganzen Sache verpassen, nämlich die Phase, in der die Anästhetika mich sanft hinübergleiten lassen.«
Wie er gehofft hatte, haben diese nüchternen, technischen Worte die Situation abgekühlt, und alle Gefahren, die Marco vermeiden wollte, scheinen tatsächlich gebannt zu sein. Sein Herzschlag hat sich verlangsamt, die Aufgeregtheit ist verschwunden. Er spricht über seinen eigenen Tod, aber man hat das Gefühl, er beschreibt eine Operation an der Hornhaut.
»Das Kalium wird Arrhythmien auslösen, die zu Kammerflimmern führen, bis der Herzstillstand einritt. Es ist nicht davon auszugehen, dass mein Körper einen erschreckenden Anblick bieten wird, es könnte höchstens, im Fall von Tachykardie, zu ein paar leichten Zuckungen vor dem Kammerflimmern kommen, aber das halte ich für unwahrscheinlich.«
Plötzlich überkommt ihn der Gedanke an Irene. Irene wäre in diesem Augenblick stolz auf ihn. Irene, die sich umgebracht hat, als sie kaum älter als Miraijin war.
Er atmet durch, verscheucht auch diesen Gedanken und fährt fort:
»Danach, wenn alles vorbei ist, wird Miraijin die 118 anrufen. Es wird ein Krankenwagen aus Castagneto Carducci kommen. Sie werden den Tod feststellen. Miraijin wird meinen Zustand erklären und meine Krankenblätter zeigen, und es wird keine weiteren Fragen geben. So, wie ich die Sache sehe, gibt es keinen Grund, warum ihr, wenn der Krankenwagen kommt, noch hier seid, aber macht euch keine Gedanken; wenn ihr beschließt zu bleiben, werden euch keine Fragen gestellt werden, ihr werdet nicht gezwungen sein, Falschaussagen zu machen. Niemand wird, das versichere ich euch, weiter nachforschen wollen.«
Jetzt ist die Rede zu Ende. Marco ist sehr stolz auf sich, dass er sich an alles erinnert hat, dass er alles professionell erklärt hat. Niemand ist gegangen, außer Marina, und die beiden unterdrückten Schluchzer von Giacomo sind die einzigen Zeichen von Rührung geblieben, die seine Erklärungen gestört haben. Miraijin löst sich aus Oscars Umarmung und kommt zu ihm. Sie beugt sich hinunter und umarmt ihn.
»Bravo, Opa«, sagt sie.
Marco fällt plötzlich etwas ein — denn, wie wir sagten, die Erinnerung kommt und geht.
»Die Invasion der Barbaren«, flüstert er ihr ins Ohr, »der alte Film, an dessen Titel wir uns nicht erinnerten. So heißt er.«
»Das stimmt«, flüstert sie, »Die Invasion der Barbaren.«
Sie streicht ihm über das Haar. Dann stellt sie sich neben den Rollstuhl, auf die Rodrigo gegenüberliegende Seite. Sphinxhaft, stumm hat der Krankenpfleger die Hand an der Stange des Infusionsträgers, als wäre sie eine Lanze. Er ist bereit.
Auch Greta beugt sich hinunter, wie Miraijin, und umarmt ihn herzlich. Marco atmet ihren Duft ein voll herber Aromen, wie von Zitrusfrüchten. Dann blickt er ihr ins Gesicht. Die Augen nur ein wenig feuchter als sonst, er lächelt.
»Leb wohl, Marco«, sagt sie.
»Auf Wiedersehen«, sagt er.
Greta richtet sich auf und kehrt an ihren Platz zurück. Jeder hat seinen Platz, es ist einfach so, es ist ein Schauspiel.
Jetzt ist Carradori an der Reihe. Er tritt vor und streckt Marco die Hand entgegen, der entscheidet, was er damit macht; Marco wählt einen sportlichen Händedruck, wie man es am Ende einer Tennispartie macht. Heftiger Schmerz.
»Ich mag Sie«, sagt er.
»Duzen wir uns doch von jetzt an«, lautet Marcos Antwort. Sie müssen lachen. Bei Carradori ist ein bisschen Zynismus erlaubt. Sie sind gleich alt.
Oscar. Marco hatte ihn erst vor ein paar Monaten kennengelernt, während der Chemotherapie, als er Miraijin besuchte, die nach Florenz gezogen war, um ihm zu helfen. Es war ihm so schlecht gegangen, dass er seine Kraft geschätzt hatte; sie hatte ihm sogar gutgetan, weil sie ansteckend war. Er ist eine Art weibliche Version von Miraijin, ein Führer, einer, der andere mitreißt — eine große Hoffnung auch er für die neue Welt.
»Halten Sie die Ohren steif«, sagt Marco zu ihm.
»Claro«, sagt er.
Und dann fügt er etwas hinzu, das er eigentlich nicht hätte sagen müssen.
»Su vida es mi vida.«
Er drückt Miraijins Hände, berührt ihre Lippen leicht mit den seinen und tritt beiseite.
Und jetzt?
Obwohl jetzt nichts mehr von Bedeutung ist, fragt Marco sich, ob er zuerst Giacomo oder Luisa sehen wird; wie ist die Hierarchie? Vielleicht fragen sie es sich auch, da sie ein paar Sekunden lang zögern. Dann kommt Giacomo. Die Brüder umarmen sich, und bei beiden krampft sich heimtückisch der Magen zusammen. Die Schluchzer von vorhin haben beiden Angst gemacht, denn in Tränen auszubrechen wäre jetzt eine Katastrophe und würde alles ruinieren. Sie umarmen und drücken sich lange.
»Entschuldige«, sagt Giacomo.
»Entschuldige du«, sagt Marco.
Sie lösen sich voneinander und ziehen beide die Nase hoch. Nichts sonst. Es ist gutgegangen. Jetzt ist Luisa an der Reihe.
Da ist sie. Marcos Herz beginnt wieder heftig zu schlagen. Ihre salbeifarbenen Augen. Ihr immer noch glänzendes kastanienbraunes, von der Sonne durchflutetes Haar. Ihr weicher Hals, ihr Duft nach Meer, der gleiche wie immer. Marco hat nichts vorbereitet, was er ihr sagen könnte. Er hat beschlossen, ihr das Erste zu sagen, was ihm durch den Kopf geht, und tatsächlich geht ihm in diesem Augenblick, während er sie ansieht, etwas durch den Kopf.
»Weißt du, welcher Tag heute ist?«, fragt er sie.
»Nein.«
»Der 2. Juni. Welcher Tag ist das?«
Luisa lächelt unsicher.
»Fest der Republik?«
»Ja. Aber davon abgesehen …«
Luisa schüttelt leicht den Kopf, immer noch lächelnd.
»Es ist der Tag, der am weitesten entfernt von meinem Geburtstag ist«, fährt Marco fort. »Exakt sechs Monate. Was ist diese Sache des Gerechten, der am Tag seines Geburtstags stirbt? Wie lautet das hebräische Wort?«
»Zaddik.«
»Ja, genau. Ich bin kein Zaddik. Ich bin das Gegenteil des Zaddik.«
Sind das also die letzten Worte, die Marco Carrera Luisa Lattes sagt? Vielleicht, denkt er, wäre es besser gewesen, etwas vorzubereiten.
»Und du bist es doch«, sagt sie.
»Und die jüdische Mystik?«
»Die jüdische Mystik irrt sich.«
Ihre Hand streichelt seinen Kopf, seine Stirn, sein Gesicht.
»Mon petit colibri«, flüstert sie.
Ihr Kopf, der sich zur Seite neigt, ihr herabfließendes Haar, diese vertraute, sinnliche Bewegung, wie damals, vor vielen Jahren, bereitet sich darauf vor …
Ein Kuss! Auf den Mund! Mit der Zunge! Sein Gesicht zwischen ihren Händen! Einfach so, als Alte, vor Giacomo, vor allen!
Bravo, Luisa, wenn schon obszön, dann bis zum Schluss. Marco packt ihren Kopf mit der Hand, um ihn zu sich zu ziehen, und möge der Schmerz, der ihn durchbohrt, gesegnet sein. Auch er sehnte sich danach, sie zu küssen, er hat sich immer danach gesehnt, immer. Er fing an, sich danach zu sehnen, an genau diesem Ort, im anderen Jahrhundert, und hat mehr als fünfzig Jahre nicht mehr aufgehört. Aber er hätte sich heute niemals getraut. Stattdessen hat sie es getan.
Jetzt ist es vorbei, Luisa richtet sich auf, fasst sich wieder. Sie tritt einen Schritt zurück und kehrt an ihren Platz zurück, mit gesenktem Kopf, wie jemand, der gerade die Hostie empfangen hat.
Jetzt ist es Zeit. Es muss nur noch getan werden. Der Duft des Nachmittags ist berauschend, eine Explosion von Licht und Leben. Die Meeresbrise bewegt kaum die Hecken, lässt die Haare kaum flattern und verbreitet ein großartiges Gefühl des Wohlbefindens. In der Position, in der er sich befindet, hat Marco keine Schmerzen. Er hat so viel Schmerz in seinem Leben empfunden. Ein schmerzerfülltes Leben, zweifelsfrei. Aber der ganze empfundene Schmerz hat ihn nie daran gehindert, Augenblicke wie diesen, in denen alles perfekt scheint, zu genießen — und auch diese Momente hat es in seinem Leben reichlich gegeben. Letztlich braucht es gar nicht viel: einen Tag, wie er sein soll, ein paar Umarmungen, einen Kuss auf den Mund. Es könnte weitere geben, eigentlich …
Sechste Gefahr, verflucht: es sich noch einmal überlegen. Vielleicht ist es auch das, was alle erhoffen um ihn herum, dass er es sich noch einmal überlegt. Dass er so tut, als glaubte er an die Heilung, dass er die Behandlung fortsetzt, dass er wieder anfängt zu kämpfen, endlose Übelkeiten, Durchfälle, Aphthen im Mund, dass er das Bett nicht verlassen kann, dass er wieder zum Schatten seiner selbst wird, dass er sich wundliegt, dass Miraijin, anstatt die Welt zu retten, loslaufen muss, um eine Wassermatratze zu mieten, und die Öle, die Linimente und die Nachtschwester, und das rasselnde Atmen, und das Morphin, oral, intravenös, immer häufiger, immer mehr, weil Gewöhnung eintritt, aber mehr als eine bestimmte Dosis ist nicht möglich, sagen die Vorschriften, und er bittet Miraijin, ihn »wegzubringen«, wie Probo, und anstatt die Welt zu retten, sieht Miraijin sich gezwungen …
Marco wendet sich Rodrigo zu, drückt seine Hand.
»Danke für alles«, sagt er. Rodrigo streichelt seine Schulter.
Marco streckt den Arm aus — Schmerz —, erreicht mit der Hand den roten Hahn, öffnet ihn. Dann legt er die Hand wieder auf den Oberschenkel. Schmerz. Er betrachtet die fünf Menschen vor sich, dann blickt er zu Miraijin und fordert sie mit der Hand auf, sich zu ihm herunterzubeugen. Sie beugt sich zu ihm. Marco betrachtet dieses prachtvolle Mädchen ein letztes Mal. Er hebt die Hand — Schmerz — und schiebt sie in das Mysterium ihres Haars. Das Mädchen erwidert seinen Blick mit einem tapferen Blick voller Erinnerungen. Das Anästhetikum beginnt zu wirken, alles entfernt sich. Würde er es allein tun, müsste er jetzt mit einer kolossalen Anstrengung den Hahn für das Kalium öffnen. Jetzt beginnt das Geschenk, das Rodrigo ihm macht. Aber was macht Miraijin da? Mit unendlicher Zärtlichkeit hat sie seine rechte Hand hochgehoben und tauscht sie in ihrem Haar gegen die linke aus. Kein Schmerz. Alles ist jetzt noch weiter weg. Aber was macht Miraijin da? Oh, das macht sie. Richtig. Die beiden rechten Hände ineinander verschränkt zwischen kleinem Finger und Ringfinger, die beiden berühren sich in den Zwillingen. Aber natürlich. Der »Punkt der Stärke« …
Alles ist jetzt ganz weit weg. Ein wogender Frieden, wie unter Wasser. Irene. Adele. Papa. Mama. Ich überlasse die Welt diesem Geschöpf. Seid ihr stolz auf mich?
Irene.
Adele.
Papa.
Mama.
Wie viele Personen sind in uns begraben.
So. Jetzt ist Marco eingeschlafen. Sein Kopf kippt zur Seite, Miraijin stützt ihn mit der Hand, schützt ihn. Jetzt schlägt die Stunde Rodrigos, der dafür aus Malaga gekommen ist. Er hat eine verrückte Geschichte, blinder Vater, Mutter Roma, Sängerin, Tänzerin, Straßenkünstlerin und — wie es scheint — Geliebte von Enrique Iglesias, bevor er sich mit Anna Kournikova zusammentat, zwei Zwillingsschwestern, die er nie sieht, weil sie für Hilfsorganisationen unterwegs sind, ein Verlobter, der Champion in der baskischen Pelota ist, ein Adoptivsohn in Benin. Aber es ist nicht seine Geschichte, er soll nur den blauen Hahn öffnen.
Beten wir für ihn, und für alle Schiffe auf den Meeren.