IV
Ich starre Demon an. »Dein Ernst?«
Meine Wangen sind siedendheiß, aber das ist mir egal. Die Frau hat tatsächlich den Nerv, mich auf offener Straße anzubaggern.
Keine zehn Minuten, nachdem sie mir eine Waffe an die Kehle gedrückt hat.
»Schlimm?«
»Ja!« Mit einem empörten Schnauben setze ich mich in Bewegung und lasse sie einfach stehen.
Mir ist es egal, ob ich sie kränke. In Texas ist ein gleichgeschlechtliches ... Intermezzo
und alles, was dazugehört, nicht direkt verboten, aber verpönt. Sowas von verpönt.
Wieder umschließt ihre Hand meinen Arm und reißt mich herum. »Du hast also ein Problem mit mir?« Ihr Blick ist eiskalt und lauernd.
Ich verstehe langsam, was sie dazu bringt, so rapide umzuswitchen: Demon hat eine verdrehte Art von Minderwertigkeitskomplexen, schätze ich. In gewisser Weise strotzt sie vor Selbstbewusstsein; wenn man dagegen einen empfindlichen Nerv bei ihr trifft, verhält sie sich wie ein Raubtier, das sich in die Ecke gedrängt fühlt.
Hier ist wohl Fingerspitzengefühl gefragt, was mir echt nicht leichtfällt, da ich ... ja, ich bin empört. Aber nicht, weil sie sich darüber hinweggesetzt hat, dass ich verlobt bin und offensichtlich nicht auf Frauen stehe und ... sowieso und überhaupt. Nein, in gewisser Weise fühle ich mich ertappt
.
Doch diese Erkenntnis ist so erschreckend, dass ich sie sogleich in die dunkelste Ecke meines Kopfes schiebe, meterdicke Wände drumherum aufschichte und mit einer ebenso dicken Tresortür versehe, deren Schlüssel ich weit, weit wegwerfe.
Heftig reiße ich mich los, bleibe allerdings stehen und schenke Demon einen ebenso kalten Blick wie sie mir. »Ein Problem mit dir? Nein. Ich habe lediglich ein Problem damit, dass du dir einfach herausnimmst ...« Ich breche ab, hole tief Luft und raufe mir zeitgleich die Haare. Ich muss
die Klappe halten und Demon um Gottes willen nicht provozieren.
Währendessen baut sie sich vor mir auf und verschränkt die Arme vor der Brust. »Kommst du jetzt wieder mit dem Typen, den ich vor deinen Augen umgebracht habe und dass ich dich mit derselben Waffe bedroht habe? Tja.« Sie schnaubt. »Willkommen in NJ. Hier werden solche Sachen nun einmal auf die Weise geregelt. Dein verkappter Monarchist von einem Vater – wenn es denn stimmt, dass du die Tochter des Gouverneurs bist – kann sich noch so sehr aufplustern. NJ gehört den Adlers und nicht dem Staat.«
Ich stutze irritiert. »Und was ist mit dem Ramirez-Kartell?«
Demon runzelt für einen Moment die Stirn und dann stöhnt sie. »Ja.«
Das war zwar keine Antwort auf meine Frage, aber ihre Reaktion offenbart mir trotzdem einen interessanten Blick hinter die Kulissen. »Sind die Feindschaften doch nicht ad acta gelegt?«
»Geht dich nichts an«, murrt sie als Antwort. »Schon allein, da du mich behandelst, als sei ich eine Aussätzige, nur weil ich auf Frauen stehe.«
»Das stimmt doch gar nicht.«
»Ach. Und was sollte dein Verhalten eben? Ich habe nur ausgesprochen, was dein Starren für ein Eindruck auf mich gemacht hat. Du hättest mir in einem normalen Ton vermitteln können, dass ich da etwas fehlinterpretiert habe.«
Mit einem leisen Seufzen drehe ich ihr den Rücken zu und mache den nächsten Schritt zum Eingang des Clubs. So erhoffe ich mir, dass wir das Thema schnellstmöglich abhandeln müssen, weil uns sonst die Musik davon abhält, ein vernünftiges Gespräch zu führen. »Entschuldigung. Ich habe überreagiert. Ich mag es nun einmal nicht, angebaggert zu werden, da es offensichtlich ist, dass ich verlobt bin.«
»Na klar. Als hätte es nichts damit zu tun, dass ich eine Frau bin.« Sie holt zu mir auf und ist wieder neben mir. Ein weiterer Schritt und sie versperrt mir den Weg. »Du bist verlobt, ja. Kapiert. Aber du bist laut deiner Aussage auch die Tochter des Gouverneurs. Dementsprechend wäre es für dich und den Ruf deiner Familie eine Katastrophe, sobald man dich mit mir sieht.«
»Nein, wäre es nicht. Nur, wenn ... du in aller Öffentlichkeit mit mir ... flirtest und ich ... darauf eingehe.«
»Dir geht es also um die Öffentlichkeit?« Sie ist wieder dazu übergegangen, mein Gesicht zu studieren. »Und was, wenn niemand davon weiß?«
»Was redest du da, Demon? Ich will das allgemein nicht. Ich bin verlobt.«
»Darum geht es gerade nicht. Wovor hast du Angst? Vor mir? Oder davor, dass ich dir an die Wäsche gehen könnte, wenn wir unter uns sind? Und dass du es womöglich sogar mögen könntest, was ich mit dir anstellen will? Ich habe lediglich angedeutet, dass es möglich ist, sich nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen.« Ihre Augen fangen an, verärgert zu blitzen. »Weißt du, was ich denke, wovor du Angst hast? Dass du es nicht schaffst mich abzuweisen, sobald ich es darauf anlegen würde.«
»Kannst du mir vielleicht einmal erklären, worüber wir uns unterhalten? Seit wann geht es um ein ... uns?
Du hast mir gesagt, dass du mich erst entlässt, wenn du dir sicher bist, dass ich ... was auch immer du denkst, was ich bin.«
»Ein Problem.«
Ich schenke ihr einen erzürnten Blick. »Gut. Dann siehst du mich also inzwischen als Problem an. Für mich klingt das jetzt allerdings so, dass du ... Interesse an mir hast und nun beleidigt bist, weil ich nicht auf dich stehe.«
»Wow. Autsch.« Ihre Miene ist zu Eis erstarrt. »Ganz schön arrogant. Vielleicht wollte ich nur ein bisschen Spaß haben? Wir müssen ja nicht gleich heiraten.« Sie wirbelt herum und schreitet in langen Schritten voraus.
Ich rolle mit den Augen und versuche sie einzuholen. »Warum, Demon? Ich kapiere das nicht.«
»Wie warum?«, faucht sie, ohne langsamer zu werden.
»Warum ich? Und so plötzlich?«
»Wieso plötzlich?« Wir erreichen endlich den Eingang. »Ich habe mir den Blickkontakt sicher nicht eingebildet. Und ich erkenne es, wenn eine Frau sich zu mir hingezogen fühlt, Evie. Das Problem ist nur, dass die meisten Frauen es sich nicht eingestehen wollen. Und du gehörst dazu.«
Abrupt bleibt Demon vor dem Türsteher namens Terry stehen und zieht die Waffe aus ihrem Hosenbund. »Hier. Die gehörte Vasquez. Lass sie verschwinden.« Sie reicht ihm die Pistole, die Terry mit unbewegter Miene entgegennimmt, als sei es für ihn das Normalste auf der Welt, von Demon eine Mordwaffe entgegenzunehmen und sie daraufhin in Luft auflösen zu lassen.
Er nickt Demon zu und sie schießt ohne ein weiteres Wort davon.
Ich eile ihr mit einem empörten Stöhnen hinterher, doch mir entgeht nicht das verwirrte Stirnrunzeln des Türstehers, das er mir jetzt schenkt. Offensichtlich hat er ein paar Worte der delikaten Konversation zwischen mir und Demon aufgeschnappt.
»Wer ist denn hier arrogant?«, rufe ich ihr nach, als ich merke, dass es schwierig werden könnte, sie vor der ersten Theke einzuholen. Langsam bin ich nämlich diejenige, die sich in die Ecke gedrängt fühlt. »Und jetzt hast du genau das gemacht, was ich befürchtet habe: Nun denkt der Türsteher, dass ich ...«
Abrupt dreht Demon sich zu mir herum. Sie ist stinksauer, aber gleichzeitig wirkt es, als habe sie Mitleid mit mir.
Sie schaut sich einmal um und schiebt mich an der Garderobenfrau vorbei, die gelangweilt in einer Zeitschrift blättert und uns gar nicht zu bemerken scheint, hinter die erste Reihe Jacken, Sakkos und Handtaschen.
Ich weiß nicht, ob die Wände hier im Garderobenraum besonders dick sind oder ob die ganzen Kleidungsstücke eine geräuschdämmende Wirkung haben, aber die Musik ist nur noch gedämpft zu hören.
»Du brauchst keine Angst zu haben, dass irgendwer irgendetwas
erfährt, okay? Wenn ich dich nicht hinten erwischt hätte, wäre ich niemals auf dich zugegangen. Es ist mir klar, dass du nicht auf Frauen stehst. Es tut mir leid, falls ich dir das Gefühl vermittelt habe, dass ich dich umdrehen
... oder einfach nur anbaggern will. Ich habe mich etwas weit aus dem Fenster gelehnt und mir erhofft, dass du ein bisschen entspannst. Manche Frauen fühlen sich geschmeichelt, wenn ich das tue.« Sie seufzt. »Ich will dich ja nicht dazu bringen, mitten im Club mit mir herumzumachen.«
»Was willst du dann?«, frage ich und fühle mich so gut wie entwaffnet.
»Gar nichts.« Sie spannt ihren Kiefermuskel an.
»Ich glaube dir nicht.« Keine Ahnung, warum ich es jetzt herausfordere.
»Was?« Wie erwartet stiert sie mich an.
Inzwischen klopft mir das Herz bis zum Hals. Irgendwie hat Demon den Schlüssel zu dem dunklen Raum in meinem Kopf ausfindig gemacht und ihn mir soeben überreicht. Ich bin drauf und dran den Raum aufzuschließen. Einfach nur, weil ... ich genau weiß, was Barry wahrscheinlich gerade treibt.
»Ich fühle mich geschmeichelt. Und jetzt zu behaupten, dass du gar nichts von mir willst, obwohl du es eben darauf angelegt hast, ist ... ernüchternd.«
»Bist du bescheuert? Gerade hast du ein Riesendrama veranstaltet und nun willst du ... was
von mir hören? Dass ich dich näher kennenlernen möchte?«
»Zum Beispiel.«
»Nur, weil ... Oh, Mann.« Sie schüttelt den Kopf und drängt sich an mir vorbei. »Fahr nach Hause, Evie.«
»Also bin ich jetzt doch entlassen?«
»Ja. Du nervst mich.«
Ein Gefühl der Erleichterung durchflutet mich, aber ebenso Enttäuschung. »Ich verstehe es selbst nicht«, rufe ich ihr hinterher und sie bleibt stocksteif stehen. »Als ich dich da draußen an der Wand lehnen und rauchen gesehen habe, war ich irgendwie fasziniert von dir. Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre ... dich kennenzulernen. Nur für diesen Abend. Dann habe ich gemerkt, dass du eine Frau bist und ich habe mich erschrocken, ja. Doch die Faszination ist geblieben und ... ich weiß nicht warum. Ich habe es selbst nicht richtig realisiert, aber du hast recht. Ich habe mich immer nach dir umgesehen und dich angesehen.« Meine Wangen erhitzen, als sie sich mir zuwendet und den Kopf zur Seite neigt. »Und dann hast du den Mann kaltblütig erschossen und jetzt ist alles ... komisch.«
Demon erreicht mich mit zögerlichen Schritten und schenkt mir einen eindringlichen Blick. »Komm mit.«
Sie umfasst wieder mein Handgelenk und zieht mich hinter sich her. Zwischen die zahlreichen Stangen mit Kleidung, bis zur hintersten Ecke der Garderobe. Hier wird der Raum nur schummerig beleuchtet. Stapelweise Jacken und Handtaschen sind wild auf dem Boden zerstreut und teilweise plattgedrückt.
Demon wendet sich von mir ab und fängt an, in den Taschen einzelner Sakkos zu wühlen. »Die hintersten Reihen sind in der Regel Kleidungsstücke, die nie wieder abgeholt werden. Menschen, die wir hinten umgelegt und verschwinden lassen haben oder Kunden, die zu betrunken waren und ihre Sachen schlicht vergessen haben, weil sie zu reich sind und es gar nicht merken, wenn etwas fehlt.« Sie rupft ein kleines Päckchen mit weißem Pulver heraus und hält es mir mit einem fragenden Blick entgegen. »Schon einmal gekokst?«
»Nein. Und ich habe es auch nicht vor.« Inzwischen habe ich die Arme um mich geschlungen und bin drauf und dran, die Beine in die Hand zu nehmen und so schnell wie möglich Abstand zwischen Demon und mich zu bringen.
Was hat mich bloß eben geritten, als ich ihr gesagt habe, was in mir vorgeht?
»Ist auch besser so. Du bist ja so schon verkrampft genug«, kommentiert sie und durchwühlt eine rosé glitzernde Clutch, die sie aus einer schwarzen Stola gefischt hat. Als sie nichts Aufregendes darin zu finden scheint, lässt sie die Clutch gleichgültig auf den Boden fallen.
»Setz dich.« Sie zeigt auf den Stapel Kleidung, der zerknautscht an der Wand ruht.
Nach einem kurzen Zögern tue ich es tatsächlich und ziehe die Beine bis an mein Kinn. »Ich bin nicht verkrampft, ich nehme ganz einfach keine Drogen und betrinke mich nicht hemmungslos.«
Demon hat sich das nächste Sakko zur Brust genommen und fördert nun mit einem vergnügten Yay
eine Packung Tabak zutage. Als sie die Packung aufrollt, fällt ein Beutel mit grünem Zeug auf den Boden, gefolgt von länglichem Zigarettenpapier.
»Ich fühle mich, als wäre ich wieder fünfzehn und in der Kifferbude eines der Schüler aus dem Seniorjahrgang.«
Demon hebt die Tüte auf und grinst. »Ich habe in einer dieser berüchtigten Kifferbuden gewohnt. War schon spaßig, worauf die kleinen Kids sich eingelassen haben, um kostenlos an ein paar Gramm Dope zu kommen.«
»Du saßt doch auch an der Quelle«, kommentiere ich mit einem leisen Vorwurf in der Stimme.
»Nicht direkt.« Sie schaut zu mir auf und ihre Augen funkeln teuflisch. »Meine Familie hat sich eher auf die Herstellung chemischer Drogen spezialisiert. Die Kokain- und Marihuanaplantagen im Süden gehören überwiegend dem Ramirez-Kartell. Mein Onkel und Ramirez’ Vater hatten sich damals darauf geeinigt, um sich nicht gegenseitig die Kunden wegzunehmen. Doch dann ist es so gekommen, wie es gekommen ist und wir Adlers mussten uns unser Gras selbst beschaffen.«
»Ah ja. Du Arme.«
Demon hat sich, während sie aus dem Nähkästchen geplaudert hat, mir gegenüber im Schneidersitz niedergelassen, eines der länglichen Blättchen auf ihrem Schenkel ausgebreitet und ein kleines Bündel Tabak aus der Packung gefischt.
Jetzt hält sie inne und funkelt mich warnend an. »Na ja. Im Prinzip war Vaughn nur froh, dass ich es mir nicht so leicht gemacht habe und nach dem Crystal Meth gegriffen, sondern nur ab und zu gekokst habe und ansonsten dauerbekifft war.«
»Nur
«, bestätige ich und nicke gespielt verständnisvoll.
Sie öffnet die Tüte mit dem Gras und verteilt ein paar Krümel davon auf dem Tabak, den sie gleichmäßig auf dem Blättchen ausgebreitet hat. »Du hast doch mit den Kifferbuden angefangen. Das klang für mich danach, dass du ebenfalls deine rebellische Phase hattest.«
»Die hatte ich. Nur habe ich sie fast ausschließlich mit Hausarrest verbracht, bevor irgendetwas von Bedeutung passieren konnte. In einer dieser Kifferbuden habe ich mich nur aufgehalten, weil Charlotte einen der Typen dort ganz süß
fand.«
Mit routinierten Fingerbewegungen dreht Demon ihren Joint zusammen und ich folge jeder ihrer Bewegungen. Abermals hält sie inne, bevor sie den Rand des Zigarettenpapiers mit ihrer Zunge befeuchtet: »Du hast also noch nie gekifft?«
»Doch schon. Im College. Aber das lässt sich wiederum an einer Hand abzählen.«
Irgendetwas scheint sie zu amüsieren, denn sie schmunzelt verhalten, als sie zusammen mit ihrem Handy eine Zigarettenschachtel aus ihrer Gesäßtasche fummelt und das sich darin befindliche Feuerzeug herauszieht. Ohne innezuhalten zündet sie den Joint an und nimmt einen tiefen Zug. Erst danach legt sie Zigarettenschachtel und Smartphone neben ihrem Oberschenkel ab, ganz ohne zu überprüfen, ob sie inzwischen genauere Informationen über mich erhalten hat. Stattdessen schmunzelt sie noch immer.
»Was?
«
Sie legt den Kopf in den Nacken und bläst den Rauch in die Luft, augenscheinlich darauf bedacht, ihn nicht in meine Richtung gelangen zu lassen.
Auf einmal lacht sie kurz auf, schüttelt den Kopf und zuckt gleichzeitig mit den Schultern. »Ich musste mir nur vorstellen, wie du auf so einer klischeetriefenden Studentenvereinigungsfete im neonpinken Bikini und mit einem dieser blauen Plastikbecher in der Hand am Pool stehst und dir mit einer Handvoll anderer Püppchen eine dieser schicken Dopepfeifen teilst.«
Eingeschnappt lehne ich mich an die Wand in meinem Rücken und verschränke die Arme vor der Brust. »Und warum gerade neonpink?«
Ihr Schmunzeln wächst zu einem Grinsen heran, bevor sie einen weiteren Zug nimmt. »Weil die Farbe am besten zu deinen dunklen Haaren passt.«
»Das ist aber deine Meinung.«
Ich bin froh, dass sie mir den Joint nicht anbietet. Zum einen habe ich nie die Faszination am Kiffen nachvollziehen können und zum anderen hatte ich mir ja fest vorgenommen, einen halbwegs klaren Kopf zu bewahren, weil ich sicherlich jede einzelne von meinen zu Schnapsleichen mutierten Freundinnen in ihr Zimmer begleiten muss.
Demon zuckt mit den Schultern und hält mir auf einmal den Joint vor die Nase.
Super. Das dazu. Naserümpfend schaue ich auf ihre Finger, als würde sie mir eine giftige Schlange entgegenhalten.
»Was ist? Hast du den Drogen abgeschworen oder doch eher Angst, dass du dich über meinen Speichel mit einer Geschlechtskrankheit ansteckst?«
Ihre Provokation zieht. »Spinnst du?«, fahre ich sie an und nehme ihr den Joint ab. Dabei streifen meine Fingerspitzen die ihren und ich muss mich echt zusammenreißen, um nicht zurückzuzucken. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass wir einander berühren. Demon hat mir ja sogar schon mit den Daumen im Gesicht herumgewischt. »Hältst du mich für so schlecht aufgeklärt?« Ich halte mir den Joint an die Lippen und nehme einen vorsichtigen Zug.
Wie erwartet bringt mich der Qualm zum Husten, bevor er überhaupt ansatzweise meine Lunge erreicht hat.
Verschämt halte ich mir die Hand vor den Mund und meide beim wiederholten Hustenreiz Demons Blick, vor allem, da sie leise lacht, sich vorbeugt und mir ungefragt den Joint abnimmt. »Sicher, dass du schon einmal gekifft hast?«
»Klar«, krächze ich. »Du hast offenbar nicht mit vielen Nichtrauchern zu tun.«
»Okay. Komm her.« Demon nimmt einen Zug und macht eine auffordernde Kopfbewegung.
»Was?« Als ich ihrer Aufforderung nicht folge, beugt sie sich augenrollend vor, sodass ihr Gesicht sich nur noch höchstens zehn Zentimeter vor meinem befindet.
»Einatmen.« Sacht haucht sie mir den Rauch vor den Mund.
Ich bin wie erstarrt. Vor allem, weil das, was Demon tut, irgendwie etwas Sinnliches an sich hat.
»Was machst du da?«, frage ich stattdessen und weiche ihr aus.
Demon pustet den restlichen Rauch in die Luft und verdreht erneut die Augen. »Auf die Weise reizt der Qualm deine Atemwege nicht so sehr und auch der Stoff wirkt nicht so stark.« Sie hält den Joint vor ihr Gesicht. »Außerdem ist das Gras in die Jahre gekommen und deshalb ohnehin nicht so hochkonzentriert.« Sie fängt erneut meinen Blick ein. »Du wirst schon nicht komplett stoned sein, wenn wir aufgeraucht haben, falls es das ist, wovor du dich fürchtest.«
»Ich fürchte mich nicht.« Verärgert presse ich die Lippen zusammen.
Generell würde ich das Kiffen am liebsten sein lassen, schon allein, weil es passieren könnte, dass ich sonst Dinge tue, die ich nicht tun würde, solange ich klar im Kopf bin.
Andererseits ... herrscht eine bizarre Atmosphäre zwischen mir und Demon. Es ist, als würden wir uns in einer Seifenblase befinden, in der sich eine unabhängige Realität abspielt. Sobald unsere Wege sich trennen, ist das alles, was wir glauben, erlebt zu haben, gar nicht wirklich passiert.
Okay. Möglicherweise bin ich durch das Passivrauchen doch schon etwas high.
»Nein? Ich denke, dass du dich noch immer fürchtest. Vor mir ... vor dem, was ich mit dir anstellen könnte ... vor den Menschen hier im Club ... vor dem, was deine Freundinnen von dir halten könnten, wenn sie herausfinden, dass du Zeit mit mir verbringst ... und vor allem hast du Angst vor deiner eigenen Courage.«
»Denkst du, ich merke nicht, wie du versuchst, mich zu manipulieren?«
»Klappt es denn?« Sie lächelt.
»Ja.«
»Gut.«
Sie steckt sich den Joint zwischen die Lippen, stützt sich mit der flachen Hand vor mir ab und zieht sich den Rauch in die Lunge. Ich lehne mich meinerseits etwas vor, sodass unsere Münder tatsächlich nur noch eine Handbreit voneinander entfernt sind, und lasse mir von Demon den Rauch zwischen meine leicht geöffneten Lippen pusten.
Mein Herz schlägt schwer gegen meinen Brustkorb und dieser Augenblick zieht sich einerseits ewig hin und andererseits ist er viel zu schnell vorbei.
Der Qualm reizt meine Atemwege, doch ich schaffe es, den Hustenreiz zu unterdrücken.
Und dann fällt mir auf, dass die Zeit stehengeblieben zu sein scheint: Demon ist mir noch immer so nah und sieht mir wie erstarrt in die Augen, während der Rauch vollkommen inaktiv aus meinem Mund steigt.
Erst jetzt merke ich, dass ich ebenfalls wie versteinert bin und Demon genauso anstarre.
»Du bist so hübsch«, flüstert sie und auf einmal berührt ihr Mund meine Lippen. Nur ganz sanft und vorsichtig, wie darauf bedacht, sofort zurückzuweichen, wenn es nicht das ist, was ich will.
Ich will es. Im Prinzip habe ich mich nur deswegen von Demon hinter die Garderobe ziehen lassen und nur deswegen habe ich mich von ihr zum Kiffen überreden lassen: Damit ich meine Ängste und Zweifel zum Verstummen bringen kann.
Trotzdem entziehe ich mich ihr mit einem leisen Räuspern und senke den Blick.
»Entschuldige«, murmelt sie sofort.
Ich öffne den Mund, um ihr zu beteuern, dass sie die Situation gerade missversteht, weil mein Körper anders reagiert hat, als ich eigentlich wollte, doch in diesem Moment vibriert ein Handy und der Zeitpunkt ist vorüber.
Demon weicht zurück und greift nach ihrem Smartphone. Sie drückt eine Taste, das Display leuchtet auf und sie lässt ihren Daumen eine Zeitlang darüber wischen.
Ihr Gesicht wird von dem Schein des Displays erhellt und ich stelle zu meiner eigenen Überraschung fest, dass ich sie eigentlich auch schon die ganze Zeit ziemlich hübsch finde. Ihre Gesichtszüge sind ebenmäßig, sie hat eine reine, leicht gebräunte Haut und Sommersprossen an Nase und Wangen. Ihre Lippen sind geschwungen und in einem ihrer schmalen Nasenflügel steckt ein schwarzer Ring.
Für mich ist sie gleichzeitig eine natürliche Schönheit und eine Rebellin. Sie ist das, was ich nie sein konnte.
Noch während ich sie begaffe, schaut sie mit einem schiefen Lächeln auf. »Du scheinst in der Tat Evie Stowe zu sein und bist, wie es aussieht, nicht in die krummen Geschäfte deines Vaters involviert. Nichtsdestotrotz mache ich mir Sorgen, dass dein Verlobter einen schlechten Einfluss auf dich hat. Er benutzt dich, um einflussreiche CEOs dazu zu bringen, in ihn zu investieren?«
Irritiert ziehe ich die Stirn kraus. »Aus deinem Mund klingt es, als würde er mich an sie verkaufen.«
Ihre Miene hat sich verfinstert und es wirkt, als sei sie wirklich erbost deswegen. »Was macht er denn sonst?«
»Er lässt mich ein paar Wochen oder Monate für die Firmen arbeiten. Ich ziehe mir enge Kostümchen an, lasse vor den CEOs ein wenig die Hüften schwingen und meinen Arsch von ihnen tätscheln. Mehr nicht.« Als sich Demons Gesichtsausdruck weiter verfinstert, bin ich richtig perplex. »Was ist denn dabei?«
Demon schnaubt geringschätzig. »Dein Verlobter demütigt dich. Das ist dabei.«
Ich zucke mit den Schultern. »So ist es nun einmal. Barry braucht die Unterstützung der Firmen. Und wenn ich ihm behilflich sein kann, ist es doch gut. Es wird ja niemand zudringlich. Ich muss nur ... hübsch sein.«
»Kommst du dir nicht blöd dabei vor, wie ein Stück Fleisch behandelt zu werden?«
Ich gebe ein abgehacktes Lachen von mir. »Du weißt, dass ich froh sein kann, wenn Barry mich überhaupt ein paar Monate im Jahr arbeiten lässt? So sind die Geschlechterrollen halt verteilt.«
»Liebst du ihn?«
Ich seufze und fixiere dabei ihren Blick. »Die Ehe ist arrangiert, Demon. Alles in meinem Leben ist arrangiert. Ich bin die Tochter des Gouverneurs von Texas, der sich seine Herrschaft mit Korruption und krummen Geschäften gesichert hat. Seine größte Angst ist nicht, eines seiner Familienmitglieder zu verlieren, sondern seine Stellung in der Gesellschaft. Er trägt das Zepter seit über fünfundzwanzig Jahren und hat vor, im Governor’s Mansion
an Altersschwäche zu sterben. Er muss alles unter Kontrolle haben. Auch die Gefühle seiner Tochter.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet, Evie.« Ihr finsterer Blick durchbohrt mich.
»Wie könnte ich ihn lieben? Ich empfinde nicht einmal richtige Zuneigung gegenüber meiner Freundinnen, weil selbst diese Bekanntschaften von unseren Eltern arrangiert wurden. Es ist nur eine Art Pflichtausübung für mich, meine Zeit mit ihnen zu verbringen. Außer bei Charlotte vielleicht.«
»Okay.« Unvermittelt steht Demon auf und tritt zu mir. Der Joint qualmt scheinbar vergessen zwischen ihren Fingern. »Rück vor.«
»Wieso?« Obwohl ich skeptisch zu ihr hinaufschaue, tue ich, was sie verlangt hat.
Ohne ein weiteres Wort quetscht sie sich zwischen mich und die Wand hinter mir. Ihre Beine hat sie rechts und links von meinen Schenkeln platziert.
Demon ist mir so nah, dass mein Herz ins Stolpern und mein Atem ins Stocken gerät. Zögerlich drehe ich meinen Oberkörper zu ihr und beobachte sie dabei, wie sie in Seelenruhe am Joint zieht und den Rauch zur Seite entkommen lässt.
Wie selbstverständlich legt sie ihre freie Hand auf meiner Schulter ab. Es ist ein komisches Gefühl, auf einmal eine körperliche Verbindung zu ihr zu haben.
Wie konnte es nur so weit kommen?
»Warum tust du das?«, platzt es aus mir heraus, bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann, ob sie meine Frage auch so interpretieren wird, wie ich sie gemeint habe.
»Ich bin ein Fan von Zuneigung. Bei den richtigen Menschen zumindest.«
»Wirklich?« Das ist das Merkwürdigste, was ich jemals gehört habe. Demon Adler, die dafür bekannt ist, grundlos aus der Haut zu fahren und genauso grundlos ein Blutbad anzurichten, will ein Fan von Zuneigung
sein.
»Klingt das so unglaubwürdig?«
»Irgendwie schon. Ich denke, du weißt, dass dein Ruf dir vorauseilt. Du wirkst eher unnahbar.«
»Wirke ich gerade unnahbar auf dich?«, haucht sie in mein Ohr und ein Schauer der angenehmen Art rieselt meinen Nacken hinab.
»Nein, du gehst sogar recht forsch vor. Du überforderst mich damit vielmehr«, räume ich wahrheitsgemäß ein.
»Wir haben schließlich nur diese eine Nacht. Und die ist schon recht weit fortgeschritten. Also gebe ich etwas Gas und verzichte auf das ewige Hin und Her.«
Sie nimmt einen weiteren Zug von dem Joint. »Möchtest du?«
Ich nicke. Ich muss mich unbedingt ein bisschen entspannen.
Keine Ahnung, wie ich darauf gekommen bin, dass sie mir den Joint aushändigt. Sie hat natürlich gemeint, ob ich wieder von ihr angepustet werden möchte.
Doch da hat sie bereits ihre Finger an meinem Kinn platziert und mein Gesicht zu sich gedreht. Sie beugt sich zu mir und haucht mir den Qualm vor den Mund.
Mir klopft das Herz bis zum Hals.
»Haben deine Eltern dir gezeigt, was Zuneigung ist?«, fragt sie leise, bevor ich mich von ihr wegdrehen kann.
»Wie kommst du darauf?« Meine Stimme wirkt im Gegensatz zu ihrer laut und rau. Abweisend.
Ich wende ihr wieder den Rücken zu und stoße den übriggebliebenen Rauch aus.
»Du sagtest, alles in deinem Leben sei arrangiert worden. Das klingt für mich danach, dass deine Eltern dich wie eine Marionette behandelt haben, aber nicht wie ihr geliebtes Kind. Wie die einzige Tochter. Es heißt doch, dass die einzige Tochter häufig vor allem von ihrem Vater verwöhnt wird.«
Ich schüttle den Kopf. »Wie gesagt, mein Vater interessiert sich nur für sich selbst. Und meine Mutter ist mit meinen drei Brüdern beschäftigt. Ich war immer nur das niedliche Püppchen, das zur Schau gestellt und letztlich an den Meistbietenden verschachert wurde.« Noch während ich spreche, schiebt Demon bedächtig mein Haar beiseite, um mit ihren Lippen meinen Nacken zu streicheln. Ich erschauere unter ihren Berührungen.
»Das tut mir leid«, murmelt sie auf meine Haut. Ich hoffe, sie meint das Verhältnis zu meinen Eltern und nicht, weil es mich wegen ihrer Zuneigung
schüttelt.
Ich entschließe mich für Ersteres: »Das ist doch nichts. Bei den meisten wohlhabenden Familien in Texas läuft es so ab.« Wenn nicht sogar in der gesamten westlichen Welt.
Außerdem tue ich ihr Mitgefühl schon allein aus dem Grund ab, weil ich gehört habe, dass die Frauen des Adler-Syndikats nicht gut behandelt wurden, solange Vaughn Adler noch nicht das Sagen hatte.
Demon wird also eine von denen sein, die zumindest während ihrer Kindheit schlimme Dinge erfahren mussten, die kein Kind erfahren sollte.
Inzwischen wandern ihre Lippen zu meiner Halsbeuge und von dort aus zu der empfindlichen Stelle unterm Ohr. Ich zucke zusammen und will sogleich ein Stück von ihr wegrücken, doch sie schlingt ihren freien Arm um meine Taille.
»Ich bin nicht zu jedem so nett wie zu dir«, murrt sie. »Falls das deine nicht ausgesprochene Frage ist.«
»Das überrascht mich nicht. Du hast dir deinen Ruf hart erarbeitet.« Ich versuche, ihren Arm von mir zu lösen, aber der wirkt nicht nur wie festgewachsen, sondern Demon drückt ihn zur Strafe auch noch fest in meinen Bauch, sodass ich überrascht nach Luft schnappe. »Schließlich habe sogar ich von dir gehört und ich wohne eine neunstündige Autofahrt von dir entfernt und fungiere absolut gar nicht in deinen Kreisen.«
Als Demon merkt, dass ich aufgegeben habe, lässt sie etwas locker. »So? In welchen Kreisen fungiere ich denn?« Ihr Mund gleitet wieder meine Halsbeuge entlang und wie, um mich zu ärgern, zwickt sie mich in besagte Stelle unter meinem Ohr.
Endlich schüttle ich sie erfolgreich ab. »Lass das!«
»Was denn?« Unbeeindruckt zieht sie mich zu sich zurück. Ihr Mund landet wieder unter meinem Ohr, doch diesmal knabbert sie an meiner Kieferlinie herum.
»Das.«
»Warum?« Sie lässt tatsächlich von mir ab und nimmt einen letzten Zug von dem Joint. »Willst du?«
Ich schüttle den Kopf und sie drückt den Stummel neben ihrem Schenkel aus, während sie den Rauch in den Himmel bläst.
Nun schlingt Demon auch den anderen Arm um mich und drückt ihre Stirn in meinen Nacken, wo sie sekundenlang verharrt und mich völlig verwirrt dasitzen lässt.
»Ist Demon
eigentlich dein richtiger Name?«, frage ich in die Stille.
»Nein.«
Ich zögere. »Verrätst du mir denn deinen richtigen Namen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Er geht dich nichts an.«
Obwohl sich ihre plötzliche Ablehnung wie eine Ohrfeige anfühlt, habe ich Verständnis für Demons Reaktion. Die Erklärung, weshalb sie ihren Vornamen geändert hat, ist wohl ziemlich privater Natur und im Grunde habe ich sie nur danach gefragt, um die angespannte Stille zwischen uns mit Worten auszufüllen.
Seit Ewigkeiten versuche ich schon, die Gesamtsituation zu analysieren, und komme auf keinen geeigneten Nenner. Das Gras tut seinen Teil natürlich dazu bei, aber am Ende komme ich immer zu dem Ergebnis, dass Demon aus irgendeinem Grund meine Nähe sucht. Auch wenn sie mich im Gegenzug nicht unbedingt an sich heranlässt.
»Ich hasse dein Shirt«, behauptet sie auf einmal, bevor ich sie fragen kann, warum sie gerade mich ausgesucht
hat.
»Wie kommst du denn jetzt darauf?«
»Weiß nicht. Zieh es aus. Hast du etwas drunter?«
»Ähm.« Mein Shirt auszuziehen ist das Letzte gewesen, was mir eingefallen wäre, aber okay. Ich trage ein spitzenbesetztes schwarzes Top darunter, wofür ich mich sicherlich nicht schämen muss. Und das Shirt ist ja schon allein wegen des Schriftzugs kacke, und zu allem Überfluss hat es einen unförmigen Schnitt.
Ohne zu zögern ziehe ich es mir über den Kopf und lasse es neben mich fallen. Dabei wüsste ich selbst gern, warum ich es tue. Muss mit dem Dope in Zusammenhang stehen, dass ich Demons Aufforderung so einfach nachkomme.
Erst jetzt registriere ich, was sie damit bezwecken wollte: Nun hat ihr Mund nicht nur wesentlich mehr bloße Nacken- und Rückenpartie zur Auswahl, obendrein habe ich einen vergleichsweise tiefen Ausschnitt.
Sie seufzt leise. »Wenn ich gewusst hätte, dass du sofort tust, was ich dir sage, wäre ich vollkommen anders vorgegangen.«
»Ganz toll, Demon. Gleich ziehe ich das Shirt wieder an.« Ich greife zur Seite, doch ihre Hand schließt sich blitzschnell um meinen Unterarm.
»Nicht.« Wir beide verharren in der Bewegung. Ich habe meinen Kopf leicht in ihre Richtung gedreht und ihre Nasenspitze berührt sacht meine Wange. »Da ist etwas. Zwischen uns. Oder?«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Ich weiß nicht.«
»Hast du immer noch Angst vor mir?«
»Ich habe vor allem Angst vor den Konsequenzen, Demon.«
»Und wenn es keine Konsequenzen gibt?«
»Die gibt es immer. Früher oder später wird das hier auf mich zurückfallen. Ich bin schon viel zu weit gegangen«, erkläre ich ihr und registriere in diesem Moment, dass ich dabei bin, ihre eine endgültige Abfuhr zu erteilen.
Sie scheint es zu merken und packt mich am Kinn. »Bist du glücklich, Evie?«
Was für eine Frage. »Das ist nicht von Belang.«
»Bist du es?« Während sie spricht, streifen ihre Lippen meine erhitzten Wangen.
»Bist du es denn?«, erkundige ich mich leicht aufgebracht.
»Nein. Ich war es nie und werde es wahrscheinlich niemals sein. Doch wenn du endlich aufhörst, dir selbst im Weg zu stehen, könnten wir dem Glücklichsein hier und jetzt zumindest ein wenig näherkommen, bevor der Alltag uns wieder einholt.«
Ich glaube, jetzt verstehe ich es. Demon braucht wohl hin und wieder die körperliche Nähe, um ... sich gut zu fühlen. Was ja vollkommen natürlich ist. Ich bin hier nur ein Mittel zum Zweck. Austauschbar. Wenn Charlotte oder Gretchen, vielleicht sogar Cora ihr in die Arme gelaufen wären, hätte sie bei ihnen unter Umständen das Gleiche versucht.
»Okay«, flüstere ich. Obwohl meine Erkenntnis mehr als ernüchternd ist, ist da nichts Schlechtes dran. Demon wird aus der Sache bestimmt keinen Egotrip basteln. Dafür bin ich zu unerfahren und zu unsicher. Eher wird es auf das Gegenteil hinauslaufen.
»Okay?«, haucht sie auf meine Wange. »Heißt das jetzt, du hörst endlich auf, dich zu sträuben?« Ihre Lippen erreichen meinen Mund. Wie in Zeitlupe drehe ich meinen Oberkörper immer mehr zu ihr. Sie umschließt mein Gesicht mit beiden Händen und haucht mir einen sanften Kuss auf.
Zögerlich erwidere ich den Kuss, weil ich ursprünglich damit gerechnet habe, dass Demon bei meinem Einverständnis ähnlich stürmisch vorgehen wird wie bei Cora vorhin.
Doch sie scheint jede Berührung unserer Lippen zu genießen. Sie seufzt bei jedem Atemzug auf meinen Mund, ihre Hände wandern meinen Hals hinunter, zu meinen Armen, die ich ihr wie automatisiert um den Hals lege. Zur selben Zeit intensiviert sich ihr Kuss ein wenig, sie beißt mir sacht in die Unterlippe und lässt ihre Zungenspitze für einen kurzen Moment in meinen Mund gleiten.
Ihre Hände streichen über meine Seiten, erreichen den Bund des Oberteils und schlüpfen darunter. Zögerlich umfasst Demon meine nackten Flanken, so, als wäre sie sich nicht sicher, ob ich unter ihrem Griff zu Staub zerfalle.
Erneut fährt ihre Zunge in meinen Mund und ich quittiere es mit einem leisen Keuchen.
Und dann lasse ich nur noch meine Instinkte arbeiten: Eine Hand lege ich an Demons Hals, während die andere über ihr Haar streicht. Ich lehne mich zu ihr, lasse den Kuss nun von meiner Seite aus stürmischer werden und schiebe meine Zunge zwischen ihre Lippen.
Demon steigt darauf ein, gibt einen stöhnenden Laut von sich und drängt mich mit einem Mal zurück, als ich mich vor ihr aufrichte und ihr Hemd aufknöpfen möchte.
Mit einem leisen Seufzen löst sie sich von mir und schiebt eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. »Dreh dich wieder um.«
Perplex knie ich vor ihren gespreizten Beinen. Eigentlich hatte Demon mich so weit. Ich war bereit, alles zu tun, um sie zufriedenzustellen. Doch ich scheine sie falsch eingeschätzt zu haben.
»Ähm. Okay.« Mit einem verwirrten Blinzeln drehe ich ihr den Rücken zu und lehne mich an sie.
»Warum so hastig?«, flüstert sie in mein Ohr. »Vergiss nicht, dass mir die Rolle der Verführerin zusteht.«
»Ach so!« Ich kichere erleichtert, woraufhin Demon meinen Nacken küsst. »Ich dachte schon, ich habe etwas falsch gemacht.«
»Nein, hast du nicht.« Ich spüre, wie sie ihren Mund zu einem Lächeln verzieht. »Zeig mir deinen Ring.«
Bevor ich reagieren kann, hebt sie selbst meine Hand an und betrachtet den glitzernden Klunker. Dann nimmt sie meine Finger an ihre Lippen und küsst sie sanft, beginnt an ihnen zu knabbern und zu lecken und hat auf einmal den Ring zwischen ihren Zähnen und zieht ihn mir vom Finger.
Ich bin so baff, dass ich ihr einfach nur mit offenstehendem Mund zuschaue. »Wie ...?« Im nächsten Atemzug erwache ich aus meiner Erstarrung; ich richte mich auf und strecke ihr auffordernd die Hand entgegen. »Was soll das, Demon? Gib ihn mir zurück.«
Sie hat den Ring zwischen ihre Schneidezähne geklemmt und grinst mich an. Dann schließt sie ihre Lippen und schluckt.
»Was ...?« Ich starre sie an. »Du hast doch nicht ... hast du gerade meinen Verlobungsring verschluckt, Demon?!
«
»Und wenn?« Sie grinst noch breiter.
»Das kann doch nicht wahr sein! Ich kann nicht glauben, dass ... Wieso tust du so etwas?« Ich merke, dass ich meine Hand noch immer nach meinem Ring ausstrecke und lasse sie langsam sinken.
»Du liebst deinen Verlobten nicht. Wieso solltest du ihn dann heiraten?«, antwortet sie mit einem Schulterzucken.
»Sag mal, tickst du noch richtig?
« Ich bin völlig außer mir und habe offensichtlich vollkommen vergessen, wen ich vor mir habe. »Du kannst doch nicht einfach meinen Verlobungsring verschlucken!«
Demons Miene verdüstert sich zwar zusehends, aber sie scheint mich nicht zurechtweisen zu wollen. »Wieso? Willst du ihn zu Geld machen?«, erkundigt sie sich stattdessen.
In diesem Moment spuckt sie den Ring in ihre Hand. Sie schaut fragend auf.
»Nein?!«
»Dann behalte ich ihn.«
»Was ...?« Kopfschüttelnd raufe ich mir die Haare. »Ich steige da nicht durch, Demon. Was ist los mit dir?«
»Wenn du meine Freundin wärst, würde ich niemandem erlauben, dich zu berühren, Evie. Das ist los.« Verärgert stiert sie mich an, streift währenddessen den Ring auf ihren Finger und steht auf. »Hol ihn dir morgen Nachmittag hier ab.«
Verdattert schaue ich ihr hinterher, als sie mir den Rücken zuwendet und zwischen den Jacken verschwindet. »Was habe ich dir denn getan?«
Sie bleibt stehen und funkelt mich über die Schulter hinweg an. »Erkläre ich dir morgen.«