Max zwang sich, tief Luft zu holen und klar zu denken. »Moment mal. Der Computer muss meine IPP-Dingsbums kennen, denn er hat mich doch gefunden und hierhergebracht …«
»Da ist was dran«, sagte Gizmo. Er und die anderen sahen Max mit neuem Respekt an. Niemandem von ihnen war es jemals gelungen, den Computer bei einem Fehler zu ertappen.
»Streng genommen stimmt das«, sagte der Computer frech. »Aber ich muss die Adresse erst in meinem Speicher finden.« Piep. Summ. Piep. »Ich muss ihn ganz durchsuchen.« Summ. Piep. »Wird nicht allzu lange dauern.«
»Wie lange?«, fragte Max.
Das Problem mit einem 215 Megatronbyte großen Boogleplex-Speicher besteht darin, dass es recht lange dauern kann, in allen seinen Ecken und Winkeln zu suchen.
»Vier Jahre, zwei Monate und siebenundfünfzig Tage«, antwortete der Computer. »Aber nur, wenn ihr mich nicht ablenkt.«
»Vier Jahre!«, entfuhr es Max, ohne dass er sich mit Details wie zwei weiteren Monaten und siebenundfünfzig Tagen aufhielt. Er bemerkte nicht einmal, dass der Monat mehr Tage zu enthalten schien, als er gewohnt war.
(Euch ist es natürlich aufgefallen, stimmt’s? Vielleicht habt ihr es sogar am Anfang bemerkt, als ich das Datum erwähnte: Mondstag, den 116. Oort. Die Galaxie 43b hat ein sehr einfaches Kalendersystem. Das Jahr besteht aus 360 Tagen. Jedes Jahr ist in drei Monate aus jeweils 120 Tagen unterteilt und die Monate bestehen aus drei Wochen zu je 40 Tagen. Es ist ein großartiges System, allerdings mit dem Nachteil, dass man ziemlich lange aufs Wochenende warten muss. Doch Max muss vier Jahre, zwei Monate und siebenundfünfzig Tage warten …)
»Aber was ist mit meiner Familie?«, rief er.
»Oh, da mach dir keine Sorgen«, sagte Krawall. »Sie wird dich überhaupt nicht vermissen.«
»Doch, das wird sie!«, erwiderte Max mit einer Mischung aus Trauer und Zorn.
Seine Mutter hatte ja schon geweint, als er für vier Tage ins Fußball-Trainingscamp gefahren war. Er glaubte, dass sie noch viel mehr weinen würde, wenn er über vier Jahre im Universum unterwegs war, ohne zu Hause anzurufen.
»Nein, du verstehst nicht«, sagte Krawall. »Wir können dich zu genau dem Moment in Zeit und Raum zurückschicken, in dem wir dich geholt haben.«
»Soll das heißen, ihr könnt in der Zeit zurückreisen?«
»Spritzende Kotze!«, rief Krawall. »Natürlich können wir das. Wenn man schneller ist als das Licht, kann man in der Zeit zurückreisen. Bringt man euch dort, wo du herkommst, denn überhaupt nichts bei? Meine Güte!« Er rollte die türkisfarbenen Augen und rückte seinen Overall zurecht.
»Woher kommst du überhaupt?«, fragte Yargal.
»Von der Erde«, sagte Max.
»Tut mir leid, nie gehört«, sagte Yargal.
Max sah die anderen an, aber sie alle zuckten die Schultern. Ihnen erging es wie Yargal: Sie kannten keinen Planeten namens Erde.
»Computer!«, sagte Max. »Bitte such nach dem Planeten Erde.«
»Erde?«, wiederholte der Computer. Er piepte und summte einige Male; die Kontrolllampen blinkten erneut. Schließlich sagte er:
»Nun, ich kann
(Könnt ihr euch vorstellen, wie beunruhigend es ist herauszufinden, dass der eigene Heimatplanet vielleicht gar nicht existiert? Na ja, vielleicht findet ihr das gar nicht so beunruhigend, denn ihr seid ja auch von der Erde, und deshalb existiert ihr ebenso wenig wie sie, oder?)
Doch Max hatte keine Zeit, sich darüber Sorgen zu machen. Lexie streckte ihm erneut das Tablet entgegen.
»Wenn wir dich an Bord der Großen Dreckschleuder behalten müssen, solltest du dich wenigstens nützlich machen«, sagte sie.
»Ja«, fügte Gizmo motzig hinzu. »Wir sind kein Sternenkreuzer. Wir befördern keine Passagiere.«
»Wir sind ein Müllraumschiff«, erklärte Krawall.
»Hab noch nie von solchen Raumschiffen gehört. Also existiert ihr wahrscheinlich gar nicht«, erwiderte Max frech.
Der Erste Mülloffizier drehte sich langsam zu Max um. In seeinem violetten Gesicht wölbte sich eeine bunte Augenbraue. »Wir sind für das Einsammeln des Mülls in der ganzen Galaxie 43b verantwortlich!«, sagte er wichtigtuerisch.
»Ja, wir sind Müllmänner!«, sagte Lexie. Krawall warf ihr einen bösen Blick zu.
»Äh … Müllmänner?«, fragte Max. »Aber du bist ein Mädchen und die anderen sind keine…« Er sprach nicht weiter, denn Lexie starrte ihn an, und in ihren türkisfarbenen Augen glitzerte es gefährlich. Max kannte diesen Blick. Die Mädchen in seiner Klasse benutzten ihn, wenn einer der Jungen dumm genug war, sie zu kritisieren.
Lexie hob eine schneeweiße Braue. »Wie würdest du uns denn nennen?«, fragte sie kühl.
Max versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, das sie nicht beleidigte.
»Äh … Müll-Bedienstete?«
»Bedienstete?«, wiederholte Gizmo entrüstet. »Wir sind doch keine Roboter oder Droiden.«
»Und wir sind kein Müll!«, schnaubte Krawall.
»Du schon!« Lexie lachte. »Du bist Mülloffizier!«
Krawall schnitt eine finstere Miene.
Max’ Gedanken rasten. Wenn er nicht aufpasste, brachte er die ganze Besatzung gegen sich auf.
»Müll… äh …« Er unterbrach sich. Er hatte »Müllleute« sagen wollen, doch dann war ihm eingefallen, dass diese Leute eigentlich… keine richtigen Leute waren.
»Müll… äh … Aliens?«
»Aliens?«, japste Yargal und wackelte zutiefst beleidigt mit ihren Tentakeln.
»Na schön, wie wär’s mit ›Müllwesen‹?«
»Lieber Himmel, wir sind doch keine scheußlichen Müllmaden!«, rief Lexie. »Auch keine abscheulichen Abfallwürmer oder fiesen Dreckkäfer oder ekelhaften Schmutzkriecher oder irgendwelche anderen grässlichen Viecher. Lass uns bei ›Müllmännern‹ bleiben, wenn es dir recht ist.«
»Ja«, sagte Krawall voller Stolz und überraschte Max damit. »Wir sind hochqualifizierte, bestens ausgerüstete Müll-Profis. Die Große Dreckschleuder mag ein bisschen mitgenommen erscheinen, aber unsere Müllmaschinen sind erstklassig. Wir haben einen Nebel 30X-1. Sieh nur!«
Durchs verschmierte große Sichtfenster konnte Max (undeutlich) ein großes Drahtnetz erkennen, das sich vor dem Schiff ausbreitete und durch den Weltraum strich.
»Das ist ein megastarkes meteoritensicheres Geflecht«, sagte Gizmo und trat zu ihm.
»Für mich sieht es einfach nur wie ein Netz aus«, sagte Max.
Lexie lachte.
»Na ja, soweit es das Aussehen betrifft«, sagte Gizmo. Er sah Lexie an und rümpfte die Nase.
Krawall deutete auf einige Tasten. »Die«, verkündete er, »sind für die Steuerung des Megatron-16XL-Magno-Arms. Er kann große Metallbrocken zum Schiff ziehen.«
»Also eine Art Magnet«, sagte Max.
»Äh … in gewisser Weise, ja. Aber der Magno-Strahl ist, äh, sehr mächtig«, sagte Gizmo matt.
»Und dies…«, Krawall schob sich die Ärmel seines Overalls hoch und ergriff einen großen Hebel, »… ist die Ultrawelle-3.2-Vakuumpumpe!«
Max beobachtete, wie sich ein riesiger Schlauch von der Großen Dreckschleuder löste und wild vor dem Schiff baumelte.
»Wir sind das einzige Müllraumschiff in der Galaxie 43 b, das damit ausgerüstet ist«, betonte Gizmo.
»Ja, aber wir sind auch das einzige Müllschiff in der Galaxie 43 b!«, prustete Lexie.
Gizmo achtete nicht auf sie. »Die Vakuumpumpe hat drei Einstellungen«, sagte er. »Nova-Düse, Supernova-Düse und Supernova-Düse plus.«
»Wow«, erwiderte Max höflich.
»Jedenfalls …«, warf Lexie ein, »wenn du nichts tun kannst, zum Beispiel … den Antrieb reparieren, in der Krankenstation Leben retten, das Schiff steuern oder die Toiletten reinigen …« Sie hielt Max das Tablet hin.
»Na schön«, sagte Max und strich sich mit einer kurzen Bewegung das Haar aus dem Gesicht. »Ich bin bereit, der Käpt’n zu sein – aber nur, bis ihr mich nach Hause bringen könnt. Und ihr müsst mir versprechen, dass ihr es versucht.«
»Versprochen«, sagte Gizmo.
»Ja, kann ich mir denken, dass du das versprichst«, brummte Krawall. Gizmo durchbohrte ihn mit einem Blick.
Max unterschrieb den Vertrag und überflog ihn dabei.
»He, Moment mal … was bedeutet das mit der Gefahrenzulage?«, fragte er.
Krawall wollte gerade antworten, als…
KABUMM!
Eine Explosion donnerte tief im Bauch der Großen Dreckschleuder und alle Lichter gingen aus.