8. Kapitel

»Uiuiuiuiui!« Elfe-Sieben stürmte in die große Küche und hielt dabei ihre spitze Mütze fest, damit sie ihr nicht vom Kopf rutschte. »Hast du gesehen, was auf der Erde los ist?«

Santas Ehefrau richtete sich auf. Sie hatte gerade in einem Backbuch geblättert, das vor ihr in einem Ständer auf der Anrichte stand. Dabei benutzte sie ihren kleinen Finger, denn es war der einzige, der nicht von Teig und Mehl bedeckt war. Um sie herum verteilten sich verschiedene Schüsseln und Behälter mit Backzutaten, und auf einer Backmatte lag ein bereits gekneteter Mürbeteig. »Nanu? Was gibt es denn? Ich war doch erst vor einer Viertelstunde im Büro, und da war noch überhaupt nichts los.«

»Dafür geht es aber jetzt ganz schön rund«, berichtete Elfe-Sieben aufgeregt. »Es wäre, glaube ich, besser, wenn du mal kurz mitkommen würdest. Das musst du dir ansehen.«

»Na gut, wenn es sein muss.« Santas Frau ging zur Spüle, wusch sich Teigreste und Mehl von Händen und Unterarmen und trocknete sich dann rasch mit einem Geschirrtuch ab. »Dann lass mal sehen, was schon wieder vorgefallen ist.« Sie folgte der kleinen Elfe ins Büro und sah sich an, was sich auf dem Bildschirm tat, auf den Elfe-Sieben eifrig deutete. »Aha, es geht also wieder um Melissa und Andy.«

»War das deine Idee, dass sie schon früher umziehen sollen?«

»Früher umziehen?« Verwundert hob Santas Frau den Kopf. »Davon weiß ich ja noch gar nichts.«

»Ricarda und Viola haben ihr gerade eben den Vorschlag gemacht«, erzählte die Elfe. »Ich dachte, du hättest da vielleicht deine Finger mit im Spiel. Du hast doch auch dafür gesorgt, dass Melissa und Lennart sich ein bisschen näher kennenlernen, oder?«

Santas Frau räusperte sich. »Ich habe nur dafür gesorgt, dass sein Onlineshop nicht richtig funktioniert. Alles Weitere hat sich von selbst ergeben.«

»Ja, aber nur, weil du genau wusstest, dass Melissa sich damit auskennt.« Elfe-Sieben grinste. »Aber glaubst du, das war ein guter Schachzug? Ich hatte bisher den Eindruck, dass Melissa sich ein bisschen vor Lennart fürchtet. Von Andy ganz zu schweigen. Der Kleine hat sich ja regelrecht vor ihm hinter seiner Mama versteckt.«

Die Frau des Weihnachtsmannes wandte sich wieder dem Bildschirm zu und sah sich an, was sich auf der Erde tat. »Das habe ich auch bemerkt, und es erfüllt mich ein wenig mit Besorgnis. Ich dachte nur, es wäre so praktisch, weil Lennart doch auch einen Hund hat und gut mit Jana und Oliver befreundet ist. Mit Frank und Ricarda ebenfalls«, fügte sie hinzu. »In dieser Clique wäre Melissa zusammen mit ihrem kleinen Sohn doch eine wunderbare Ergänzung, oder nicht?«

»Ja, schon«, gab Elfe-Sieben zögernd zu. »Ob das aber wirklich funktionieren wird? Wir wissen ja noch gar nicht, ob Lennart wirklich an ihr interessiert ist, und selbst wenn, nützt das alles gar nichts, wenn sie Angst vor ihm hat. Bei ihrer Vorgeschichte wäre das ja auch kein Wunder. Da hast du dir aber auch mit Lennart ausgerechnet jemanden ausgesucht, der ziemlich furchteinflößend wirkt, zumindest auf den ersten Blick.«

»Furchteinflößend?«, echote Santas Frau verwundert. »Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«

»Na ja«, schränkte Elfe-Sieben ein. »Zumindest wirkte er sehr beeindruckend und auf Andy auch einschüchternd. Er ist nun mal sehr groß und hat eine Erscheinung fast wie ein Kleiderschrank, dazu die riesigen Hände, die langen Haare und der Sechstagebart …« Elfe-Sieben kicherte. »Wahrscheinlich hätte auch eine mutigere Frau als Melissa zunächst einmal großen Respekt vor ihm. Dabei ist er, glaube ich, ein ganz lieber Mensch. Doch wie soll Melissa das herausfinden, wenn sie so distanziert bleibt wie bisher? Ich sehe im Augenblick nicht, wie wir das ändern könnten. Und jetzt wird sie mit Andy auch noch früher in das kleine Häuschen umziehen, was bedeutet, dass sie neben ihrer Arbeit sehr beschäftigt sein wird. Da bleibt doch überhaupt keine Zeit, jemanden näher kennenzulernen – Lennart schon mal gar nicht. Denn wie soll sie ihm denn noch einmal begegnen? Wenn überhaupt, dann sehen sie sich nur zufällig während der Zeit, in der er für Jana Dienst auf dem Weihnachtsmarkt tut. Und selbst das halte ich für eher unwahrscheinlich, denn so, wie ich Melissa einschätze, wird sie wissen, wie sie eine erneute Begegnung vermeiden kann.«

»Wenn sie denn eine Begegnung unbedingt vermeiden will«, gab Santas Frau zu bedenken.

Elfe-Sieben wirbelte verblüfft zu ihr herum. »Glaubst du denn, sie möchte ihn wiedersehen?«

»Nun …« Nachdenklich tippte die Frau des Weihnachtsmannes sich gegen die Lippen. »Ich halte es zumindest nicht für ganz ausgeschlossen, dass sie eine gewisse Sympathie zu ihm gefasst hat. Immerhin hat sie ihm ja nun schon einmal mit dem Onlineshop geholfen und damit gesehen, dass er auch einmal Hilfe benötigt und nicht so furchteinflößend ist, wenn man es denn so bezeichnen will, wie sie vielleicht anfangs gedacht hat. Natürlich kann man nie wissen, ob so etwas wirklich passt und wie es weitergehen wird, aber ich glaube, ich habe da gerade eine ausgezeichnete Idee.« Sie trat noch etwas näher an den Bildschirm heran und aktivierte die Bild-im-Bild-Funktion, um einen zweiten Feed auf den Bildschirm zu ziehen. Gleich darauf lächelte sie zufrieden. »Ja, ich glaube, ich weiß, wie unsere nächsten Schritte aussehen werden. Dazu muss ich allerdings …« Ein schelmisches Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. »Wo sind Elfe-Acht und Elf-Zwei?«

Neugierig musterte Elfe-Sieben sie. »Was hast du denn jetzt vor? Du schaust schon genauso vergnügt drein wie Santa Claus, wenn ihm eine geniale Idee gekommen ist.«

»Ob die Idee genial ist, muss sich erst noch herausstellen.« Immer noch lächelte Santas Frau in sich hinein. »Auf jeden Fall gefällt sie mir persönlich ausgezeichnet, und ich bin sicher, mein Mann hätte ganz ähnlich gehandelt, wenn er nicht immer noch so scheußlich erkältet wäre. Ich hoffe wirklich, dass er bald wieder gesund ist. Diese Doppelbelastung mit all meinen Pflichten und Tätigkeiten hier im Haus und rundherum und meinen Plänen für die Weihnachtsbäckerei sowie die ganze Wunscherfüllung und das Verwalten der Wunschzettel ist doch auf Dauer ziemlich anstrengend.« Suchend sah sie sich nach dem Telefon um. »Weißt du zufällig, wo die beiden Kundschafterelfen sich im Moment aufhalten?«

Elfe-Sieben nickte. »Sie waren vorhin noch hier und haben ihren neuesten Bericht auf den Computer übertragen. Sie müssen also noch ganz in der Nähe sein, wahrscheinlich drüben in der Geschenkefabrik, um einen Plausch mit den anderen Elfen zu halten.«

»Wärst du bitte so lieb, sie zu suchen und rasch zu mir zu schicken?« Santas Ehefrau schaltete den Computer ein und warf einen kurzen Blick auf den Bericht der Kundschafterelfen. Da er sich jedoch auf andere Wünsche als den von Andy bezog, beschloss sie, sich später darum zu kümmern. »Mein Plan muss möglichst schnell in die Tat umgesetzt werden. Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit dafür.«

»Na klar, ich mache mich sofort auf den Weg.« Elfe-Sieben ging zur Tür, drehte sich dort jedoch noch einmal um. »Verrätst du mir, was das für ein Plan ist?«

»Später.« Die Frau des Weihnachtsmannes lächelte geheimnisvoll. »Bis Elfe-Acht und Elf-Zwei hier sind, muss ich erst einmal selbst Schritt für Schritt festlegen, wie wir am besten vorgehen, damit auch alles gelingt. Ach ja, sag ihnen bitte, sie sollen auch Elf-Vierzehn mitbringen. Er ist technisch versiert und kann uns helfen.«

»Wobei denn helfen?« Elfe-Sieben trat neugierig wieder einen Schritt näher. »Das klingt ja spannend!«

Die Frau des Weihnachtsmannes lachte. »Eigentlich ist es ganz einfach und nur eine Kleinigkeit. Aber kleine Dinge haben oftmals ja eine besonders große Wirkung, nicht wahr?«

»Du sprichst in Rätseln«, beschwerte Elfe-Sieben sich kichernd. »Das macht Santa Claus auch oft, wenn er etwas ausgeheckt hat.«

Schmunzelnd scheuchte die Frau des Weihnachtsmannes die kleine Elfe aus dem Büro. »Nun lauf schon zu und hol die Kundschafterelfen sowie Elf-Vierzehn her. Dann erkläre ich euch allen zusammen, was mir vorschwebt.« Als Elfe-Sieben endlich fort war, seufzte sie innerlich. Sie hoffte nur, dass diese Idee nicht doch zu gewagt war. Ihr Plätzchenteig würde jedenfalls ein Weilchen warten müssen.