8. KAPITEL

„Wie konntest du es wagen, diese … diese Frau zu bitten, hierherzukommen und mir zu sagen, dass ich gehen soll?“

Alejandro hatte einen langen, anstrengenden Tag in Palma hinter sich. Die Verhandlungen mit Felipe Roig waren kein Stück vorangekommen. Felipe schien ein Katz-und-Maus-Spiel mit ihm zu veranstalten, doch darauf hatte er keine Lust mehr. Er hatte den alten Mann gewarnt, dass er sein Angebot zurückziehen würde, wenn es nicht bald zu einem befriedigenden Abschluss käme. Trotzdem hatte Felipe wieder nur einen Tag lang Alejandros Zeit verschwendet.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre er schon viel früher nach Hause gekommen. Doch sein Geschäftspartner hatte darauf bestanden, dass sie als Zeichen ihrer Freundschaft zusammen aßen. Und da Alejandro das Stück Land, das Felipe anzubieten hatte, immer noch kaufen wollte, hatte er notgedrungen nachgegeben.

Als er schließlich um halb acht Uhr in der Villa ankam, ging er direkt zum Pool und sprang in das erfrischend kühle Wasser. Er schwamm ein halbes Dutzend Bahnen, bis er merkte, dass seine Laune sich langsam besserte. Ein erneuter Streit mit Brynne war das Letzte, was er jetzt brauchte.

Er stützte die Arme auf den Beckenrand und schaute zu ihr hoch. Wie attraktiv sie aussah in dem himmelblauen Leinenkleid, mit den leicht gebräunten Beinen und den nackten Füßen. Ihr Haar fiel offen über die Schultern, und ihr Gesicht war wunderschön, trotz des wütenden Glanzes in ihren Augen und des roten Schimmers auf ihren Wangen.

Langsam gewöhnte er sich an die wilde Schönheit dieser Frau.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Und ehrlich gesagt will ich es im Moment auch gar nicht wissen.“ Er seufzte und hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. „Ich bin müde und durstig und habe einen anstrengenden Tag hinter mir. Wenn du also ein paar Minuten warten könntest, ehe du mit deiner Tirade fortfährst … Ich hätte vorher gern ein Glas Wein.“ Er stemmte sich hoch und stieg aus dem Pool.

Brynne stockte der Atem, als sie diesen schönen Mann in seiner vollen Größe vor sich sah. Seine Haut war gleichmäßig dunkel, er hatte lange Beine, breite Schultern, feste Brustmuskeln und einen flachen Bauch.

Sie wandte den Blick ab, aber als er zur Poolbar hinüberschlenderte und eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank holte, konnte sie nicht widerstehen und schaute ihn wieder an. Geschickt entkorkte er die Flasche, ehe er zwei Gläser auf den Tresen stellte.

Himmel, er sah wirklich fantastisch aus.

„Willst du auch einen Schluck Wein?“ Einladend hielt er die Flasche in die Höhe.

Warum nicht? Sie war weder müde noch durstig, aber sie konnte gut etwas gebrauchen, was ihre gereizten Nerven beruhigte. Sie hatte ewig darauf gewartet, dass er zurückkam. Als er nicht rechtzeitig da war, um Michael Gute Nacht zu sagen, wurde sie noch ärgerlicher und nahm sich vor, erst ins Bett zu gehen, nachdem sie mit ihm gesprochen hatte.

Und jetzt stand sie einem fast nackten Alejandro gegenüber, der ihre Sinne vollkommen verwirrte und ihren Gefühlen eine gänzlich andere Richtung gab. Gerade strich er sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. Ihr Mund wurde trocken.

„Danke“, sagte sie geziert, als sie das Glas nahm, das er ihr entgegenhielt. „Du …“

„Lass mich zumindest einen Schluck nehmen, ehe du loslegst!“ Erschöpft ließ er sich auf einen der Liegestühle sinken, ohne sich um die nassen Haare und die feuchte Haut zu kümmern, und nippte am Wein. Schließlich sah er sie an. „Jetzt kannst du weitermachen.“

Brynne warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Wie schön, dass wenigstens du es lustig findest“, stieß sie hervor. Verzweifelt versuchte sie, ihren Ärger neu zu beleben, doch in Gegenwart dieses überwältigend schönen Mannes fiel ihr das zunehmend schwerer.

Komm schon, tadelte sie sich ungeduldig. Alejandro ist nicht der erste Mann, den du in Badehose siehst.

Das nicht, aber er war der Erste, dem sie am liebsten auch den letzten Rest ausziehen würde, damit sie die festen Muskeln ganz ungehindert bewundern konnte.

Ungehalten schüttelte sie den Kopf. „Auf diesen Rat ‚von Frau zu Frau‘ hätte ich gut verzichten können“, fauchte sie giftig. „Ich fand das gar nicht lustig.“

Oh nein, ganz und gar nicht, stellte Alejandro fest, als er die Schatten unter ihren Augen sah, die seit dem Morgen noch dunkler geworden waren. Sie sah regelrecht unglücklich aus. Was hatte sie bloß?

„Vielleicht solltest du mir genau erklären, worum es eigentlich geht.“ Er lächelte schief, lehnte sich auf der gepolsterten Liege zurück und nippte an dem Wein.

Die Hitze des Tages hatte sich gelegt, und der Duft der Blüten war intensiver als zu jeder anderen Tageszeit. Es war still, nur der Wind strich leise vom Meer herauf, und in der beginnenden Dämmerung zirpten die Grillen. Das Bad im Pool hatte ihn erfrischt, und der Wein tat sein Übriges. Nach den vielen Stunden ergebnisloser Diskussion fühlte sich seine Kehle immer noch ganz kratzig und ausgedörrt an.

Überrascht stellte er fest, wie angenehm es war, nach Hause zu kommen, wenn eine schöne Frau auf einen wartete.

Ruhelos lief Brynne am Pool auf und ab. Er stellte wieder einmal fest, wie entzückend ihre Füße waren. „Wäre es wirklich so schwer gewesen, rechtzeitig nach Hause zu kommen, um Michael Gute Nacht zu sagen?“

Alejandro schloss kurz die Augen. Diese Frau wagte es ständig, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angingen. Bei niemand anderem würde er das hinnehmen. „Ich muss mich um meine Geschäfte kümmern …“

„Hattest du denn wenigstens heute Erfolg?“

„Zufällig nicht.“ Alejandro beugte sich vor, um sich Wein nachzuschenken. Die Entspannung, die er gerade noch gespürt hatte, verschwand ebenso schnell wie die Sonne hinter dem Horizont. „Felipe ist immer noch sehr … ausweichend und will einfach nicht unterschreiben.“ Er machte ein grimmiges Gesicht.

„Dann solltest du vielleicht anfangen, ihm auszuweichen“, schlug Brynne vor, obwohl sie wusste, dass sie dadurch vom Thema abwich. Und je mehr Zeit sie in seiner Gegenwart verbrachte, während er nur unzureichend bekleidet war, desto schneller schmolz ihr Ärger, und desto prickelnder spürte sie seine Nähe.

Fragend hob er eine Augenbraue. „Wie bitte?“

„Bei meinen Schülern funktioniert der Trick meistens, wenn sie kein Interesse haben. Je länger ich sie ignoriere, desto dringender wollen sie, dass ich Notiz von ihnen nehme.“

Alejandro sah sie einen Moment lang verwirrt an, dann begann er zu lächeln. „Und schreist du deine Schüler genauso an wie mich?“

Sie zuckte zusammen. Hatte sie ihn angeschrien? Vermutlich hatte er recht.

Aber schließlich wartete sie bereits seit Stunden darauf, dass er nach Hause kam. Und dann war das Erste, was sie von ihm bemerkte, das plätschernde Geräusch, als er unbekümmert im Pool schwamm. Das war nicht gerade dazu angetan, ihre Stimmung zu heben.

Sie verzog das Gesicht. „Nein, ich schreie sie nicht an.“

„Du schreist also nur mich an?“

Nun … ja.

Normalerweise verlor sie sehr selten die Geduld. Eigentlich war sie stets ruhig und freundlich. Sie war immer der Meinung gewesen, dass man seine Schüler – oder überhaupt einen Menschen – nur anschrie, wenn man nicht mehr Herr der Lage war.

Leider hatte sie Alejandro Santiago gegenüber die Kontrolle verloren, und zwar von dem Moment an, als der Richter zu dem Schluss kam, ihm das Sorgerecht für Michael zu übertragen.

Frustriert sah sie ihn an. „Du machst mich wirklich wütend, ja …“

„Und das ist alles, was ich bei dir auslöse, Brynne?“, unterbrach er sie leise. Er stellte sein Weinglas ab und erhob sich langsam.

Als er mit federnden Schritten auf sie zukam, weiteten sich ihre Augen besorgt. Wie ein Raubtier, das sich seiner Beute nähert, dachte sie, und ihr Puls begann zu rasen.

Wenige Zentimeter vor ihr blieb er stehen. Er berührte sie nicht, aber das war auch nicht nötig. Als er so dicht vor ihr stand, ließen allein seine Größe und körperliche Nähe sie alles andere vergessen. Sie spürte nur noch seinen Atem und seine Wärme.

„Ist das alles, Brynne?“, drängte er sie mit heiserer Stimme.

Sie schluckte hart. „Ich weiß nicht, was du meinst.“

„Oh doch“, stieß er atemlos hervor. „Ich glaube, das weißt du nur zu gut.“

Sie nahm seinen herben männlichen Geruch wahr und wurde von dem Verlangen überwältigt, ihn zu berühren. Sie wollte die kräftigen Schultern liebkosen, über seine Brust und den festen flachen Bauch streichen. Sie sehnte sich danach, die Hände auszustrecken und seinen Kopf zu sich ziehen, bis er seinen Körper an ihren presste. Sie wollte berühren und berührt werden, wollte …

„Du spürst es ebenfalls, nicht wahr?“, flüsterte er.

„Was …?“, fragte sie schwach.

Aber sie wusste es. Sie musste es wissen!

„Weißt du eigentlich …“, fragte Alejandro leise, führte eine Hand an ihr Kinn und hob ihren Kopf, sodass er ihr tief in die dunkelblauen Augen schauen konnte. „Weißt du eigentlich …“, flüsterte er noch einmal und hielt sie allein mit seinem Blick gefangen. Seine Lippen waren nur noch wenige Millimeter von ihren entfernt. „… dass du wunderschöne Füße hast?“

Die Luft zwischen ihnen schien zu vibrieren, doch seine Worte waren ganz und gar nicht das, was Brynne erwartet hatte. Einen Moment lang schaute sie ihn nur verwirrt an.

Dann blinzelte sie – einmal, zweimal. „Ich habe schöne Füße …?“, wiederholte sie schließlich leicht ungläubig.

„Und ob.“ Sein Atem strich sanft über ihre Lippen, ehe er sie mit dem Mund berührte.

Schwankend ließ sie sich gegen ihn sinken und umfasste endlich seine wundervollen kräftigen Schultern. Sie waren genauso muskulös und warm, wie sie es sich vorgestellt hatte. Als seine Zunge sanft ihre Lippen teilte, seufzte sie leise. Seine Hände lagen warm an ihrem Rücken, als er sie eng an sich zog.

Sie spürte seine Erregung, sein Kuss wurde intensiver. Leidenschaftlich drängten seine Lippen sich an ihre, bis ihr vor Verlangen ganz heiß wurde.

Brynne umschlang seinen kräftigen Nacken, als er sie hochhob und zum sonnengewärmten Rasen neben der Terrasse trug. Er hörte nicht auf, sie zu küssen, bis er sie sanft absetzte und sich neben sie legte.

Er hob den Kopf, um sie anzuschauen. In den letzten rötlichen Strahlen der Sonne wirkten ihre Haare auf dem grünen Gras wie eine lodernde Flamme. Die Augen schimmerten in dunklem Blau, und der Mund war vor Erregung leicht geöffnet.

Alejandro konnte sich nicht vom Anblick dieser vollen Lippen losreißen, bis er sich vorbeugte und zärtlich an der Unterlippe zu knabbern begann. Er spürte, wie sie vor Lust am ganzen Körper erzitterte.

So lange schon wollte er Brynne Sullivan berühren und küssen, und sein Verlangen war immer stärker geworden. Doch wie gestern Abend schon reichte es ihm nicht, sie zu küssen. Er wollte mehr.

Erneut hob er den Kopf und schaute ihr in die Augen, als er die Knöpfe ihres Kleides öffnete. Er schob den Stoff zur Seite und enthüllte ihre bloßen Brüste.

Brynne keuchte und drängte sich ihm entgegen, als sie die erste Berührung seiner Lippen an ihren nackten Brüsten spürte. Behutsam tastete er sich mit der Zunge vor, knabberte zärtlich an der empfindlichen Spitze, bis er sie schließlich mit den warmen Lippen umschloss.

Sie konnte nicht mehr denken, nichts mehr sehen, nichts mehr spüren außer Alejandro und der Lust, die er ihr schenkte.

„Sag mir, was du willst, Brynne“, ermutigte er sie.

„Alejandro …“

„Sag es mir, Brynne“, wiederholte er.

Sie erbebte und schmiegte sich noch enger an ihn, dann hob sie die Hand, umfasste seinen Kopf und drückte ihn an sich.

„Möchtest du mit mir schlafen, Brynne?“

Ja!

Noch nie hatte sie etwas so sehr gewollt. Sie bohrte ihre Fingernägel in seine Schultern, und ihr Herz klopfte so laut, dass sie überzeugt war, er müsste es ebenfalls hören.

Sie befeuchtete ihre Lippen, und es raubte ihr fast den Atem, als er sie weiterhin mit diesen unwiderstehlichen Augen ansah. „Ich …“

„Schhhh!“ Plötzlich lag er still auf ihr und hob den Kopf und lauschte aufmerksam. „Ich höre ein Auto.“ Er setzte sich im Gras neben ihr auf, dann zupfte er am Stoff ihres Kleides herum, um ihre Blöße zu bedecken.

Ein Auto?

Brynne hatte nichts anderes mehr wahrgenommen als Alejandro, seine Hände, die sie berührten, und die Lippen, die sie liebkosten. Sie hatte sich völlig in der Sinnlichkeit dieses Augenblicks verloren, und ihr ganzer Körper zitterte erwartungsvoll, als sie die Leidenschaft dieses Mannes spürte.

Anders als Alejandro, der sogar noch ein Auto gehört hatte!