XVI
»Na, wie gefällt dir der Gedanke, bald nicht mehr unter den Lebenden zu weilen, Darling?«, zischt Barry mir ins Ohr, lässt seine Hände an mir hinuntergleiten und schiebt sie mitsamt dem ausgeklappten Messer unter den weiten Bund der Jogginghose.
»Fick dich!« Um ihn wenigstens für ein paar Sekunden außer Gefecht zu setzen, versuche ich, ihm zwischen die Beine zu treten, doch er weicht mir geschickt aus.
»Dein nächster Fehler, Darling. Die Liste wird immer länger«, knurrt er und leckt mit der Zunge über meine noch unverletzte Wange, während seine Hände sich unter meinen Slip graben und zu meinem Hintern wandern. »Ah, wie ich sehe, hast du der Spitzenunterwäsche abgeschworen.« Er kneift mir mit allen zehn Fingern in die Arschbacken, das Messer noch immer in der Hand, und es fühlt sich so an, als würde die Klinge auch hier in mein Fleisch schneiden. »Das werde ich dir als Erstes wieder angewöhnen, wenn wir zurück in Austin sind.«
»Du scheinst dich ja immer noch nicht entschieden zu haben, was du mit mir vorhast.« Während ich nachdrücklich versuche, mich aus seinem Griff zu winden, lache ich ihm spöttisch ins Gesicht. »Willst du mich jetzt umbringen, verkaufen oder an meinen Haaren zurück nach Austin schleifen?«
»Kommt ganz darauf an, Darling. Kommt ganz darauf an.«
Plötzlich spüre ich seine Zunge an meinem Ohrläppchen – und das bringt das Fass endgültig zum Überlaufen. »Ich sagte: Fick dich!«, fauche ich und ramme ihm, ohne nachzudenken, mit aller Kraft den Schädel in die Schläfe.
Mit einem lauten Ächzen weicht Barry vor mir zurück, lässt das Messer fallen und hält sich den Kopf.
Dummerweise bin ich ebenfalls ziemlich benommen. Mein Schädel dröhnt und mir ist schwindelig. Ich glaube, wenn der Stiernacken mich nicht nach wie vor an den Oberarmen halten würde, wäre ich wahrscheinlich zusammengesackt.
Doch mein Kampfwille ist ungebrochen und ich versuche erneut, den Schläger abzuschütteln, aber es ist zwecklos.
»Lass mich gehen, Barry! Demon kannte schon, bevor du hier aufgetaucht bist, zig Gründe, um dich fertigzumachen. Jetzt wird sie Unvorstellbares mit dir anstellen – und wer weiß, was ihr vorschwebt, wenn du mir noch mehr antust?! Vaughn Adler wird sie nicht aufhalten. Nein. Allein, weil deine Leute seine Frau angefasst haben, wird er dasselbe mit dir anstellen wollen. Von Blairs Vater ganz zu schweigen!«
Mit einem geringschätzigen Lachen macht Barry einen schwankenden Schritt auf mich zu. Er bückt sich und hebt das Messer auf, das nur wenige Zentimeter vor meinen Füßen gelegen hat – und dennoch so unerreichbar für mich. Ich will nach ihm zu treten, doch er bringt sich mit einem ungelenken Sprung in Sicherheit.
»Weiß du was, Darling? Es ist mir egal, welche Rachefantasien deiner kleinen Demon
vorschweben. Sie wird mich nicht kriegen, weil Adlers dämliches Familienunternehmen nämlich dem Untergang geweiht ist.« Wieder hält er mir das Messer vors Gesicht. »Ach, ich würde dir so gerne eines deiner hübschen Augen ausstechen ... ein Ohr abschneiden ... oder dich skalpieren ... Hach! Das würde sich so unvorstellbar gut anfühlen!« Er lässt die flache Klinge über meine Stirn gleiten. »Aber du glaubst gar nicht, wie viel Geld mir schon für dich geboten wurde. Und die Leute wollen dich natürlich weitestgehend unverletzt, weil sie ihren eigenen Spaß mit dir haben möchten.« Er lacht, packt eine dicke Strähne meines Haars und trennt sie mit einer schnellen Bewegung des Messers ab. »Hui, die Klinge ist wirklich scharf, nicht wahr?« Mit einer angewiderten Grimasse lässt er die Haare auf den Boden rieseln.
»Wusstest du, dass es Menschen gibt, die sich total daran aufgeilen, ihren Sexpartnern die Gliedmaßen zu amputieren? Sie stehen auf den Anblick, aber auch darauf, dass ihre Partner ihnen vollkommen ausgeliefert und auf ihre Hilfe angewiesen sind.« Er nimmt meine Hand und betrachtet eingehend meine Finger. »Das wäre doch etwas für dich, Darling.«
Ich spucke ihm ins Gesicht. »Du bist widerwärtig, Barry.«
Er zuckt zurück und starrt mich an, während er bedrohlich langsam meinen blutigen Speichel wegwischt. »Jetzt reicht es«, mault er und schaut zu dem Typen, der mich festhält. »Bring sie in den Kühlraum. Zieh ihr die furchtbare Jogginghose aus und auch ...« Er reibt sich nachdenklich das Kinn und schaut mir dabei voll auf den Schritt. »Ja, auch das Höschen. Ich denke, sobald die gute Blair Ramirez aufgewacht ist, werde ich ihr zeigen, wie ein Mann seine Verlobte zu ficken hat, wenn sie mehr als eine Bestrafung verdient. Ich wette, davon kann Adler sich noch eine Scheibe abschneiden.« Er grinst und wackelt mit dem Messer vor meiner Nase. »So lange werde ich etwas ... suchen gehen. Mir schwebt nämlich etwas vor, wie ich dir die Schmerzen ein wenig versüßen kann, Darling.« Er tritt beiseite und der Schläger hebt mich von den Füßen.
»Das wagst du nicht!«, schreie ich Barry an und beginne verzweifelt zu zappeln, weil ich das Gefühl habe, langsam wirklich die Kontrolle über mein Schicksal zu verlieren.
Solange wir uns noch im Club befinden, habe ich die Hoffnung, irgendwie entwischen zu können – wie auch immer. Aber sobald ich in den Kühlraum gesperrt werde ... das fühlt sich an, als würde damit mein Schicksal besiegelt werden.
»Ach, Darling!«, ruft Barry mir hinterher. »Mach dir keinen Kopf. Du warst es, die mir gezeigt hat, dass man um das kämpfen muss, was man liebt. Von daher wage ich so einiges, um dich auf den richtigen Weg zurückzubringen.«
Ich winde mich in den Armen des Stiernackens, doch der bringt mich mit stoischer Miene und mit jedem Schritt weiter in Richtung Staff Only
-Tür.
»Wenn du mich lieben
würdest, Barry, würdest du mir das hier nicht antun!«
»Ach, wer redet den von dir? Nein, du bist lediglich mein Eigentum, Darling«, höre ich ihn hinter mir lachen. »Ich rede von meinem guten Ruf. Meine Macht. Mein Prestige.«
Die Tür fällt hinter mir und dem Typen ins Schloss. Er tritt zu der Kühlraumtür, vor der einer der anderen Stiernacken Wache hält und nickt ihm zu. Der betätigt den Hebel und wir betreten -18 Grad. Das spärliche Licht einer nackten Glühbirne, das von draußen hineinscheint, fällt auf eine noch immer bewusstlose Blair, die an Händen und Füßen gefesselt, mitten auf dem Boden ausgebreitet liegt.
Der Stiernacken lässt mich neben sie fallen. »Blair! Blair, kannst du mich hören? Wach auf!«
Ich will mit meinen gefesselten Händen an ihrem Arm rütteln, doch augenblicklich packt mich der Schläger an den Fußknöcheln und zieht mich mit einem Ruck von Blair weg. Er greift von hinten nach meinen Hosenbund und schiebt ihn mir über den Hintern.
»Was? Nein!« Ich rolle mich herum und trete nach den Händen des Schlägers, doch der lehnt sich nur zurück und wartet mit einem überheblichen Schmunzeln darauf, dass ich damit aufhöre, zu versuchen ihn zu treffen, was ich letzten Endes auch aufgebe, da es mich nur unnötige Kraft kostet.
Hektisch richte ich mich auf und setze mich mit angewinkelten Beinen hin. »Rühren Sie mich nicht an, sonst ...«
»Sonst was, Darling?« Barry erscheint stolz wie ein Gockel in meinem Blickfeld. »Ach, wieso hat sie denn noch das Höschen an?« Mit einer hochgezogenen Augenbraue blinzelt er den Stiernacken fragend an, doch der funkelt nur zurück, steht auf und geht einfach.
Barry sieht ihm hinterher und zuckt schließlich mit den Achseln. Dabei hat er die ganze Zeit einen gelben ... Ball in der Hand.
Er wirbelt wieder zu mir herum und strahlt mich an. »Schau mal, was ich hinter einer der Theken gefunden habe!« Er hält mir den Ball vor die Nase, der sich als Zitrone entpuppt. »Das ist großartig!«
Irritiert runzle ich die Stirn. »Was willst du denn jetzt mit einer Zitrone, Barry?«
Er strahlt noch immer und hockt sich vor mich hin. »Ach, Darling.«
»Ich heiße Evie.«
»Darling, kennst du denn die Floskel nicht? Wenn das Leben dir Zitronen gibt ...
«
»Frag nach Salz und Tequila? Nein, danke. Ist mir gerade nicht nach.« Ich versuche, von ihm wegzurücken, aber in diesem Moment steht Barry ohnehin auf und lässt das immer noch blutige Messer durch das Fruchtfleisch gleiten.
»Salz wäre auch nicht schlecht, aber ich denke, Zitronensäure ist besser«, murmelt er. »Das wollte ich schon immer mal ausprobieren!« Er lacht wieder und lässt eine Zitronenhälfte einfach auf den Boden fallen.
Mir schwant Übles, aber langsam weiß ich nicht mehr wohin mit mir. Ich rutsche ein paar Zentimeter zurück, doch als ich gegen ein Metallregal stoße, bleibe ich wie zu Eis erstarrt sitzen und schaue zu Barry hinauf, der die übriggebliebene Zitronenhälfte seelenruhig in Scheiben schneidet und mir Schritt für Schritt näherkommt.
Letztlich steht er genau über mir, klappt das Messer mit einer Hand ein und steckt es weg. Dann beugt er sich zu mir, packt mich an den Haaren und reißt meinen Kopf in den Nacken.
»Wollen wir doch mal sehen, ob es so brennt, wie ich es mir vorstelle ...« Er drückt eine der Zitronenscheiben über meiner zerschnittenen Wange zusammen und lässt die Säure in die Wunden träufeln.
»Aaah! Fuck!« Sofort presse ich die Augen zusammen und versuche mich automatisch aus seinem Griff zu befreien, doch Barry grapscht noch fester in meinen Schopf und auf einmal spüre ich seinen süßlichen Atem in meinem Gesicht: »Ein
weiteres Wort und ich streue Salz hinterher. Das wird nämlich erst recht für Narbenbildung sorgen, Darling.«
Erneut landet Zitronensaft auf meiner Wange. Diesmal brennt es noch stärker, weil die sich schließenden Wunden durch die Säure wieder aufbrechen und so noch mehr Säure an das freiliegende Wundfleisch gelangt.
Ich kann nicht anders. Schreiend und schimpfend versuche ich Barry von mir abzuschütteln – aber wie soll ich das schaffen, wenn meine Hände gefesselt sind und er meinen Kopf fest im Griff hat!
Ohne Überleitung trifft mich eine schallende Ohrfeige und mein gesamter Leib fliegt haltlos zur Seite. Ein stechender Schmerz macht sich in meiner rechten Schulter bemerkbar und ich bleibe einfach liegen. Flüssigkeit rinnt über meine Wange in Richtung meines Ohrs und einen grotesken Moment lang frage ich mich, ob es Tränen sind, der Zitronensaft oder frisches Blut.
Ich bleibe liegen und nichts passiert. Bis ich Barrys Stimme höre, die nach Salz verlangt.
Plötzlich ist er über mir, packt mich wieder am Schopf und zerrt mich in eine sitzende Position, spreizt meine Beine und gibt einen begierigen Laut von sich: »Ach, wie witzig. Zitronen auf schwarzem Untergrund. Vielleicht hat dein Unterbewusstsein ja heute Morgen, als du dich für dieses Höschen entschieden hast, schon geahnt, dass du es mit ihnen zu tun bekommen wirst. Was meinst du? Glaubst du an Schicksal, Darling?«
Ich öffne die Augen nicht und antworte ihm nicht mehr. Ich drehe den Kopf weg und habe mich dazu entschlossen, alles nur noch schweigend hinzunehmen. Vielleicht verliert Barry das Interesse an mir, wenn ich mich teilnahmslos gebe.
»Hmm, hast du etwa deinen Kampfgeist verloren, Darling?«
Ich antworte nicht. Ich gebe vor, als würde ich ihn nicht hören. Stelle mir vor, ich liege im Bett und träume das alles nur.
Ein scharfes Brennen an der Innenseite meines linken Oberschenkels lässt mich zischend nach Luft schnappen und meine Augen aufreißen. »Was ...?!«
Barry hockt zwischen meinen gespreizten Beinen und grinst mich an. »Habe ich jetzt wieder deine Aufmerksamkeit?«
Einen Atemzug lang starre ich ihn wie betäubt an, nur um daraufhin den Blick auf meinen Oberschenkel sinken zu lassen: Der Schnitt ist lang und tief. Mein Blut sickert im Takt meines hämmernden Herzens aus der Wunde und läuft an meinem Schenkel hinunter, bis zum Boden.
»Hups. War wohl ein bisschen doll, he? Ich fürchte, jetzt habe ich dich doch umgebracht, Darling.« Er dreht den Kopf in Richtung der offenstehenden Kühlraumtür. »Wo bleibt nur das Salz?« Mit einem entnervten Stöhnen steht er auf und macht ein paar Schritte zur Tür.
Ich schaue ihm hinterher. Tränen rinnen mir nun tatsächlich über die Wangen, aber einfach nur aus dem Grund, weil ich es nicht fassen kann, dass Barrys beschissene Visage das Letzte sein soll, was ich in meinem Leben zu sehen bekomme.
Auf halber Strecke dreht er sich zu mir um und grinst mich noch einmal siegesgewiss an. Sein Blick schweift über mich und über die kleine Blutlache, die sich inzwischen zu meinen Schenkeln gebildet hat. »Ach Darling. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du ...« Er kommt nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden, weil in dieser Sekunde eine düstere Gestalt aus den Schatten hinter der Kühlraumtür tritt, mit einer Waffe auf seinen Hinterkopf zielt und abdrückt.
Der Schuss, der durch einen Schalldämpfer abgemildert wird, hallt grotesk leise im Kühlraum wider.
Einen kurzen Moment lang sind Barrys Augen weiterhin auf mich gerichtet und sein Mund ist geöffnet, als würde er überlegen, was er mir noch zu sagen hat. Doch dann geben seine Beine unter ihm nach und er sackt wie eine Marionette, deren Fäden man abgetrennt hat, in sich zusammen und landet mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden.
»Nein, Evie! Nein, nein, nein! Fuck!«
Völlig benommen betrachte ich Barrys entseelte Hülle. Eben noch hat er sich und seine Genialität gefeiert und dann ist einfach sämtliches Leben aus ihm gewichen. Und der einzige Gedanke, der mich beherrscht, ist, dass er diesen schnellen, wahrscheinlich fast schmerzfreien Tod nicht verdient hat.
Und dann ist da auf einmal diese düstere Gestalt, die mit hastigen Schritten auf mich zugeeilt kommt, vor mir niederkniet und mein blutverschmiertes Gesicht in beide Hände nimmt. »Evie! Verdammt!« Sie zieht ein Messer aus ihrer Tasche, beugt sich über mich und zertrennt mit einem Ruck den Kabelbinder an meinen Handgelenken.
»Ich hab ihm doch versprochen, dass du ihn leiden lässt«, flüstere ich.
»Scheiße, das ist doch jetzt kackegal!«, schimpft sie und zieht mich fest in ihre Arme. »Was hat er dir nur angetan?!«
Zwei weitere Gestalten erscheinen hinter Demon, von denen die erste laut fluchend zu Blair eilt und nach Adler brüllt.
»Sie braucht einen Arzt, Demon«, höre ich Chase’ Stimme über mir. »Die Wunden an den Wangen sehen verdammt beschissen aus und die am Oberschenkel muss dringend versorgt werden. Wenn er die Oberschenkelvene erwischt hat, wird sie uns womöglich in den nächsten Minuten verbluten.«
Demon presst mich noch fester an sich.
»Demon. Lass sie mich hier raustragen.«
Endlich löst sie sich von mir. Ich lächle sie an und streiche mit dem Handrücken über ihre Wange. »Da bist du ja.«