Der Bericht der Rechtsmedizin traf am Vormittag ein. Sören Henning und Lisa Santos hatten bereits ungeduldig darauf gewartet und lasen ihn gemeinsam. Henning sah Lisa von der Seite an und meinte mit einer Spur von Triumph in der Stimme: »Mein lieber Scholli, das ging aber fix. Wir haben den Mistkerl. Der hat wohl nicht damit gerechnet, dass wir seine Daten gespeichert haben. Ein Hoch auf die moderne Kriminaltechnik. Und der Typ ist alles andere als ein Lamm. Zwei Jahre wegen Vergewaltigung, liegt allerdings schon sechzehn Jahre zurück. Dann wollen wir uns den Kerl mal vorknöpfen.«
»Das hätte ich nicht gedacht«, sagte Lisa und schenkte sich einen Kaffee ein. »Ich meine, dass wir den Fall so schnell lösen.
Wo wohnt er?«
»Moment«, sagte Henning und gab die Daten ein. Lisa sah ihm über die Schulter. »Pinneberg. Den holen wir uns gleich jetzt. Aber vorher brauchen wir noch einen Haftbefehl.«
Er rief beim zuständigen Haftrichter an, schilderte in kurzen Worten, was die Ermittlungen im Mordfall Sabine Körner ergeben hatten, worauf der Richter sagte, Henning und Santos könnten den Haftbefehl in einer halben Stunde bei ihm abholen.
Sie brauchten eine Stunde von Kiel bis nach Pinneberg, dann hielten sie vor dem Einfamilienhaus mit der Doppelgarage. Es war kalt und windig, als sie an der Tür klingelten. Ein Mann kam heraus. Henning hielt seinen Ausweis hoch. »Kripo Kiel, Mordkommission. Herr Nissen, Georg Nissen?«, fragte er obligatorisch.
»Ja, was ist?«
»Hauptkommissar Henning, meine Kollegin Frau Santos. Sie sind vorläufig festgenommen.« Er zog den Haftbefehl aus der Jackentasche. »Ich muss Sie über Ihre Rechte belehren. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern, allerdings kann alles, was Sie von nun an sagen, gegen Sie verwendet werden. Haben Sie das verstanden?«
Nissen sah die Beamten entgeistert an. »Moment! Was ist hier eigentlich los? Warum werde ich festgenommen? Was hab ich verbrochen?«
»Das müssten Sie doch am besten wissen. Ich sage nur Sabine Körner.«
»Ich …«
»Wenn Sie sich bitte Schuhe anziehen würden und eine Jacke, alles andere kriegen Sie von uns gestellt.«
»Was ist mit Sabine?«
»Herr Nissen, das wissen Sie doch genau. Sie werden gleich genügend Zeit auf dem Präsidium haben, uns die Details zu schildern. Wenn Sie sich bitte beeilen wollen.«
Von hinten kam eine Frau, die die Beamten kritisch musterte.
»Wer ist das?«, fragte sie ihren Mann und legte einen Arm um ihn, als wollte sie ihn beschützen.
»Polizei. Ich habe keine Ahnung, was die von mir wollen. Sie sagen, ich bin verhaftet, aber ich weiß nicht, warum.«
»Ihr Mann ist verdächtig, eine gewisse Sabine Körner getötet zu haben. Die Beweislast ist erdrückend«, sagte Henning kühl.
»Das ist lächerlich, Georg könnte keiner Fliege was zuleide tun«, fuhr sie die Beamten entrüstet an, woraufhin ihr Mann nur den Finger auf den Mund legte.
»Da sind wir anderer Ansicht, vor allem, da Ihr Mann ja nicht unbescholten ist. Können wir?«
»Schatz, ich bin bald wieder da, das ist alles ein riesengroßer Irrtum. Ich habe niemanden umgebracht.«
»Ich glaube dir. Und ich werde dir einen guten Anwalt besorgen.« Und zu Henning: »Und was soll das heißen, mein Mann ist nicht unbescholten?«
Henning nahm die Handschellen und sagte: »Hat er Ihnen das noch gar nicht gebeichtet? Hände auf den Rücken, wir wollen doch nicht, dass Sie im Auto Blödsinn machen.«
Georg Nissen drehte sich wie in Trance um und schüttelte immer wieder nur den Kopf. »Das ist verrückt, das ist total verrückt! Ich …«
»Auf geht’s, wir haben unsere Zeit auch nicht gestohlen.«