Vor dem Kochen steht der Einkauf. Wer ganz bewusst möglichst frische und hochwertige Produkte auswählt, schafft die beste Grundlage dafür, sich gesund und glücklich zu essen. Nur: Wie erkennt man eigentlich Qualität? Muss es die Bio-Möhre sein? Und welche der dreißig Olivenölsorten im Supermarktregal ist wirklich empfehlenswert?
Gar nicht so einfach! Den meisten von uns wurde die Liebe zu guten Lebensmitteln schließlich nicht gerade in die Wiege gelegt. Allzu lange galten bei uns vor allem billige Produkte als gut. Wer einmal italienische oder französische Wochenmärkte besucht hat, erkennt den Unterschied: Da wird das Gemüse betastet, beäugt und beschnuppert. Käufer und Marktfrauen diskutieren leidenschaftlich und gestenreich über die perfekt reife Tomate oder das beste Artischockenrezept.
Vielleicht können wir uns ja davon eine Scheibe abschneiden. Qualität zu erkennen ist eine Sache der Erfahrung, und die braucht ein bisschen Zeit. Wer es schafft, zumindest gelegentlich über einen Wochenmarkt zu schlendern, bekommt viel eher ein Gefühl dafür, was gute Produkte ausmacht.
Steuern Sie am besten direkt die regionalen Anbieter an, um festzustellen, welches Obst und Gemüse gerade Saison hat. Das sind nämlich die Sorten, bei denen die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, wirklich reife und frische Ware zu bekommen, weil sie nicht unreif geerntet und dann auf lange Reisen geschickt wurde.
Natürlich leben wir in einer Gegend, in der wir nie eine regionale Orange und nur eine sehr kurze Zeit im Jahr wirklich reife, aromatische Freilandtomaten vom Feldnebenan kaufen können. Das jahreszeitliche Angebot im Blick zu haben heißt deshalb meines Erachtens auch nicht, dass wir die Hälfte des Jahres an Kohl und Wurzeln nagen müssen – das würde uns den Spaß am Essen schnell verderben.
Nur schmeckt im Winter der Möhreneintopf eben besser als die Ratatouille, während Äpfel im Sommer wenig Freude machen, weil sie entweder monatelang gelagert sind oder vom anderen Ende der Welt kommen. Dafür können wir dann die ganze Fülle heimischer Beeren genießen, die wiederum im Dezember nicht mehr die Dessert-Hauptrolle spielen.
ABER DER BESUCH des Wochenmarktes gibt nicht nur ein Gefühl für die kulinarischen Jahreszeiten zurück, er bietet auch eine Chance, sich mit den Produzenten zu unterhalten. Hinter den Ständen stehen die Leute, die am besten über ihre Waren Bescheid wissen.
Lassen Sie sich ruhig einmal unbekannte Gemüsesorten zeigen und erklären, was man damit in der Küche anfangen kann. Fragen Sie, was gerade besonders gut schmeckt und was wie angebaut wird: Kommt der Salat aus dem Freiland? Wurden die Äpfel gespritzt? Denn wenn man guter Qualität von Lebensmitteln auf die Spur kommen möchte, ist eins wichtig: Nachvollziehbarkeit. Je undurchschaubarer die Produktions- und Lieferketten sind, desto leichter fällt es den Produzenten, uns mit minderwertiger Qualität abzuspeisen.
IST BIO BESSER?
Auf Produkten im Supermarkt prangen häufig Siegel, die uns Vertrauen einflößen sollen, weil sie genau das suggerieren: dass alles durch Kontrollen und Regeln perfekt nachvollziehbar ist.
Aber es lohnt sich, genau hinzusehen: So manches Siegel ist eine reine Marketingmasche. Für Bio-Siegel gilt das nicht, denn »Bio« dürfen sich nur Produkte nennen, die zu 95 Prozent aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Das heißt: Pflanzen wurden ohne Kunstdünger und chemische Pflanzenschutzmittel angebaut, Tiere bekommen nicht vorbeugend Antibiotika verabreicht und dürfen nur unter Einhaltung bestimmter artgerechter Mindeststandards gehalten werden, und im fertigen Produkt haben die meisten Lebensmittelzusatzstoffe nichts verloren.
Allerdings stecken auch hinter Bio-Siegeln ganz unterschiedliche Vorgaben, von den Minimalanforderungen des EU-Bio-Siegels bis hin zu den strengen Richtlinien von Demeter.
Heißt das nun, dass Bio-Lebensmittel automatisch die bessere Qualität haben? Muss ich zur schon leicht schrumpeligen Bio-Möhre greifen, wenn direkt daneben die knackfrische aus konventionellem Anbau liegt? Ich finde, Bio darf nicht zur heiligen Kuh verklärt werden. Das entscheidende Kaufkriterium ist für mich der Geschmack. Wenn ich wunderbar aromatisches Obst und Gemüse in Bio-Qualität finde, freue ich mich.
Aber Bio hat sich zum Massenmarkt entwickelt. Eine nach ökologischen Kriterien angebaute Tomate kann trotzdem wässrig schmecken. Auch bei vielen Bio-Produzenten zählen vor allem wirtschaftliche Aspekte wie Ertrag und Transportfähigkeit, und danach – und eben nicht nach dem bestmöglichen Aroma – werden die Sorten für den Anbau ausgewählt.
DER GESCHMACK ZÄHLT
Umgekehrt gibt es nicht wenige kleine Produzenten, die eine aufwendige Bio-Zertifizierung scheuen, aber trotzdem Lebensmittel herstellen, die nicht nur höchsten Qualitätsansprüchen, sondern mitunter auch ökologischen Kriterien genügen.
Auch so etwas kann beim Klönschnack mit einem Bauern oder einer Gärtnerin auf dem Wochenmarkt herauskommen. Ich freue mich jedenfalls immer, wenn ich Menschen finde, die stolz sind auf das, was sie produzieren, und die mit Herzblut bei der Sache sind. Das schmeckt man in der Regel auch – und darauf kommt es schließlich an. Statt sich auf Siegel zu verlassen, wäre es besser, der eigenen Zunge wieder mehr zu vertrauen. Dann zeigt sich auch schnell, dass so manche Tomate zwar toll aussieht und duftet, aber nach nichts schmeckt. Und es kann richtig Spaß machen, sich im Lauf der Zeit durch verschiedene Kartoffeln zu probieren, bis man die persönliche Lieblingssorte gefunden hat.
ABER SO VIEL SPASS es auch macht, auf dem Wochenmarkt einzukaufen: Für die alltäglichen Besorgungen ist meistens doch der Supermarkt die erste Anlaufstelle. Allerdings fühle ich mich dort von der schieren Masse des Angebots oft förmlich erschlagen, und ich weiß von vielen anderen, denen es genauso geht. Allein die zwanzig, dreißig Sorten Olivenöl! Hier herauszufinden, welches die guten Produkte sind, kommt einem manchmal wie eine unlösbare Aufgabe vor. Zum Glück gibt es zumindest ein paar Anhaltspunkte dafür, hinter welchem Etikett sich Qualität verbirgt.
DURCHBLICK BEIM OLIVENÖL
Bleiben wir gleich beim Olivenöl. Der wichtigste Qualitätsunterschied ergibt sich aus der Art der Pressung. Die höchste Güteklasse ist »natives Olivenöl extra«, das häufig auch die italienische Bezeichnung »extra vergine« trägt. Es wird direkt aus den Oliven gepresst, und weil die Temperatur dabei unter 40 Grad bleiben muss, sind im Öl noch sämtliche wertvollen Inhalts- und Geschmacksstoffe enthalten.
Auch »natives Olivenöl« (ohne den Zusatz »extra«) wird so gewonnen, kann allerdings Geschmacksfehler haben. Ich benutze ausschließlich Olivenöl »extra vergine«. Im Supermarkt stellt sich dabei allerdings ein Problem: Fast jedes Öl trägt diese Bezeichnung. Welche Kriterien gibt es also sonst noch?
Natürlich ist auch Olivenöl Geschmackssache. Der eine mag am liebsten eine Sorte, die pfeffrig schmeckt, die andere das mildere. In welche grobe Richtung das Öl geht, kann man schon erkennen, bevor man die Flasche geöffnet hat, falls die Herkunftsregion darauf angegeben ist. Als Faustregel gilt nämlich: Je mehr Sonne die Oliven abbekommen haben, desto milder ist das aus ihnen gepresste Öl.
Deshalb schmecken Sorten aus Norditalien (zum Beispiel aus Ligurien) in der Regel pfeffriger als solche aus dem Süden, beispielsweise Kalabrien. Natürlich steht die Herkunftsregion nicht immer auf dem Etikett, aber auch das ist für mich ein Kriterium, denn solche Flaschen lasse ich gleich stehen. Nur allzu häufig befindet sich darin Öl, das billig irgendwo zusammengekauft und zusammengemischt wurde.
Das kann übrigens auch der Fall sein, wenn das Etikett zwar »Toskana« verspricht, dort aber lediglich der Abfüller zu Hause ist. Hier ist ein bestimmtes Siegel tatsächlich eine Kaufhilfe: Trägt ein Öl das runde, rot-gelbe Emblem »Geschützte Ursprungsbezeichnung«, dann bedeutet das, dass alle Produktionsschritte in der angegebenen Region stattgefunden haben.
Mit einem Blick auf das Mindesthaltbarkeitsdatum stelle ich außerdem fest, wie frisch das Öl ist. Liegt das Datum noch ein Jahr oder sogar mehr in der Zukunft, trage ich mit hoher Sicherheit kein muffiges Öl nach Hause, sondern frisches aus der letzten Ernte.
Neben Olivenöl habe ich immer auch ein paar andere Pflanzenöle da, denn die bringen eine tolle Aromenvielfalt in die Küche. Dazu ist es nicht notwendig, aromatisierte Öle wie Zitronen-, Orangen- oder Basilikumöl zu kaufen: Häufig finden sich darin nämlich Aromastoffe, die mit den echten ätherischen Ölen der Geschmacksgeber wenig zu tun haben (dass auch Trüffelöl aus dem Supermarkt selten einen Trüffel gesehen hat, zeigt schon der Preis). Viel besser ist es, ein neutral schmeckendes Öl wie Raps- oder Distelöl frisch mit Kräutern oder abgeriebener Zitrusfruchtschale zu würzen.
Abgesehen davon liefern verschiedene kalt gepresste Nussöle, Kürbiskern- und Traubenkernöl reichlich Abwechslung, nicht nur für Salat. Auch Leinöl benutze ich gerne. Mit seinem hohen Gehalt von Omega-3-Fettsäuren tut es dem ganzen Körper gut.
ECHTER ACETO BALSAMICO
Das Essigregal des Supermarktes bietet eine ähnlich große Auswahl, und auch hier stellt sich die Frage: Welches Produkt ist denn nun gut?
Gleich die beliebteste Sorte von allen stellt uns Käufer in dieser Beziehung vor die schwierigsten Entscheidungen. Aceto balsamico wird schon seit vielen Hundert Jahren in der italienischen Region um Modena aus Traubenmost hergestellt. Auf traditionelle Art produzierter »Aceto balsamico tradizionale« hat mit Salatessig nichts zu tun. Er reift über mindestens zwölf Jahre hinweg in Fässern, und heraus kommt eine enorm konzentrierte, sirupartige Flüssigkeit, die man tröpfchenweise benutzt, um Gerichte zu veredeln.
Im Supermarkt begegnet uns allerdings in der Regel schlicht »Aceto balsamico«. Da dieser Begriff nicht geschützt ist, mischen viele Hersteller einfach Traubenmostkonzentrat mit billigem Weinessig und färben das Ergebnis mit Zuckerkulör. Die Fassreifung entfällt oft ganz. Mit dem traditionellen Würzessig hat diese Flüssigkeit keine Ähnlichkeit!
Ein Indiz für höhere Qualität ist das blau-gelbe Siegel »geschützte geografische Angabe«. Das Emblem und die Bezeichnung »Aceto balsamico di Modena« beziehungsweise »di Reggio Emilia« dürfen nämlich nur Produkte tragen, die tatsächlich aus Trauben der jeweiligen Region hergestellt und mindestens 60 Tage im Holzfass gereift sind. Ein solcher Essig verleiht Salaten und anderen Gerichten eine schön fruchtige Note.
VIELFALT FÜR DEN SALAT
Aber das Essigregal hat noch mehr zu bieten. Ich mag besonders gerne fruchtige Essige wie zum Beispiel Himbeeressig. Wichtig ist in allen Fällen, auf dem Etikett zu kontrollieren, ob statt Fruchtauszügen Aromastoffe enthalten sind. Außerdem sollte der Essig keinen zu hohen Säuregehalt haben, sonst wird der Geschmack schnell beißend. Bei um die 5 bis 6 Prozent schmecken Essige mild und aromatisch. Aus Essigessenz mit ihrem Säuregehalt von 25 Prozent wird auch verdünnt kein guter Essig! Sie eignet sich nur zum Putzen und Entkalken.
ABER EHRLICH: Wenn ich durch einen Supermarkt gehe, dann denke ich mir manchmal, dass viele Produkte für die menschliche Ernährung einen ähnlich zweifelhaften Wert haben. So viele Tüten und Päckchen geben vor, das Kochen zu beschleunigen, und gewöhnen doch nur an einen industriell hergestellten, künstlichen Geschmack. Light-Produkte stecken voller Bindemittel, um das fehlende Fett auszugleichen, und es wird immer schwieriger, pure und möglichst unverarbeitete Waren zu bekommen. Selbst Dosentomaten sind oft schon vorgewürzt. Wozu?
Auch ich greife für manche Gerichte auf Konserven zurück, denn die Saison frischer, aromatischer Tomaten ist bei uns einfach allzu kurz. Aber dann sollten sich in der Dose tatsächlich nur geschälte, reife Tomaten im eigenen Saft und etwas Salz befinden.
Natürlich gibt es Unterschiede, und auch hier gilt: probieren, bis man das Lieblingsprodukt gefunden hat. Inzwischen stehen übrigens auch im Supermarkt Produkte mit den sehr aromatischen süditalienischen San-Marzano-Tomaten – sie zu testen lohnt sich!
FLEISCH UND FISCH KAUFEN
Abgesehen von den meisten industriell hergestellten Produkten gibt noch etwas, das ich im Supermarkt links liegen lasse: abgepacktes Fleisch. Fleisch ist Vertrauenssache, finde ich. Ich muss mit dem Metzger sprechen können, muss ihn fragen dürfen, wo die Tiere herkommen, wie sie gehalten und wo sie geschlachtet wurden. Denn abgesehen davon, dass ich Massentierhaltung nicht unterstützen möchte, erreicht solches Fleisch auch niemals gute Qualität.
Man muss nur mal den Unterschied anschauen zwischen einem Huhn, das sein dreißig Tage kurzes Leben eingepfercht mit Tausenden anderen in einem Stall verbringen musste, und einem, wie ich es meinen Gästen vorsetze: Das ist ein Tier, das siebzig Tage alt werden durfte und sein Leben lang draußen an der frischen Luft herumlaufen, scharren und picken konnte. Sein Fleisch ist viel fester als das des Industriehuhns, und es schmeckt schön intensiv.
Ich kann also nur empfehlen: Suchen Sie sich einen Metzger, dem Sie vertrauen! Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass Sie ihn im Supermarkt finden, wo er die Frischfleischtheke betreibt. Hauptsache, er versteht sein Handwerk, kann Ihnen Fragen beantworten, und in der Theke sieht es hygienisch und appetitlich aus.
DER EINKAUF von frischem Fisch ist leider noch ein bisschen schwieriger als der von Fleisch, denn in vielen Orten gibt es gar kein Fischgeschäft mehr. Falls Sie aber eins in der Nähe haben oder ein Fischstand auf Ihrem Wochenmarkt steht, dann sprechen Sie so viel wie möglich mit den Verkäufern! Nicht jeden Fisch gibt es immer, und ein guter Fischhändler weiß Rat, welcher sich ersatzweise eignet.
Fragen Sie ihn ruhig auch, wo Kabeljau, Lachs oder Wolfsbarsch genau herkommen. Viele Fischbestände sind inzwischen so stark dezimiert, dass unklar ist, ob sie sich noch erholen können. Viele Leute fragen sich deshalb, ob sie Fisch überhaupt noch guten Gewissens genießen dürfen.
Die gute Nachricht: Die Broschüren, die regelmäßig von WWF und Greenpeace herausgegeben werden, führen für fast jede Fischart bestimmte Fanggebiete und -methoden auf, die unproblematisch sind. Der Fischhändler kann Ihnen sagen, ob seine Ware aus diesen Gebieten kommt.
UM GUTE LEBENSMITTEL zu finden, läuft es also im Grunde immer auf ähnliche Tipps hinaus: Versuchen Sie, so viel wie möglich über das Produkt und seine Herkunft in Erfahrung zu bringen. Unterhalten Sie sich dazu mit den Leuten, die es am besten wissen: den Produzenten und Händlern. Und vor allem: Probieren Sie sich genüsslich durch! Denn wer mit Lieblingsprodukten kocht, kocht gleich doppelt so gerne.