Bernard schmerzten alle Knochen. Am stärksten schmerzte seine rechte Schulter. Er konnte den linken Arm kaum bewegen, an ihm ein Infusionsschlauch. Ich muss mit Danielle sprechen, ging es ihm nicht aus dem Kopf. Er versuchte, sich aufzurichten, fiel aber gleich mit dem Oberkörper auf das Kissen zurück. Ein höllischer Schmerz jagte durch seinen Schädel.
»Du darfst dich nicht bewegen!«, ermahnte ihn Danielle. Sie saß neben ihm auf einem Stuhl. »Du hast mir einen riesigen Schrecken eingejagt, weiß du das? Als ich angerufen wurde, dachte ich, o mein Gott, nicht schon wieder, nicht wieder ein Infarkt. Erst bei genauerem Nachfragen wurde mir erklärt, dass du beim Joggen gestürzt bist. Aber das ist genauso schrecklich, wenn auch ein bisschen weniger schrecklich, als einen Infarkt zu erleiden. Du bist doch ein sicherer Läufer. Wie konnte das passieren, BB?«
Bernard verlagerte sein Gewicht auf die linke Seite. Das war für ihn beschwerlich und anstrengend. Es tat ihm gut, Danielles Stimme zu hören. Er biss die Zähne zusammen. Er wollte seine Frau nicht mehr als unbedingt nötig beunruhigen. Die Erinnerung an seinen Herzinfarkt war noch sehr gegenwärtig. An den Händen und im Gesicht hatte er Hautabschürfungen. Ihm waren kleine Steinchen, die sich unter die Haut gebohrt hatten, entfernt worden. Eine Wunde am Kopf war genäht worden.
»Weißt du, wie viel Glück du gehabt hast?« Danielle war erleichtert, dass nichts Schlimmeres passiert war. Zwischen den Zeilen hörte Bernard heraus, dass sie annahm, er sei leichtsinnig gewesen. »Du warst für kurze Zeit bewusstlos. Du hast glücklicherweise keine Gehirnerschütterung, keinen Schlüsselbeinbruch und auch keinen Bruch des Handgelenks. Keine Wunde am Schienbein. Du hast dich beim Sturz am Oberarm verletzt. Du hast ganz schön was abbekommen, aber auch unwahrscheinlich viel Glück gehabt. Du sollst ein paar Tage zur Beobachtung hierbleiben. Nur für alle Fälle.«
Es war schön, mit Danielle zu sprechen; es strengte Bernard aber auch an. Am liebsten würde er einfach die Augen schließen und schlafen. »Es war kein Unfall«, presste er hervor. Seine Stimme hörte sich rau an.
»Wie bitte?« Danielle verstand nicht ganz.
»Das war kein Unfall«, wiederholte er. »Das war ein Anschlag, eindeutig ein Anschlag. Jemand hat mir entweder einen Knüppel hingehalten oder mir ein Bein gestellt. Ich sollte stürzen. Da bin ich mir sicher.«
»Aber warum?«, rief Danielle.
»Weil ich mit meinen Ermittlungen jemandem zu nahe gekommen und ihm heftig auf die Füße getreten bin.«
»Reicht es dir immer noch nicht, dass dir fast das Nasenbein gebrochen wurde?«, rief Danielle. Sie beugte sich zu ihm und kam seinem Gesicht sehr nahe. »Du musst damit aufhören, BB. Es ist zu gefährlich. Überlass die Ermittlungen der Police Judiciaire.«
»Aber die tun nichts.«
In dem Moment jagte ein höllischer Schmerz durch seine Schulter. Vor Wut und Aufregung hatte Bernard sich unglücklich auf die rechte Seite gedreht. Er verzog sein Gesicht und presste die Zähne fest aufeinander.
»Was ist, Bernard? Soll ich einen Arzt rufen? Brauchst du eine Spritze?«
»Nein, nein, lass mal. Es geht schon wieder. Ich darf mich nur nicht bewegen, dann kann ich es gut aushalten.«
»Ich weiß, ich habe dich da hineingerissen. Es war meine Schuld. Ich konnte nicht ahnen, wozu das führt. BB, du musst erkennen, wann du an deine Grenzen stößt, wann es Zeit ist, aufzuhören.«
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Der Schlag auf die Nase war etwas völlig anderes. Das war der jähzornige Bruder von Anna. Dieses Mal will man mich ausschalten. Das war eine eindeutige Warnung.« Den hinter dem Scheibenwischer geklemmten Zettel wagte Bernard gar nicht zu erwähnen.
»Ein Grund mehr, endlich damit aufzuhören«, riet ihm Danielle. Bernard war klar, dass er sie mit seiner sturen Haltung in die Verzweiflung trieb. Für jedes Argument, endlich Schluss zu machen, hatte er die passende Antwort.
»Verstehst du denn nicht? Im Umkehrschluss heißt das auch: Ich bin nahe dran. Ich bin auf der richtigen Spur. Es ist nicht ein Sturz von einer nassen Treppe gewesen. Einige Leute bekommen mächtig Angst. Es ist …« Bernard ließ den Satz offen. Er hoffte inständig, dass er nicht den Drogenbaronen in Vieux Nice zu sehr auf die Füße getreten war, weil er sich Marc Lambert vorgenommen hatte.
»Zwei Models sind sich sicher, dass ein Mann während des Shootings verschwunden war. Wo ist er hin? Was hat er gemacht? Das muss ich herausfinden. Anna hat außerdem versucht, mit verschiedenen Printmedien Kontakt aufzunehmen. Warum?« Bernard beugte sich weit zu Danielle aus dem Bett. Er flüsterte, als fürchtete er, ihr Gespräch könnte belauscht werden. »Ich brauche deine Hilfe, Danielle. Zwischen dem Fotografen Jules Giraud und mir herrscht Eiszeit; ich habe ihn mir zum Feind gemacht. Die Reportage in Nice-Matin ist dazwischengekommen und hat alles kaputt gemacht. Du musst mir helfen, an ihn heranzukommen, ohne dass er sofort dichtmacht. Ohne dich schaffe ich das nicht«, appellierte er an sie.
»BB, ich weiß nicht, warum du so versessen darauf bist, diesen Fall zu lösen. Du bist schlimmer als hundert Bretonen zusammen.« Danielle schaute ihn durchdringend an. »Was sind das für Leute, die hinter dir her sind, mit denen du dich angelegt hast?«
»Ich weiß es nicht, noch nicht, aber ich werde es herausfinden.«
»Was ist, Bernard, wenn das nur der Anfang ist? Der Sturz ist vergleichsweise glimpflich abgelaufen. Das nächste Mal wirst du vielleicht nicht wieder so viel Glück haben. Kapierst du denn nicht, ich habe Angst um dich, es könnte dir etwas zustoßen!«, stieß sie hervor.
Bernard nickte bloß. Dann kniff er die Augen zusammen und legte den Kopf auf das Kissen zurück.