Max seufzte. Jeder Vorschlag brachte jemanden in Gefahr. Es war eine Sache, selbst ein Risiko einzugehen, aber eine ganz andere, seine neuen Gefährten Gefahren auszusetzen.
»Computer, was ist die am wenigsten gefährliche Sache, die wir tun könnten?«, fragte er.
Zwei oder drei Sekunden piepte der Computer wichtig vor sich hin und sagte dann: »Das ist eine knifflige Frage. Aber wenn man alle Risiken berücksichtigt, insbesondere:
dann steckt ihr ziemlich in der Sch… Ich meine, dann habt ihr ein großes Problem. Ich denke, es ist wahrscheinlich am besten, wenn ihr den Explo-Schaum zur Giftmüllhalde bringt. Wenn ihr die HyperSpaceBahn A 16 nehmt, erreicht ihr vielleicht die Halde, bevor die Fracht explodiert und alle an Bord tötet.«
»Genau, das machen wir«, sagte Max. »Wir fliegen sofort los, und zwar mit voller kosmischer Geschwindigkeit.«
Die Besatzung wechselte betretene Blicke und dann wandte sich Lexie verlegen an den Käpt’n.
»Äh … ich fürchte, das ist nicht möglich, Käpt’n.« Sie verzog das Gesicht. »Wir, äh, dürfen uns auf der HyperSpaceBahn A16 nicht mehr blicken lassen.«
»Man hat uns mit zu hoher Geschwindigkeit erwischt«, sagte Gizmo und warf Krawall einen finsteren Blick zu.
»Sieh mich nicht so an! Lexie hat das Schiff geflogen.«
»Ich habe Befehle befolgt!«
»Nicht meine Befehle!«, schnaubte Gizmo. »Ich habe dir gesagt, dass du langsamer fliegen sollst.« Er zeigte auf Krawall. »Aber jemand hat die Anweisung nicht weitergegeben.«
»Zeig bloß nicht mit dem Finger auf mich.« Krawall sprang auf.
»Offizier Krawall, HINSETZEN!«, befahl Max. »Lasst uns alle die Ruhe bewahren und nachdenken.«
Es war mucksmäuschenstill, abgesehen von Schnuffis Schlabbern. Er hatte aufgehört, auf dem Boden der Kommandobrücke nach Essensresten zu suchen, und leckte stattdessen Tomatensoße von der Armlehne des Kommandosessels. Ich hoffe zumindest, dass es Tomatensoße war. Vielleicht sollten wir besser nicht zu genau hinsehenn.
Schließlich fragte Max: »Gibt es keinen anderen Weg zur Giftmüllhalde?«
»Doch, aber er ist viel länger«, sagte Lexie und zeigte Max auf ihrem Monitor eine 3D-Sternenkarte der Galaxie 43 b.
(Wenn ihr nicht an Weltraumreisen und Navigation interessiert seid, könnt ihr die nächsten Zeilen überspringen.)
Da ihr noch nie eine 3D-Sternenkarte gesehen habt, könnt ihr euch wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie sie aussieht. Und ihr habt bestimmt keine Ahnung, wie schwer es ist, eine solche Karte zu lesen.
Sie zeigt Planeten, Sterne, Asteroidengürtel, Hyper-SpaceBahnen, interstellare Reparaturstellen und noch viel mehr. Außerdem gibt es kreuz und quer Hunderte von bunten Linien, die unterschiedliche Routen und Flugkurse darstellen. Hier und dort bemerkte Max rote Dreiecke, die wie Pizzastücke aussahen.
»Was bedeuten die Dreiecke?«, fragte er.
»Dort gibt es Pizzen zum Mitnehmen«, sagte Yargal.
Lexie hob ihre Möglichkeiten auf der Karte hervor.
»Wenn wir den Megon-Meteorgürtel umfliegen, brauchen wir dreizehn Stunden bis zur Giftmüllhalde.«
»Computer, haben wir dreizehn Stunden Zeit?«, fragte Max.
»Nein. Vorher macht es BUMM. Ha, ha«, antwortete der Computer.
»Oder wir könnten im Zickzack an den Heißen Magmapfützen von Proxima Eruptus vorbeidüsen. Das würde etwa neun Stunden dauern.«
»KA-BUMM«, kommentierte der Computer fröhlich.
»Dann gibt es da noch die Großgalaktische Orbitalroute, aber damit dauert es auch länger.«
»KA-KA-BUMM!«, sagte der Computer. »Bitte lasst mich wissen, wie ihr euch entscheidet. Allerdings verabscheue ich es, Abschied zu nehmen.«
»Wie viel Zeit bleibt uns bis zur wahrscheinlichen Explosion der Fracht?«, fragte Max.
»Entspannt euch! Ihr habt noch mindestens sechseinhalb Stunden!«, sagte der Computer.
»Elendigste Kotze!«, entfuhr es Krawall.
»Nun, Käpt’n?«, fragte Lexie. Wieder einmal fühlte sich Max von vier Gesichtern und neun Augen angestarrt. Eine schreckliche Anspannung erfasste ihn, schlimmer noch als bei einem Strafstoß während des Endspiels um die Meisterschaft.
»Wenn ich der Käpt’n wäre …«, begann Gizmo.
»Aber das bist du nicht, also halt die Klappe!«, sagte Lexie. »An dieser Stelle, Käpt’n, ist die schlechteste Entscheidung vor allem die, die zu lange dauert. Wir haben keine Zeit.«
Max spürte, wie die Sekunden verstrichen … Und alle warteten auf ihn.
»Wir nehmen die HyperSpaceBahn«, sagte er mit fester Stimme.
»Aber wir geraten in schreckliche Schwierigkeiten, wenn wir dort erwischt werden!«, wandte Gizmo ein.
»Dann sollten wir uns besser nicht erwischen lassen«, erwiderte Max. »Und überhaupt, was ist das Schlimmste, das uns passieren kann?«
»Wenn uns die Intergalaktische Verkehrspolizei erwischt«, sagte Lexie, »brummt sie uns eine hohe Geldstrafe auf und zwingt uns, den Explo-Schaum zu verkaufen, damit wir die Geldstrafe bezahlen können. Anschließend schickt sie uns nach Glazia Minus, einen von Schneestürmen und Blizzards heimgesuchten Eisplaneten, auf dem es so kalt ist, dass wir schon dreißig Sekunden vor der Landung erfroren sind.«
»Oh, Käpt’n!«, jammerte Yargal. »Ich bin zu jung, um von Schneestürmen und Blizzards heimgesucht zu werden und schon dreißig Sekunden vor der Landung zu erfrieren!«
Das gilt auch für mich, dachte Max. Aber er lächelte auf eine Weise, die bei der Besatzung Vertrauen wecken sollte. »Wie ich schon sagte: Wir sollten uns also nicht erwischen lassen. Wenn wir uns an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten und keinen Unsinn anstellen, haben wir bestimmt nichts zu befürchten.«
»Na gut, aber es ist deine Schuld, wenn alles schiefgeht«, warnte Lexie. »Computer, berechne einen Kurs zur HyperSpaceBahn A 16.«
Der Computer summte und surrte und seltsame Symbole glitten über den Monitor. Aber das war nur Angeberei, und Max beschloss, nicht darauf zu achten. »Volle kosmische Kraft voraus«, sagte er.
Lexie schob die Steuerknüppel nach vorn. Max wurde nach hinten gedrückt, als die Große Dreckschleuder lossaauste. Er stieß mit dem Kopf an die metallene Kopfstütze des Kommandosessels. Autsch! Das tat richtig weh, dachte er, ließ sich aber nichts anmerken.
Für die Besatzung – und sogar für Schnuffi – war es natürlich völlig normal, mit einer Geschwindigkeit von Zillionen Lichtjahren pro Stunde durchs Weltall zu rasen.
Aber für Max war es …
ÜBERWÄLTIGEND!
(Wenn ihr keine technischen Details mögt, könnt ihr auch diese Stelle überspringen.
Und noch einmal: Da ihr von der Erde seid, kennt ihr Raumschiffe nur aus Kino oder Fernsehen. Bestimmt stellt ihr euch vor, dass der Weltraum zu flimmern und zu wabern begann, als die Große Dreckschleuder auf kosmische Geschwindigkeit ging, dass sie – wuuusch – plötzlich in der Ferne verschwand und einen Schweif aus wogenden Farben hinter sich zurückließ. Und wisst ihr was? Genauso war’s! Bis auf das Wuuusch. Es hörte sich eher wie ein Zzzziiiiip an.)
Natürlich konnte Max es nicht beobachten, denn er befand sich ja im Innern des Raumschiffs. Zum Glück. Es ist nie eine gute Idee, sich außerhalb des Raumschiffs aufzuhalten, wenn es auf kosmische Geschwindigkeit beschleunigt. Die Chance, es einzuholen, ist nämlich ziemlich genau gleich null.
Max hätte nicht einmal davon zu träumen gewagt, einmal mit kosmischer Geschwindigkeit durchs All zu rasen. Es war …
TOLL
und
PHÄNOMENAL
und
ABSOLUT FANTASTISCH!
Es war ihm gleich, wie schäbig das Schiff war und wie schmutzig die Besatzung. Fast hätte er sogar den Explo-Schaum im Frachtraum vergessen. In diesem Augenblick dachte er nur noch daran, Käpt’n eines Raumschiffs zu sein, und es war das großartigste Gefühl im ganzen bekannten Universum und jenseits davon.
»Kurs halten, Offizier Lexie«, sagte er.
»Aye, Käpt’n«, erwiderte sie. »Wir sind noch dreißig Sekunden von der HyperSpaceBahn A16 entfernt.«
Vorn durchs große Sichtfenster konnte Max in der Ferne eine Linie aus Lichtern im dunklen All erkennen, wie die Landebahn eines Flughafens. Immer mehr Lichter erschienen und bewegten sich so schnell, dass sie miteinander verschmolzen. Als sie näher kamen, begriff Max: Die Lichter stammten von zahlreichen Raumschiffen, die auf der HyperSpaceBahn unterwegs waren.
Er fragte sich, wie Lexie die Große Dreckschleuder auf die HyperSpaceBahn bringen wollte, ohne dass es zu einem Zusammenstoß kam.
Aber vielleicht wollte sie das gar nicht …
Sie hatten die HyperSpaceBahn gerade erreicht, als …
KOLLISIONSALARM, KOLLISIONSALARM!
Die Alarmsirenen heulten hysterisch.
»Aaaaaah!«, heulte die Besatzung noch hysterischer.
Ein großer Doppeldecker-Weltraumbus vom Typ KT90 kam direkt auf sie zu!