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Kapitel 20

Weltraumspaziergang!

Die Schleuse der Großen Dreckschleuder sah aus wie ein schmuddeliger, kurzer, runder Tunnel. Das Plastikglas-Fenster in der Tür war verschmiert von Fingerabdrücken und Spritzern, die… von was auch immer stammten. Max blickte in den Raum dahinter und sah auf der anderen Seite das runde Schott. Auf dem Boden lag ein Durcheinander aus Raumanzügen, Helmen, Stiefeln und Rückentornistern. Es sah aus wie der Umkleideraum des 1. FC Himmelhoch nach einem richtig schweren Spiel.

Gizmo öffnete die Luftschleuse und Max folgte ihm hinein. Hinter ihnen schloss sich das Schott mit einem Wuuuusch.

 

(Könnt ihr euch vorstellen, wie sich Max vor seinem ersten Weltraumspaziergang fühlte? Er hätte himmelhoch jauchzen können. [Und eigentlich noch mehr als himmelhoch, denn immerhin war er weit über dem Himmel der Erde, etwa 3,7 Zillionen Lichtjahre entfernt, auf der linken Seite.])

 

Max hörte seinen Herzschlag in den Ohren. Aber er zwang sich, ganz genau hinzusehen, als Gizmo in seinen silbernen Raumanzug kletterte. Max hatte keine Ahnung, wie man einen anzog, wollte das Gizmo gegenüber aber nicht zugeben.

Die Große Dreckschleuder ist mit Raumanzügen der Supergünstig-Klasse ausgerüstet. Sie haben alle die gleiche Größe: L wie large – groß (oder wie in Max’ Fall: zu groß). Handschuhe und Stiefel sind fest eingebaut, damit alles luftdicht ist.

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Es ist überlebenswichtig, dass der Rückentornister richtig aufgesetzt wird. Zwei Schläuchen kommt besondere Bedeutung zu. Der eine für den Sauerstoff führt zum Helm, und der andere (für die großen und kleinen Geschäfte) führt, äh, woandershin.

Was auch immer man macht, es ist wichtig, diese beiden Schläuche nicht miteinander zu verwechseln.

Als Gizmo und Max ihre Raumanzüge angezogen hatten, befestigten sie die Sicherheitsleinen.

 

 

(Da ihr von der Erde seid  – und ich erwähne es jetzt zum letzten Mal, versprochen  – sollte ich vielleicht erklären, was eine »Sicherheitsleine« ist, nämlich nur ein toll klingendes Weltraumwort für ein altes Nylonseil. Das eine Ende bindet man an seinem Gürtel fest und das andere am Schiff. Nicht sehr technisch, ich weiß, aber wahrscheinlich das wichtigste Ausrüstungsstück für einen Astronauten.)

Das absolute Nichts des Weltraums

Gizmo vergewisserte sich, dass beide Sicherheitsleinen richtig befestigt waren. Dann öffnete er die Ausstiegsluke, und sie traten aus dem Raumschiff ins … Nichts, ins absolute Nichts des Weltraums. Ohne Luft, still und leer, abgesehen von Millionen von Sternen und Planeten, die sich endlos erstreckten, und von einem schäbigen, kleinen und beruhigend nahem Müllraumschiff.

Für Max war es …

 

ÜBERWÄLTIGEND!

 

Und auch ein bisschen peinlich. Sich zu bewegen, war weitaus schwerer, als er gedacht hatte. Er hatte es sich wie Schwimmen vorgestellt, wobei man sich durchs Wasser zog oder stieß. Aber der Weltraum ist leer und an Leere kann man sich nicht abstoßen. Man schwebt einfach, strampelt mit den Beinen, rudert mit den Armen und sieht dabei ziemlich blöd aus.

Gizmo kletterte über die Seite der Großen Dreckschleuder und hielt sich an vorstehenden Teilen fest. Das war nicht ungefährlich, denn einige dieser Teile waren so mitgenommen und wacklig, dass sie jederzeit abbrechen konnten.

Max kriegte den Dreh nicht raus. Die Sicherheitsleine verhedderte sich an den Beinen, weshalb er das Schiff losließ und versuchte, die Leine zu entwirren. Was zur Folge hatte, dass er sich in einem langsamen Salto nach hinten drehte.

Gizmos Stimme klang aus dem Lautsprecher des Helmfunks.

»Alles in Ordnung, Käpt’n?«

»Ja, alles bestens, danke«, sagte Max, der jetzt mit dem Kopf nach unten schwebte und hoffnungslos verheddert war.

»Allerdings scheinst du da ein bisschen in Schwierigkeiten zu sein«, fuhr Gizmo fort. Er half Max dabei, den Kopf wieder nach oben zu bringen, und drückte ihn dann sanft zum Schiff zurück.

»Es ist besser, wenn du dich festhältst, Käpt’n.«

»Klar«, erwiderte Max und langte nach einem Metallding, das aus der Seite der Großen Dreckschleuder ragte.

Sie hangelten sich am Rumpf des Schiffes entlang, in Richtung des linken Triebwerks. Das in seiner Seite steckende Metallstück war unschwer zu erkennen, doch sie konnten es nicht erreichen.

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(Man sollte meinen, dass die Erbauer von Raumschiffen an Sicherheitsleinen denken, die lang genug sind, damit man mit ihnen alle wichtigen Teile an der Außenseite eines Schiffes erreicht, nicht wahr? Leider denken sie nicht daran.

Bei der Großen Dreckschleuder sind die Leinen zwei Meter kürzer als die Entfernung von der Schleuse bis zum linken Triebwerk und das war ein echtes Ärgernis für Max und Gizmo.)

Blank liegende Nerven

Unterdessen saßen Lexie und die anderen besorgt auf der Kommandobrücke. Sie konnten Gizmo und Max nicht sehen, hatten also keine Ahnung, was vor sich ging. Lexie knabberte nervös an ihren Fingernägeln und Yargal saugte geräuschvoll an einem Tentakel.

»Muss das sein?«, schnauzte Krawall.

Lexie wusste sofort, dass er Fingernägel und Tentakel meinte. »Ja, es muss sein!«, erwiderte sie scharf. »Wenn es dir nicht passt, dann geh doch woandershin. Zum Beispiel nach draußen zu den anderen.«

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»Du solltest da draußen sein und Gizmo helfen, nicht der Käpt’n«, sagte Yargal. »Es war deine Schuld.«

»War es nicht.«

»Fangt bloß nicht an, euch zu streiten«, raunzte Lexie, deren Nerven blank lagen. »Ich versuche, sie per Funk zu erreichen. Brücke an Gizmo. Kannst du mich hören?«

Sie bekam keine Antwort.

 

(Wisst ihr, ich will kein großes Drama daraus machen  – keine Sorge, es ist nichts Schlimmes passiert. Max und Gizmo waren einfach zu beschäftigt: Sie zofften sich so sehr, dass sie Lexie gar nicht hörten.)

 

 

»Bist du verrückt?«, rief Gizmo.

»Nur für einen Moment! Gerade lange genug, damit ich das Metallstück dort erreichen und es wegstoßen kann.«

»Nein! Es ist die erste Regel des Intergalaktischen Reise- und Transportabkommens in Hinsicht auf Reparaturen außerhalb des Raumschiffs: LÖSE NIEMALS UND AUF GAR KEINEN FALL DIE SICHERHEITSLEINE.«

»Hast du eine bessere Idee?«

»Äh … nein.«

»Na bitte.« Max löste seine Sicherheitsleine und gab sie Gizmo. »Keine Sorge, mir passiert schon nichts.«

Gizmo beobachtete, wie sich Max zum Triebwerk zog. »Lass bloß nicht das Schiff los, Käpt’n!«, sagte er.

Um Himmels willen, so dumm bin ich nicht!, dachte Max.

Vorsichtig zog er sich weiter, hielt sich mit einer Hand am Triebwerksgehäuse fest und zerrte mit der anderen an dem Metallstück. Es saß recht locker und brauchte nur einen ordentlichen Stoß.

Also gab ihm Max den ordentlichen Stoß – mit beiden Händen.

Was ein Fehler war. Ein großer Fehler. Sogar der größte Fehler seines Lebens.

Denn das Metallstück löste sich viel leichter, als er gedacht hatte … und Max folgte ihm! Erschrocken streckte er die Hand nach dem Schiff aus, aber es war bereits zu spät. Seine Hand berührte… nichts!

»Gizmo! Hilfe!«

Gizmo stieß sich mit den Beinen vom Schiff ab und flog in Max’ Richtung, kam aber nur so weit, wie es die Sicherheitsleine zuließ. Verzweifelt streckten sie einander die Hände entgegen … und verfehlten sich um einen halben Zentimeter.

Max flog weg vom Schiff, tiefer ins dunkle All.

»Käpt’n!«, rief Gizmo. »Käpt’n!«

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