KAPITEL 9
LIAM
TAG 9: MO, 23: 30 UHR,
SOUTHERN HIGHLANDS VULKAN, AUSTRALIEN
Liam hatte keine Ahnung, wie lange er schon reglos am Boden lag. Er wusste nicht einmal genau, was mit ihm geschehen war. Eben noch hatte er sich todesmutig in einen aktiven Vulkan gestürzt und im nächsten Moment lag er auf verbrannter Erde, den Blick zum dunklen Nachthimmel gerichtet.
Vor einer Sekunde war ihm noch, als könne er sich an mehr erinnern als nur an seinen Sprung. Aber das verblasste bereits wie ein Traum, der ihm allmählich entglitt. Vielleicht war es ja genau das gewesen. Bloß ein Traum. Vielleicht auch das Leben nach dem Tod? Er wusste es nicht.
Es kam ihm so vor, als wäre er noch nicht richtig in seinem Körper angekommen. Sein Denken funktionierte, aber er spürte kaum etwas. Nur nach und nach kehrte das alles zurück.
Vom Himmel fielen dicke graue Flocken. Es roch nach Asche und verbranntem Grünzeug und Liams Lunge brannte bei jedem Atemzug. Der Schmerz war also das Erste, was ihm sein wiedergewonnenes Leben vergönnte.
Er versuchte, die Finger seiner verletzten Hand zu bewegen, und es gelang ihm. Es tat nicht einmal sonderlich weh. Auch sein verstauchter Knöchel machte ihm keine Probleme mehr. Dafür fiel ihm nur ein Grund ein. Dieser Dreckskerl von einem Naturgeist steckte noch in ihm und hatte ihn geheilt!
Sofort saß Liam aufrecht. Alles war wieder da. Seine Sinne, seine Reflexe und eine Welle aus Panik, die beinahe an Hysterie grenzte.
Er wollte keine fremdgesteuerte Puppe sein. Da wäre er lieber tot!
Gehetzt tastete er seinen Körper ab und stellte dabei fest, dass er keine Kleidung trug. Er war völlig nackt und fror nicht einmal.
Es fühlte sich nicht so an, als würde er seinen Körper mit einem fremden Geist teilen. Aber was wusste er schon?
»Hallo?«, fragte er in sich hinein.
Er bekam keine Antwort.
Eine Weile saß er noch so da, wartete darauf, dass etwas geschah, während sein Atem schnell ging und sein Herz wild pochte. Aber da war nichts. Kein Naturgeist, der zu ihm sprach, niemand anderes, der seinen Körper lenkte, außer er selbst.
Erleichtert atmete er durch. Erst dann fiel sein Blick auf die Umgebung.
Es war niederschmetternd und schnürte ihm die Kehle zu. Um ihn herum lag totes Land. Blanker Stein, verbrannte Erde und nur hier und dort der verkohlte Stamm eines Baumes, dessen Krone den Flammen zum Opfer gefallen war – genau wie alles andere in dem über Nacht erblühten Urwald.
Das, was hier geschehen war, konnte unmöglich etwas mit Terra Maters Plan zu tun haben. Sie wollte doch eine neue Welt erschaffen und nicht alles in Schutt und Asche legen.
Er war bereit gewesen, sein Leben zu opfern. Aber wofür? Der Vulkan war dennoch ausgebrochen, hatte dabei den halben Berg weggesprengt und die Umgebung zu einer trostlosen schwarzen Wüste werden lassen. Er fühlte sich wie ein Versager und innerlich leer gefegt.
Weil er nicht ewig einfach so dasitzen und im Selbstmitleid baden konnte, zog er sich auf die Beine. Wie er an den Fuß des Vulkans gelangt war, wusste er nicht. Irgendwie hatte er überlebt, als hätte er einen Schutzengel an seiner Seite. Wenigstens war der Naturgeist weg und er noch immer er selbst.
Ob es Jack gelungen war, rechtzeitig zu fliehen? Ob er seine Tochter und Jones gefunden hatte?
Es war eine Sache, den Vulkanausbruch nicht abgewendet haben zu können, aber eine ganz andere, wenn er seine Freunde dabei verloren hätte. Das durfte einfach nicht geschehen sein! Es war schon schmerzhaft genug zu wissen, dass er für den Tod seines Pferdes verantwortlich war. Der Gedanke an Whiskey tat unsagbar weh.
Obwohl die Erde unter Liams Füßen warm war, schlang er sich die Arme um den Körper. Die Sterne standen am Himmel, es war dunkel, aber hier und dort glühte es noch unter der erstarrten Lava, sodass er genug sehen konnte.
Er schaute zum Vulkan. Um Jack einzuholen oder auf Grace und Jones zu stoßen, würde er ihn umrunden müssen. Und wenn die Lava nur Richtung Sydney geflossen war – wie es der Naturgeist vorgehabt hatte – gab es tatsächlich noch die Chance, dass die drei überlebt hatten. Ohne Kleidung, Wasser und Proviant stand Liam aber ein harter Fußmarsch bevor.
»Autsch, verdammte Scheiße!«, schrie er wutentbrannt, als er, kaum drei Schritt weit gekommen, auf einen spitzen Stein trat. Er sah hinauf zum Himmel. »Die scheiß Schuhe hättest du mir ruhig lassen können!«
Er war wütend. Frustriert. Auch wenn er keine Ahnung hatte, wem er es verdankte, noch am Leben zu sein, kam es ihm wie eine Strafe vor. Als würde ihm jemand sein Versagen unter die Nase reiben wollen und hinter seinem Rücken laut über ihn lachen.
Ganz sicher musste es da jemanden geben. Er hätte den Sturz in den Vulkan unmöglich überleben können. Irgendetwas oder jemand war für seine Rückkehr in die Welt der Lebenden verantwortlich. Nur wer? Die Ignis? Die Belial? Am Ende vielleicht Terra Mater selbst? Wenn er sich doch nur an diesen Traum erinnern könnte.
Liam stockte. Offensichtlich hatte ihm die kurze Verbindung mit dem Naturgeist mehr gebracht, als er für möglich gehalten hätte. Plötzlich wusste er, was es mit den fremdartigen Wesen auf sich hatte. Er wusste um die fünf Sphären, aus denen die Welt bestand, und welche Rolle dieser Energiekonzern Elekreen in der ganzen Sache spielte.
»Deswegen also«, murmelte er und setzte seinen Weg mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend fort. Deswegen hatte es der Naturgeist auf das Kraftwerk abgesehen. Nun verstand Liam auch seine Vision und es war erschreckender als alles, was er sich bisher ausgemalt hatte. Elekreen tötete die Naturgeister.
Eine ganze Weile lief Liam, bis ihm ein erstarrter Lavastrom den Weg versperrte. Heißer Dampf stieg von ihm auf und unter der rissigen, erstarrten Oberfläche konnte man es noch rot glimmen sehen. Er ging in die Hocke, legte seine Fingerkuppen auf das Gestein und zog sie hastig wieder weg. Die Lava war viel zu heiß, um es zu überqueren.
Er ließ seinen Blick in Fließrichtung wandern und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, als er etwas an einem verkohlten Baum hängen sah. Da baumelte doch tatsächlich sein Hemd. Ungläubig starrte er es an.
Wahrscheinlich war es pures Glück, dass der Wind es mitgetragen und vor dem Feuer gerettet hatte. Aber ein wenig Hoffnung machte er sich schon, auch über seine Schuhe zu stolpern. Vielleicht gab es da wirklich jemanden, der schützend seine Hand über ihn hielt.
Er lief zum Baum, pflückte sein Hemd vom Ast und ein Schwarm Ignis stob dabei auseinander wie aufgeschreckte Glühwürmchen.
»Wart ihr das?«, fragte Liam. »Habt ihr mir das Leben gerettet? Oder zumindest mein Hemd?«
Die Ignis antworteten nicht. Aufgeregt schwirrten sie umher und Liam fragte sich, ob sie es lustig fanden, ihn nackt zu sehen.
Er band sich sein Hemd wie einen Lendenschurz um die Hüfte und kam dann auf eine Idee. Wenn es ihm gelänge, den Baum umzustürzen, könnte er auf ihm die andere Seite erreichen.
Ob ihn die Ignis aus diesem Grund hierhergelockt hatten? Er beobachtete die schwebenden Lichter und stellte dabei fest, dass sie sich hin und wieder auf den Ästen niederließen, ohne dabei zu schmelzen und die Gegend gefrieren zu lassen.
Verwirrt sah Liam sich um. War er wirklich wach? War das wirklich seine Welt? Denn wenn dem so war, hätten die Ignis nicht sterben müssen, kaum dass sie mit fester Materie in Berührung kamen?
Liam fühlte sich nicht wie in einem Traum. Wenn er sich also wirklich durch die Menschenwelt bewegte, was war dann mit ihr geschehen, dass die Ignis in ihr überleben konnten? Etwas sehr Merkwürdiges ging vor sich. Obwohl kaum etwas merkwürdiger sein konnte, als den Sturz in einen aktiven Vulkan zu überleben.
Er legte seine Hände an den Baumstamm und machte sich bereit, all seine Kraft aufzuwenden, ihn umzustoßen. Doch als er sich festen Stand suchte und nach vorne sah, fiel ihm auf, dass einige der Äste durchsichtig schienen.
In dem Moment wünschte er sich, nicht mit dem Naturgeist verbunden gewesen zu sein und dessen Wissen in sich zu tragen. Denn statt an eine optische Täuschung oder einen Traum zu denken, schuf sich eine schreckliche Ahnung in ihm Platz.
Er richtete sich wieder auf. Konnte das wirklich sein? Stürzten alle Sphären in sich zusammen? Nur so konnte er sich erklären, warum Materie durchlässig wurde und die Ignis in seiner Welt überlebten. Allein der Gedanke daran schnürte ihm die Kehle zu. Wenn das wirklich geschah, war das dann das Ende?
Nein. Er durfte sich davon nicht aus der Fassung bringen lassen. Vielleicht hatte er bloß Halluzinationen. Er wusste ja nicht, was mit ihm passiert war.
Entschlossen widmete Liam sich wieder dem Baum. Er lehnte sich dagegen und die toten Wurzeln lösten sich beinahe von selbst aus der Erde. Der Stamm stürzte über den Lavafluss und Liam konnte ihn überqueren. Die Ignis begleiteten ihn dabei.
Auf der anderen Seite angekommen warf er einen Blick zurück. Dort, wo zuvor die durchscheinenden Äste gewesen waren, flimmerte die Luft seltsam. Ganz sicher war es die Membran zwischen den Welten, die sich an dieser Stelle begonnen hatte zu zersetzen.
Egal wie lange Liam das Phänomen auch anstarrte, es kam ihm dennoch unwirklich vor. Er wollte einfach nicht, dass das wirklich geschah. Und erst recht wollte er nicht wissen, wo das endete.
Er setzte seinen Weg fort, fühlte sich wie innerlich tot und wusste nicht mehr, warum er überhaupt weiterlief. Alles kam ihm so sinnlos vor.
Die ganze Nacht hindurch lief er, in der Hoffnung, Jack noch einholen zu können, und so ging bereits die Sonne auf, als er endlich weiche Erde unter seinen geschundenen Füßen spüren konnte. Ihm tat jeder Knochen im Leib weh, seine Augenlider waren schwer und während der letzten halben Meile hatte er zu schwanken begonnen. Er war einfach am Ende seiner Kräfte.
Dennoch hielt ihn irgendetwas auf den Beinen. Es war, als würde ihn eine unbekannte Macht magisch anziehen. Vor ihm lag ein Hügel und Liam überkam das Gefühl, ihn nur überwinden zu müssen, um zu Hause anzukommen. Er wusste, wie abwegig das war. Die Ranch seiner Eltern lag Hunderte Meilen in die entgegengesetzte Richtung. Dennoch konnte er dieses Gefühl nicht abschütteln.
Auf allen vieren erklomm er den Steilhang und richtete sich, oben angekommen, auf.
Im roten Schein der ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages zeigte sich ihm erstmals das ganze Bild der Zerstörung. Und Liam war bei diesem Anblick ebenso geschockt wie erleichtert.
Der Naturgeist hatte den Plan verfolgt, den gesamten Landstrich vom Southern Highlands Vulkan bis hin zu Sydney unter Lava und Asche zu begraben. Viele Tausend Quadratmeilen bewohntes Gebiet, Wälder und Buschland, mehr als 5 Millionen Menschen und unzählige Kängurus, Koalas und andere Tiere. Doch das war ihm nicht gelungen. Der Vulkan war zwar ausgebrochen und hatte dabei den Nattai National Park niedergemacht, aber rundherum lag grünes Land. Die Lava war nicht bis nach Sydney gelangt. Nicht einmal im Ansatz.
Trotzdem war der Anblick erschreckend, denn dort, wo die Lavaströme und die durch sie entstandenen Buschbrände endeten, war Australien aufgebrochen wie eine zerplatzte Eierschale. Ein paar Meilen vor sich konnte Liam das Meer sehen und dahinter grün erblühtes Land, wo Straßen und Städte hätten sein sollen. Es schien, dass das gesamte Gebiet rund um Sydney mitsamt der Stadt vom Kontinent abgebrochen war.
Das Gefühl, seiner Heimat nahe zu sein, war noch immer da und bei diesem Anblick stärker denn je. Es ging von der Insel aus und war beinahe wie ein Rufen, dem er nur schwer widerstehen konnte.
Fassungslos starrte er zu dieser neu entstandenen Insel. Er wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte, wie das geschehen sein konnte und wie lange er weg gewesen sein musste, um eine derartige Naturkatastrophe zu verpassen. Wieso er trotz seiner Müdigkeit dagegen ankämpfen musste, einfach blindlings loszurennen, um dort hinzugelangen, wusste er erst recht nicht.
In Anbetracht der erkalteten Lava und der extremen Veränderungen bezweifelte er, dass nur eine Nacht vergangen war. Aber länger als zwei oder drei Tage konnten es doch nicht gewesen sein, sonst würde der Boden nicht mehr glühen. Nur war das viel zu wenig Zeit, um Inseln entstehen zu lassen. Es konnte nur Terra Mater selbst gewesen sein, die dafür verantwortlich war.
War es dann sie, die er rufen hörte? Oder war es nur sein Heimweh nach Sydney, in das er, so erschöpft, wie er war, zu viel hineininterpretierte?
Eine gefühlte Ewigkeit stand er auf dem Gipfel der Anhöhe und starrte auf die Insel. Das war einfach unbegreiflich. Und was er sah, war nicht nur irgendeine Insel. Was da vor ihm lag, war ein regelrechtes Dschungelparadies.
Liam schaute an sich herunter und wieder nach vorne.
»Ich bin auf der falschen Seite des Meeres gestrandet«, meinte er. Er hätte lauthals lachen können, wenn das, was er sah, nicht so erschreckend gewesen wäre. »Mit meinem Lendenschurz sehe ich aus wie Tarzan und der gehörte in den Dschungel, nicht wahr?«
Er sah zu den Ignis, die seine Art von makabrem Humor nicht zu teilen schienen.
Das Schrecklichste für ihn war, dass er das schon einmal gesehen hatte. Terra Mater hatte ihm diese Zukunft gezeigt. Sydney von Pflanzen überwuchert, alles zerstört, was die Menschen errichtet hatten. Er hatte gewusst, dass es so weit kommen würde. Nur seine Rolle dabei kannte er damals noch nicht.
Ob mittlerweile die ganze Welt so aussah? Das, was direkt vor ihm lag, war wohl der Anfang eines neuen Zeitalters und Liam wusste nicht, ob es ihm gefiel, dass er live dabei sein durfte.
Angelehnt an ein paar Steine versuchte Liam, ein wenig Schlaf zu bekommen. Alles kam ihm so sinnlos vor. Er würde in dieser Einöde sterben, davon war er fest überzeugt. Seine Glieder schmerzten, sein Magen war leer und seine Kehle trocken. Nicht nur körperlich war er am Ende, auch geistig fühlte er sich wie erschlagen.
Er wünschte sich nichts weiter, als endlich zur Ruhe zu kommen, aber sein Kopf ließ das nicht zu. Seine Gedanken rotierten und in seinem Bauch hatten sich Frust, Wut und Schuld zu einem festen Knoten zusammengeschnürt. Es gelang ihm einfach nicht einzuschlafen.
Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Er saß sofort aufrecht, sein Herz hämmerte in seiner Brust, doch er konnte nichts Auffälliges sehen. Vielleicht spielte ihm sein Verstand nur einen Streich? So übermüdet, wie er war, hielt er das für am wahrscheinlichsten. Was sollte es außer ihm in dieser trostlosen Gegend auch geben? Er lehnte sich wieder zurück, da berührte ihn etwas an der Schulter. Erschrocken schrie er auf, wirbelte herum und hatte schon die Hände zum Angriff erhoben, als er direkt in Jacks Gesicht blickte.
Liams Atem ging stoßartig, und obwohl er Jack direkt vor sich sah, war sein Verstand noch nicht so weit, das zu begreifen.
»Gott sei Dank, er lebt!«, seufzte Grace, die neben ihrem Vater auftauchte.
Noch immer nach Luft ringend sah Liam von Jack zu ihr und wieder zurück. Nach und nach begriff er, dass das wirklich geschah. Sie hatten ihn gefunden! Sie lebten und er war gerettet. Der tief sitzende Klumpen aus Angst, Wut und Verzweiflung, der ihm die ganze Zeit schon im Magen gelegen hatte, löste sich mit einem Mal auf und wich überströmender Freude.
Er sprang auf, taumelte, weil sein ausgezehrter Körper ihm kaum noch gehorchen wollte, und Jack ergriff seinen Arm, damit er nicht fiel.
»Ihr habt mich gefunden!«, stieß er voller Erleichterung aus und umarmte den Mann.
»Zum Glück haben wir das«, meinte Jack.
Liam löste sich von ihm, stützte sich auf seinen Knien ab und atmete tief durch. Er spürte, wie sich Freudentränen in seinen Augenwinkeln ansammelten. Sein Körper zitterte vor abfallender Anspannung.
»Alles okay?«, fragte Grace besorgt und trat vor ihn.
Er nickte, richtete sich auf und sie strahlte ihn voller Erleichterung an.
Ohne nachzudenken, packte er Grace, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie.
Er musste das einfach tun. Von ihrer ersten Begegnung an hatte er es sich gewünscht und in diesem Moment überschäumenden Glücks schien es ihm die beste Idee von allen zu sein.
Sein Herz explodierte beinahe, als ihre Lippen sich berührten. Aller Schmerz war mit einem Mal wie weggeblasen und alles Schreckliche vergessen.
Kaum eine Sekunde hielt das an, da stieß Grace ihn von sich und Jack packte ihn am Arm, um seine Tochter von ihm zu befreien.
»Was fällt dir ein?!«, fuhr sie ihn an, wischte sich den Mund ab und bedachte ihn mit einem Blick voller Abscheu und Empörung.
Jacks Hand schraubte sich fester um seinen Arm, er hob gerade an, Liam die Meinung zu sagen, als Jones hinter dem Steinhaufen auftauchte.
Liams Herz begann zu rasen, als er seinen Freund sah. Er hatte es nicht gewagt, darüber nachzudenken, warum Jones nicht bei Jack und Grace gewesen war. Zu sehen, dass er noch lebte, ließ ihn innerlich vor Freude schreien.
»Wer von euch hat gerade gebrüllt wie ein kleines Mädchen?«, fragte Jones und riss die Augen auf, als er Liam entdeckte. »Du lebst, verdammt!«, stieß er aus. Er sah zu Jacks Hand an Liams Arm und dann an ihm herunter. »Was habe ich verpasst?«
»Dein Freund hat großes Glück, dass ich ihm mein Leben verdanke, sonst würde ich ihn jetzt eigenhändig zurück auf den Vulkan schleifen und in die Lava werfen!«
»Hey, hey!«, versuchte Jones zu beschwichtigen. »Jetzt kommen wir mal alle wieder runter.«
»Es war nur ein Kuss«, brummte Liam und befreite sich von Jack. Nicht mal ein wenig Freude gönnte der Alte ihm. Er war nur froh, dass der Mann seine Schrotflinte nicht dabeihatte.
»Du hast ihn geküsst?«, fragte Jones und deutete auf Jack.
Grace lachte und Jones grinste gehässig. Er kam auf Liam zu und zog ihn an sich. Liam erwiderte die Umarmung, schloss die Augen und hätte in diesem Moment einfach nur einschlafen und alles Geschehene vergessen können.
»Man, bin ich froh, dich lebend wiederzusehen«, seufzte ihm Jones ins Ohr. »Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben.« »Und wie froh ich erst bin«, sagte Liam leise.