Was vergab sich Bernard eigentlich dabei, fragte sich Danielle. Es kostete ihn doch nichts, wenigstens kurz mit Claire zu reden, ihr einige Fragen zu stellen und sich bei seinen alten Kollegen umzuhören? Das war nicht zu viel von ihm verlangt.
Er aber blieb stur – stur und borniert.
Warum weigerte er sich, auch nur im Entferntesten etwas mit seinem früheren Leben als Commissaire zu tun zu haben? Das war kindisch und albern oder sogar neurotisch. Wovor fürchtete er sich, wenn er kurz einmal als Commissaire aktiv werden würde?
Oder verschwieg er ihr etwas?
Gab es etwas, was sie, Danielle, nicht wissen durfte?
Die Katze lag auf der Lauer.
Es war völlig zwecklos, ihn direkt darauf anzusprechen. Sie brauchte auch nicht anzudeuten, er könnte sich vor etwas fürchten. BB würde es schlicht leugnen, so, wie er früher immer geleugnet hatte, dass er Schmerzen in der Brust hatte, bevor er einen Herzinfarkt bekam.
Die Katze musste sich auf leisen Sohlen an ihn heranschleichen. Danielle liebte den Film mit Brigitte Auber noch mehr, seitdem ihr Mann sie Katze nannte. Nicht Bernard besaß den größeren Dickschädel, sondern sie. Die Bretonen galten als die stursten und unbeirrbarsten Menschen in ganz Frankreich.
»Es tut mir leid«, sagte Danielle in die Dunkelheit hinein, »dass ich wieder davon anfange.« Sie lag neben BB in ihrem Doppelbett, hörte bereits seine regelmäßigen Atemzüge. Gleich würde er einschlafen. »Anna geht mir nicht aus dem Kopf.«
Er grummelte etwas vor sich, was sie nicht verstand.
»Anna war ein wunderschönes Mädchen. Ihr standen alle Möglichkeiten offen.« Danielles Gesichtsausdruck veränderte sich. Aber das sah Bernard nicht. »Ich habe gehört, sie mochte es nicht, fotografiert zu werden.«
»Warum das denn?«, entfuhr es Bernard. Er schlief offenbar nicht so tief, wie er vorgab. »Sie sah doch super aus. Sexy. Erotisch.«
»Aha, da spricht der Kenner! Gefällt sie dir?« Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: »Hat sie dir gefallen?«
Bernard wurde verlegen, strich sich mit der rechten Hand über sein Haar. Er war offenbar dabei, in ihre aufgestellte Falle zu stolpern. »Sie hat wohl jedem Mann gefallen, der Augen im Kopf hat«, gab er eine ausweichende Antwort. »Das ist nicht besonders schwer.«
Bernard war jetzt putzmunter. An Schlaf war nicht länger zu denken. Er schaltete die Nachttischlampe an, richtete seinen Oberkörper im Bett auf. »Hey, Baby!« Er klatschte beide Hände zusammen. »What do you want?«
So hatte ihn vor Jahren am Washington Square in New York ein schwarzer Dealer angesprochen, der ihm Drogen verkaufen wollte. Bernard versuchte offensichtlich, die Geschichte ins Lächerliche zu ziehen, ging es Danielle durch den Kopf.
Sie schaute zu ihm auf, mit Wärme und Mitgefühl. »Du weißt genau, was ich von dir will«
»Ja.«
»Umso besser.«
Bernard schaute sie nicht an. Er rang mit sich, über den Rubikon zu schreiten. Etwas hielt ihn zurück. Starke Hemmungen und Abwehrmechanismen rumorten in ihm.
Danielle beobachtete genau, welche widerstreitenden Kräfte in ihm wirkten und wer am Ende die Oberhand behielt.
»Also schön«, wandte er sich ihr wieder zu. »Ich mach es. Du wirst ja doch keine Ruhe geben. Aber nur unter einer Bedingung: Ich höre mir Claires Geschichte an; ich werde aber nicht den Flic geben. Das geht auch nicht. Ich kann jederzeit wieder aufhören, wenn ich keine Lust mehr habe oder Claire sich einen Spleen in den Kopf gesetzt hat, von dem sie nicht wieder runterkommt. Einverstanden?«
»Super, BB. Ich wusste, dass du nicht Nein sagen wirst. Du hast eben ein gutes Herz.«
»Sei dir da mal nicht so sicher.«
»Ich habe Claire gesagt, dass du morgen um sechzehn Uhr bei ihr vorbeischaust.« Die Augen der Katze leuchteten.
»Du wusstest genau, dass du mich rumkriegen wirst, oder?«, bemerkte Bernard pikiert.
Statt einer Antwort lächelte Danielle sybillinisch.