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Bernard fasste sich schnell. »Wir laufen uns für gewöhnlich nicht über den Weg. Jetzt innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Mal. Wenn das mal kein Zufall ist.« Geistesgegenwärtig ließ Bernard das Beutelchen Kokain in seiner Hosentasche verschwinden. Plupart würde noch auf die absurde Idee kommen, er hätte sich den Stoff selbst besorgt.

Wie unbeabsichtigt lief Bernard an der Pizzeria entlang und lotste damit Philippe von Marcs Apartment weg. Die Wohnungstür stand noch immer auf. Bernard war Nadine blindlings hinterhergerannt, ohne die Tür zuzuknallen. Ein schwerer Fehler.

»Wer war die Kleine, die vor dir abgehauen ist?«

Rasend schnell gingen Bernard Dutzende Möglichkeiten durch den Kopf, was er antworten sollte. Wäre es besser, Plupart anzulügen?

»Das war Nadine Piat«, rückte er dann doch mit der Wahrheit heraus.

»Ach, wirklich?«, entfuhr es Philippe. Er war nicht wenig überrascht. »Kannst du immer noch nicht deinen Verdacht aufgeben?« Er schüttelte seinen Kopf. »Nein, Aufgeben war noch nie eine Option von dir. Was wollte sie von dir? Oder muss ich eher fragen: Was wolltest du von ihr?«

Bernard machte eine wegwerfende Handbewegung. »Warum soll ich ausgerechnet dir das auf die Nase binden? Du glaubst mir ja doch nicht!« Bernard erlag beinahe der Versuchung, Philippe kameradschaftlich in die Seite zu puffen, um ihn dann leichter loszuwerden. Im letzten Moment hielt er sich zurück. Das wäre zu auffällig. Das hatten sie schließlich nie gemacht. »Ob du mir nun glaubst oder nicht«, erzählte Bernard, »ich war bei Madame Piat …«

»So, du warst bei Madame Piat! Hat sie dir nicht den Kopf abgerissen? Wie ich sehe, ist dein Kopf aber noch dran. Das ist aber keine Antwort auf meine Frage. Typisch BB. Unter keinen Umständen preisgeben, was er gerade treibt.«

»Nun, ich erzähle dir doch gerade, was ich treibe. Madame Piat war unter den gegebenen Umständen ausgesprochen freundlich. Ich habe ihr mein Beileid ausgesprochen.«

»Der mitfühlende, BB! Dass ich nicht lache. Will sie dich nicht wegen Verleumdung verklagen?«

Bernard hatte nicht die Zeit, seine Idee in allen Details zu überdenken. Es musste schnell gehen, und er musste Plupart umgehend wieder loswerden. »Ich habe etwas für dich. Da wirst du staunen.« Bernard musste Plupart locken, ködern.

»Was soll das sein?« Ja, neugierig war er. Plupart verging sogar vor Neugierde.

»Ich gebe dir etwas«, machte Bernard es besonders spannend. »Dafür kriege ich auch etwas von dir.«

»Du willst einen Deal.«

»Ganz recht.«

Philippe Plupart wusste immer noch nicht, worauf BB hinauswollte. Er witterte eine Falle, dass Bernard ihn über den Tisch ziehen wollte. »Lass mal sehen, was du hast. Vorher kann ich keine Versprechen machen, wenn du mir irgendeinen Scheiß andrehen willst.«

Bernard kratzte sich hinter dem Ohr. Er konnte seine Anspannung kaum mehr aushalten. Er müsste längst verschwunden sein, zurück zu Marcs Apartment. »Es ist kein Scheiß. Es sind Beweise, die mich bei meinen Untersuchungen im Fall Anna Piat ein entscheidendes Stück weiterbringen werden. Dafür brauche ich aber deine Hilfe. Du bekommst das Beweisstück, dafür bekomme ich eine Abschrift eures Untersuchungsergebnisses. So ist der Deal, sonst …« Bernard Bonnot ließ offen, was dann geschehen würde. Er hielt Plupart die Hand hin.

»Es gibt keinen Fall Anna Piat. Du spuckst große Töne. Du hast dich in etwas hineingesteigert, von dem du nicht mehr loskommst.« Plupart überlegte kurz. Er wollte einfach wissen, was Bonnot auf Lager hatte. »Okay. Du bekommst deine Abschrift.« Plupart schlug in die ihm entgegengestreckte Hand ein. »Was ist es? Zeig’s mir.«

Bernard zog aus seiner Hosentasche ein Handy, für das sich bisher niemand interessierte. »Das ist Annas Handy. Ich möchte, dass du es kriminaltechnisch untersuchen lässt, die gesamten Dateien ausliest. Ich brauche eine Abschrift ihrer WhatsApp-Nachrichten, E-Mails, du weißt schon. Polizeiarbeit braucht Ausdauer. Puzzlesteinchen für Puzzlesteinchen müssen zusammensetzt werden. Aber wem sage ich das? Das weißt du selbst genau.«

Plupart war nicht überzeugt. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass du mit dem Handy einen möglichen Mörder überführen wirst.«

»Wahrscheinlich nicht, aber ich erfahre mehr darüber, was wirklich passiert ist.«