Zu fremden



Sternen



»Und sie lebten glücklich und zufrieden …«

»Ach, Mutter. Muss das sein? Ich bin mittlerweile zu alt für solche Märchen.« Lächelnd entwendete Lora ihrer Mutter die Haarbürste, mit der diese soeben noch an ihren roten Locken zugange war.

»Aber du magst sie doch so gerne.« Königin Nara schürzte die Lippen und betrachtete ihre Jüngste im Spiegel.

»Sicher, Mutter, aber nicht heute. Ich bin sowieso schon nervös genug, da brauche ich nicht auch noch deine Wunschgedanken.«

Die Königin legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte diese sachte. »Du hast keinen Grund nervös zu sein. Ihr habt euch alle lange genug vorbereitet.«

»Du wirst eine deiner Töchter verlieren, wie kannst du da an Märchen glauben?« Loras Stimme klang härter, als sie es beabsichtigt hatte. Sie wollte ihre Mutter nicht verletzen und dennoch … es war ein blödes Gesetz auf ihrem Planeten Sasun, dass nur zwei Kinder desselben Geschlechts einer Familie das einundzwanzigste Lebensjahr erreichen durften. Ihre älteste Schwester Riva wurde diese Woche einundzwanzig und damit war die Zeit für eine Entscheidung gekommen.

»Gesetz ist Gesetz. Wir haben uns genauso daran zu halten, wie der Rest der Bevölkerung.« Die Stimme ihrer Mutter wurde eisig und sie erhob sich von dem Hocker hinter ihr. Die stolze Frau richtete ihr prächtiges Kleid und schüttelte die blonden Locken. Lora war die perfekte Mischung zwischen ihren Eltern. Sie hatte Vaters Haarfarbe, die grünen Augen und die hohe Stirn geerbt. Von Mutter hatte sie die hübschen Locken, langen Beine und eine gute Handvoll Brüste bekommen.

»Ihr seid die Herrscher dieses Landes! Natürlich bin ich für Gleichheit, aber dieses Gesetz ist der reinste Irrsinn!« Loras Stimme hallte laut durch das Zimmer. Ihr Blick war starr auf den Boden gerichtet, da sie es nicht wagte ihre Mutter anzusehen. Wie oft hatten sie dieses Thema die letzten Tage schon besprochen?

»Es reicht mir langsam! Du wirst dich fügen! Genauso wie ich es auch muss!«

Lora vernahm leise, sich entfernende Schritte und zuckte heftig zusammen, als die Tür ins Schloss fiel. Dann war sie alleine.

Wer leben und wer sterben würde, wurde in einem Wettkampf ausgetragen, in dem es darum ging, die Gunst des Königs für sich zu gewinnen. Wer ihrem Vater am meisten schmeichelte, würde leben. Als sollte ein Vater nicht alle seine Kinder gleich lieben, aber auf Sasun herrschten andere Regeln. Vielleicht hatte Vater sie deshalb nicht beachtet, weil er wusste, dass er sich von einer von ihnen trennen musste und hatte sie deswegen immer von sich gestoßen. Es war eine Erklärung, aber sie schrieb es trotzdem lieber seinem gigantischen Ego zu, um die Schmach besser zu ertragen.

Resignierend erhob Lora sich. Der Spiegel zeigte ihr eine junge Frau, die gerade erst zu erblühen begann. Trotzdem könnte heute schon ihr letztes Stündlein geschlagen haben. Unsicher, aber zugleich zu allem entschlossen, strich sie sich noch einmal über das elegante grüne Kleid, bevor sie ihr Zimmer verließ. Die schlichte Krone auf ihrem Kopf wog schwerer als an anderen Tagen. Dann verließ sie schweren Herzens ihr Zimmer.

Ihre Schwestern Riva und Sera waren bereits im Thronsaal, als sie zu ihnen stieß. Publikum war nicht geduldet, lediglich die Wachen an den Seiten, waren ihre stillen Zeugen. Das Königspaar saß auf seinem Thron und hatte den Blick starr auf ihre drei Töchter gerichtet. Die Miene ihrer Mutter war undurchdringlich, wohingegen die ihres Vaters fast gleichgültig erschien. Lora schluckte leicht und sah aus den Augenwinkeln zu ihren älteren Schwestern.

Riva war eine stolze und starke Frau geworden. Sie glich ihrem Vater, war emotionslos und schwer zu durchschauen. Sera dagegen war schon immer Vaters Liebling gewesen und in seinen Augen absolut rein. Von den Dingen, die sie des Nachts trieb, wusste der König natürlich nichts, sonst würde er gewiss anders über sie denken.

»Es ist Zeit, meine Töchter. Ihr kennt die Frage. Was bedeute ich euch?«

Der Moment, der über ihre Zukunft entscheidet, war gekommen.

Riva sprach zuerst: »Für mich bedeutest du das ganze Königreich, Vater.«

König Jural von Sasun nickte anerkennend, ehe er der mittleren Schwester einen Wink gab.

»Für mich bist du so wertvoll wie alle Juwelen und Edelsteine der Welt.«

Auch Seras Antwort wurde abgenickt, während der strenge Blick sich nun auf Lora richtete.

Ihr Herz begann zu rasen, obwohl sie die Worte schon hundertmal in ihren Gedanken gesprochen hatte. An ihrer Antwort war nichts falsch und das musste ihr Vater genauso sehen. Er musste …

»Vater, für mich bist du so wichtig wie das Salz für uns Menschen zum Überleben.«

Ihre Worte waren gesprochen und Lora hatte keine zweite Chance. Die Wachen, die sich ihr näherten, untermauerten diesen Umstand.

»Vater?« Lora blickte über ihre Schulter und fühlte sich in die Enge gedrängt. Kein Nicken. Er hatte nicht genickt! Schweiß rann ihre Stirn hinab.

»Ergreift sie! Die Entscheidung ist hiermit gefallen.«

»Vater!« Loras Stimme wurde flehend, während sie ihm nachsah, als er den Thronsaal verließ. Er hatte nicht einmal Worte des Abschieds für sie übrig.

Ihre Mutter schüttelte traurig den Kopf, während ihre Schwestern sich ebenfalls von ihr abwandten. Nur die Wachen blieben, umkreisten sie langsam, bis einer das aus Verzweiflung schreiende Mädchen am Arm packte und wegzerrte.

Lora konnte noch immer nicht fassen, was gerade geschehen war, als sie durch die Gänge geführt wurde. Sie hatte ihr Leben verwirkt und wusste noch nicht einmal warum. Tränen liefen ihre Wangen herab und verschleierten ihre Sicht auf die Welt.

»Ich erledige das alleine, ihr könnt gehen«, hörte sie eine Stimme sprechen, auch wenn sie dem gerade Geschehenen noch nicht ganz folgen konnte. Sie würde sterben, das hatte sie wenigstens verstanden.

Der Mann, der sie weiterhin am Arm hielt, zerrte sie Stufen hinab und durch Korridore, in denen sie noch niemals in ihrem Leben gewesen war. Sie wusste, dass sie sich dem Reich der Kämpfer näherten. Der Ort, an dem die Schlachttruppen des Königreichs lebten, die ihren Planeten vor Eindringlingen beschützten. Ihr Hauptquartier war durch Geheimgänge mit dem Palast verbunden.

Die Wache, die sie führte, sprach immer noch kein Wort. Lora vermutete, dass er sie in eine Kapsel setzen würde. Zusammen mit einem Zeitzünder …

Ihre Vermutung hatte sie nicht getäuscht. Kriegsschiffe und Zerstörer schossen vor ihr in die Höhe, als sie den Hangar erreichten. Noch nie hatte sie diese Giganten aus der Nähe betrachten können und starrte die Weltraumflotte deswegen ehrfürchtig an, bis ihr Führer sie rücksichtslos weiter zerrte.

»Wir sollten keine Zeit verlieren, Prinzessin«, zischte er ihr zu.

»Hat mein Vater es so eilig mich loszuwerden?«, murrte sie.

»Seid still, bevor euch noch jemand sieht.«

Erst jetzt bemerkte Lora, dass sie nicht den direkten Weg nahmen. Die Wache führte sie fernab fremder Blicke durch das Geflecht der Halle. Er musste sich hier wirklich gut auskennen, wenn er es schaffte sie unbemerkt einzuschleusen. Lora fragte sich, aus welchem Grund er das machte.

»Warum sollte mich niemand sehen dürfen? Das Ergebnis wird doch sowieso verkündet.«

»Könnt Ihr nicht einfach still sein?!«, ermahnte ihr Führer sie abermals.

»Schon gut«, murmelte sie leise und erntete dafür einen bösen Blick. Zumindest vermutete sie das, denn sein Gesicht war unter dem geschlossenen Visier nicht auszumachen.

Die grobe Hand ließ sie los, als sich die Wache an einem Schiff zu schaffen machte. Sie hatte keine Ahnung von diesen Dingen, aber sie war sich sicher, dass die Eingänge normalerweise nicht verborgen am Rumpf lagen. Sie war zu neugierig, um überhaupt auf den Gedanken einer Flucht zu kommen.

»Los! Schnell!«

Verwirrt sah Lora zu der aufgehebelten Bodenplatte, die ins Innere des Kriegsschiffes führte. »Was?«

Weiter kam sie nicht, da die Wache sie um die Hüfte packte und aus dem Stand hochhob. Sie hatte keine andere Wahl, als sich festzuklammern und sich dann ins Innere zu ziehen. Sie rutschte schnell zur Seite, um durch den Spalt nach unten sehen zu können, aber da folgte ihr die Wache schon.

»Was machen wir hier?« Perplex sah sie zu, wie er die Wartungsluke wieder schloss. Aus seinem Gürtel zog er einen Gegenstand, ähnlich einem Schraubenschlüssel, mit dem er die lose Platte wieder mit dem Rest des Metalls verschraubte.

»Sagte ich nicht, Sie sollen still sein?«

Lora biss sich auf die Unterlippe, während er sie auf die Füße zog, nachdem er sein Werk vollendet hatte. Nichts ließ mehr erahnen, dass blinde Passagiere ihren Weg hinein gefunden hatten. Noch nie hatte sie so einen Kreuzer von innen gesehen und war von dem Anblick überwältigt. Gerne hätte sie sich genauer umgesehen, aber wieder ließ er ihr keine Zeit dafür. Seine Schritte waren schnell und präzise gesetzt, was sie darauf schließen ließ, dass er sich im Inneren des Schiffes auskannte. Für einen Moment hatte sie sich fast schon sicher gefühlt, bis sie die Rettungskapseln sah. Ihr Albtraum wurde also doch zur Wahrheit.

Dort oben zwischen den Sternen würde es enden. Eigentlich ein schöner Tod, versuchte sie sich tröstend einzureden.

»Zieh das an! Mach schon!«

Die Wache ließ abermals von ihr ab, um ihr einen hautengen Raumanzug zuzuwerfen. Das schwarze Material fühlte sich warm und nahezu lebendig in ihrer Hand an. Dennoch regte Lora sich keinen Millimeter.

»Willst du sterben?«, fragte die Wache sie.

»Nein!« Vehement schüttelte sie den Kopf und presste den Anzug fester an sich, als könnte das Stück Stoff sie retten.

»Dann zieh das Ding an und steig ein! Das Schiff wird bald ablegen und du darfst auf keinen Fall gefunden werden. Die Kapsel ist schon programmiert. Bevor wir zum Sprung ansetzen, startet sie und bringt dich von hier fort.«

»Aber … aber wohin?« Eigentlich wollte Lora etwas anderes fragen, aber für das Warum fand sie nicht den Mut.

»Nach Veltrín.«

Lora glaubt, nicht recht zu hören. Veltrín war der letzte Ort in der verdammten Galaxis, an den sie hinwollte. Nicht nur, dass es Dreckfresser waren, die vom Plündern alter Raumschiffe reich wurden und Weltraumschrott horteten wie andere Titanium. Nein, Veltrín war zu allem Überfluss auch noch bis auf’s Blut mit dem Königreich ihres Vaters verfeindet.

Aber die Wache hatte recht, es war der letzte Ort, an dem man sie suchen würde. Sie sah den Mann scharf an. »Dreh dich um, ich werde den Anzug anlegen. Vor allem würde ich gerne deinen Namen erfahren.«

»Relag heiße ich. Du tust gut daran, denn der Countdown hat längst begonnen. Kannst du das Vibrieren hören? … Das sind die Turbinen, die hochfahren, um nach Ablauf der Startsequenz den Kreuzer in den Weltraum zu katapultieren.«

»Achtung, Startsequenz eingeleitet«, tönte eine blecherne, aber dennoch weibliche Stimme, die durchaus ihren Reiz hatte. »Zündung der Triebwerke in zehn minus neun Minuten!«

Lora wartete, bis Relag sich umgedreht hatte, dann schälte sie sich langsam aus den Sachen, die sie den Tag über getragen hatte. Schicht um Schicht löste sie sich aus dem Stoff, der ihren Status symbolisierte, bis ihre blasse Haut nichts mehr kleidete als die Luft, die sie umgab. Das schwarze Gewebe, das sich Kleidung schimpfte, war von einem elektrisierenden Schimmer umgeben. Es sah winzig aus, doch als sie hineinschlüpfte, schmiegte es sich an sie wie eine zweite Haut, die sich nahtlos schloss, wenn sich die offenen Enden zusammenfügte. Es umgab ihren gesamten Körper und ließ nur Hände und Kopf aus. Lora berührte das schwarze Gewebe und wurde von einem Schauer erfasst, denn es schien, als würde sie ihre bloße Haut berühren.

»Was nun?« Lola trat vor Relag, der sie ausgiebig musterte. Ihr entging nicht, dass sein Interesse weit über die übliche dienstliche Beflissenheit hinausging. Was sie sah, war pure Lust. Das eigentlich Schlimme daran war, dass es ihr gefiel. Sie räusperte sich, um die Gedanken abzuschütteln. »Also, Relag, meine treue Wache. Was sollen wir tun?«

Der Angesprochene schien wie aus einem Traum zu erwachen. Er drehte sich um und zeigte auf eiserne Sprossen, die in einer Röhre angebracht waren, die steil nach oben führte. »Dort hinauf. Wir müssen die Hyperschlafkammern erreichen, bevor das Raumschiff den Orbit erreicht und beschleunigen kann.«

Kaum, dass er es ausgesprochen hatte, wurde aus dem angenehmen Vibrieren ein Schütteln, begleitet von einem Dröhnen, als würde man ihr den Boden unter den Füßen wegreißen.

»Zündung der Triebwerke in zehn Sekunden … Neun … Acht … Sieben«, tönte die computeranimierte Frauenstimme.

Sie rannten zu den Sprossen und kletterten, so schnell sie konnten hinauf. Dann ging ein Ächzen durchs Metall und Lora hatte das Gefühl, in einem Fahrstuhl zu sitzen, der in rasender Geschwindigkeit in die Höhe schoss.

»Eins … Null … Zündung erfolgt … Aufsuchen der Hyperschlafkammern zwingend erforderlich …«

»Es geht nach oben«, brüllte Relag gegen den Lärm an. »Nur noch wenige Meter, dann haben wir es geschafft!«

Die wenigen Meter entpuppten sich als ein verzweifeltes Ringen um jeden verdammten Zentimeter, denn das Raumschiff gewann an Schub und trachtete danach, sie nach unten zu reißen, wo sie zweifellos auf dem Metall zerschellen würde.

Lora kletterte weiter, versuchte dabei, nicht nach unten zu blicken. Sie hatte nicht nur das Gefühl, über einem Abgrund zu schweben, sondern dachte auch, dass sich der gigantische Kreuzer drehte, um in Rückenlage ins All zu schießen.

»Das Aufsuchen der Hyperschlafkammern vor dem Start ist dringend erforderlich«, forderte das Computerweib emotionslos.

»Fick dich, Schlampe«, schrie Lora gegen das Getöse an, griff nach einer Sprosse und verlor den Halt. Für einen endlosen Moment schwebte sie in der freien Luft, sah sich schon nach unten stürzen und im Zwang der Fliehkräfte zerschellen. Dann ein harter Ruck, als sich Relags Faust um ihr schmales Handgelenk schloss und sie nach oben riss, als wäre sie nur eine Puppe. Kaum, dass sie durch die Luke war, hämmerte er auf einen wild blinkenden Schalter und ein Schott schloss sich mit der Wucht eines Schafotts.

Wie durch ein Wunder wich die Beschleunigungskraft einer Schwerkraft, die der ihres Heimatplaneten nicht ganz unähnlich war. Flackernd erwachten Neonlichter in dem pragmatisch anmutenden Gang. Relag zog sie auf die Beine. »Komm, uns bleiben nur noch Sekunden!«

Die Computerstimme schien sie zu verhöhnen. »Eintritt in den Hypersprung erfolgt in zehn Sekunden … Neun … Acht … Sieben …«

Relag riss sie hinter sich hier, dass sich Lora die nicht ganz unberechtigte Frage stellte, wo er die Kraft und Geschwindigkeit hernahm. Schneller, als es ein Mensch vermochte, hetzte er durch die Gänge, öffnete Schotts und schloss sie wieder, bis sie einen kreisrunden Raum erreichten, der aussah, wie ein Bienenstock.

»Die Hyperkammern«, keuchte Relag, packte Lora am Arm und schob sie in eine, die noch geöffnet war. Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er bereits den kreisrunden Zugang geschlossen, der sie an eine Membrane erinnerte. Tentakelartige Schläuche schlangen sich um ihre Körper und drangen in sie ein, wo es ihnen möglich war. Lora stellte dabei verwundert fest, dass sich das schwarze Gewebe bereitwillig öffnete, als hätte es ein eigenes Leben. Mit dem Eindringen kam die Bewusstlosigkeit, die sie in genau dem Moment ereilte, als sich alles wie zerlaufende Farbe dehnte und zur Unkenntlichkeit verschwamm.



***



Loras Bewusstsein kehrte langsam aus dem Nichts zurück und sie erwachte. Sie lag nicht mehr in der Wabe, sondern davor und ihr Magen rebellierte. Was sie gegessen hatte, fand unangenehm schnell den Weg durch ihren Mund nach draußen. Sie fühlte, wie sie von Relags kräftigen Armen gepackt und durch eine Menge Gänge geschleift wurde, so dass sie die Orientierung verlor. Was sie vom Innern des Kriegsschiffes im Gedächtnis behielt, waren Fragmente von zentimeterdick aufgetragener Farbe. Von Leitungen, die sich in wirren Bündeln die Gänge entlang zogen. Von Türen, die man hermetisch abriegeln konnte und fast meterdickem Stahl dazwischen. Kriegsschiffe waren nicht dafür gebaut, um schön zu sein. Hier war alles zweckmäßig und kalt, darüber konnten auch die allgegenwärtigen Pin-ups nicht hinwegtäuschen, die die Mannschaft an Wände und Decken gemalt hatte.

Ein letzter Schott und Lora sah dichtes Laubwerk über sich. Sie hörte, wie Tiere alarmiert schrien und roch feuchte, nach pflanzlichem Zerfall riechende Luft. Erst dann ließ Relag sie los. »Wir sind da. Das ist Veltrín, deine neue Heimat!«

Eine Umhängetasche klatschte vor Lora in den erdigen Dreck. »Da drin findest du alles, was dich die nächsten zwei Wochen am Leben hält.«

Lora rappelte sich um Atem ringend auf. Vor ihr stand Relag, ein martialischer Krieger ihres Volkes in starker Pose, hinter ihm erkannte sie die Schleuse des Raumschiffs. Und der Rest, nun, der war undurchdringlich grüner Dschungel, wie man ihn auf ihrer Welt aus den Geschichtsbüchern kannte. Panik keimte in der verstoßenen Prinzessin auf. »Du willst … du willst mich hier zurücklassen?«

»Was ich will, spielt keine Rolle«, antwortete Relag knapp. »In der Tasche ist ein Kompass. Geh nach Norden, dann wirst du zu der Stadt gelangen, in der der König von Veltrín residiert.«

»Das ist alles?«, schnaubte Lora aufgebracht. »Kommst du nicht mit mir?«

Relag, umfasst ihre Hüfte und zog sie zu ihrer Überraschung zu sich heran. »Gerne würde ich bleiben, Prinzessin. Doch wenn ich nicht zurückkehre, wird man Fragen stellen …« Er sah sie inniger an, als es einer Wache zustand und Lora erwiderte seinen Blick. Er war alles, was sie im Moment hatte.

Dann löste er sich von ihr und lief zur Schleuse zurück. Dort drehte er sich ein letztes Mal um. »Wir werden uns wiedersehen, Lora. Unter anderen Umständen … nimm den Vibradolch aus der Tasche und achte gut auf ihn, denn er wird dir gute Dienste erweisen.« Die Schleuse schloss sich mit einem ekelerregenden Schmatzen und er war verschwunden. Wie das Raumschiff, das abhob und sie in einer Wolke aus Staub und aufgewirbelten Blättern zurückließ.

Lora stand noch eine ganze Weile auf der Lichtung, bevor sie sich abwandte und nach Norden ging. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass man sie verstoßen hatte. Ihre Herkunft war wertlos geworden, ihr Titel die Tinte nicht wert, mit dem er geschrieben wurde. Sie war weniger als Dreck. Sie war ein Niemand.

Die erste Nacht verbrachte sie bei strömendem Regen unter den Blättern eines Baumes. Ihre Füße brannten, als würde sie über Feuer laufen, während ihre Muskeln protestierten und drohten, mehr als einmal, ihr den Dienst zu verweigern.

In der zweiten Nacht konnte sie nicht schlafen, weil Tiere in ihrer Nähe heulten. Es hörte sich an, als würden sie sie umkreisen und begierig darauf warten, dass sie sich zum Schlafen niederlegte, um sich dann auf sie zu stürzen.

Am dritten Tag lichtete sich der Wald und sie erreichte eine Ebene, die sich so weit erstreckte, wie ihr Blick reichte. Es gab kein Grün und keine Bäume mehr, denn hier türmte sich der Schrott, auf den die mächtigen aus Veltrín ihren Reichtum begründeten. Taumelnd trat sie zwischen den Bäumen hervor und sank in die Knie. War der Wald schon trostlos erschienen, war es die Ebene um ein tausendfaches mehr. So fühlte es sich an, einsam und verloren zu sein.

Während sich ihre Finger in den schmutzigen Staub gruben, erinnerte sie sich vage daran, was sie über Veltrín wusste. Es gab eine Hierarchie, die die Rangfolge nach Stärke und Unerbittlichkeit regelte. Barone stritten in einer Art ständigem Wettkampf um die Macht. Wer unterlag, verlor alles, auch das Leben. Sie trugen Rüstungen aus Stahl, verstärkt durch hydraulische Antriebe, die sie stark wie Maschinen machten. Manche behaupteten sogar, dass dunkle Kräfte im Spiel wären, aber daran glaubte Lora nicht. Wer der aktuelle König, oder besser gesagt Metabaron war, wusste sie nicht.

Lora wollte sich gerade aufrappeln, um weiterzulaufen, als sie hinter sich eine Stimme hörte.

»Dann hat sich unsere Suche am Ende doch noch gelohnt«, tönte es in tiefstem Bass. »So weit vom Palast hat eine Dienerin nichts verloren. Steckt sie in den Käfig, bringen wir sie zu unserem Herrn, dem Metabaron Mordul …«

Erschrocken versuchte sie zu fliehen, hörte die Worte des Fremden kaum bis zum Schluss, doch ihre müden Knochen trugen sie nicht weit. Ihre Knie gaben nach und sie sank in den Dreck. Als sie sie packen, schlug sie um sich, doch das brachte nichts. Loras Gegenwehr wurde zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter beachtet. Die junge Frau hatte keine Chance gegen die Männer in ihren Rüstungen, die sie unmenschlich stark machten. Lora hielt sie für Palastwachen und raue Burschen, die direkt dem Metabaron unterstellt waren, weswegen sie keine Widersprüche duldeten.

Sie zog sich, so weit es ging in dem großen Käfig zurück, der offenbar für weit mehrere Personen ausgelegt war, als er momentan beherbergte. Der Boden war von Schmutz verkrustet, doch der Gestank hielt sich zum Glück in Grenzen. Das Material, aus dem die Gitterstäbe bestanden, kannte Lora nicht, weil es etwas Derartiges in ihrer Heimat nicht gab. Ein innerliches Glimmen ging von den dicken Stäben aus, das Lora gleichzeitig faszinierte, wie abschreckte. Sie hatte es einmal gewagt, einen der Stäbe zu berühren, und der hatte einen Schock durch ihren Körper gejagt, der sie erschrocken zurückprallen ließ. Von da an hielt sie einen großen Abstand zu ihnen und konzentrierte sich stattdessen auf die Landschaft.

Veltrín war düster und schmutzig, sowie trostlos. Den Wald, aus dem sie gekommen waren, hatten sie mittlerweile weit hinter sich gelassen, während sich die Ebene in einer scheinbaren Ewigkeit vor ihnen erstreckte. Lora sah nichts, außer Schrott und riesigen Müllhalden. Ab und an sah sie Menschen, die zwischen den Teilen herumliefen, sich jedoch versteckten, sobald sie die Wachen entdeckten. Vielleicht waren es Plünderer? Sie hatte keine Ahnung, wem dieses ganze Zeug gehörte oder was überhaupt damit geschah.

Häuser hatte sie bisher noch keine entdeckt und die Eintönigkeit, zusammen mit dem Schaukeln des Käfigs, trieben ihr die Müdigkeit in die Augen. Da sich niemand um sie kümmerte, rollte sie sich auf dem Boden zusammen und schloss mit gehörigem Abstand zu den Stäben die Augen.



***



Geräusche weckten sie, während Lora sich orientierungslos umsah. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war oder welchen Tag sie heute hatten. Dämmriges Licht umfing sie und legte einen grauen Schatten über ihre Umgebung. Sie hatten angehalten, aber mehr konnte sie im ersten Augenblick nicht sagen.

Es dauerte weitere Sekunden, bis sie ihre ungebetenen Begleiter aus machte. Sie hatten den Käfig ein Stück hinter sich zurückgelassen, um mit anderen Wachen zu sprechen. Vor ihrem kleinen Konvoi lag ein Tor, das wohl die innere Stadt begrenzte. Hinter sich sah Lora kleine Häuser und Marktstände, auch wenn kein Mensch auf den Straßen zu sehen war. Lora vermutete, dass sie das Hoheitsgebiet des Metabarons erreicht hatten.

Langsam überkamen Lora Sorgen um ihre Zukunft. Sie befand sich auf einem fremden Planeten, der ihr fast unbekannt war, in den Händen von Menschen, die sie eigentlich als ihre Feinde zählte. Nervös spielte sie mit dem Ring an ihrem Finger, der ihr als einziges von ihrer Familie und Heimat geblieben war. Sehnsucht und Verzweiflung ließen endlich Tränen in ihre Augen steigen und Lora nahm sie gerne an.

»Endlich aufgewacht, Prinzessin?«

Die Stimme neben sich ließ sie zusammenzucken. Wussten sie etwa, wer sie war? Aber woher? Ihrem Instinkt folgend zog sie den Ring, der sie verraten könnte, hinter ihrem Rücken vom Finger und ließ ihn in einer kleinen Tasche ihres Anzugs verschwinden.

»Wo sind wir?« Sie setzte sich auf und kroch näher an die Stäbe heran, um den Mann neben ihrem Käfig besser erkennen zu können.

»Am Hof des Metabarons. Das solltest du doch eigentlich wissen.« Sie konnte sehen, wie der junge Mann eine Braue nach oben zog und sie musterte.

»Ich hatte einen Unfall, entschuldigt. Mein Pferd hat mich abgeworfen und ich bin ziemlich durch den Wind.« Um ihre Worte zu unterstreichen, rieb sie sich den Hinterkopf und seufzte leise auf.

»Das erklärt, warum wir dich so weit ab gefunden haben. Wo wolltest du denn hin?«

»Zu meiner Familie. Es wäre noch ein Tagesritt gewesen. Ich war ein paar Tage freigestellt.« Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen, da sie einen Funken Wahrheit in sich trug. Sie wollte nichts lieber als nach Hause, auch wenn man sie verstoßen hatte.

Der Mann nickte und sah sie bedauernswert an. »Da hast du Glück, dass wir dich gefunden haben. Entschuldige die raue Art des Chefs, aber wir haben es momentan mit Ausreißerinnen zu tun, vermutlich hast du schon davon gehört.«

»Ja, aber mit denen habe ich wirklich nichts zu tun.« Lora schüttelte vehement den Kopf und war kurz davor an die Stäbe zu greifen, ehe sie sich wieder eines Besseren besann und die Hände sinken ließ.

»Ich glaube dir, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht. Sobald wir im Palast sind, kannst du wieder deiner Wege gehen.«

»Danke, dass ihr mich herbegleitet habt.« Sie lächelte, auch wenn ihr eher nach Würgen zumute war. Sie wollte nicht hier sein. Weder in diesem Palast, dieser Stadt oder gar auf diesem Planeten. Warum hatte sie sich nicht zu Hause verstecken können? Warum musste sie überhaupt fliehen? Sie strich sich die Tränen weg, die der junge Mann hoffentlich nicht bemerkt hatte und blickte in Richtung des Tors. Die anderen Männer kamen zurück und saßen auf ihre Pferde auf. Der Tross zog schweigend weiter, nachdem man sie passieren ließ. Lora spürte die neugierigen Blicke auf sich, die sie von den anderen Wachen verfolgten.

Die junge Wache blieb an ihrer Seite und verfolgte den Konvoi zu Fuß, womit er keine Probleme hatte, so langsam wie sie sich fortbewegten.

Das Tor begrenzte eine kleine innere Stadt und stellte sie vor große Rätsel. Vor Lora tat sich der Palast mitsamt seinen Stallungen und etlichen anderen Gebäuden auf, obwohl Veltrín ihrer Heimat in der Technik nicht sehr weit unterlegen war, nutzten sie immer noch Pferde zur Fortbewegung, anstatt motorisierten Möglichkeiten. Selbst die Häuser waren noch, wie früher, aus Stein und Lehm erbaut und stellten einen starken Kontrast zu der Kleidung der Menschen dar. Nicht nur die Wachen trugen hier technische Rüstungen, sondern auch einige andere Menschen trugen zum Beispiel Brillen, die den Blick schärften oder Bogenschützen trugen Gerätschaften, die als Zielvisier dienten und den Einschlagsort anzeigten. Aber Lora machte noch jede Menge andere Gerätschaften aus, die sie faszinierten.

Bald schon schwirrte ihr der Kopf, zwar nicht aufgrund des erfundenen Sturzes, sondern von all den Eindrücken, die auf sie niederprasselten. Sie bemerkte nicht einmal, dass sie angehalten hatten.

»Findest du alleine zurück zu deiner Stellung?«

»Was?« Loras Kopf ruckte zum Gitter und sie wurde sich erst jetzt bewusst, dass man bereits den Käfig geöffnet hatte. Das Glimmen der Stäbe war erloschen und machte jetzt tristem Grau Platz. »Entschuldige … ja.«

Die junge Wache hielt ihr die Tür offen und half ihr beim Aussteigen. Lora spürte, wie wieder Leben in ihre Glieder kam und sie streckte sich ausgiebig, um das Kribbeln in ihren Extremitäten loszuwerden.

»Danke fürs Herbringen«, beeilte sie sich zu sagen und wollte sich gerade schon abwenden, als der Mann eine Hand nach ihr ausstreckte und sie zurückhielt.

»Hast du nicht etwas vergessen?«

Verwirrt blickte sie in sein lächelndes Gesicht. Erwartete er etwa eine Entlohnung dafür, dass man sie in einen Käfig gesteckt und verschleppt hatte?

»Bezahl lieber bei mir, bevor der Chef den Lohn einfordert.« Er zwinkerte ihr zu und ihr Blick ging über die Schulter. Der kantige Mann um die vierzig war ihr bisher aus dem Weg gegangen, aber tatsächlich näherte er sich ihnen in diesem Moment. Lora war immer noch zu überfordert, um zu reagieren. Sie hatte kein Geld dabei und wusste nicht einmal, mit was man hier auf Veltrín zahlte. Gerade als sie gestehen wollte, dass sie nichts bei sich hatte, legte sich eine Hand unter ihr Kinn und zwang ihren Blick zurück. Lippen legten sich auf ihre und überrumpelten sie. Sie spürte die Zunge des Mannes, die in ihren Mund eindringen wollte und zuckte überrascht zusammen, aber er ließ nicht von ihr ab. Erst als sein Begehren langsamer wurde und er sie weniger bedrängte, gewährte sie ihm Einlass und ließ sich auf dieses seltsame Spiel ein.

Schmunzelnd löste er den Kuss, hielt sie aber noch einen Augenblick in den Armen. »Man könnte meinen, dass das dein erster Kuss war, oder bist du schüchtern?«

»Ich … bin noch nicht sehr lange hier.« Sie versuchte, aus seinem Griff zu flüchten, und er gab tatsächlich nach. Lora atmete auf, als sie ein paar Schritte zwischen sich gebracht hatte. Den panischen Fluchtreflex unterdrückend, zwang sie sich zu einem entschuldigenden Lächeln.

»Ein Frischling? Dann gewöhn dich schnell ein.« Er zwinkerte ihr zu, bevor er sich abwandte. Ratlos und vollkommen verwirrt drehte sich Lora einmal um die eigene Achse und bemerkte, dass keiner ihrer ehemaligen Begleiter von ihr Notiz nahm. Das Tor war fest hinter ihnen verschlossen und somit gab es auch keine direkte Fluchtmöglichkeit. Sie würde nicht von hier wegkommen, deshalb beachtete man sie nicht weiter.

Lora blieb lediglich der Weg ins Innere des Palastes. Man hatte sie eine Dienerin genannt, also nahm man wohl an, dass sie für den Metabaron arbeitete. Sie hatte zwar keine Ahnung, was sie erwartete, aber viel schlimmer konnte ihre Situation nicht mehr werden. Vielleicht würde sie sogar ein Bett zugeteilt bekommen. Ihr schmerzender Rücken war von der Vorstellung angetan.

Man ließ sie problemlos passieren, als sie an den Wachen am Eingang vorbeimarschierte. Lora hielt das für eine grobe Nachlässigkeit, aber unter ihrer engen Kleidung konnte sie ja auch keine Waffe verbergen und den Vibradolch gemeinsam mit der Umhängetasche hatte sie einer Eingebung folgend an einer versteckten Stelle im Wald zurückgelassen, um solche Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Man nickte ihr freundlich zu, als sie anderen Menschen auf den Gängen begegnete, sprach sie sonst aber nicht an. Es dauerte eine Weile, bis sie einer Frau in einem ganz ähnlichen Anzug begegnete, wie sie ihn selbst trug.

»Entschuldige! Ich bin neu hier. Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich mich melden muss?«

Die Frau mit den gelockten roten Haaren hob eine Augenbraue und musterte sie abschätzend. »Deine Kleidung hast du ja schon. Wurde dir dein Ruhezimmer noch nicht gezeigt?«

»Nein.« Lora schüttelte den Kopf und spielte nervös mit ihrem jetzt leeren Ringfinger. Es ist zu einfach, schoss es ihr durch den Kopf. An diesem Umstand änderte sich nichts und Lora war sich nicht sicher, ob sie darüber froh oder verwundert sein sollte. Die schlanke Rothaarige zeigte ihr ein Zimmer, das sie beziehen konnte. Es war zwar klein, hatte aber alles Notwendige enthalten. Ein Bett, eine Truhe und sogar ein kleines Badezimmer standen ihr zur Verfügung. Lora bemerkte erst, als sie den kleinen Obstteller entdeckte, was für einen Hunger sie hatte.

Ihre Begleiterin grinste sie an und hielt ihr einen Apfel entgegen, als ihr Magen lauthals knurrte. Beschämt blickte Lora zu Boden, nachdem sie sich damit auf ihr Bett gesetzt hatte.

»Danke.«

»Du warst wohl lange unterwegs. Ruh dich erstmal aus und dann zeige ich dir den Rest. Am Abend musst du bereit sein.«

»Wofür bereit?« Lora biss in den saftigen Apfel und musterte die andere neugierig. Ihr Outfit entsprach tatsächlich dem ihren, wenn auch von der Farbe her etwas dunkler. Ansonsten konnte sie keinen Unterschied feststellen. Warum trug sie also einen Overall? Lora war sich sicher, dass sie sich hier nicht in der Nähe eines Hangars befanden.

»Für den Metabaron natürlich. Wir finden uns alle im Spielzimmer ein und dann erwählt er eine oder mehrere von uns.«

Lora konnte sich gerade noch davon abhalten, das Stück vom Apfel auszuspucken, das sie gerade abgebissen hatte. Trotzdem wechselte ihre Gesichtsfarbe und sie hustete laut auf. Wo war sie nur hingeraten?



***



Die Stunden zogen sich endlos dahin, einhergehend damit stieg auch ihre Nervosität. Sie hatte überhaupt keine Idee, was es mit diesem Spielzimmer im Zusammenhang mit dem Metabaron auf sich hatte. Allgemeinhin galt er als unnahbarer, sehr roher Herrscher, dem die Durchsetzung seiner Macht mit Gewalt als adäquates Mittel galt. Man sagte, der Mann sei kompromisslos seinen Feinden gegenüber, wie auch dem eigenen Volk, grob und ungehobelt, umgeben mit einer Aura von einer bestimmten Art der Ehre, die ihrem Volk allerdings fremd war. Ein Bild von ihm hatte sie allerdings nicht vor Augen und genau das machte sie nervös.

Was, wenn es ein alter Sack ist? Ein alter, geiler Bock?

Nein, der Metabaron war mit Sicherheit ein stattlicher Mann mit der Statur eines Kämpfers, denn der Kampf war essentiell auf Veltrín. Während sie vor sich hinträumte, merkte sie gar nicht, wie sich die Obstschale mehr und mehr leerte.

Als es vor dem Fenster dunkel wurde, benutzte sie das Badezimmer, um sich frisch zu machen. Die Dusche war geräumig und das Wasser warm. Es gab einen Spiegel, der vom Wasserdampf nicht beschlug und eine ganze Wand einnahm. Lora stand davor und betrachtete ihren schlanken Körper. Sie hatte ihre Rundungen an den richtigen Stellen, ihre Brüste schmiegten sich weich, aber dennoch straff in ihre Hände. Erhitzt von der Dusche stellte sie sich vor, dass es gar kein Spiegel war, sondern ein Fenster, durch das man von der anderen Seite hindurchsehen konnte. Dass der Metabaron dahinter stand und sie ausgiebig musterte. Sie strich sich an den Seiten entlang und über ihren straffen Bauch. Gerade, als sie mit ihrer Hand zwischen ihren Schenkeln verschwinden wollte, erwachte sie aus ihrem Tagtraum und erschauerte.

Was tu ich hier bloß?

Lora nahm sich ein Handtuch, trocknete sich ab und schlüpfte wieder in den Overall, der sich in gewohnter Weise an sie schmiegte.

Ich will wieder nach Hause. An einen Ort, an dem ich geliebt werde. An dem ich mein Glück finden kann, so bescheiden es auch sein mag. Mehr verlange ich gar nicht vom Leben …

Sie sprang erschrocken auf, als die Tür ohne anzuklopfen, geöffnet, nein, geradezu aufgerissen wurde. Zwei Wachen betraten den Raum. Anders als die, die sie zum Palast gebracht hatten, trugen diese bleigraue Rüstungen, die durch Exoskelette verstärkt waren. An den Seiten hingen Monoschwerter, die neben der normalen Schneide eine zweite Klinge besaßen, die wie ein Laser alles durchtrennen konnte, was sich ihr in den Weg stellte. Natürlich trugen sie auch Blaster und quer über der Brust die klassischen Dolche Veltríns, von denen sie schon so viel gehört, aber noch nie einen gesehen hatte.

Einer trat vor. »Es ist Zeit, du musst uns begleiten.« Seine Stimme ließ keinen Kompromiss zu.

Lora lächelte ihn an und schloss den Overall über ihren Brüsten. »Ich bin bereit.«

Bin ich das? Und wenn ja, bereit für was genau?

Das Spielzimmer?

Was ist das Spielzimmer?

Sie trat zwischen den Wachen hindurch auf den Gang hinaus, blieb stehen und drehte sich um. »Darf ich Euch eine Frage stellen?«

Der, der gesprochen hatte, nickte. »Nur eine! Der Metabaron wartet nicht gerne!«

»Was ist das Spielzimmer?«

Der Mann sah sie verwundert an, dann zu der anderen Wache, die mit den Schultern zuckte. Er drehte den Kopf wieder ihr zu. »Das Spielzimmer ist alles, was der Metabaron in Form seines Amtes nicht sein kann …« Damit drehte er sich um und ging los. »Und jetzt schnell, wir werden zu spät kommen!«

Der Rest des Weges verlief schweigend. Lora lief zwischen den beiden Männern und musste sich beeilen, um mithalten zu können. Ihre Schritte hallten hohl in den engen, aber sehr hohen Gängen, die in einer Art Spirale nach unten führten. Nur selten zweigten andere Gänge oder Türen ab. Licht schuf eine eigenartige, grün leuchtende Substanz, mit denen die gewölbte Decke bestrichen war. Sie schien eine Art Eigenleben zu besitzen, denn Lora hatte den Eindruck, dass sie sich bewegte oder zumindest pulsierte. Einhergehend damit nahm die Intensität des Lichts in unregelmäßiger Frequenz ab und wieder zu.

Sie liefen lange und Lora fragte sich, wie tief unter der Oberfläche dieses Spielzimmer liegen mochte, als der Gang vor einer Tür aus schwarzem, glänzendem Holz endete. Zu beiden Seiten standen weitere Wachen, die die anderen knapp begrüßten. »Ihr habt großes Glück. Der Metabaron ist noch nicht gekommen.«

Ohne weitere Worte zu verlieren, öffnete er die Tür. »Hinein mit dir, die anderen Gespielinnen warten schon!«

Lora warf ihm einen vernichtenden Blick zu, hob ihr Kinn und versuchte, mit einem letzten Rest an Würde an den Wachen vorbei in den Raum zu gehen. Als sie den Türrahmen durchquerte, gab ihr der Mann einen derben Stoß, so dass sie einige Schritte nach vorne stolperte und stürzte. Dann schlug die Tür hinter ihr zu.

Als erstes fiel ihr der überraschend glatte und tiefschwarze Steinboden auf. Danach bemerkte sie, dass es drückend warm war. Sie rappelte sich auf und fand sich in einem kreisrunden Saal wieder, den sie in seiner fast schon filigranen Art auf Veltrín nicht erwartet hätte. Veltrín stand seit jeher für das Grobe, Unbehauene, das rohe Gewalt zelebrierte, nicht jedoch für das Glatte, Schmeichelnde.

Dann erst bemerkte sie, dass sie nicht allein war. Die Rothaarige, die sie in ihre Kammer gebracht hatte, war da und drei weitere Frauen ebenfalls. Sie alle trugen diese Overalls, die sich nur durch leichte Nuancierungen der Farbe unterschieden, sonst aber identisch aussahen.

Die Rothaarige trat zu ihr und half ihr auf die Füße. »Die Wachen mögen uns nicht besonders«, versuchte sie das Verhalten, des Mannes vor der Tür zu erklären. »Beachte sie einfach nicht …«

Der Raum wurde von der gleichen, grün-pulsierenden Lichtquelle erleuchtet wie der Gang, nur intensiver. »Danke …« Sie sah sich um und begann zu begreifen, um was für ein Spielzimmer es sich handelte. Als erstes fielen ihr vier mit rotem Stoff bezogene Betten auf.

Aber wir sind fünf …

Dazwischen gab es Regale, in denen merkwürdige Gegenstände lagen. Sie sah sauber aufgewickelte Seile, daneben Fesseln aus geschmiedetem Eisen. In einem anderen lagen Ketten und ein recht bizarres Ledergeschirr, in dessen Mitte die Nachbildung eines männlichen Geschlechts angebracht war. Am längsten haftete ihr Blick an einer Art Waffenständer, in dem allerdings keine Schwerter, sondern Peitschen standen, wie man sie zum züchtigen von Pferden verwendete. Auch Rohrstöcke waren dabei.

Sie sah die Rothaarige verunsichert an. »Was ist das hier alles?«

Die kicherte auf eine alberne Weise. »Spielzeug … Wir befinden uns in einem Spielzimmer, schon vergessen?«

»Ähm.« Lora sah sich unbehaglich um. »Du meinst …« Sie machte mit der Hand eine Bewegung, als würde sie mit einer Peitsche schlagen.

»Aber ja«, antwortete die Andere. »Anfangs war ich auch erschrocken, dachte, es sei etwas Abartiges. Doch dann, mit der Zeit, fand ich Gefallen an den Neigungen des Metabarons.« Sie nahm ihre Hand und führte sie durch den Raum zu einem Gestell, das wie ein X aussah und an allen Enden mit Metallringen versehen war. Behutsam strich sie über das alte Holz. »Das hier ist mein Lieblingsstück. Mein persönlicher Tempel der Lust.«

Lora wurde nervös. »Ich weiß nicht, für mich sieht das eher nach Schmerzen aus.«

Die Rothaarige lächelte hintergründig. »Lust, Schmerzen, Ekstase, nenn es, wie du willst, letztendlich gipfelt es in vollkommener Erfüllung.«

»Wenn sie dem Metabaron zu gefallen weiß«, warf eine Brünette ein. Sie war etwas draller als die Anderen, hatte üppige, verführerische Formen, die zum Anfassen geradezu einluden.

Lora sah sie an. »Wie kann ich das verstehen?«

»Sei doch nicht so naiv«, mischte sich eine Blonde ein. »Was glaubst du wohl, hm? Es geht hier um Sex.« Sie machte eine umfassende Bewegung. »Das ist der Tempel der Lüste!«

Sie begann zu begreifen. Das Spielzimmer ist alles, was der Metabaron in Form seines Amtes nicht sein kann, erinnerte sie sich an die Worte der Wache. »Er kommt hierher, um uns zu ficken?«

»Mehr als das«, sagte die Rothaarige. »Es ist nicht der pure Akt, der ihn erfüllt, es ist …«

»… die Kombination aus Lust und Schmerz«, vervollständigte eine tiefe Männerstimme ihren Satz. Lora entwich ein spitzer Schrei und sie drehte sich langsam um. Der Metabaron war gekommen. Er musste ohne einen Laut durch die Tür getreten sein. Bedächtig durchquerte er den Raum und sah die Frauen an. Er war ein großer, breitschultriger Mann, hatte sein langes, schwarzes Haar zu einem dicken Zopf geflochten, während sein muskulöser Hals mit ineinander verschlungenen Linien versehen war.

Lora hätte eigentlich damit gerechnet, dass er wie seine Wachen eine Rüstung trug, stattdessen war es schwarzes Leder, in das er sich kleidete. Er blieb vor Lora stehen und legte ihr einen Finger unters Kinn, um es anzuheben. »Du bist also die Neue …« Langsam ging er um sie herum, begutachtete sie wie ein Stück Vieh, das er zu kaufen gedachte. »Überaus gut gewachsen.«

Die Rothaarige warf sich in Pose, schob ihre Hüfte nach vorne. »So wie wir, verehrter Fürst. Und wir wissen, was du begehrst …«

Der Metabaron hob die Hand, sah aber weiterhin Lora an. »Du! … kein Wort mehr!«

Lora zuckte ob der Schärfe seiner Worte zusammen, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Die Rothaarige schwieg, drehte sich um und ging zu den anderen Frauen. Seine Hand legte sich in ihren Nacken, mit den Fingern umschloss er ihren zarten Hals. Lora war überrascht von der Weichheit seiner Haut und dennoch sog sie scharf die Luft ein, weil sie damit rechnete, dass er gleich zudrücken würde.

Der Metabaron besaß immense Kraft. Er war sicher stark genug, ihren dünnen Hals zu zerquetschen, als wäre er aus Papier und nicht aus Fleisch und Blut. Letzteres geriet bei Lora in Wallung, auch wenn sie sich dagegen sträubte. Seine Berührung auf ihrer Haut war elektrisierend. Er übte einen präsenten, aber immer noch sanften Druck aus, mit dem er sie zu besagtem X dirigierte. Dort wurde er etwas nachdrücklicher und presste sie an das dunkle Holz, bis sie es mit ihrem Körper berührte.

Lora empfand seine Berührung durchaus als erregend, auch wenn sie dies niemals offen zugeben würde. Sein Geruch war mehr als nur männlich, war animalisch und hatte etwas von einem gereizten Raubtier, das ein Opfer zum Spielen suchte.

Wie die Katze und die Maus …

Mit ruhigen, entspannten Bewegungen nahm er ihre Hand und führte sie zu der Stelle weit über ihrem Kopf, wo sich ein eiserner Ring am Ende des X befand. Lora zog einen kurzen Moment dagegen, weil sie die Hilflosigkeit in den Fesseln fürchtete. Seine andere Hand, die noch immer in ihrem Nacken lag, schloss sich wie eine Schraubzwinge und drückte ihr die Luft ab, so dass Loras Widerstand augenblicklich zusammenbrach. Sie hatte der Dominanz dieses Mannes nichts entgegenzusetzen. Vielleicht wollte sie es auch nicht. Wer konnte das schon wissen?

Ich war mein Leben lang stark, bin gegen alles angegangen. Musste ich erst nach Veltrín kommen, um zu erfahren wie es ist, sich fallen zu lassen?

Fast zärtlich schmiegte sich das Metall der Fessel um ihr Handgelenk. Dann um das andere und letztlich um ihre Knöchel, bis sie mit dem Rücken zum Metabaron mit gespreizten Beinen und nach oben gereckten Armen am Kreuz stand. In dieser Position konnte er nahezu alles mit ihr machen – ob sie wollte oder nicht.

Seine Hand löste sich von ihrem Nacken, glitt an ihm hinunter und die Wirbelsäule entlang bis zu der Kuhle, mit der sich ihr Hintern teilte. Er folgte der Linie weiter, bis er zwischen ihre Beine gelangte. Sie wurde von einem knisternden Kribbeln erfasst und hatte das Gefühl, anstelle des Overalls lediglich ihre nackte Haut zu tragen. Lora spannte sich in den Fesseln, versuchte wegen seines unerlaubten Vorstoßes ihre Schenkel zu schließen, was nur bedingt möglich war. Zugleich wollte sie sich öffnen, weil seine Berührung so zart war, dass sie es kaum ertragen konnte.

»Du darfst dich gehen lassen«, flüsterte er ihr ins Ohr. Sein Atem streifte zart ihre empfindliche Haut, während seine Nähe sie betörte. Geradezu gierig sog sie seinen Duft ein und wollte mehr, auch wenn es unschicklich war, sich derart fallen zu lassen.

»Ich … ich kann … darf nicht …«, keuchte sie sichtlich erregt.

»Du darfst alles, was ich dir erlaube«, erwiderte der Metabaron. Seine Finger verweilten nach wie vor zwischen ihren Beinen, der Druck wurde stärker und Lora wimmerte. Ihr Herz hatte schon zuvor schnell geschlagen, doch nun machte es einen fast schmerzhaften Sprung.

Der Baron löste sich von ihr, wobei er eine beinahe schmerzliche Leere in ihr hinterließ und rief eines der anderen Mädchen herbei. »Bring mir die Utensilien«, herrschte er sie an. Lora versuchte, ihren Kopf zu drehen, um etwas zu erkennen, doch was sie sah, waren nur Bewegungen in undeutlichen Schatten.

»Die Vorzüge dieser Overalls sind mannigfaltig«, erklärte ihr der Metabaron und zog Lora erneut in seinen Bann. »Sie schützen eure wertvollen Körper vor äußeren Einflüssen, halten selbst Feuer und großer Kälte stand.« Er berührte ihren Rücken, strich darüber, als würde er sie streicheln. »Sie sind organisch und leben.« Seine Hand fuhr ihre Wirbelsäule hinab und erneut über ihren Hintern. Die Vorstellung, von etwas Lebendem umgeben zu sein, das sie umgab wie eine zweite Haut, das dachte, fühlte, empfand, war berauschend und abstoßend zugleich. Sie konnte den Overall nicht spüren, wusste jedoch, dass er sich Händen gleich um ihre Brüste legte und über ihren flachen Bauch. Dass er ihre Scham überspannte, sogar ein wenig in sie eindrang.

Was empfindet es dabei? Empfindet es überhaupt etwas?

Lora befand sich in einem Wechselbad der Gefühle, zwischen Abscheu und Gier.

Er wird mich benutzen … doch ich weiß nicht, wie. Wird es schmerzen, wird es lustvoll sein, oder beides, nahtlos ineinander übergehend?

Lora hatte sich noch nie in einer solch wehrlosen Situation befunden, oder war ihren Gefühlen auf diese Weise ausgeliefert gewesen. Sie konnte schreien, aber es würde nichts ändern. Sie konnte sich aufbäumen, aber das würde es nur schlimmer machen. Also beschloss sie, teilnahmslos zu bleiben, um durch ihr Desinteresse abweisend zu erscheinen.

Du weißt doch selbst, dass du das nicht schaffen wirst. Schon jetzt bist du eher erwartungsvoll als angewidert …

»Wenn ich es möchte, teilt sich die Substanz und offenbart mir deine weiche, unversehrte Haut«, sprach der Metabaron. »So wie jetzt, denn selbst dieses Lebewesen erzittert vor meiner Macht.«

Lora hörte, wie ihm eine der Frauen etwas reichte, sah aber nicht, um was es sich handelte. Etwas berührte ihren Rücken und sie wusste, dass es nicht seine Hand war. Es war härter, kantiger, eher wie Leder.

Das ist … eine Gerte … wie man sie bei Pferden verwendet, dachte Lora und wimmerte leise. Sie wollte nicht wie ein Tier behandelt werden.

»Deine Haut gleicht einer unbeschriebenen Landkarte«, sprach der kräftige Mann in sonorem Ton. »Unentdeckt, unbefleckt, rein … vielleicht sogar jungfräulich.« Er lachte leise. »Als ich Metabaron wurde, indem ich meinen Vater im Kampf besiegte und auf dem Mond Taron erschlug, folgte ich eine lange Zeit den Göttern der Zerstörung. Wer sich widersetzte, wurde von mir zerbrochen.« Das Leder wanderte über ihre Schultern, dann längs der Wirbelsäule hinab. »Doch bald wurde mir klar, dass es besser ist, zu unterwerfen, als zu vernichten.« Er fuhr ihr zwischen die Pobacken und über ihre Scham. Ein Gefühl wie ein leichter elektrischer Schlag durchfuhr sie. »Aus Unterwerfung wird Liebe geboren. Aus Schmerzen pure Lust …«

»Nie kann man Lust aus Schmerz empfinden«, begehrte Lora leise auf, »es sei denn, man ist pervers.«

Der Baron lachte und zog die Gerte mit einem schnellen Ruck von ihrer Scham. Es entstand ein starker Reiz, der sie mit einem Schauer durchflutete. Lora konnte ein leises Wimmern nicht unterbinden. »Du wirst bald wissen, was ich meine …«

Die Gerte zischte durch die Luft und klatschte zwischen ihre Schulterblätter. Schneidender Schmerz explodierte als grelles Licht und ließ Lora aufschreien. Sie wollte sich dem entziehen, doch sie wusste nicht, wohin, gebunden wie sie war.

Der nächste Schlag traf sie etwas darunter, aber auf der gleichen Linie. Sie spürte ihre Muskeln zucken und schrie erneut, wimmerte dann. Lora schwitzte stark und zitterte am ganzen Körper. Sie holte tief Luft, biss die Zähne zusammen und nahm sich vor, nicht noch einmal zu schreien. In Erwartung des nächsten Schlages straffte sie ihren Körper.

»Du denkst, du kannst dem, was kommt, widerstehen?«

Lora drehte den Kopf. Sie wollte ihm in die Augen sehen, seinem Blick begegnen und standhalten, wenn es ging, doch so weit kam sie nicht rum. »Das ist … armselig.«

Mein Schweiß brennt in den Striemen, die sich auf meiner Haut kreuzen. Sie ist nicht mehr makellos, blutet vielleicht.

Lora keuchte, als sie begriff, dass er damit lediglich ihre Sinne wecken wollte. Dass Adrenalin ausgeschüttet wurde, das sie hellwach machte.

Sie spürte eine erneute Berührung. Dieses Mal von etwas anderem. Es war glatt und rund. Und feucht.

»Kennst du den Rohrstock?«, flüsterte der Metabaron an ihrem Ohr. Seine Nähe machte sie auf eine Art nervös, die sie unterbinden wollte. Gepaart mit dem Brennen zwischen ihren Schultern und den Fesseln, die sie zur Wehrlosigkeit verdammten, spürte sie eine anwachsende Erregung, die Hingabe forderte und Berührung verlangte. Eine Lust, die durch ihre Adern pulsierte und ihre Sinne unter Spannung setzte.

Nein, so einfach gebe ich mich nicht geschlagen!

Der Rohrstock glitt zwischen ihre Beine und teilte ihre Scham. Der Metabaron übte einen sich steigernden Druck aus, berührte dabei die Perle im Zentrum ihrer Scham, die sehr empfindsam war. Sie konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken und schämte sich sogleich dafür. Alles in ihr forderte mehr, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte.

Die biegsame Rute glitt aufreizend langsam an der Innenseite ihres Schenkels hinunter und am anderen wieder hinauf, um ihre Reise mit leichtem Druck über ihre Flanken fortzusetzen. Lora wurde fast wahnsinnig. Es reizte sie auf’s Äußerste, weil es das Verlangen nach einer festeren Berührung entfachte. Gerne auch Schmerz – Hauptsache härter.

Die Spitze des Rohrstocks erreichte die beiden Striemen zwischen ihren Schulterblättern. Er führte sie in den Kerben entlang, bis er an die Stelle gelangte, an der sie sich kreuzten. Dort bohrte er die Spitze des Stocks mit zunehmendem Druck in die Haut.

Lora stieß einen spitzen, überraschten Schrei aus. Die Reizung ihrer Haut verwandelte sich in greifbaren Schmerz, der ihre Nervenbahnen entlang raste, um sich zwischen ihren Beinen in einer lustvollen Explosion zu entladen. Ein Zittern durchlief ihren Körper, ließ sie leise stöhnen. Sie merkte dabei kaum, wie sich ihr Hintern etwas anhob, um zu weiteren Berührungen aufzufordern, weil ihre Scham es forderte.

Der Rohrstock zischte durch die Luft und zog eine Linie auf ihrer Wirbelsäule fast bis zu ihrem Hintern. Der Schmerz brannte wie siedendes Öl.

Lora japste, dann keuchte sie und letztendlich entfuhr ihr ein tiefes Stöhnen, weil sich durch den Schlag ihre Scham nach vorne ans raue Holz gepresst hatte und dadurch noch mehr gereizt wurde. Jetzt war es nicht nur ihr Schweiß, der sie nass machte. Sie konnte die Feuchtigkeit spüren, die ihr aus ihrer überreizten Scham rann.

Trage ich den Overall überhaupt noch? Hat sich dieses … lebende Ding zurückgezogen?

»Was fühlst du nun, hm?«, wollte der Metabaron wissen. »Erfüllt dich der Schmerz mit Lust?«

Lora keuchte, biss sich auf die Unterlippe, zwang sich dazu, den Kopf zu schütteln. »Ich fühle nichts als Verachtung, denn ich stamme von einer Welt, in der man Frauen nicht mit Peitschen und Stöcken schlägt!«

Doch die Wahrheit war eine andere. Lora brannte. Nicht nur ihre Haut, es war ihr gesamter Körper, der bis in die letzte Faser in Flammen stand. Sie gierte danach, berührt zu werden. Ihr geröteter Rücken forderte die grobe Behandlung, weil sie die Sanfte wahnsinnig machte. Zugleich wusste sie, dass dies erst der Anfang gewesen war.

Der Metabaron drückte sich von hinten gegen sie. Lora spürte die Härte in seiner Hose, die sich erbarmungslos gegen ihren Rücken drückte und ihre Sinne verschwimmen ließen. Seine Erregung steigerte ihre eigene noch mehr. Sie spürte eine seiner Hände, die sich grob um ihre Brust legte und sie in die Brustwarze zwickte, dass sie aufkeuchte. Die sensible Stelle schmerzte und ließ sie bei jedem erneuten Zwicken und Zwirbeln leise wimmern. Zeitgleich presste sie ihm ihren Hintern weiter entgegen, wollte mehr von seinen Berührungen.

Was geschieht nur mit mir? Ich will, dass er von mir ablässt und mich gleichzeitig nimmt.

Die Situation erschöpfte Lora. Ihre Knie zitterten bereits und sie hing mehr in den Fesseln, als das sie sich selbst aufrecht hielt. Wenn sie die Augen schloss, spürte sie den Schmerz intensiver. Die Reibung durch seinen Körper an ihrem Rücken, ließ die Wunden nicht zur Ruhe kommen und entfachte ein stetiges Brennen, das sie gleichzeitig verachtete sowie genoss.

»Du wirst diese Welt zu lieben lernen. Das verspreche ich dir.« Seine Worte brannten sich in ihr Innerstes und ließen sie erschauern. Der Rohrstock trug sein Übriges dazu bei. Sie spürte ihn zwischen ihren Schenkeln und spannte ihren Körper in Erwartung des bevorstehenden Schmerzes an. Doch nichts geschah. Sie entspannte sich, als sie realisierte, dass er ihr nicht Schmerz, sondern Lust bereiten wollte. Er glitt lediglich sachte zwischen ihren Schamlippen entlang und jetzt, nachdem sie locker ließ, konnte sie die Berührung sogar genießen.

Auch die Schmerzen an ihrer Brust ließen nach. Seine Berührungen wurden zarter und blieben dennoch durch die vorangegangene Reizung intensiv. Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken, weswegen sich jedes einzelne Härchen bei ihr aufstellte. Lora musste sich eingestehen, dass sie mehr wollte. Mehr von ihm.

Der Rohrstock traf genau ihr Lustzentrum und ließ Sterne vor ihren Augen tanzen. Sie glaubte zu verglühen und zeitgleich neu zusammengesetzt zu werden. Ein lautes Stöhnen entwich ihren Lippen, das in ihren eigenen Ohren fremd klang. Sie wollte erschöpft zusammensinken, aber der Metabaron packte sie fester und hob ihren Hintern an. Sie war sich sicher, dass er sie jetzt nehmen würde, und verkrampfte innerlich. Er schien ihre Gedanken gehört zu haben.

»Heute nicht.«

Sie konnte fast sein Lächeln an ihrem Nacken spüren und danach umfing sie nur noch Kälte. Lora hörte seine Schritte, die sich von ihr entfernten und sie weiterhin erregt zurückließen. Seine Stimme hallte deutlich zu laut in ihren Gedanken, als er ein anderes Mädchen zu sich rief und es auf die Knie schickte. Sie konnte nicht sehen, was geschah, aber ihre Gedanken malten Bilder in ihrem Kopf. Die Blondine hatte wirklich schöne Lippen, vielleicht hatte er sie gewählt. Eine neue Welle der Lust durchzuckte sie, als sie sich vorstellte, wie er das Mädchen in den Mund fickte und seine Lust, die sie ihm beschert hatte, an ihr ausließ.

Lora wimmerte leise, als sie sich ihrer Gedanken bewusst wurde.

Das ist zu viel! Ich will das nicht! Das bin nicht ich!

Sie zog an ihren Fesseln, aber niemand schenkte ihr Beachtung. Der Fluchtinstinkt ließ sie rütteln und jammern, bis sie tiefer in sich zusammensackte. Lora war am Ende ihrer Kräfte angelangt, psychisch und physisch.

Hinter ihrem Rücken stöhnte der Metabaron auf und goss wahrscheinlich seinen Saft in den Rachen des Mädchens. Lora leckte sich dabei über die Lippen und ließ gedemütigt den Kopf hängen, bei dem Gedanken, dass sie es gerne gewesen wäre, die ihn in Ekstase brachte.

»Lasst uns allein!«, drang es durch ihre wirren Gedanken. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen oder ob es erst Sekunden her war, seit sie das Letzte wahrgenommen hatte. Ihr Kopf war wie in Watte gepackt.

Die Tür schloss sich und Lora war sich der Nähe des Metabarons mit jeder Faser ihres Körpers bewusst.

»Hast du es jetzt verstanden?«

Sie wusste, von was er sprach und dennoch schüttelte sie den Kopf. Zu viel mehr war sie nicht in der Lage, weil sie am Ende ihrer Kräfte angelangt war. Ihr Rücken brannte wie Feuer und würde sie noch einige Tage an diese Nacht erinnern. Ihre intimste Stelle pochte ebenfalls weiter und verlangte verräterisch nach mehr. Sie versuchte die Lust zu ignorieren und sich auf den Schmerz zu konzentrieren, doch es gelang ihr nicht.

Sein Lachen ließ sie wie unter einem Schlag zusammenzucken. Wahrscheinlich war sie einfacher zu durchschauen, als sie dachte. Ein leises Klicken riss sie aus ihren Gedanken und fast von den Füßen, als sie von ihren Fesseln befreit wurde. Lora torkelte und wäre fast gestürzt, aber ihr kam sogleich jemand zu Hilfe. Die starken Hände des Metabarons hielten sie aufrecht, bis ihre Beine wieder ihre Arbeit aufnahmen. Sie wollte sich ihm danach entwinden, aber der Griff um ihre Taille wurde immer fester.

»Ich habe noch nie ein Mädchen wie dich getroffen. Deine Sturheit scheint grenzenlos zu sein. Von wo kommst du nochmal?«

»Das geht Euch gar nichts an! Jetzt lasst mich endlich in mein Gemach. Wir sind hier fertig.«

»Denkst du nicht, dass ich zu entscheiden habe, wann wir fertig sind?« Sein Lächeln verblasste nicht, aber dahinter sah Lora noch etwas anderes – das Raubtier in ihm. Sie wollte es nicht noch einmal entfachen. Oder doch?

»Verzeiht … natürlich … darf ich jetzt gehen?«

Seine Hände glitten über sie, schienen jeden Winkel zu erkunden, obwohl er die intimen Stellen ausließ. Es war erregend, so berührt zu werden, fast wie ein kleines Kennenlernen. Sie schloss die Augen, als er mit einer Hand über ihre Wange strich. In der nächsten Sekunde japste Lora jedoch nach Luft. Seine Hand hatte sich schmerzhaft um ihren Hals geschlossen.

»Was ist das?«

Er hielt ihr den Ring vor Augen, den sie in ihrer Tasche behütet zu wissen dachte. Offenbar hatte er ihn während seiner Erkundungstour entdeckt.

Sie versuchte mit beiden Händen, seinem Griff zu entkommen, aber er lockerte ihn nur ein wenig, um sie zu Atem kommen zu lassen. Kälte traf sie aus seinem Blick und Lora wurde nicht nur wegen der Atemnot schwindelig.

»Das ist meiner«, presste sie mühsam hervor.

»Das ist unmöglich! Weißt du überhaupt, was das ist?«

Sie nickte und stemmte sich weiter gegen seinen eisernen Griff. Sie war aufgeflogen! Lora musste hier weg! Nicht nur fort von dem Metabaron und aus diesem Spielzimmer, sondern weit weg von diesem Planeten.

»WACHEN!« Er stieß Lora mit einem heftigen Ruck von sich, so dass sie nach hinten fiel und zu Boden stürzte. In ihrer Panik versuchte sie nach hinten zu kriechen, aber da packten sie schon grobe Hände und rissen sie im nächsten Augenblick in die Höhe. »Schafft sie in den Kerker, bis ich mehr weiß«, befahl er barsch und würdigte sie keines weiteren Blickes.

Lora wusste nicht, was davon schlimmer war. In nur wenigen Tagen schien ihr Schicksal zum zweiten Mal besiegelt zu sein. Sie hätte den Tod in ihrer Heimat vorziehen sollen, anstatt feige zu flüchten. Was hatte es ihr schon gebracht?

Die beiden Männer, die sie zuvor hierher gebracht hatten, geleiteten sie unhöflich ab. Ihre raue Art nahm Lora abermals den Atem und ließ Tränen der Verzweiflung in ihre Augen steigen. Sie wusste nicht, womit sie das alles verdient hatte. Sie war ein anständiges Mädchen, das niemals einer Fliege etwas zuleide getan hatte und jetzt das hier. Sie war alleine, verraten und blickte dem Tod entgegen. Weit weg von den Menschen, die sie einst geliebt hatte – ihrer Familie.

Am Rande nahm sie wahr, dass man sie in eine Zelle stieß. Sie schürfte sich das Knie auf, als sie auf den harten Boden prallte und blieb dennoch reglos liegen. Ihr Verstand hatte sich verabschiedet, weit weg an den Ort, an dem sie eigentlich sein sollte.

Zuhause.



***



Lora wusste nicht, wie viele Stunden oder Tage sie schon hier festsaß. Man brachte ihr ab und an etwas zu essen, aber ansonsten ließ man sie in Ruhe, worüber sie dankbar war. Die Sorge, was mit ihr geschehen würde, trieb sie in den Wahnsinn. Andererseits hatte sie bereits mit ihrem Leben abgeschlossen, weil sie wusste, dass sie eigentlich schon lange hätte tot sein sollen. Die Ruhe hatte ihr geholfen, über alles nachzudenken und sich Klarheit zu verschaffen. Zuerst kam die Wut, gefolgt von tiefer Trauer und Verzweiflung. Sie fühlte sich ungerecht behandelt, von ihrem Vater, ihrem Land und jetzt auch von Veltrín. Es hatte ihre Zuflucht und nicht ihr Grab werden sollen. Eine Chance auf ein neues und vielleicht sogar glückliches Leben. Sie hatte in einem Anflug von Schmerz stundenlang gegen die Gitterstäbe gehämmert, bis ihre Hände bluteten, aber niemand kam, um nach ihr zu sehen. Danach hatte sie sich in eine Ecke gekauert, aus der sie bis jetzt nicht mehr hervorgekommen war. Die Schmerzen an ihrem Rücken klangen ab und erinnerten sie kaum noch an die Lust, die sie empfunden hatte.

Am nächsten Tag hörte sie zum ersten Mal andere Geräusche, als die der Wärter und Mitinsassen. Eine plötzliche Geschäftigkeit drang an ihre Ohren und bereitete sie auf das schlimmste vor. Heute war es wohl soweit. Man würde sie hängen oder vierteilen, sie hatte keine Ahnung, welche Strafe sie auf Veltrín ereilen würde.

»Steh auf und tritt ein paar Schritte zurück!« Die Stimme einer Wache drang durch die Gitterstäbe zu ihr und Lora beeilte sich, seinen Worten zu folgen. Sie hatte mitangesehen, wie sie mit Aufsässigen umgingen und das wollte sie definitiv vermeiden. Lora spürte den rauen Stein an ihrem Rücken und senkte den Blick, als die Tür zu ihrem Verlies geöffnet wurde.

»Ich habe Nachforschungen angestellt«, vernahm sie eine bekannte Stimme. Ihr Kopf ruckte hoch und sie sah dem Metabaron entgegen. Ihr wurde bei seinem Anblick heiß und kalt zugleich.

»Und mit welchem Ergebnis?« Ihre Stimme bebte und es kratzte in ihrem Hals, da sie länger kein Wort mehr gesprochen hatte.

»Sasun hat einige sehr merkwürdige Rituale auf Lager. Ich verstehe nicht ganz, warum man sein eigenes Kind töten sollte, aber darüber darf ich mir wohl kein Urteil erlauben.« Er lächelte leicht und Lora erinnerte sich an seine Worte. Der Metabaron hatte für seinen Posten immerhin seinen eigenen Vater getötet. So unterschiedlich waren ihre beiden Welten wohl doch nicht. Immer wurde jemand geopfert, um die Stellung eines anderen zu sichern. So funktionierte die Welt, egal welche.

»Das dürft Ihr gewiss nicht. Was geschieht jetzt mit mir?«

»Sag du es mir. Wie soll ich mit einer Prinzessin des Feindes vorgehen, die eigentlich tot sein sollte?«

Seine Worte warfen sie abermals aus der Bahn. Ihre Familie glaubte wahrscheinlich, dass sie tot war. Vielleicht hatte nie jemand erfahren, dass sie fliehen konnte und jetzt hier Unterschlupf gefunden hatte.

»Ich …« Sie brach ab und kaute an ihrer Unterlippe. Lora wurde bewusst, dass sie keinen Nutzen für ihn hatte. Er würde sie einfach hier zurücklassen.

»Du bist wohl nicht von selbst auf die Idee gekommen, hierher zu flüchten, oder? Obwohl es ganz schön clever ist, muss ich gestehen. Niemand würde dich hier suchen.«

Sie schüttelte den Kopf, aber schwieg ansonsten. Relag würde sie niemals verraten, sonst würde auch sein Kopf rollen.

»Schon gut. Du musst es mir nicht sagen.« Seine Stimme wurde sanfter und Lora presste sich fester an den Stein in ihrem Rücken, als er näher auf sie zukam. Überrascht hielt sie inne, als er ihr ihren Ring entgegenhielt. »Es ist deiner, also nimm ihn.«

»Danke.« Tränen des Glücks traten in ihre Augen, als sie die letzte Erinnerung an ihre Heimat an sich nahm. Sie war kurz davor den Metabaron zu umarmen, hielt aber in der Bewegung inne. Lediglich einen Schritt näherte sie sich ihm.

»Nicht so scheu. Sonst muss ich dich übers Knie legen«, flüsterte er ihr ins Ohr und zog sie sogleich an sich. Eine Last fiel von ihren Schultern, als sie seine Arme um sich spürte und sich einen Moment des Aufatmens gönnte. Trotzdem war ihr klar, dass noch nichts entschieden war.

»Vielleicht würde es mir irgendwann sogar gefallen«, antwortete sie ebenso leise und schmiegte sich an ihn.



***



Später wurde sie in ihr Gemach gebracht. Lora konnte sich selbst nicht mehr riechen. Sie streifte den Overall ab, stellte sich unter die heiße Dusche und lehnte sich unter den prasselnden Strahl an die Wand. Mit geschlossenen Augen genoss sie die reinigende Kraft des Wassers und versuchte zu begreifen, was aus ihrem Leben geworden war.

Geboren als Prinzessin von Sasun. Vorbereitet für ein Leben als Herrscherin … Zum Tode verurteilt … Ausschuss … Geflohen … Geschlagen … in den Kerker geworfen … Abschaum …

Es war eine verdammt steile Karriere nach unten. Sie spürte bereits, wie ihre Haut vom heißen Nass runzelig wurde, nachdem sich der Dreck des Kerkers gelöst, und der Schweiß abgewaschen war. Lora spürte, wie sich das Metall des Rings erhitzte. Er war alles, das sie besaß, zeigte ihr ein Leben, das sie nicht mehr besaß. Ein Kreis, der sich nicht schließen wollte.

Das kann ich nicht zulassen. Ich bin Lora, Prinzessin von Sasun. Es war das Schicksal, das mich nach Veltrín geführt hat. Es ist an der Zeit, dass ich beginne, es selbst zu bestimmen!

Sie richtete sich auf, straffte ihren Rücken und stellte das Wasser ab. Lora atmete tief durch und fühlte, wie sie neue Kraft durchströmte. »Du wirst es noch bereuen, mich verstoßen zu haben. Vater!«

Lora trat aus der Dusche, trocknete sich ab und salbte ihre Haut, damit sie weich und geschmeidig blieb. Den alten Overall warf sie in die Wäsche und nahm sich einen neuen, frischen aus dem Schrank. Er fühlte sich weicher an und hatte eine angenehme, dunkelrote Farbe. Sie mochte diesen dunklen, düsteren Ton, der in ihren Augen für Verheißung, wenn nicht sogar Versuchung stand. Sie dachte an die fordernden Hände des Metabarons, an das Animalische in ihm, das ihn unberechenbar machte, und es begann, ihr zu gefallen.

Ich bin deine verbotene Frucht, Metabaron. Anfangs schwer zu genießen, doch dann, wenn du meine Schale gelöst hast und zum Kern vordringst, werde ich süßer sein als alles, was du je gekostet hast …

Lora streckte sich auf dem schneeweißen Bett aus und schloss die Augen, als sich eine bleierne Müdigkeit über sie legte. Ein letzter Gedanke drehte sich um ihre Bestimmung, die sie hierher geführt hatte, um die Schule der Demütigung und Unterwerfung zu besuchen, aus der sie als Phönix wieder auferstehen würde …



***



»Wach auf, er verlangt nach dir!« Die Worte drangen zäh in ihr Bewusstsein, holten sie zurück aus dem tiefen Erschöpfungsschlaf. Lora blinzelte und nahm die Dienerin wahr, die sie geweckt hatte. Sie wirkte nervös, gar ängstlich. »Der Metabaron wird wütend sein über deine Verspätung!«

Lora setzte sich auf und stieß die fordernden Hände des noch recht jungen Mädchens zur Seite. »Fass mich nicht an!«, herrschte sie das ungestüme Ding an, bereute es aber sogleich, als die Dienerin tatsächlich zurückwich und große Augen machte.

»Verzeih, ich wollte nicht … ich …«

»Schon gut«, antwortete Lora wesentlich sanfter. »Du hast nichts falsch gemacht. Ich weiß, was dir blüht, wenn ich zu spät komme.« Sie stand auf und schloss den halbgeöffneten Overall. »Ich bin soweit, wir können gehen …« Sie lächelte verschmitzt. »Ins Spielzimmer nehme ich an?«

Die Dienerin schüttelte eilig den Kopf. »Aber nein … ich soll dich in seine Privatgemächer bringen … in die Spitze des großen Turms!«

Das war eine vollkommen neue Situation. Eine, mit der Lora nicht gerechnet hatte, die aber durchaus als Verbesserung gewertet werden konnte. Wenn er sie in seine Privatgemächer rief, bedeutete das, dass er ihr in gewisser Weise vertraute, oder?

Der Weg zur Spitze des großen Turms barg weitere Überraschungen. Während das Spielzimmer unten in den steinernen Tiefen des Palastes lag, verborgen vor den Augen neugieriger Beobachter, führte ihr jetziger Weg sie durch modern anmutende Gänge. Die Mischung aus grobem Gestein und Hightech, die selbst die ihres Heimatplaneten Sasun übertraf, raubte ihr den Atem. In all dem lag nichts Verspieltes, eher eine kriegerisch anmutige Zweckmäßigkeit. Selbst der Boden, auf dem sie lief, veränderte sich. Er sah aus wie flüssiges Metall, doch wenn ihre Füße ihn berührten, war er weich und warm, fast wie ein Bad, das sie in sich aufnehmen wollte. Auch hier erzeugte das grünlich schimmernde, vor allem aber lebende Gewebe das Licht. Es war jedoch in verwirrenden Mustern angeordnet, die keinem bekannten Schema folgten.

Als sie den gläsernen Turbolift betraten, raubte die Aussicht auf Veltríns wilden Dschungel Lora den Atem. Je höher sie kamen, desto weiter konnte sie sehen. Das Meer aus Bäumen schien kein Ende zu nehmen. Vogelschwärme glitten darüber, dann riesenhafte Echsen mit ledernen Schwingen, wie sie sie noch nie gesehen hatte. Veltrín hatte eine ursprüngliche, martialische Schönheit, die erobert werden wollte.

Sekunden später durchstieß der Lift die Wolken und Lora fragte sich, wie hoch es noch hinauf gehen würde. Feuchtigkeit beschlug das Glas, und ein starker Wind zerrte an der Kabine. Die Fahrt ging weiter nach oben, bis sie in mehr als nur schwindelerregender Höhe den Mittelpunkt einer Plattform durchstießen, bevor die Aufwärtsfahrt abrupt stoppte. Schmatzend glitten die Türen des Fahrstuhls zur Seite. Eigentlich hatte Lora aufgrund der Höhe kühle Luft erwartet, stattdessen war es angenehm warm, fast ein wenig zu warm vielleicht.

Das Privatgemach des Metabarons nahm als einziger kreisrunder Raum, nein, Saal die gesamte Ebene ein. Anstelle von Wänden gab es Glas. Auch die Decke bestand daraus und zeigte Lora, dass sie tatsächlich ganz oben angekommen war. Sie drehte sich um und sah gerade noch, wie der Aufzug mitsamt der Dienerin nach unten verschwand und der Boden über der Öffnung zusammenfloss. Des Metabarons Gemach war in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Es gab einen hochtechnisierten mit Konsolen und einer Menge durchscheinender Bildschirme, daneben ein regelrechtes Waffenarsenal, bestehend aus allerlei Hieb- und Stichwaffen.

Es gab so viel zu sehen, doch das Beeindruckendste war das Bett. Kreisrund in seiner Form stand es vor der gläsernen Wand, bedeckt mit Fellen und teuren Stoffen, darüber die grenzenlose Weite des Himmels.

Wie fühlt es sich an, im Himmel zu schlafen, der Blick den Sternen so nah …

»Gefällt dir, was du siehst?«

Lora fuhr herum, als sie hinter sich die dunkle Stimme des Metabarons hörte. Sie hatte ihn nicht bemerkt.

Gibt es hier oben geheime, nicht einsehbare Bereiche, die ihm gestatten, sich heimlich zu bewegen? Wie lange beobachtet er mich schon?

Seine imposante Gestalt, gehüllt in Lederhose und einen schweren Fellmantel. Seine Füße waren nackt. Sie bemerkte die ausgeprägten Muskeln auf seinem Oberkörper und dachte an ihre unbefriedigte Lust. Der Metaborn verkörperte die Art von Mann, die man nicht wollte, aber mit jeder vor Gier bebenden Faser begehrte.

Lora drehte sich von ihm weg und ließ ihren Blick über die sich auftürmenden Wolken schweifen. »Es ist nicht nett, sich an eine Frau heranzuschleichen.«

Er lachte. »Wen hast du denn erwartet, hier anzutreffen?« Er durchquerte den Raum und ging zu einer Art Bar, von der er zwei kristallene Gläser nahm und mit rotem Wein füllte. »Komm, lass uns auf unsere Zukunft anstoßen!«

Lora wollte die Arme verschränken und trotzig weiterhin ins Leere starren, stattdessen lief sie ihm wie in Trance hinterher, sog den animalischen Duft gierig ein, den er verströmte. Sie empfing das gefüllte Glas aus seinen Händen. »Auf unsere Zukunft?«

Der Metabaron lächelte sie hintergründig an. »Ich habe viel über dich nachgedacht … und über das, was dir deine Familie angetan hat.«

»Warum das plötzliche Interesse?«, wollte Lora wissen. »Warum der rote Wein und das Reden? … Obwohl mein Besuch letztendlich auf etwas anderes hinausläuft.« Ihre Worte hatten einen trotzigen, aber auch traurigen Klang und sie waren gewagt.

Der Metabaron stieß mit ihr an und trank einen langen, durstigen Schluck. Auch Lora trank, während sie auf seine Antwort wartete, wenn auch zaghafter, wie es sich für eine Dame aus gutem Hause gehörte.

Er nahm ihre Hand und führte sie zur gläsernen Wand. Am Horizont durchstießen einige der fliegenden Echsen die Wolkendecke, drehten sich wie springende Fische und tauchten wieder in ihr ein. Es stahl ihr den Atem.

»Du bist aufsässig, stolz und trotzig, wie ich es von den Leuten von Sasun gewohnt bin …« Er leerte sein Glas und stellte es auf eine Konsole, die wie aus dem Nichts neben ihm erschien. Lora wollte schon etwas erwidern, doch er gebot ihr mit einer schnellen Handbewegung das Schweigen. »Doch wenn man deine harte Schale durchdringt, findet man sich in einer zerbrechlichen Anmut wieder, die zum trauernden Herzen einer Kriegerin führt …«

»Aus deinem Mund klingt Poesie wie blanker Hohn«, entfuhr es Lora, ohne dass sie es wollte. Die Ohrfeige des Metabarons traf sie mit voller Wucht im Gesicht und schmetterte sie gegen die gläserne Außenwand. Bevor sie daran nach unten rutschen konnte, stand er bei ihr. Sein starker Griff schloss sich um ihren schlanken Hals.

»Ich weiß, dass ich dich nicht brechen kann, doch sei gewarnt … und wähle deine Worte in Zukunft besser!«

Lora keuchte. Sie rechnete mit Prügel, stattdessen zog er sie zu sich heran und presste seine Lippen auf die ihren. Sie hatte ihm nichts außer Gier entgegenzusetzen. Die Berührung elektrisierte sie. Lustvoll öffneten sich ihre Lippen, dass sich ihre und seine Zunge zum wilden Spiel trafen, sich miteinander verschlungen wie lüsterne Schlangen. Der Overall fiel als Hauch von ihr ab, wie auch der schwere Mantel von seinen Schultern.

Ihre Fingerspitzen folgten erregt den Konturen seiner Muskeln, die sich bewegten, als hätten sie ein eigenständiges Leben. Seine hingegen erforschten ihre sanften Rundungen mit mühsam beherrschter Gier. Lora erschauerte, als er zwischen ihre Beine glitt und ihre Feuchtigkeit öffnete. Sie fand sich auf dem Bett wieder und wälzte sich vor Lust japsend in den Fellen. Was folgte, war das Schweißtreibendentste, Animalischste, das sie je erlebt hatte. Sie verschmolzen miteinander in purer Lust, vereinigten sich in einer wilden, hemmungslosen Gier, die sich in den vergangenen Tagen aufgestaut hatte.

Es war dunkel, als sie sich voneinander lösten und erschöpft in die Felle sanken. Lora sah über sich nichts als ein Meer aus funkelnden Sternen. Er war fordernd gewesen, fast brutal sogar, aber auch sanft, wenn er sie zum Höhepunkt getrieben hatte. Und er hatte eine bemerkenswerte Ausdauer besessen, mit der er sie nicht nur an ihre Grenzen, sondern weit darüber hinaus getrieben hatte.

So müssen sich Vögel fühlen, wenn sie über den Wolken fliegen …

»Du hilfst mir bei meiner Rache und ich will dich lieben bis ans Ende meiner Tage!« Sie sprach leise, kaum mehr als ein Flüstern, doch mit fester Stimme und ohne Zittern, weil es dem entsprach, das sie sich von Herzen wünschte.

Er schnaufte schwer und blickte wie sie in den sternenbedeckten Himmel. »Du wirst mich auch so bis ans Ende deiner Tage lieben«, sagte er in entspannt überzeugtem Ton. Lora lächelte, denn er hatte recht, mit dem, was er sagte. Es hatte bereits unter seinen ersten, groben Berührungen im Spielzimmer begonnen, als er ihr die schmerzhaften Lektionen erteilte. Dann später, während seines Besuchs im Kerker, war es weiter gewachsen. Letztendlich hatte er hier in den Fellen ein loderndes Feuer entfacht, das keine Macht des Universums löschen konnte.

Er hat mein wahres Wesen erweckt. Deswegen war es mir vorherbestimmt, nach Veltrín zu kommen. Nicht als Prinzessin, sondern als Sklavin … als ein Nichts, das verkümmern musste, um neu zu erblühen …

»Ja, das werde ich …«, antwortete Lora leise und seufzte glücklich. »Aber ich weiß auch, dass du mir erlauben wirst, meine Schmach reinzuwaschen …«

Der Metabaron nickte. »Sie werden es bereuen. Auf Knien werden sie um Gnade flehen unter Veltríns zerschmetternder Macht …«

Lora legte sich auf die Seite und sah ihn an. Einer ihrer Finger spielte mit seinem Haar. »Sag mir, liebst du die Frauen im Spielzimmer ebenfalls? Empfindest du die gleiche Lust beim Schlagen mit der Peitsche wie hier in den Fellen?«

Er lachte, drehte den Kopf und sah ihr in die Augen. »Manchmal, wenn ich wütend bin oder einen schweren Tag hatte, da reinigt es meine Seele, wenn ich ins Zimmer gehe. Dann lasse ich meinen Trieben freien Lauf. Es ist eine besondere Art der Befriedigung, eine andere, dunklere Lust.« Er machte eine Pause, schien über das Gesagte nachzudenken. »Wenn ich dann fertig bin, widern mich diese devoten Geschöpfe an. In ihnen wohnt keine Stärke, wie ich sie bei dir gefunden habe. Sie sind mehr wie … Tiere, die sich ducken und auch so bleiben, zufrieden mit dem Leben, das sie haben … schwach und arm.«

Lora dachte über seine Worte nach und verstand, was er ihr damit sagen wollte. Das Spielzimmer war für ihn nichts weiter, als ein Ventil, die Peitschen ein Trieb. »Ich will’s dir nicht nehmen, doch ich möchte herausfinden, wie es ist, die Peitsche selbst zu führen … ich glaube, dass ich es eines Tages tun werde …«

Er lachte und hob seine Hand, um in den Himmel zu zeigen. »Einer dieser Sterne ist Sasun. Ich werde eines meiner Schiffe ausschicken, um eine Einladung zu überbringen!«



***



Nervosität machte sich in Lora breit, als der Tag ihrer Abrechnung immer näher rückte. Selbst dem Metabaron blieb ihre Veränderung nicht verborgen. Seit dem Tag ihrer Freilassung hatten sie alle Tage und Nächte miteinander verbracht. Lora durfte sich frei im Schloss und auch in der Stadt bewegen. Dass Wachen sie bei ihren Ausflügen begleiteten, war sie seit ihrer Geburt gewöhnt und störte sie nicht.

Die Bürger Veltríns begegneten ihr zwiegespalten. Sprach sie mit ihnen, begegneten sie ihr stets höflich, aber sie hatte auch vernommen, was hinter ihrem Rücken gesprochen wurde. Lora zählte als eine Fremde und würde es vielleicht für immer bleiben. Trotzdem oder gerade deshalb, gab sie sich die größte Mühe, um vom Volk anerkannt zu werden.

Der Metabaron regierte mit starker und brutaler Hand. Ihr war bewusst, warum er so handeln musste. Seine Stellung gehörte ihm nicht so sicher, wie es ihre als Prinzessin gewesen war …. oder hätte sein müssen. Sie lernte viel. Die Politik dieser Welt blieb ihr zum Teil weiterhin fremd, aber sie bemühte sich, alles zu verstehen. Bis zur Ankunft ihres Vaters wollte sie vorbereitet sein.

Insgesamt fiel es Lora nicht schwer, Anschluss an das Leben am Hof zu finden. Die Dienerinnen und auch die Mädchen des Metabarons begegneten ihr mit Freundlichkeit und Respekt. Insgeheim hatte sie anderes erwartet – Eifersucht und Neid. Doch nichts davon traf zu. Zumindest nicht offensichtlich. Die Mädchen waren schon länger hier und wussten vermutlich, um ihren einzigen Zweck Bescheid. Sie verbrachte einige Zeit unter ihnen, um sich vieles erklären zu lassen. Das Spiel ihres Geliebten war ihr immer noch fremd und sie saugte jede Information darüber förmlich auf. Heute hatte sie wieder den Tag im Spielzimmer verbracht und als stille Beobachterin teilgenommen. Ihre Hand war zwischen ihre Schenkel gewandert, als der Metabaron eine hübsche Brünette züchtigte. Sie hatte beobachtet, wie er ihr den Hintern mit einer Gerte versohlte und die Rothaarige ihr gleichzeitig einen länglichen Gegenstand zwischen die Beine einführte. Auch jetzt noch, im Bett des Metabarons, dachte sie an den Moment vom Mittag zurück.

»Du bist unruhig. Denkst du an morgen?«

»Mir geht vieles durch den Kopf, aber gerade denke ich an jetzt und nicht an die Zukunft.« Lora rollte sich zur Seite, um ihren Geliebten ansehen zu können. Die Sterne erhellten die Nacht und sie genoss den Anblick seiner Silhouette.

»An das hier und jetzt? Ein schöner Gedanke.« Er streckte den Arm nach ihr aus und zog sie an seine nackte Brust, an die sie sich schmiegte. »Ich möchte, dass du immer an mich denkst.«

»Das tue ich. Sei dir dessen gewiss.« Sie lächelte und sog seinen Duft ein. Er roch nach frischer Luft und purem Sex. Eine Mischung, die sie sich unweigerlich über die Lippen lecken ließ.

»Würdest du ja sagen, wenn ich dich bitte, meine Frau zu werden?«

»Was?« Lora stützte sich auf einen Arm ab, um ihn ansehen zu können.

»Ich dachte, meine Absichten waren klar und deutlich ausgedrückt. Das hier ist nur noch eine Formalität.«

»Romantik ist nicht so deins.« Ihr Lachen wurde erstickt, als er sich auf sie rollte und ihr direkt in die Augen sah. Sie spürte seinen Atem über ihre Lippen streichen und schloss für einen genießerischen Moment die Augen.

»Die Peitsche ist mir lieber.« Er grinste und rutschte tiefer an ihr herab. Seine Lippen berührten ihr Schlüsselbein, ehe er weitersprach. »Vielleicht sollte ich deinen Vater fragen, wenn du mir eine Antwort verwehrst.«

»Dazu wirst du morgen Gelegenheit haben.« Lora bäumte sich ihm entgegen, als er an ihren Brüsten ankam und zärtlich mit der Zunge darüber strich.

»Ich will aber nicht so lange warten.« Mordul knurrte leise und sie spürte schmerzhaft seine Zähne in ihrer Brustwarze. Zugleich spürte sie die Hitze zwischen ihren Schenkeln, die er damit entfachte.

»Was erwartest du von mir?« Unweigerlich streckte sie ihm ihr Becken entgegen und wurde sogleich dafür belohnt. Seine Hand glitt zwischen ihre Schenkel, fuhren über ihre feuchte Spalte und liebkoste sie.

»Dein Wort.« Sie spürte einen Finger in sich eindringen und legte den Kopf in den Nacken, um ihr Stöhnen zu den Sternen zu schicken. Ihre Antwort ließ eine Weile auf sich warten.

»Nur eines? Ich dachte, meine Absichten wären ebenfalls klar. Ich würde dir jederzeit die Treue schwören. In Gedanken habe ich es schon hunderte Male getan. Nie wieder werde ich einen anderen Mann außer dir begehren. Kein anderer wird jemals Hand an mich legen. Ich bin die deine, mit Körper und Geist. Ich würde also ja sagen, wenn du mich fragen würdest.«

»Dann sollte ich das womöglich tun.«

»Womöglich.« Sie schmunzelte und drückte ihn neben sich in die Kissen.

In dieser Nacht liebten sie sich nach ihrer Art: sanft, verlangend und voller Hingabe. Lora verband Mordul die Augen und nahm ihm für eine gewisse Zeit seine Dominanz und die Last, die schwer auf seinen Schultern lag.

Ihre Hände und Lippen erkundeten seinen Körper. Berührten Stellen, denen sie bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Jeder Zentimeter seines nackten Leibs wurde von ihr erkundet und liebkost. Sie genoss die Geräusche, die sie ihm damit entlockte und spürte zum Ersten mal selbst die Macht, die ihn in sein Spielzimmer trieb. Ihre war allerdings eine andere.

Lora war sich in dieser Nacht sicher, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nicht nur damit, ihm ihr Herz zu schenken, sondern auch damit auf Veltrín zu bleiben. Heimat war dort, wo das Herz ist. Ihre Familie lebte hier und würde es auch in Zukunft bleiben. Der stöhnende Tyrann vor ihr, war Beweis genug.

Später, als er zu müde für weiteren Sex war, lagen sie noch eine Weile wach nebeneinander auf den Laken und sahen zum Sternenhimmel. Lora dachte einen Gedanken zu Ende, der sie schon lange beschäftigte. Der ausgesprochen werden wollte. »Ich möchte ein Teil Veltríns werden!«

»Ein Teil Veltríns? Wie meinst du das?«

»Darf ich frei sprechen?«

Der Metabaron brummte. »Natürlich darfst du das.«

»Nun ja, ich gehöre dir, aber das ist mir zu einseitig.« Sie schnaufte schwer, weil es nicht einfach war, das auszusprechen. »Veltrín ist anders als Sasun. Veltrín stinkt, ist schmutzig und grob …«

Der Herrscher machte ein Geräusch, das sich wie ein Knurren anhörte, sagte aber nichts.

»Dann deine Brutalität, die mich vollkommen unvorbereitet getroffen hat«, fuhr Lora fort. Es fiel ihr schwer, frei zu sprechen, ihm ihr Herz auszuschütten und zu sagen, was sie wirklich wollte. Aus dem Panzer zu kriechen. »Letztendlich war es die Erfahrung, die ich im Kerker gemacht habe. Ich habe die Zeit genutzt, um nachzudenken. Um in mich zu sehen. Verstehst du, was ich meine?«

»Hm«, antwortete der Metabaron. »Ich glaube … aber sprich weiter, ich schätze deine offenen Worte.«

»Nun, ich begriff, dass ich mein bisheriges Leben abstreifen musste wie eine alte, abgetragene Haut, aus der ich herausgewachsen bin. Dass ich ein neues, viel stärkeres Stadium meines Seins erreicht habe.« Lora kaute auf ihrer Unterlippe herum, während sie nach den passenden Worten suchte. »Plötzlich ergab das alles einen Sinn. Auch, dass mich Relag hierher gebracht hat. Es machte mich stark. Stärker, als ich es in Sasun je hätte sein können.«

»In Sasun hättest du nichts gefunden außer dem Tod«, stellte Mordul trocken fest. »Aber in Veltrín wurdest du wiedergeboren.«

Lora stützte sich auf die Ellbogen und sah ihn überrascht an. »Ja … das ist … das ist genau das, was ich sagen wollte!« Sie lachte verhalten. »Du bist ein harter, erbarmungsloser Krieger, womöglich der gröbste Mann, dem ich je begegnet bin. Und dann haust du sowas raus.« Sie beugte sich nach unten und gab ihm einen langen, innigen Kuss. »Und genau deswegen brauche ich dich, verdammt nochmal!«

Mordul grinste. »Ich weiß …« Dann zog er sie zu sich herunter, nahm sie in seine starken Arme und küsste sie. »Doch wenn du eine von Veltrín werden willst, musst du werden, wie wir. Das ist ein langer, steiniger Weg.«

Lora lächelte ihn an, »Wenn du mich führst, werde ich dir folgen, wohin du willst.«



***



Der nächste Tag begann sehr früh für Lora. Sie wollte alles perfekt wissen, wenn ihre Familie hier eintreffen würde. Die Dienerinnen nahmen, ohne zu murren, ihre Befehle entgegen, egal wie abstrus sie ihnen auch vorkamen. Um den Schmuck im Festsaal kümmerte sie sich persönlich und nahm dafür die Mädchen des Metabarons zu Hilfe. Es war für sie eine willkommene Abwechslung, die sie dankend annahmen.

»Wer hätte gedacht, dass du von einem anderen Planeten bist? Und jetzt wirst du unsere Baronin.« Die Rothaarige schüttelte amüsiert den Kopf, während sie die Blumen für die Tischdekoration arrangierte. Sie bewies wie immer sehr viel Fingergeschick.

»Noch ist es nicht soweit. Aber du hast schon recht. Ich kann es selbst kaum fassen.«

»Wie ist es auf Sasun? Man hört schaurige Geschichten über die Menschen dort.« Ein anderes Mädchen schüttelte sich bei dem Gedanken und strich dabei die Tischdecke zum wohl hundertsten Mal glatt.

Lora überlegte kurz, bevor sie ihr antwortete. Vorurteile hatten auch ihr Bild von Veltrín geprägt. So schlimm wie in den Erzählungen war es jedoch wirklich nicht. Es war eine raue Welt, aber mit Sicherheit nicht die schlimmste. »Sasun ist eigentlich sehr schön. Ich habe gerne dort gelebt. Es gibt wenige Kriege und unsere Herrscher sind anders.« Hilflos zuckte sie mit den Schultern, da ihr keine richtige Erklärung einfiel.

»Leiden die Menschen dort Hunger? Und warst du wirklich eine Prinzessin?«

Lora lachte und schüttelte sogleich den Kopf, als sie von Fragen überhäuft wurde. Sie konnte es den Mädchen nicht übel nehmen. Gerade als sie zu einer Antwort ansetzen wollte, öffnete sich die Tür zum Festsaal und Mordul betrat den Raum.

»Sie sind soeben gelandet. Du solltest dich umziehen gehen. Immerhin willst du deine Familie doch gebührend empfangen.« Er zwinkerte ihr zu und die Mädchen eilten an ihm vorbei zur Tür hinaus.

Mit einem letzten Blick vergewisserte sie sich, dass alles an seinem Platz war, ehe sie an die Seite des Metabarons trat. »Vertraust du mir?«

»Sonst wärst du nicht hier.« Er bückte sich zu ihr herab, da er sie weit überragte, und hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Zieh dich um, während ich sie begrüße. Die anderen Gäste sind schon bereit.«

Lora war nervös, als sie eine Stunde später vor der Tür zum Saal stand. Von drinnen hörte sie ausgelassene Stimmen und die hastigen Schritte der Dienstmädchen, die sich um die Versorgung der Gästeschar kümmerten. Nicht nur ihre Familie war geladen, sondern auch alle von Veltrín, die Rang und Namen hatten. Einigen dieser Menschen, war sie schon begegnet und sie hatte Sorge, wie man sie empfangen würde.

»Als wir dich herbrachten, warst du nicht so angespannt.«

Sie blickte zu dem jungen Mann neben sich, den sie schon eine geraume Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Er war einer der ersten Menschen, dem sie hier begegnete und in guter Erinnerung behalten hatte. Jetzt hatte sie ihn zu ihrer Leibwache befördert. »Vielleicht konnte ich damals einfach besser schauspielern.«

»Du hast nichts zu befürchten. Der Metabaron würde jedem dort drin den Kopf abschlagen, der das Wort gegen dich erhebt.«

Seine Worte, die sie eigentlich beruhigen sollten, verfehlten ihr Ziel. »Genau das befürchte ich ja …«

»Du solltest ihm genauso vertrauen, wie er dir. Es wird alles gut werden.« Die Wache schenkte ihr ein Lächeln, das ihr Herz tatsächlich langsamer schlagen ließ.

Er hatte Recht. Mordul vertraute ihr. Der Frau, zu der sie geworden war. Sie würde ihn genauso wenig enttäuschen, wie er sie. Sie musste nur durchhalten und stark bleiben.

Im Saal wurden inzwischen Stimmen laut. Die erhobene Stimme ihres Vaters konnte sie sogar durch die geschlossene Tür vernehmen.

»Wollt ihr mich beleidigen, Metabaron? Was serviert ihr für einen Fraß? Das schmeckt absolut nach nichts!«

Lora atmete einmal tief durch und straffte ihre Schultern. Sie war bereit.

»Schmeckt es euch nicht, eure Hoheit? Meine künftige Gemahlin hat es extra für Euch zubereitet. Vielleicht solltet Ihr Euch bei ihr persönlich beschweren.«

Die Flügeltüren glitten vor Lora auf und sie marschierte erhobenen Hauptes auf Mordul zu, der ihr die Hand entgegenstreckte. Der hautenge schwarze Anzug mit der roten Schleppe schmiegte sich um ihren zarten Körper und ließ sie bedrohlich und verführerisch zugleich wirken. Der Stoff verlieh ihr Kraft.

Ein Murmeln und Raunen ging durch die versammelten Gäste. Aus der Richtung ihrer Familie hörte sie ein Schluchzen und überraschte Ausrufe. Doch noch blendete sie alles aus, bis auf den Mann, dessen Hand sie ergriffen hatte.

»Darf ich euch vorstellen, König von Sasun: die baldige Metabaronin von Veltrín. Aber ihr hattet schon das Vergnügen.«

Erst jetzt blickte sie ihrem Vater entgegen, nachdem Mordul bekräftigend ihre Hand drückte.

»Sagte ich dir nicht, dass du mir so kostbar wie das Salz bist, Vater? Meine Worte bedeuteten dir nichts, also dachte ich, dass du bei deinem Essen auch darauf verzichten kannst«, erhob sie das Wort.

Die Blicke der Anwesenden waren ausnahmslos auf sie gerichtet, während ihr Vater kraftlos und erschüttert in seinen Stuhl zurücksank, von dem er sich zuvor wütend erhoben hatte. Seine Wut war vergangen und Lora konnte nur mutmaßen, was in ihm vorging.

Die Tränen ihrer Mutter berührten sie zwar, aber sie hatte das Kapitel in ihrem Leben abgeschlossen. Prinzessin Lora von Sasun war damals im Königssaal gestorben.

Sie blickte lächelnd zu dem Mann an ihrer Seite, der ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchte.

»Lasst uns weiter essen! Wir haben schließlich eine Verlobung zu feiern!«