II
Der Club ist sauberer und hochwertiger eingerichtet, als ich gedacht habe. Natürlich fehlt es nicht an den charakteristischen dunklen Nischen, in denen irgendwelche düsteren Typen mit finsteren Mienen hocken, sich Kokain in die Nasen ziehen, und scheinbar wichtige Dinge besprechen. Und genauso gibt es die obligatorischen leicht bekleideten Tänzerinnen und Bedienungen, die bei jeder Gelegenheit lasziv die Hüften schwingen lassen, um ihren Betrachtern ein anständiges Trinkgeld aus dem Arsch zu leiern.
Die Dark Electronic Musik, zu der sich die Tänzerinnen auf ihren kleinen, in die Ecken des Clubs verbannten Bühnen aalen, ist zwar laut und durchdringend, aber nicht so intensiv, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
Ich glaube, der DJ ist der Einzige, der die tiefvibrierenden Rhythmen richtig feiert. Die Mienen der Tänzerinnen sind nämlich eigenartig entrückt, sodass sie ihre geschmeidigen, aufreizenden Bewegungen auch zu Tschaikowskys
Schwanensee vollführen könnten, ohne den Unterschied zu bemerken.
Ob hier wohl alle Angestellten zugedröhnt sind?
Als wir die nächstbeste Theke erreichen, drehe ich mich einmal im Kreis und erkenne erst, nachdem ich die Drehung beendet habe, dass ich mich nach etwas umgesehen habe. Oder nach jemandem
.
Bescheuert.
Demon
hat den Club nämlich vor uns betreten und ist, nachdem sie im düsteren Schlund des Eingangs verschwand, nicht wieder aufgetaucht. Möglicherweise gibt es die eine oder andere Geheimtür, die nur Mitglieder des RA-Kartells und die Angestellten kennen.
»Ich gehe dann jetzt für kleine verwöhnte Silicon Hills
-Gören«, rufe ich Charlie zu und warte ihre Antwort gar nicht ab. Ich lasse sie und die anderen Mädels stehen und begebe mich zu den Damen-WCs, die sich glücklicherweise in einer weniger dunklen Nische verbergen. Fernab der Tische mit den zwielichtigen Typen.
Das Damen-WC wirkt hygienisch sauber und dem edlen, in Pastellfarben gehaltenen Ambiente haftet ein angenehmer Lavendelduft an.
Nachdem ich mir die Hände gewaschen habe, lehne ich mich an die in Gold eingefasste Waschbeckenkante und verschränke die Finger vor meinem Bauch.
Ich brauche dringend ein paar Minuten für mich allein und erhoffe mir außerdem, dass ich so der einen oder anderen Runde Shots entkomme.
Allerdings ertönt in diesem Moment die Klospülung in der Kabine neben meiner und mein Herz macht einen Satz, weil ich nun zu wissen glaube, wohin Demon Adler verschwunden ist.
Die Tür schwingt auf und ich merke erst, dass ich mit ziemlich großen Augen zu glotzen scheine, als Charlie, die nichtsahnend durch die Tür tritt, abrupt stehenbleibt und mich skeptisch taxiert: »Was ist? Was guckst du so komisch und warum stehst du da so blöd herum?«
Zwar zucke ich ertappt zusammen, doch die Erleichterung, dass ich meiner Freundin gegenüberstehe und eben nicht Demon, lässt mich augenblicklich durchatmen und befreit auflachen. »Ach ... ich entspanne hier nur ein bisschen und lasse ein paar der Trinkspiele aus. Eine von uns sollte einen halbwegs klaren Kopf bewahren, meinst du nicht?«
Mit einem entnervten Stöhnen stellt Charlie sich ans Waschbecken und dreht den Wasserhahn auf. »Kommst du mir jetzt wieder damit, dass dieser Club ja ach so düstere Gefahren birgt und auch New Juarez selbst ein absolut heimtückisches Pflaster ist?«
Verärgert verschränke ich die Arme vor der Brust und sehe Charlie dabei zu, wie sie sich die Hände einseift. »Entschuldige bitte, dass ich mich ein wenig um unser Wohlergehen sorge. Ist dir auf der Taxifahrt nicht die unmittelbare Umgebung des Clubs aufgefallen? Ich bin mir sicher, dass gerade wir uns weder tagsüber noch nachts in diesem Stadtteil von New Juarez aufhalten sollten.«
Kopfschüttelnd zieht Charlie ein paar Papiertücher und trocknet sich damit die Hände ab. »So lebensmüde bin ich auch wieder nicht. Deshalb haben wir doch diesen Hochsicherheitstrakt von einem Wellness-Hotelkomplex mitten im Nirgendwo ausgesucht.« Sie grinst mich an. »Du solltest echt mal anfangen, dich tatsächlich
zu entspannen. Ich
bin mir nämlich sicher, dass wir hier
sicher sind. Dafür haben wir die Stammkundschaft hier zu neugierig gemacht, als dass uns wer etwas antun wollte. Außerdem wissen zu viele wichtige Menschen von unserem Aufenthalt hier. Deinem Vater ist es eventuell egal, was du treibst, aber deinem Verlobten absolut nicht, wie ich ihn kenne.«
»Du hast recht. Die Vorstellung, dass ich mich unter gutaussehenden, heiratsfähigen Männern herumtreibe, hat Barry durchaus etwas nervös gemacht.« Seufzend wühle ich in meiner Handtasche und zücke mein Handy. »Keine neuen Nachrichten
«, zitiere ich. »Deprimierend. Man sollte doch meinen, dass mein Verlobter mich vermisst, wenn er sich sonst als so possessiv erweist.«
»Der hat 'nen Schatten. Bezeichnet dich als sein Eigentum und hat ein Riesentheater veranstaltet, als es hieß, dass wir nach New Juarez fahren, weil er nicht wollte, dass du dich außerhalb seines Herrschaftsbereichs bewegst. Und jetzt terrorisiert er dich nicht einmal mit Nachrichten und viertelstündlichen Kontrollanrufen?«
Ich zucke mit den Schultern und versenke das Handy in meiner Handtasche. »Grundsätzlich sind Barry und ich es ja gewöhnt, unsere Leben getrennt voneinander zu verbringen. Eventuell hat er sich bei einer von uns abgesichert, dass sie ein Auge auf mich hat, damit ich mich bloß nicht dem Nächstbesten an den Hals werfe.«
»Ja. Ist richtig romantisch bei euch. Er ist es gewöhnt, dass du zu Hause in Austin in eurem Penthouse hockst, Däumchen drehst und seine Rückkehr sehnsüchtig erwartest. Da sollte er sich zumindest der ungewohnten Situation entsprechend verhalten und immerhin auf die Nachricht, in der du ihm durchgibst, dass du heil angekommen bist, reagieren. So wie mein Mann es gemacht hat.« Sie schüttelt ungläubig den Kopf. »Wie gesagt. Barry hat 'ne Klatsche und es wäre schön, wenn er sich wenigstens ein paar Sorgen machen würde. Nicht, dass du dir einen anderen, besseren
Mann suchst, sondern weil wir – wie du ja die ganze Zeit so schön betonst - New Juarez unsicher machen. Verstehst du, was ich meine? Er setzt komplett falsche Prioritäten.«
»Du hast recht.« Seufzend drehe mich zum Spiegel herum. Inzwischen bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob es die schlauste Idee war, mir einen losen Pferdeschwanz zu binden und meine Nerdbrille aufzusetzen, die ich normalerweise nur beim Autofahren und Fernsehgucken trage. »Ich überlege, ob ich nicht die Gelegenheit nutzen soll, dass Barry sich gerade einen Scheiß für mich interessiert und ... meine Freiheit
genieße.«
»Evie Stowe! Das aus deinem Mund?«, ruft Charlie scheinbar empört und lacht. »Sprichst du etwa davon, den von Cora verlangten Dresscode zu torpedieren? Außerdem waren wir Mädels uns doch einig, dass es ohnehin besser ist, wenn wir niemanden mit unserem guten Aussehen bestechen. Du weißt schon. Damit sich keiner der Gangsterbosse unsterblich in eine von uns verliebt und sie verschleppt.«
»Bis auf Cora natürlich«, bestätige ich mit einem geringschätzigen Schnauben. »Tja. Und was ist, wenn ich auf einmal das Bedürfnis habe, mein Haar offen zu tragen und die Brille wegzustecken?«
Charlie betrachtet mich eingehend. »Was ist eigentlich los mit dir? Hast du heimlich einen Stimmungsaufheller eingeworfen, als ich noch auf Klo war?«
Ich schaue wieder in den Spiegel. »Der Wunsch nach Abenteuer vielleicht. Weil ich auch bald dran
bin und mir eine langweilige Ehe mit einem von Texas’ jüngsten Senatoren in der Geschichte bevorsteht, der so gut wie nie zu Hause ist.«
Ja. Diese Schnapsidee ist mir gerade in den Kopf geschossen. Besser gesagt, dieser Gedanke hat sich in meinem Hinterkopf versteckt gehalten, seitdem ich die düstere Gestalt
alias Demon Adler an der Backsteinwand des Clubs hab stehen und rauchen sehen.
Merkwürdigerweise hat sich dieses Bild von der Cousine des berüchtigten Vaughn Adler regelrecht vor meinem geistigen Auge eingebrannt. Keine Ahnung wieso.
»Soso, Evielein«, holt Charlie mich zurück in die Gegenwart. »Du wünschst dir also ein heimliches Intermezzo mit einem der finsteren, zwielichtigen Kerle hier im Club? Warum nicht? Barry war dir häufig genug untreu und er geht dabei so unüberlegt vor, dass ja sogar ich ihn mehrfach erwischt habe. Zuletzt auf meiner Hochzeit.«
Ich schnaube. »Unüberlegt? Nein, ihm ist es schlicht egal, ob ihn irgendwer dabei ertappt oder nicht. Ich würde es eher als unverschämt
bezeichnen.«
Ironischerweise schiebt sich jetzt wieder das Bild von Demon vor mein geistiges Auge. Ja. Sie fasziniert mich. Das kann ich wohl nicht leugnen.
Unter Umständen in dem Maße, wie Cora es ihr gegenüber von sich behauptet hat. Nur, dass ihre Worte nicht ernst gemeint waren: Demon setzt sich über sämtliche gesellschaftliche Konventionen hinweg, und tut, wonach ihr ist. Niemand würde es wagen sie anzuprangern, weil sie ihre Familie im Rücken hat, die sie unterstützt. Ich beneide sie um ihre Freiheiten.
Bei mir wäre es etwas ganz anderes. Um seinen Ruf und seinen Status zu schützen, würde mein Vater keine Sekunde zögern, mich aus der Familie zu verstoßen. Dann wäre es mein selbstgewähltes Schicksal, auf der Straße zu leben und irgendwann elendig zugrundezugehen. Der Preis für meine Selbstbestimmung.
Seufzend wende ich mich wieder Charlie zu, die seelenruhig ihr Make-up auffrischt.
»Na? Wovon hast du gerade geträumt? Oder soll ich fragen von wem?
«, neckt sie mich, ohne den Blick von ihrem Spiegelbild abzuwenden.
Ich zucke mit den Schultern. »Weiß nicht.«
Dies ist der Punkt, an dem ich mich dazu entscheide, keinen weiteren Gedanken an Demon zu verschwenden. Ich könnte vor Charlie niemals zugeben, dass diese Frau, seitdem wir ihr begegnet sind, in meinem Kopf herumspukt. Sie würde nur die falschen Schlüsse ziehen und sich über mich lustigmachen.
Charlie würde es nicht verstehen, dass es mir schlicht darum geht, dass Demon die Freiheiten lebt, die ich gerne hätte.
Aber es hat eh keinen Zweck, mir weiterhin Gedanken darüber zu machen. Ich kann unsere Leben nicht vertauschen und obendrein würde Vater es nicht gutheißen, falls es aus irgendeinem Grund dazu kommen sollte, dass ich mich mit ihr anfreunde.
»Du bist mit einem Mal so still«, hakt Charlie nach, als sie merkt, dass ich mich schon wieder in meinem Gedankenkarussell verstrickt habe. »Heckst du etwas aus?«
»Nein. Ich habe nur darüber nachgedacht, wie sehr es meine Familie und
Barry ankotzen würde, wenn ich mit Demon Adler befreundet wäre.«
»Mit Demon Adler?
« Charlie stößt ein zischendes Lachen aus. »Wie kommst du denn auf die absurde Idee?«
»Keine Ahnung. Ich mag ihre Frisur. Und sie lässt sich von niemandem vorschreiben, mit wem sie ihr Leben zu verbringen hat. Darum beneide ich sie ziemlich.«
»Ja. Aber dafür muss man wohl ein Mitglied des RA-Kartells sein, um diesen Luxus genießen zu können. Und ich weiß nicht, ob ich darauf Bock hätte.«
Wir treten in die schummrige Nische hinaus, in der sich die Damen-WCs befinden. Über einer weiteren Tür befindet sich das Zeichen für den Notausgang und an der Tür selbst hängt ein Staff Only
-Schild.
Um schnellstmöglich von der vorherigen Thematik abzulenken, mache ich Charlie mit einem Ellenbogenstoß auf die Tür aufmerksam. »Was denn nun? Notausgang oder Zutritt nur für Personal?«
Charlie mustert mich skeptisch, als würde sie nun tatsächlich an meinem Verstand zweifeln, weil ich mich neuerdings für verbotene Durchgänge interessiere, aber dann scheint sie sich doch dazu zu entschließen, darauf einzugehen: »Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt zu wissen, wo sich einer der Notausgänge befindet. So können wir nachher mal frische Luft schnappen, ohne an den Türstehern vorbeizumüssen. Wie ich Cora und die anderen Mädels kenne, steht uns eine sehr lange Nacht bevor.«
Wir passieren die Bühne, hinter der sich die WC-Nische nämlich versteckt, und werden für einen Moment von der Tänzerin in den Bann gezogen, die sich schlangenartig um eine Poledancestange windet und uns mit ihren reptilienartigen Kontaktlinsen fixiert.
Irritiert zucke ich zurück und löse mich sofort von ihrem Anblick, um mich nach den restlichen Mädels umzusehen. Sie und Cora sind eine Theke weiter gewandert und versuchen offenbar jemanden dazu zu überreden, an einem ihrer nervigen Trinkspiele teilzunehmen.
Drei Gestalten. Zwei Männer und ... Demon, die auf Barhockern sitzen und mit Gretchen herumdiskutieren. Wenigstens wirken sie nicht sehr genervt, sondern sogar halbwegs amüsiert.
Einer der Männer, mit einer auffälligen Narbe an der Wange, hebt gerade abwehrend die Hände und schüttelt hektisch den Kopf. Er nimmt einen Shot von der Theke, stürzt ihn hinunter, klopft seinem Nebenmann auf die Schulter, springt vom Hocker und wuschelt Demon über den Kopf, die sich offenbar lauthals beschwert und ihn kraftvoll wegschubst.
Der Mann stolpert einen Schritt vorwärts, dreht sich dann aber lachend zu Demon und zeigt ihr den Stinkefinger.
Obwohl Charlie vorausgegangen ist und ich ihr nur zögerlich gefolgt bin, um die Situation genau einschätzen zu können, bleibt mir nichts anderes übrig, als offensichtliche Nachzüglerin die Blicke der sämtlichen Beteiligten auf mich zu ziehen.
Der übriggebliebene Mann schenkt mir nur für eine Sekunde seine Aufmerksamkeit, dann wendet er sich wieder Gretchen zu, die noch immer irgendetwas mit ihm aushandelt.
Demon, allerdings, mustert mich etwa einen Atemzug lang von oben bis unten, ja, sie checkt mich regelrecht ab, bevor sie boshaft lächelt und sich Cora zuwendet: »Ich mach’s.«
Oh Gott. Ich will gar nicht wissen, worum es geht.
Ich bleibe neben Charlie stehen und nehme ein Glas entgegen, das einen strengen Energydrink-Geruch verströmt. »Was macht sie?«, erkundige ich mich dennoch, doch in diesem Moment brechen die Mädels allesamt in begeistertes Jubeln und Klatschen aus und meine Frage geht in dem Getöse einfach unter.
Nur Cora hat gequält die Nase gerümpft, sich ausgerechnet zu mir umgedreht und mich angefunkelt, als sei ich schuld an ihrer Misere.
»Wie? Traust du dich nicht?«, fragt Demon mit offensichtlich gespielter Überraschung und rutscht von ihrem Barhocker, um einen Schritt auf Cora zuzumachen, die denselben Schritt vor ihr zurückweicht.
Demon verzieht einen Mundwinkel zu einem spöttischen Grinsen und wendet sich Gretchen zu: »Was passiert, wenn die Braut sich weigert?«
»Wird sie nicht!«, ruft sie und lacht hämisch. »Du musst dich an die Regeln halten, Cora!«
»Bei dem Spiel geht es aber nicht darum, eine Frau für die nächste Runde bezahlen zu lassen«, beschwert Cora sich.
Ach, du heilige Scheiße. Das Kuss-Spiel. Cora hat auf dieses Trinkspiel bestanden. Sie hat es sich so vorgestellt, dass die Männer sich darum reißen würden, einen Kuss von ihr zu erhaschen. Im Gegenzug dafür, dass Cora sich küssen lässt, müssen die Männer die nächste Runde Shots für uns ausgeben.
Ich hatte von Anfang an meine Zweifel an diesem Spiel, vor allem, weil ich befürchtet habe, dass sich kaum ein Mann dazu bereiterklären würde, für einen simplen Kuss Geld lockerzumachen.
Allerdings schätze ich, dass Coras einziger Hintergedanke war, einen Kuss von Vaughn Adler abzustauben, der sich daraufhin unweigerlich in sie verlieben würde. In ihrer Vorstellung zumindest.
Wundert mich, dass sie dennoch auf dieses Spiel bestanden hat, obwohl Adler angeblich nicht vor Ort ist.
»Vorhin hat sie Demon noch vorgeschwärmt, wie sehr sie sie bewundert«, murmle ich, rolle entnervt mit den Augen und wende mich von der Szene ab, schon allein, um mir einen freien Hocker zu suchen und den Drink irgendwie loszuwerden. Ein Energydrink ist an sich zwar nicht so verkehrt, aber doch bitte ohne Alkohol.
Seufzend stelle ich das Glas auf dem Tresen ab und versuche mit einem Winken die Aufmerksamkeit des Barkeepers zu erhaschen. Der ist aber am anderen Ende der Theke in ein Gespräch mit Narbengesicht vertieft.
In dieser Sekunde fangen die Mädels wieder an zu jubeln und ich fahre erschrocken zusammen. Unwillkürlich drehe ich meinen Kopf in ihre Richtung und bekomme gerade noch die letzten zwei Sekunden von dem recht stürmischen Zungenkuss zwischen Demon und Cora mit.
Demon hat ihre Finger in Coras weißblonden Bob gegraben, die andere Hand presst sich in ihre Flanke, wodurch sie Cora offenbar fest an sich gezogen hat, damit sie ihr nicht entwischt. Cora stützt sich dagegen an Demons Schultern ab, vielmehr so, als würde sie versuchen, sie von sich zu schieben.
Abrupt hebt Demon den Kopf und fixiert Coras Blick mit einem teuflischen Funkeln in ihren Augen. Offenbar hat sie Cora mit dem Kuss ziemlich überrumpelt.
Und im nächsten Moment fängt Demon sich auch schon eine schallende Ohrfeige ein.
Unter dem lauten Klatschen halte ich die Luft an und ich wette, ich bin nicht die Einzige: Egal, was Demon Adler tut, selbst wenn sie jemandem ihren Willen aufzwingt, sollte man ihr gegenüber doch bitte nicht
handgreiflich werden.
Das Problem ist nur, dass Cora Ohrfeigen wie Süßigkeiten an Halloween verteilt. Selbst ich habe mir schon welche eingefangen, weil ich etwas zu ihr gesagt habe, das sie nicht hören wollte und dummerweise vorher keinen Sicherheitsabstand zu ihr eingenommen habe.
Einen Wimpernschlag lang verschlingt Demon sie mit einem giftigen Blick, während Cora unverwandt zurückstiert. Und ich wette, der Rest des Clubs starrt ebenfalls.
Zumindest tue ich es und vor meinem geistigen Auge nehme ich ziemlich lebhaft wahr, wie sogar der DJ und die Tänzerinnen in ihren zuckenden Bewegungen innehalten und gebannt zu Demon und Cora schauen; wie der Barkeeper und Narbengesicht in ihrer Unterhaltung stocken und sich dafür wappnen, dass genau hier, in der Gruppe, in der ich mich auch befinde, ein Tumult losbricht.
Doch dann ist diese Schrecksekunde vorüber, Demon legt ihre flache Hand an die betroffene Wange und grinst Cora an.
»Touché«, sagt sie. Glaube ich. Ich bin mir nicht sicher – aber verdammt nochmal! In meiner Vorstellung hat Cora gerade fast ein Blutbad provoziert und Demon bleibt einfach total gelassen.
Zu allem Überfluss huschen Demons Augen jetzt zu mir.
Bilde ich es mir ein oder schaut sie tatsächlich andauernd und grundlos in meine Richtung?
Natürlich bilde ich es mir ein. Sie wird es mir wohl kaum an der Nasenspitze ablesen können, dass ich sie eben auf dem Damen-WC um ihre Freiheiten beneidet habe.
Während ich merke, wie meine Wangen an Farbe gewinnen – warum auch immer – senke ich die Lider und drehe mich wieder zum Tresen.
Keine Ahnung, weshalb Demon mich angesehen hat. Womöglich, weil sie meine
Blicke auf sich gespürt hat. Das wird es sein.