Der Krieg beginnt
Bereits seit drei Tagen harrten Roberto, Valario und Jasper vor der Festung aus. Weder von Zwenjagor, noch von ihren anderen Freunden hatten sie eine Nachricht oder ein Lebenszeichen erhalten. Auch Retragor hatte sich nicht mehr an seine Armee gewandt und die Gesandten, die er schickte, wiesen nur die Bauern und Schmiede an, Verteidigungswälle zu errichten.
Die Krieger wurden zunehmend ungeduldiger und stritten sich.
Am vierten Tag erschien Retragor endlich hinter den Zinnen der Burg und sprach zu den Kriegern. „Wir haben erfahren, dass die Bergtrolle in zwei Tagen angreifen werden. Sie haben mächtige Waffen und eine gute Verteidigung ist sehr wichtig. Verstärkt noch einmal das Tor der Festung und die Wälle. Leider sind nicht alle gekommen, die ich gebeten habe. Besonders hatte ich
noch auf die Feuerdrachen von Malensia gehofft, doch sie haben nichts von sich hören lassen. Wir werden es auch ohne sie schaffen. Seid ihr alle bereit?“ Er hob sein Schwert. „Wir kämpfen für die Freiheit!“
„Wir kämpfen für die Freiheit!“, schrien alle Krieger und zückten ihre Waffen.
Noch einmal gaben die Holzfäller und die Schmiede alles, um die Krieger gut zu rüsten.
„Was machen wir mit der Münze?“, fragte Roberto. In den vergangenen Tagen war das Rufen der Münze immer lauter geworden und ein paar Mal hatte er kurz davorgestanden, sie aus der Tasche zu nehmen.
Valario zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Solange wir kein Zeichen bekommen, musst du sie bei dir behalten. Du bist ihr Herr.“
Roberto stöhnte. Er war der Auserwählte und der Herrscher der Münze. Diese Aufgaben hatte er sich nicht ausgesucht und er fühlte sich ihnen nicht gewachsen.
Am frühen Morgen des darauffolgenden Tages standen alle Krieger bereit. Entschlossenheit spiegelte sich auf ihren Gesichtern und ihre Waffen glänzten in der Morgensonne. Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt und Roberto umklammerte mit zitternden Händen sein Schwert
.
Da hörte man auch schon das Kriegshorn der Bergtrolle. Roberto gefror das Blut in den Adern, den Klang dieses Horns hatte er zuletzt vor vielen Jahren gehört, an dem Tag als Malensia gefallen war.
Es dauerte nur wenige Sekunden, da erschien die Armee der Bergtrolle am Kamm des Hügels, der sich hinter dem Festplatz erhob. Zuerst waren es nur kleine schwarze Punkte, die wie ein ganzes Ameisenvolk den Hügel auf sie zurollten, doch je näher sie kamen, desto bedrohlicher sahen sie aus. Ihr Gebrüll, die gefletschten Zähne, die schwarzen Rüstungen waren so bedrohlich, dass Robertos Knie anfingen zu zittern. Am liebsten wäre er weggelaufen, doch er konnte weder vorwärts noch zurück. Wie gelähmt starrte er auf die riesige Armee, die plötzlich aufhörte, sich weiter auf sie zu zu bewegen. Reglos standen sie vor dem Festplatz, bis ein Bergtroll hinter
ihnen auftauchten, die Menge teilte und sich auf sie zu bewegte. Er war größer als die anderen, auf seiner Rüstung waren rote Streifen und ein Riesenskorpion prangte auf seinem Brustpanzer. Er sah noch furchteinflößender aus als die anderen Bergtrolle.
„Das ist Krombock, dein Gegner“, raunte Valario Roberto zu.
Roberto wurde schwarz vor Augen. Wie sollte er gegen einen so mächtigen Gegner etwas ausrichten können?
Krombock hob sein Horn und der markerschütternde Klang des Kriegshorns schallte über den Festplatz.
Die Trolle zogen ihre Äxte aus den Köpfen und stürmten auf sie zu.
Retragor, der an der Spitze seiner Armee stand, hob die Hand zum Zeichen des Angriffs. Ein Pfeilregen prasselte auf die Bergtrolle nieder und einige von ihnen sanken auf die Knie und kippten zur Seite.
Doch kaum hatten sie die Reihen der Zwerge erreicht, die in der Verteidigungslinie standen, gab es große Verluste unter den Zwergen.
Zu allem Überfluss ertönte das Kriegshorn von Neuem und Riesenschnecken und Riesenskorpione krabbelten über den Hügel auf sie zu.
„Oh nein“, rief Roberto. „Wir haben keine Chance.“
Retragor erhob die Hand. „Minimenschen, kämpft!“
So flink, dass man ihre Bewegungen mit bloßem Auge kaum verfolgen konnte, schossen die Minimenschen vor und mischten sich zwischen die Reihen der Bergtrolle. Einen Moment lang schienen sie völlig verwirrt zu sein und die Minimenschen nutzten dies, um ihre kleinen Pfeile abzuschießen. Jeder der winzigen Pfeile brachte einen der gewaltigen Bergtrolle zu Fall und die Reihen lichteten sich.
Doch nachdem die Bergtrolle sich von ihrer Überraschung erholt hatten, rückten sie weiter vor.
Ein riesiger Rammbock wurde nach vorn geschoben. „Stürmt die Festung“, brüllte Krombock und mit einem wütenden Kriegsgebrüll rammten die Bergtrolle den eisernen Kopf der Waffe gegen das Tor.
Zu Robertos Überraschung bewegte sich das Tor keinen Millimeter. Es war stärker und besser gesichert, als er gedacht hätte.
Immer wieder holten die Bergtrolle aus und rollten den Rammbock gegen das Tor, während die Flanken der Armee gegen Retragors Armee kämpften. Auch von oben hagelten Pfeile auf die Bergtrolle
.
Allmählich begann das Holz des Tores zu splittern, doch die Bergtrolle schienen auch am Ende ihrer Kräfte angelangt.
„Rückzug!“, kommandierte Krombock und die Bergtrolle zogen den Rammbock wieder den Hügel hinauf und verschwanden hinter seinem Kamm.
Erschöpft sanken die Krieger auf den Boden. Bauern kamen hinter den Verteidigungswällen hervor und brachten ihnen Wasser. Zitternd setzte sich Roberto neben Valario und Jasper auf den Boden. Überall lagen tote Zwerge, Elfen und Minimenschen. Dazwischen die verzerrten Fratzen der gefallenen Bergtrolle. Das war ein furchtbarer Preis! Hatten sie überhaupt eine Chance, die Festung zu verteidigen? Die Bergtrolle hatten sich nur vorübergehend zurückgezogen, um Kraft zu schöpfen und um sich neu zu formieren. So viel war klar.
„Warum kämpft Krombock nicht?“, fragte Roberto. Er hatte ihn die ganze Zeit im Auge behalten, um zu sehen, wie er kämpfte. Doch er hatte nur die anderen befehligt und den Kampf beobachtet. Er war so massig und furchteinflößend, wie sollte er jemals gegen diesen Bergtroll eine Chance haben?
„Er weiß, dass es nur einen Gegner gibt, der ihm gefährlich werden kann, und zwar der Auserwählte. Er hält nach dir Ausschau.“
Zitternd rollte Roberto sich zusammen. Die Hoffnungen lagen auf ihm, doch er konnte diese Aufgabe unmöglich bewältigen.
***
Verzweifelt blickte König Günter auf das Gemetzel auf dem Schlachtfeld unterhalb der Burg. Nach einer kurzen
Ruhepause hatten die Bergtrolle im Morgengrauen erneut angegriffen. Viele Zwerge und Elfen waren gefallen, doch auch viele Bergtrolle. Erneut hatten die Trolle den Rammbock vorgefahren und stießen gegen das Tor. Mit jedem Schlag ging ein Zittern durch alle Mauern der Burg. Das Tor würde nicht mehr lange standhalten.
Erneut schlug der Metallschädel des Rammbocks mit voller Wucht gegen das Burgtor, der Boden unter König Günter zitterte und mit einem markerschütternden Knirschen brachen die dicken Balken. Brüllend stürmten Bergtrolle die Festung. Krieger, Menschen, Minimenschen und Elfen stellten sich ihnen in den Weg und kämpften mit dem Mut der Verzweiflung.
König Günter erblickte Krombock, der vor dem Tor stand und seine Krieger durch den Eingang dirigierte. Voller Entsetzen bemerkte er, dass Krombock seine Krone trug. Er schlug die Hände vors Gesicht. „Wir sind verloren!“
Manfred packte ihn am Arm und zerrte ihn fort. „Schnell, König. Kommt weg von den Zinnen, das ist zu gefährlich. Wir verschanzen uns im Tempel.“
Sie liefen über den Hof, doch in diesem Moment griffen aus der Luft Flugdrachen an, auf denen jeweils ein Bergtroll saß. Einer flog direkt auf König Günter zu, Manfred riss ihn zur Seite, sprang vor und pikste den Drachen mit seinem Schwert in den Bauch. Mit einem Krächzen fiel die Bestie auf die Pflastersteine des Hofs
.
„Beeilt Euch“, trieb Manfred den König zur Eile an. Von der anderen Seite kamen Quadra, Finnegan und die Jungs die Stufen herunter auf sie zu. „Geht in die Formation“, schrie Finnegan. König Günter wunderte sich nicht, dass die Jungs plötzlich verschwunden waren. Sie hatten ausprobiert, ob sie auch ohne Roberto ihre Formation einnehmen und unsichtbar werden konnten. Wenn Zwenjagor seinen Platz einnahm, funktionierte es auch ohne den siebten Jungen. Unsichtbar bewegten sie sich auf die Bergtrolle zu, die nach und nach alle Bereiche der Burg einnahmen,
„Manfred, wir müssen auch kämpfen. Ich bin schon einmal weggelaufen. Diesen Fehler wiederhole ich nicht.“
„Mein König, Ihr könnt doch gar nicht mit einer Waffe umgehen.“
„Dann muss ich es eben jetzt schnell lernen.“
„Ich würde Euch lieber in Sicherheit bringen, mein König.“
„Gib mir eine Waffe, Manfred“, befahl Günter mit fester Stimme.
Manfred reichte ihm ein Schwert. Günter ergriff es, schwang es entschlossen und hätte dabei um ein Haar seinen treuen Diener Manfred geköpft. „Vorsicht, mein Herr“, rief Manfred und duckte sich
.
Sie stürmten Quadra, Finnegan und den unsichtbaren Jungs hinterher. Wacker kämpften sie sich durch die Reihen der Bergtrolle. Doch die fliegenden Drachen der Bergtrolle machten ihnen zunehmend zu schaffen. Die Trolle schossen aus der Luft Pfeile auf sie, denen sie kaum ausweichen konnten.
Ein einzelner Bergtroll stürmte auf die Jungs zu und stach blind in die Formation. Sie löste sich auf, als Kaan zu Boden stürzte und sein verletztes Bein umfasste. „Es tut so weh“, schrie er.
Finnegan schwang seinen Zauberstab und murmelte einen Spruch. „Es heilt dich nicht, aber es lindert deinen Schmerz für eine Weile. Nehmt rasch eure Formation wieder ein, nur so habt ihr eine Chance.“
Kaan erstarrte und blickte Finnegan mit weit aufgerissenen Augen an. „Eine Vision!“, flüsterte er. „Gerade hatte ich eine Vision davon, wie die Münze in eine Quelle fällt, die Quelle scheint aus Glas zu sein, denn die Münze prallt ab, doch dann frisst sich eine Flamme durch das Wasser, ergreift die Münze und verschlingt sie.“
„Natürlich, das ist es!“, rief Finnegan. „Die Münze muss in die heilige Quelle aus Feuer und Eis geworfen werden, die vor den Toren von Galendra entspringt. Jemand muss es Roberto sagen.“
Der Angriff weiterer Bergtrolle, die die Treppe hinauf türmten und mit Gebrüll über den Platz rannten, unterbrach sie in ihren Überlegungen
.
Tapfer kämpften sie weiter, auch wenn sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnten.
Außerhalb der Mauern erscholl ein dumpfes Grollen und König Günter blickte über die Zinnen. „Oh nein“, rief er. „Da kommen ja noch mehr!“ Weitere Bergtrollarmeen wälzten sich über den Hügel auf die Burg zu, begleitet von Riesenskorpionen. Außerdem flog noch eine riesige Flotte roter Drachen über den Hügel und hielt direkt auf die Burg zu. „Wir sind verloren“, flüsterte Günter verzweifelt.
Manfred packte ihn am Arm. „Gebt die Hoffnung nicht auf.“ Er zeigte in den Himmel, wo die ersten Drachen direkt über ihnen kreisten. „Seht doch, es sind keine Drachen der Bergtrolle. Es sind die Feuerdrachen von Malensia.“
„Lord Elferey, wir danken Ihnen, dass Ihr uns die Drachen geschickt habt“, flüsterte Günter und schwang sich auf den Rücken eines Drachen. Auch Manfred und Finnegan bestiegen einen Drachen und erhoben sich in die Lüfte. Mit ihren tödlichen Feuerstrahlen bekämpften die Drachen ihre Widersacher und langsam wendete sich das Blatt.
***
Draußen vor den Toren Galendras, stecken Roberto, Valario und Jasper inmitten des Gefechts
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Keuchend rief Valario: „Roberto, versuche, ob du dich zu Krombock durchschlagen kannst. Wir bleiben hinter dir und geben dir Deckung.“
In einiger Entfernung zum Tor, das mittlerweile zerborsten war, stand Krombock, der aufgrund seiner Größe nicht zu übersehen war. Roberto schwang sein Schwert und kämpfte sich in diese Richtung durch das Getümmel. Plötzlich stand ein großer, breiter Bergtroll vor ihm und holte mit der Axt aus. Robertos Schwert verfehlte ihn und Roberto duckte sich in Erwartung des tödlichen Hiebs. Doch da sprang Valario von hinten auf den Troll. „Schnell Robert, lauf. Ich kümmere mich um ihn.“
In der Zwischenzeit wurde Jasper abgedrängt und mit dem Mahlstrom der Kämpfenden, der in die Festung floss, durch das zerstörte Tor getrieben. Er kämpfte verbissen und wurde immer weiter in die Festung geschoben, Treppen hinauf und auf einen großen Platz, wo Bergtrolle wie von Geisterhand umfielen. Jasper erkannt sofort, dass es sich um die Formation der Jungs handelte. Jasper freute sich sehr, sie zu sehen, doch die Freude währte nicht lange. Ein Riesenskorpion bewegte sich auf die Formation zu und hieb mit seinem gewaltigen Stachel hinein, worauf die Formation zerbrach und Zwenjagor herausgeschleudert wurde. Quadra wollte ihm zu Hilfe eilen, wurde aber von der Schere des Skorpions getroffen und brach zusammen. Jasper, Finnegan und die Jungen eilten zu den Verwundeten. Jasper nahm Zwenjagor in den Arm. „Bleib bei uns!“, flehte er
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„Kämpft für die Freiheit.“ Zwenjagors Stimme war nur noch ein Röcheln, dann schloss er die Augen und sein Körper wurde schlaff. Mit einem Schrei fuhr Jasper hoch. Auch für Quadra kam jede Hilfe zu spät. Wenn er nur seine Rüstung noch gehabt hätte, dann wäre ihm nichts geschehen. Voller Wut ging Jasper auf den Riesenskorpion los, schlug ihm die Scheren ab und brachte ihn mit einem gezielten Schwerthieb unter den Panzer zu Fall. „Das ist für Zwenjagor und Quadra“, brüllte er und kämpfte wie ein Besessener weiter.
***
Vor den Toren kämpfte Valario weiter gegen den riesigen Bergtroll, der Roberto angegriffen hatte und ahnte nichts von den schrecklichen Ereignissen in der Burg. Behände sprang er auf den Rücken des Trolls und hob sein Schwert, um es in ihn zu rammen. Doch dem Bergtroll gelang es, ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen. Er lachte hämisch, als er ihn abschüttelte und ihn mit der Faust zu Boden warf. „Ihr habt keine Chance gegen uns, ihr jämmerlichen Kreaturen.“
„Ihr werdet uns niemals besiegen“, schrie Valario, sprang auf und rannte mit markerschütterndem Gebrüll auf den Bergtroll zu. Einen Moment lang war der Bergtroll so überrascht, dass die Wucht, mit der Valario ihn traf, ihn umriss. Er taumelte nach hinten, stürzte über einen Felsabhang vier Meter in die Tiefe und riss Valario mit
sich. Der Sturz raubte Valario für einen Moment lang die Sinne. Ein grauenhafter Schmerz zwischen den Schulterblättern ließ ihn laut schreien. Der Bergtroll hatte ihm einen Dolch in den Rücken gestoßen. Mit letzter Kraft wälzte Valario sich herum und schlug mit dem Schwert einen tiefen Schnitt quer durch das Gesicht des Trolls. Grünes Blut quoll aus der Wunde. Mit wutverzerrtem Gesicht kam der Troll auf ihn zu, packte ihn, hob ihn hoch und ließ ihn fallen. Der Dolch zwischen den Schultern wurde durch Valarios Brustkorb getrieben und ein unerträglicher Schmerz breitete sich in seinem Körper aus. „Mich magst du ja besiegen, aber Galendra wird nicht fallen“, keuchte er. Über ihm kreiste ein Feuerdrache und das Letzte, was er sah, war eine gewaltige Flamme, die den Bergtroll erfasste. Dann wurde es schwarz.