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Bernard Bonnot saß an seinem Laptop und wunderte sich, warum er nicht schon früher auf die Idee gekommen war. Die Idee war genauso simpel wie grandios. Unten im Garten hörte er Gäste laut lachen. Sie amüsierten sich köstlich. Danielle sprach mit ihnen.

Langsam hielt über der Promenade und dem Meer die Dämmerung Einzug.

Bernard öffnete seine Facebook-Seite. Seine Tochter Isabelle hatte ihn bequatscht und ihn dazu überredet, seinen eigenen Facebook-Account einzurichten.

Er gab ins Suchfeld Marc Lambert ein. Genauso wie er es erhofft hatte, erschien ein Foto von Marc. Er hatte sich auch auf Facebook verewigt. Es war sogar noch besser, als Bernard zu hoffen wagte: Er fand ein Foto von Marc und Anna. Es zeigte ein Paar, wie es verliebter nicht sein konnte. Anna strahlte mit ihren braunen Augen Marc offen an. Auch das Datum war verräterisch: 2. September. Nur wenige Tage bevor sie sich von ihm trennte. Doch das Foto selbst konnte früher aufgenommen worden sein. Bernard lud das Bild auf seinen Rechner. Die Datei war nicht sehr groß, gerade einmal acht Kilobyte, aber immerhin: Er hatte ein Foto, das er überall herumzeigen konnte: der Dame am Empfang oder dem Aufseher Eric Michaud.

Bei so viel Glück versuchte er es gleich wieder. Anna Piat. Fehlanzeige. Er hätte schwören können, dass Anna auch ihre eigene Facebook-Seite besaß. Er gab Annas Namen auf Instagram ein und wartete gespannt auf das Ergebnis. Der erste Treffer war tatsächlich Anna. 22.400 Follower zählte sie. Es gab aber auf ihrem Account nur wenige Fotos von ihr. Für ein Model, das in diesem Business tätig war, war das unfassbar. Models lebten davon, dass ihr Name bekannt und sie zu einer öffentlichen Person wurden.

Eine Hand legte sich auf Bernards Schulter. Erschrocken fuhr er herum. Danielle beugte sich zu ihm hinunter und schaute auf den Bildschirm.

»Mein Gott, hast du mich erschreckt!«, rief Bernard.

»Ich wollte sehen, was du treibst und wo du bleibst. Du hast nicht auf größten Krach reagiert. Kommst du nicht von ihr los, BB?«, fragte Danielle besorgt.

»Das geht jetzt nicht. Ich bin mittendrin. Ich verstehe Anna nicht. Sie macht es einem auch nicht einfach. Ich finde keinen Draht zu ihr. Sie bewegt sich in der Öffentlichkeit; ihre Fotos werden in angesagten Modezeitschriften publiziert, sie selbst tut aber alles dafür, öffentlich nicht in Erscheinung zu treten. Sie hat kaum eigene Fotos auf Instagram hochgeladen. Verstehst du das?«

»Ehrlich gesagt nein«, erwiderte Danielle. »Ich dachte, du kommst zum Essen. Ich habe Galette gemacht.«

»Gleich.« Bernard wandte sich wieder dem Bildschirm zu. »Ich bin sofort fertig.«

»Ich bereue inzwischen, dich gedrängt zu haben, Claire einen Gefallen zu erweisen. Die Sache hat eine Dimension angenommen, die dir nicht guttut. Ich hätte es wissen müssen. Wenn du etwas gefunden hast, in das du dich richtig verbeißen kannst, dann tust du das auch.«

Bernard zuckte mit den Achseln.

»Was ist mit dir los? Warum ist es so ungeheuer wichtig für dich geworden, den Tod dieses Mädchens aufzuklären?«

Wenn die Katze so mit ihm sprach, dann wollte sie eine konkrete Antwort hören, dachte Bernard. »Das ist schwer zu erklären.«

»Versuche es wenigstens!«, forderte Danielle ihn auf.

»Das geht nicht. Nicht jetzt.« Er versuchte, sie abzuwimmeln.

»Warum geht es nicht?«

»Weil ich nicht kann.«

»Weil du nicht kannst oder weil du nicht willst?«, ließ Danielle nicht locker. »Es hat doch nicht nur mit Anna Piat zu tun. Da steckt mehr dahinter.«

Bernard fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Er war nervös.

»Es hat auch etwas mit dir zu tun«, stellte Danielle fest.

Bernard nickte.

»Kannst du es mir nicht sagen? Wir kennen uns schon so lange. Ich werde dich deshalb nicht verfluchen und verdammen, egal was passiert ist.«

»Ja, ich weiß.« Der strahlende und stets gut aufgelegte Bernard fiel in sich zusammen. »Ich werde es dir erzählen. Ganz bestimmt. Lass mir Zeit, Katze. Ich muss erst selbst damit klarkommen und verstehen, was passiert ist.«

Danielle wandte sich zur Tür. Zum Schluss schaute sie sich noch einmal nach ihm um. Auf ihrem Gesicht lag Melancholie. Bernard liebte diesen Ausdruck an seiner Frau. Sie würde aber niemals zugeben, dass sie traurig sei. »Du sollst wissen, du kannst jederzeit zu mir kommen, und wir sprechen darüber.«

»Ja, ich weiß.«

Sofort wandte er sich wieder dem Bildschirm zu. Er wollte so viele Informationen wie möglich über Anna Piat bekommen.