VI
»Gibt es mehrere von diesen Apartments über dem Club?« Ich schaue mich in dem Wohnraum um, der gerade einmal Platz für eine kleine Küchenzeile, Couch und Fernseher bietet. Zwei Türen sind in eine der Wände eingelassen. Wahrscheinlich Badezimmer und Schlafzimmer.
»Apartment? Du bist witzig. Das ist ... ein Schrank.«
»Und dann wohnst du hier? Wieso tust du es, wenn du es nicht magst?«
Demon schnaubt. »Ich habe nicht gesagt, dass ich hier wohne.«
»Ja, weil du nicht auf meine Frage geantwortet hast. Entschuldige, dass ich meine eigenen Schlüsse gezogen habe.«
»Ich werde genötigt, einen Großteil meiner Zeit im El Paso
zu verbringen. Weil die meisten Geschäfte von hier aus erledigt werden und weil Ramirez eine Art emotionale Bindung zu diesem Schuppen hat. Vaughn kann ihr keinen Wunsch abschlagen und deswegen bin ich dazu verdammt, in einem Schrank zu wohnen
.«
Nochmals schaue ich mich um. Demon scheint sich hier wirklich nicht wohlzufühlen, denn ich kann keinerlei persönliche Gegenstände ausfindig machen.
»Wohnst du immer in diesem Schrank
oder wechselt das?«, frage ich, um meine Theorie zu untermauern.
»Immer dasselbe scheiß Zimmer mit derselben beschissenen Aussicht«, seufzt sie erschöpft und lässt sich auf die Couch fallen.
Neugierig gehe ich zu einem der quadratischen Fenster, die in Kopfhöhe angebracht sind, und schaue hinaus. Von hier aus hat man die beste Sicht auf die Straße. Spontan würde ich sagen, dass sich Demons Schrank
ungefähr in Höhe des Clubeingangs befindet, schon allein weil ein Teil der Neonbuchstaben, die das El Paso
beschildern, mir teilweise die Sicht versperren.
»Es ist perfekt.«
»Was? Hast du meine Bude gerade als perfekt
bezeichnet?« Wenigstens nennt sie es ihre Bude
. Das bedeutet, dass sie der Wohnung nicht ganz so negativ gegenübersteht, wie sie vorgibt.
»Du musst es dir nur ein bisschen gemütlicher einrichten. Ich wette, dann fühlst du dich auch schon wesentlich wohler.« Ich seufze und zucke mit den Schultern. »Ich wohne in einem riesigen Penthouse und fühle mich einfach nur verloren in diesem sterilen ... Kasten. Ich wäre froh, wenn das Scheißding nur ein Bruchteil seiner Größe hätte. Wir können gerne tauschen.«
Während ich rede, kehre ich zu der Couch zurück und bleibe etwa einen halben Meter neben Demon stehen.
Sie greift nach meiner Hand und zieht mich zu sich. »Ich hasse es hier, weil ich mich auf der falschen Seite von New Juarez befinde. Das hier ist Ramirez-Terrain. Ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, dass der Ramirez-Clan mein größter Erzfeind ist. Ich kann die Antipathien nicht so einfach abstellen.«
Sie rutscht bis zur Sitzkante vor und schaut zu mir hinauf. Ich stehe direkt vor ihr und ich ahne, dass sie schon wieder irgendetwas im Schilde führt.
»Dann geht’s dir ja wie mir.«
Perplex zieht Demon die Stirn kraus. »Wie meinst du das?«
»Ich bin mit der Überzeugung aufgewachsen, dass es absolut falsch ist, wenn zwei Frauen miteinander intim werden. Nicht nur das. In meinem Kopf sind Frauen weniger wert als Männer. Ich habe nicht dieselben Rechte wie ein Mann. Es ist okay, dass Barry mir untreu ist, weil er ein Mann ist und die Abwechslung braucht. Ich darf meine Beine allerdings nur für ihn spreizen.«
Demon legt den Kopf schief und lächelt. »Was hältst du davon, wenn ich dich vom Gegenteil überzeuge?«
Ihre Hand landet an der Knopfleiste meines Einteilers. Knopf für Knopf öffnet sie ihn, bis mein violetter Spitzen-BH vollständig freigelegt ist.
»Lila? Der letzte Versuch, also?« Ihr Lächeln hat sich zu einem verruchten Grinsen gewandelt.
»Nein, ich mag die Farbe einfach.«
Teilnahmslos lasse ich es über mich ergehen, wie Demon die Knöpfe einem nach dem anderen löst, bis sie den letzten Knopf in Höhe meines Schritts geöffnet hat.
Nur meine Brust hebt und senkt sich immer heftiger.
Nein, ich bin nicht teilnahmslos. Ich bewege mich nicht und atme einfach, weil ich möchte, dass Demon genau das tut. Ich will, dass sie mich verführt.
»Ich mag deinen Slip«, haucht sie und lehnt sich vor, umfasst mit beiden Händen meine Pobacken und küsst meinen nackten Bauch.
»Weil er lila ist?« Meine Frage ist eigentlich nur ein kratziges Keuchen.
»Nein, weil er fast durchsichtig ist.« Ihre Lippen wandern tiefer, bis sie den Spitzenstoff über meinem Venushügel erreichen.
Demon schaut auf und ihre dunklen Augen durchbohren mich. »Ich will dich spüren, Evie.«
Einen Atemzug voller sich überschlagender Herzklopfen lang erwidere ich ihren Blick, aber dann schüttle ich wie in Zeitlupe den Kopf. »Ich kann nicht, Demon. Gib mir bitte meinen Ring. Ich möchte gehen.«
Ruckartig springt sie auf und legt ihre Hand an meinen Hals. Sie umschließt meine Kehle, als würde sie mir gleich die Luft abdrücken wollen, doch sie tut nichts dergleichen. Sie sieht mich einfach nur an. Ihre Augen huschen über mein Gesicht, als wollte sie sich mein Aussehen genau einprägen.
»Hast du inzwischen eine Theorie, weshalb ich dir den Ring weggenommen habe?«
Ich schüttle erstaunt den Kopf. Darüber habe ich mir in den vergangenen Minuten eigentlich keine Gedanken mehr gemacht.
»Weil ich dich wiedersehen wollte.«
»Weil du wusstest, dass ich ihn mir definitiv zurückhole?«
»Na ja. Ich habe es mir zumindest erhofft.« Ihre Hand wandert zu meinem Nacken und zieht meinen Kopf zu Demons Gesicht. »Wenn ich dir den Ring jetzt zurückgebe ... sehen wir uns dann trotzdem eines Tages wieder?«
»Ich weiß nicht.«
»Okay.« Sie nimmt etwas Abstand zu mir. »Ich meine: Willst du mich überhaupt wiedersehen? Was, wenn ich dich vergangene Nacht gefragt hätte, ob wir uns heute treffen können, hättest du dann ja gesagt?«
Beklommen beiße ich mir auf die Unterlippe. »Du kennst die Antwort.«
»Siehst du. Deswegen habe ich dir den Ring weggenommen.« Sie küsst mich sacht auf den Mund. »Und wenn ich dich jetzt frage, ob du mich wiedersehen willst; unabhängig von dem, was dein Verstand und deine Erziehung dir einbläuen wollen – was sagst du mir dann?«
»Du kennst die Antwort, Demon.«
»Ja, ich denke schon.«