D ie frühen Morgenstunden waren bereits vergangen. Rund um Black Rock standen Autos Schlange. Es herrschte dichter Verkehr aus der Stadt heraus, als wäre die Pest ausgebrochen.
Einsatzfahrzeuge aus den Nachbarstädten, von der Regierung und der Polizei, dem FBI, der Drogenbehörde und dem ATF waren auf dem Weg nach Black Rock. Sie hatten eigene Verkehrsschilder aufgestellt, Absperrungen und Sicherheitsstationen eingerichtet. Das örtliche Motel, das den Brand überstanden hatte, war komplett ausgebucht.
Die landesweiten Medien hatten ihr reguläres Programm unterbrochen und berichteten sowohl über eine Kleinstadt in Mississippi, die in Flammen aufgegangen war, wie auch über einen international gesuchten Kriminellen namens Oskar Tega, der vermisst wurde. Man vermutete, dass er mit seinem Flugzeug über Black Rock abgestürzt war. Es wurde ebenfalls darüber berichtet, dass er kein Drogenbaron war, sondern ein Menschenhändler. Er und seine Gang wurden für die Entführung zahlreicher vermisster junger Frauen in den letzten fünf Jahren an den Highways und Interstates mehrerer Landkreise verantwortlich gemacht.
Ich hatte schon wesentlich früher Black Rock verlassen. Während sich die Regierungsvertreter bemühten, in die Stadt zu kommen, war ich bereits kilometerweit entfernt. Ich stand am Straßenrand des Highways 82 außerhalb einer kleinen Stadt namens El Dorado. Die Sonne schien, und es war heiß. Ich hatte den Daumen ausgestreckt, als ein leuchtend roter kleiner Toyota am Straßenrand hielt. Ich senkte den Arm und ging zu dem Fahrzeug.
Ich war erschöpft. Ich hatte ungefähr vier Stunden auf einem Kiesbett geschlafen, und mir tat der Rücken weh. Meine Schultern brannten und ich spürte meine Knochen bei jedem Schritt, doch ich musste weiter.
Ich trat an die Beifahrertür. Ich war so müde, dass ich nicht einmal den Fahrer ansah, sondern einfach die Tür öffnete und mich auf den Sitz fallen ließ. Beiläufig blickte ich mit müden Augen zur Fahrerseite und musste lachen. Dort hinter dem Lenkrad saß Maria aus dem Diner.
Sie lächelte mich an. Sie sah gut aus an diesem Morgen, doch sie wirkte auch ein wenig müde.
Sie sagte. „Hi.“
„Aber hallo.“
„Ich hätte nie gedacht, dass wir uns noch einmal sehen würden.“
Ich nickte.
Dann sagte sie: „Ich hab dich angerufen.“
Ich schloss die Augen und verzog das Gesicht.
Sie fragte: „Was ist?“
„Mein Handy.“
Ich zog es aus der Tasche. Ich war überrascht, denn es war noch unversehrt, und es war trocken, wie meine Kleider, doch gewiss war es ruiniert.
„Ich war vorhin im See. Ich hatte vergessen, es aus der Tasche zu nehmen.“
Sie sagte: „Leg es in Reis. Dann funktioniert es wieder.“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Hast du nicht von allem ein Back-up?“
Ich sagte: „Ist mir nicht wichtig. Warum bist du überhaupt hier? Wohin fährst du?“
Dann bemerkte ich, dass Marias Gepäck auf dem Rücksitz lag.
Sie lächelte und sagte: „In Black Rock habe ich nichts mehr zu suchen, selbst wenn es nicht brennen würde. Ich fahre nach Hause. Zurück nach Austin. Was ist mit dir? Wohin willst du?“
Ich sah mich im Auto um, dann sah ich wieder zu ihr. Unsere Blicke trafen sich. Ich hätte zurück nach Killian Crossing fahren können. Ich hätte Cameron anrufen können und erklären, dass ich nicht mehr zurück zum NCIS kommen würde. Doch andererseits hatte ich nichts zu sagen.
Ich sagte: „Austin klingt toll.“
Sie nickte und lächelte.
„Was dagegen, wenn ich etwas schlafe?“
Sie sagte: „Überhaupt nicht.“
Dann nahm sie den Fuß von der Bremse, fädelte sich in den Verkehr und fuhr weiter.
Bevor ich wegdöste, sagte sie: „Hey, willst du meine Eltern kennenlernen?“
Ich lachte erneut. Diesmal lachte ich so laut, dass es wehtat.
Sie lachte auch. Dann fragte sie mich: „Warum willst du nach Austin?“
Ich sagte: „Ich muss ja irgendwohin.“
Dann sprachen wir nicht mehr. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf.
ENDE