I ch hielt auf der Straße vor dem Eckhart Medical Center an der Klinik.
Das Gebäude hatte zwei Etagen mit großen, schwarz getönten Fenstern. Vermutlich, um die Patienten vor dem Sonnenlicht zu schützen. Die Klinik war an das größte Gebäude angeschlossen, und der restliche Komplex war von Stacheldraht umgeben. Die Rückseite zeigte zum See. Am Ende der Straße befanden sich ein Bootsanleger und ein schäbiger kleiner Steg mit einem angebundenen Boot. Es schaukelte sanft auf dem Wasser.
Ich stellte mich neben den Streifenwagen und lehnte mich auf der Fahrerseite dagegen. Die P30L lag auf der Heckklappe.
Ich hatte das Signallicht angestellt, sodass die rotblauen Lichter den Nachthimmel erleuchteten. Die Farben spiegelten sich in den Fenstern des Hauses und der geparkten Autos, während die Lichter im Uhrzeigersinn rotierten. Das Licht leuchtete wie ein Leuchtturm über den See und huschte zurück über die Straße. Tief hängender Nebel breitete sich über dem Wasser aus und verstärkte die roten und blauen Lichter.
Ein paar Minuten später hörte ich ferne Polizeisirenen durch die stille Stadt plärren wie einen Werwolf im Moor. Das Heulen wirkte in der Stille ohrenbetäubend. Achteinhalb Minuten später kam Sheriff Grady in einem alten Chevy-Tahoe-Dienstwagen. Der Lichtbalken auf dem Dach blinkte synchron mit einer Reihe kleinerer Lichter im Kühlergrill, und die Reifen quietschten, als er abbremste. Er kam auf der anderen Straßenseite vor dem Eckhart Medical Center zum Stehen.
Zwei Sekunden später folgten seine Deputys in ihren Streifenwagen. In beiden saß jeweils nur der Fahrer, sonst niemand. Die beiden Cops sprangen aus ihren Fahrzeugen. Der Einzige, der noch ein Stück von seiner Uniform trug, war Sheriff Grady. Seine Deputys trugen Dienstjacken mit Sheriff-Abzeichen am rechten Arm, doch keiner hatte die ganze Uniform an. Vermutlich hatten sie keine Zeit gehabt, sich umzuziehen. Gradys Anruf hatten sie wahrscheinlich im Schlafanzug erhalten.
Sheriff Grady kam mit gezogener Glock aus seinem Wagen. Er richtete die Waffe von ungefähr dreißig Metern Entfernung auf mich. Seine Deputys taten es ihm nach. Die Sirenen waren ausgegangen, sobald die drei Wagen stehen geblieben waren.
Grady rief: „Hände hoch und langsam näherkommen.“
Ich sagte: „Sorry, Sheriff. Das werde ich nicht tun.“
Grady sagte: „Widow, das ist kein Spiel. Tun Sie, was ich gesagt habe.“ Er wartete einen Moment und wiederholte seinen Befehl.
Ich blieb hinter der Deckung des Polizeiwagens stehen. Ich sah ihn an und schüttelte den Kopf. Ich sagte: „Das wird nicht passieren.“ Dann ergänzte ich: „Grady. Ihr Mann stirbt. Ich habe ihn nicht erschossen. Ein anderer Mann hat mich in meiner Zelle angegriffen. Er hatte Gemsons Schlüssel. Er hat mich umbringen wollen, doch er hat offenbar vorher auf Gemson geschossen. Sie verschwenden Zeit. Er verliert viel Blut.“
Grady blickte zu Gemson. Ich spähte auch zu ihm. Der Mann rührte sich nicht, doch er lehnte innen an der geschlossenen Beifahrertür. Seine Hautfarbe sah nicht gut aus.
Ich sagte: „Die Zeit läuft, Sheriff. Sie können versuchen, mich zu holen, was niemand von Ihnen überleben wird – das kann ich versprechen. Oder Sie stecken Ihre Waffen weg und helfen mir, Gemson in die Klinik zu bringen, bevor er verblutet.“
Grady blieb, wo er war.
Einer seiner Deputys sah ihn an. Er sagte: „Gemson sieht wirklich übel aus.“
Ich rief: „Ich sage die Wahrheit. Faye Matlind wird vermisst. Und jetzt hat jemand versucht, mich umzubringen. Sie müssen mir glauben oder es wird schlecht ausgehen, für Sie, für Gemson und für eine Menge anderer Leute.“
Genau in diesem Moment, in der Stille dieser Pattsituation, hörte ich das bekannteste Geräusch im modernen Polizeikampf. Das ultimative Zeichen, dass das Gespräch beendet war.
Irgendwo in der Nähe wurde eine Pumpgun durchgeladen. Wir erstarrten, als wir es hörten: crunch, crunch.
Wir blickten zum Eingang der Klinik.
Grady sagte: „Doktor, gehen Sie wieder rein.“
Ich sah ein Paar zierlicher, weiblicher Hände, die eine Remington 870 Pumpgun mit Pistolengriff und klappbarem Schaft hielten. Eine der besten Waffen, die je gebaut wurden. Hinter dem Lauf des Gewehrs befand sich eine schöne Frau mit langen blonden Haaren und einem durchtrainierten Körper, wie ein Fitnessmodel.
Sheldon.
Sie sagte: „Widow. Grady. Hören Sie sofort mit dem Blödsinn auf und bringen Gemson rein, bevor er verblutet. Und bevor ich alle erschieße.“
Grady sagte: „Dr. Eckhart. Machen Sie jetzt nichts Dummes.“
Sheldon war Ärztin? Und hieß Eckhart? Sie hatte gesagt, sie würde in der Klinik arbeiten. Sie hätte besser gesagt, dass es ihre Klinik war.
Sheldon sagte: „Ich habe nicht gefragt, Ty. Ich habe es gesagt.“